Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2015, Az. 5 StR 20/15

5. Strafsenat | REWIS RS 2015, 12800

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
5 StR 20/15

vom
14. April 2015
in der Strafsache
gegen

wegen ausbeuterischer Zuhälterei u.a.

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Der 5.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 14. Ap-ril
2015, an der teilgenommen haben:
[X.] Prof. Dr. [X.]

als Vorsitzender,

[X.] Prof. Dr. König,
[X.] Dr. [X.],
[X.],
[X.] Dr. Feilcke

als beisitzende [X.],

[X.]

als Vertreter der [X.]schaft,

Rechtsanwalt L.

als Verteidiger,

Rechtsanwältin G.

als Vertreterin der
Nebenklägerin K.

,

Rechtsanwältin C.

als Vertreterin der [X.] A.

, Be.

, D.

und Ko.

,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

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für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 21. Februar 2014 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens und die hierdurch den [X.] entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
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Von Rechts wegen
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Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen ausbeuterischer Zuhälterei in fünf tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen gefährlicher Kör-perverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ferner
hat es eine Entscheidung nach § 111i Abs. 2 [X.] getroffen. Die auf Verfah-rensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
I.
Nach den Feststellungen des [X.]s ließen der Angeklagte und seine mitangeklagte Ehefrau sowie seine gleichfalls mitangeklagte Tochter über mehrere Jahre hinweg die [X.]

fünf [X.] Prostituierte

für sich arbeiten. Sie nahmen ihnen sämtliche Prostitutionseinnahmen ab und verbrauchten diese für ihren Lebensbedarf. Die
[X.] erhielten 1
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entgegen vorab erteilten Zusicherungen, die Einnahmen hälftig aufzuteilen, über den gesamten Zeitraum ihrer Tätigkeit hinweg neben Kost und Logis nur kleinere Beträge.
Nach einem gemeinsamen Diskothekenbesuch schlug der Angeklagte die Nebenklägerin Ko.

in angetrunkenem Zustand mit den Handflächen sowie Fäusten und dann mit einer vereisten Wasserflasche ins Gesicht, weil sie mit einem [X.] getanzt hatte. Er fügte ihr hierdurch eine blutende Platzwun-de unter der linken Augenbraue zu. Es blieb eine Narbe zurück.
II.
Das Urteil des [X.]s hält rechtlicher Prüfung stand.

273 Abs. 1a Satz

lt eines am 14. Februar 2014 mit dem Ziel der Verständigung geführten [X.] nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt und dokumentiert hat. Damit vermag sie letztlich nicht durchzudringen.
a) Im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Nach einem außerhalb der Verhandlung zwischen einem beisitzenden [X.] und einem Verteidiger zustande gekommenen Kontakt zur Frage einer Verständigung erkundete das Gericht am [X.] (14. [X.] 2014) in öffentlicher Hauptverhandlung, ob bei der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft Interesse an [X.]n bestehe. Dies wurde bejaht. Daraufhin wurde im Gerichtssaal ein Gespräch geführt, an dem mit Ausnahme der Angeklagten alle Verfahrensbeteiligten teilnahmen. Die
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teidiger stellten den Aspekt weiterer Inhaftierung ihrer Mandanten in den [X.]. Der Verteidiger der nicht revidierenden Tochter des Angeklagten sprach die Möglichkeit der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich seiner Mandantin an. Die Staatsanwältin bewertete die Rechtslage zur Strafbarkeit wegen Menschenhandels nach dem Stand der Beweisaufnahme. Ferner [X.] namentlich von den Vertretern der [X.] Schadensersatzzah-lungen thematisiert. [X.] wurden weder vom Gericht noch von anderer Seite verlautbart. Nach Beendigung des Gesprächs wurde der Ange-klagte durch seinen Verteidiger ohne Mitteilung von Details darüber informiert, dass das Gespräch ohne Ergebnis geendet habe.
Am 34. Verhandlungstag (18. Februar 2014) unterbreitete das Gericht für den Fall einer geständigen Einlassung der Angeklagten einen umfangreichen [X.]. Dem Beschwerdeführer wurde eine Verurteilung zu Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bis zu vier Jahren und sechs Monaten
in Aussicht gestellt. Gegenstand des Vorschlags war weiterhin ein Schuldanerkenntnis der drei Angeklagten, in dem sie sich gesamtschuldne-l-ten. Bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft sollten in Bezug auf eine Reihe von [X.] nach §§ 154, 154a [X.] erfolgen. Die Belehrung gemäß § 257c Abs. 4 [X.] wurde erteilt. Darüber [X.] brachte der Vorsitzende zum Ausdruck, er gehe davon aus, dass der [X.] nur bei Beteiligung aller drei Angeklagten Bestand haben könne. [X.], Ablauf und Inhalt des Gesprächs vom 14. Februar 2014 gab das Gericht an diesem Tag wie auch im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nicht [X.]. Dementsprechend wurde diesbezüglich auch keine Mitteilung protokol-liert.
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Noch am 18. Februar 2014 machte der Verteidiger des Angeklagten schriftsätzlich geltend, dass die Bedingung der Zustimmung aller Angeklagten unzulässig sei. Am 35. Verhandlungstag (19. Februar 2014) stellte der [X.] in öffentlicher Hauptverhandlung klar, dass die Zustimmung aller Ange-klagten keine Bedingung des Gerichts sei. Er gehe aber
davon aus, dass die Staatsanwaltschaft diese Bedingung stelle. Dies wurde von der Sitzungsvertre-terin der Staatsanwaltschaft bestätigt. Die Frage des Gerichts, ob dem [X.] zugestimmt werde, verneinte der Angeklagte. Die Sitzung wurde unterbrochen.

Hauptverhandlung unterbreiteten gerichtlichen Vorschlag, dem der Angeklagte zustimmen könne oder eben nicht. Nach Unterrichtung durch den Verteidiger, dass es keine (weitere) Äußerung des Gerichts gebe, erklärte der Angeklagte dem Verteidiger, nunmehr zustimmen zu wollen. Der Verteidiger erkundigte sich beim Vorsitzenden, welchen Geständnisinhalt das Gericht erwarte, worauf der Vorsitzende in Anwesenheit der Berufsrichter bekundete, das Gericht sei bei dem [X.] davon ausgegangen, dass der Angeklagte den [X.] die Hälfte der Prostitutionseinnahmen zugesichert, ihnen [X.] sowie dass er die Nebenklägerin Ko.

geschlagen habe. Ein [X.] sei mithin die Basis des [X.]s. Dies teilte der Verteidiger dem Angeklagten mit.
Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung stimmten alle Angeklagten dem [X.] zu. Der Angeklagte ließ sich zur Sache ein und 9
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räumte die vorgenannten Umstände ein. Sämtliche Angeklagten erklärten ein Schuldanerkenntnis im Sinne des Vorschlags.
b) Bei dem geschilderten Verfahrensablauf ist eine Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] gegeben. Nach dieser Bestimmung hat der Vorsitzende das Stattfinden und den wesentlichen Inhalt von während des Verlaufs der [X.] geführten Erörterungen (§§ 212 i.V.m. 202a [X.]) mitzuteilen, sofern deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist. Dies war bei dem Gespräch vom 14. Februar 2014 der Fall.
Das Gespräch erfolgte in Unterbrechung der Hauptverhandlung auf die ausdrückliche Frage des Gerichts nach etwaigem Verständigungsinteresse hin. In dessen Verlauf wurden in Anwesenheit aller Verfahrensbeteiligten mit Aus-nahme der Angeklagten unter anderem mit dem Gesichtspunkt der Haft, der Strafaussetzung zur Bewährung in Bezug auf die Tochter des Angeklagten und von Schadensersatzzahlungen aller Angeklagten Themen aufgeworfen, die [X.] Verständigung zugänglich sind (vgl. [X.]/[X.]/[X.], 7.
Aufl., § 257c Rn. 15 [X.]). Dies überschreitet

anders als der erste Kontakt zwischen dem beisitzenden [X.] und einem Verteidiger

sowohl nach den äußeren Umständen als auch dem Inhalt der Unterredung den Bereich einer [X.], [X.] 2013, [X.], 55). Dass die Besprechung zum Inhalt einer Verständigung wenig konkret war, namentlich von keinem [X.] [X.] zur Diskussion gestellt wurden, vermag daran nichts zu ändern.
c) Der [X.] kann unter den hier gegebenen Umständen jedoch ein Be-ruhen des Urteils auf dem Rechtsverstoß (§ 337 Abs. 1 [X.]) sicher ausschlie-ßen. Dass ein Ausschluss des [X.] bei Verletzung der Mitteilungs-
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Dokumentationspflichten, die einem Unterlaufen des Schutzkonzepts entge-genwirken sollen, in Ausnahmefällen möglich ist, entspricht der Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.] 133, 168, 223 f. Rn. 98; [X.] [Kammer], Beschluss vom
15. Januar 2015

2 BvR 878/14
Rn. 28 f.; siehe
auch [X.], Beschluss vom 15. Januar 2015

1 [X.] [zum Abdruck in [X.]St bestimmt], NJW 2015, 645 Rn. 14, 17 ff.). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.
aa) Allerdings ist dem [X.] mit dem völligen Unterlassen der ge-botenen Mitteilung unter dem Blickwinkel des [X.] in Verbindung mit dem Gebot des fairen Verfahrens (vgl. [X.] [Kammer], Beschluss vom
15. Januar 2015

2 BvR 878/14
Rn. 19 ff. [X.]) eine gewichtige [X.] unterlaufen. Das Schutzkonzept der strafprozessualen [X.] erfordert es, dass Erörterungen mit dem Ziel der Verständigung stets in öffentlicher Hauptverhandlung zur Sprache kommen, um einem informellen und unkontrollierbaren Verhalten unter Umgehung strafprozessualer [X.] möglichst keinen Raum zu lassen (vgl. [X.] 133, 168, 223 f. Rn. 98; [X.] [Kammer], Beschluss vom 15. Januar 2015

2 BvR 878/14 Rn. 28).
Indessen sind hier bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2015

1 [X.], aaO Rn. 19) Um-stände vorhanden, die die Rechtsverletzung letztlich in einem milderen Licht erscheinen lassen. Insbesondere erfolgte die Initiative für das Gespräch von Seiten des Gerichts in öffentlicher Hauptverhandlung. Damit war sowohl für die Öffentlichkeit als auch für sämtliche Verfahrensbeteiligten offenkundig, dass [X.] durchgeführt werden würden. Ferner kann nach dem [X.] zum Verlauf des Gesprächs, der in dienstlichen Stellungnah-men des Vorsitzenden und der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft seine 15
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Bestätigung gefunden hat, mit Gewissheit ausgeschlossen werden, dass das Gespräch auf eine gesetzwidrige Absprache gerichtet war. Es handelte sich auch nicht etwa um einen [X.], der aufgrund widerstreiten-der Interessen fehlgeschlagen war. Vielmehr wurden einige Positionen lediglich eher abstrakt thematisiert. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass sich die [X.] durch das Gespräch einen Eindruck verschaffen wollte, um in der [X.] einen umfassenden [X.] entwi-ckeln zu
können. Dieser wurde am darauffolgenden 34. Verhandlungstag in öffentlicher Verhandlung bekanntgegeben, ohne dass Verlauf und Inhalt des Vorgesprächs in irgendeiner Weise für das öffentliche Verständnis der Abspra-che Bedeutung erlangen konnten. Demgemäß hat sich die Verständigung trotz der Mitteilungs-
und Dokumentationsverletzung in ihrer entscheidenden Gestalt [X.] 133, 168, 215 Rn. 82). Vor diesem Hintergrund kann dahingestellt bleiben, ob nicht sogar

was durchaus nicht fernliegt, wozu aber die Revision nicht vorträgt

der Gerichtssaal während des Gesprächs vom 14. Februar 2014 der Öffentlichkeit zugänglich gewesen ist.
bb) Aufgrund dieser Besonderheiten kann der [X.] darüber hinaus
sicher ausschließen, dass infolge der unterlassenen gerichtlichen Mitteilung sowie Dokumentation die [X.] des Angeklagten in [X.] beeinträchtigt worden ist und das Gericht bei ordnungsgemäßer Be-kanntgabe sowie deren Protokollierung zu einem anderen Ergebnis gelangt wä-re. Der Angeklagte war durch die am 33. Verhandlungstag in öffentlicher Hauptverhandlung erfolgte gerichtliche Anfrage und die von den anderen [X.] bekundete [X.] darüber informiert, dass es sogleich zu durch das Gericht initiierten [X.]n kommen werde. Er wurde nach dem Gespräch durch seinen Verteidiger ([X.]
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fend) darüber unterrichtet, dass es (noch) kein Ergebnis gegeben habe. Der inhaltlich nicht etwa auf bestimmten im Gespräch vom 14. Februar 2014 vertre-tenen Positionen fußende [X.] wurde am 18. Febru-ar
2014 in der Hauptverhandlung bekanntgegeben und mit ihm erörtert, worauf-hin am 19. Februar 2014 nach ordnungsgemäßer Belehrung die Verständigung zustande kam. Unter diesen Vorzeichen bestand nicht im Ansatz die Gefahr eines dem Angeklagten abträglichen Interessengleichlaufs von Gericht, Staats-anwaltschaft und Verteidigung (vgl. [X.] 133, 168, 232 Rn. 114). Genauso wenig kann angenommen werden, dass das beim Angeklagten bestehende In-formationsdefizit über Inhalt und Verlauf des Gesprächs vom 14. Februar 2014 dessen Fähigkeit zu autonomer Willensbildung vor allem in Richtung der Bege-bung seiner [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Janu-ar
2015

1 [X.], aaO
Rn. 21 f. [X.]) in irgendwie fassbarer Weise be-einträchtigt haben könnte. Das gilt im Besonderen für die durch die Revision
vorläufigen rechtlichen Bewertung zum (dann ausgeschiedenen) Anklagevor-wurf des Menschenhandels erschöpfte.
d) Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der [X.] aus § 273 Abs. 1a Satz 2 i.V.m. § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] rügt, liegt be-reits nach seinem Vortrag ein Rechtsfehler nicht vor. Denn das zu einer

tat-sächlich nicht erfolgten

Mitteilung schweigende Protokoll gibt den Gang der Hauptverhandlung gerade zutreffend wieder (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Ja-nuar 2015

1 [X.], aaO Rn. 12 [X.]).
e) Der [X.] muss nicht die

naheliegend zu verneinende

Frage [X.], ob die ersichtlich auf dem Ergebnis der zuvor über 30 Verhandlungs-tage andauernden Hauptverhandlung und dabei vor allem der Vernehmung von 18
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zwei [X.] fußende Auskunft des Vorsitzenden über den [X.] von § 243 Abs. 4 Satz 2 [X.] gelten und damit Mitteilungs-
und Dokumenta-tionspflichten auszulösen geeignet sein könnte. Denn eine solche [X.] macht die Revision nicht geltend. Die Angriffsrichtung bestimmt aber den Prüfungsumfang des Revisionsgerichts (vgl. [X.], Urteil vom 3. Septem-ber
2013

5 [X.], [X.], 671; Beschluss vom 20. Oktober 2014

5 [X.] [zum Abdruck in [X.]St bestimmt], NJW 2015, 265, 266 Rn. 14; jeweils [X.]). Entsprechendes gilt für die Frage, ob die Verständigung sämtli-chen Anforderungen des § 257c [X.] genügt hat.
2. Der Beschwerdeführer rügt weiter e
m-mung zur Verständigung gesetzwidrig von einer Zustimmung aller Angeklagten abhängig gemacht habe. Hierdurch sei für den Beschwerdeführer eine psychi-sche Drucksituation entstanden, weil er um die Belange seiner mitangeklagten Ehefrau und seiner gleichfalls mitangeklagten Tochter besorgt gewesen sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vortrag den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] in jeder Hinsicht genügt. Die [X.] ist jedenfalls unbegründet.
a) Weder dem gesetzlichen Schutzkonzept zur Verständigung noch übergeordneten Grundsätzen lässt sich ein an Gericht oder Staatsanwaltschaft gerichtetes Verbot entnehmen, in einem gegen mehrere Angeklagte gerichteten [X.] Recht eines Angeklagten auf Verständigung existiert nicht (vgl. auch
[X.]/[X.], [X.], 57. Aufl., § 257c
Rn. 6; OLG Celle NStZ 2012, 285, 286). Gerade in Umfangsverfahren wie dem vorliegenden kann eine Ver-ständigung mit nur einzelnen Angeklagten unter dem Aspekt der Verfah-20
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rensökonomie im Wesentlichen wertlos sein, im Gegenteil sogar gewisse [X.] für den Bestand des Urteils in sich [X.] (vgl. [X.],
Beschluss vom 2.

[X.]/[X.]/[X.], aaO, § 257c Rn. 11; [X.], NStZ 2014, 252, 261). Dies gilt zumal dann, wenn die Tatbeiträge der Angeklagten

wie hier

in besonderer Weise miteinander verwoben sind. Die drei Angeklagten verübten die ausbeuterische Zuhälterei in arbeitsteiliger Organisation. Ihnen flossen die Prostitutionseinnahmen der [X.] auch gemeinsam zu. Dementsprechend war Gegenstand der Verständigung ein von allen Angeklag-ten abgegebenes Schuldanerkenntnis zu gesamtschuldnerischer Schadenser-ö-

b) An der Gesetzmäßigkeit der
durch die Staatsanwaltschaft konkret ab-gegebenen Erklärung vermag auch eine in der Revisionsbegründung freilich seiner familiären Bindungen zu den in den [X.] eingebun-denen Mitangeklagten nichts zu ändern. Allein hierdurch wird nicht eine Beein-trächtigung der Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Ange-klagten ausgelöst, die der in § 136a [X.] bezeichneten entsprechen oder na-hekommen und eine eingegangene Verständigung deswegen vielleicht [X.] machen könnte. Auch sind Anhaltspunkte für einen irgendwie gearteten vorhanden. Dass die Staatsanwaltschaft die Lage des Angeklagten
auch nur durch entsprechende Hinweise instrumentalisiert hätte, um ihn zu einer Zu-stimmung zu drängen, trägt die Revision nicht vor. Dem Umstand, dass die ty--

(vgl. [X.] 133, 168, 208 Rn. 68) in Konstellationen wie der vorliegenden 22
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unter Umständen verstärkt wird, kann das Tatgericht vor allem im Rahmen der Aufklärung und dann gegebenenfalls der Beweiswürdigung Rechnung tragen.

Art. 6 Abs. 1,

a) Ihr liegt im Wesentlichen folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Nach einer sich über mehrere Tage erstreckenden Vernehmung der Zeugin und Nebenklägerin D.

regte der Verteidiger des Angeklagten an, wegen massiver Widersprüche zwischen ihrer Aussage vor Gericht und in früheren polizeilichen Vernehmungen von einer weiteren Befragung abzusehen, weil ihre Aussage zur Überprüfung der Anklagevorwürfe nicht geeignet sei. Nach einer Besprechung zwischen den Verfahrensbeteiligten gab der [X.] in der Hauptverhandlung den Hinweis (§§ 257b, 273 Abs. 1a Satz 2 [X.]), dass die weitere Befragung der Zeugin aus [X.] nicht geboten sei. Die Aussageschwächen wie fehlende [X.] und [X.] seien so eklatant, dass das Anerbieten der Verteidiger zur verkürzten Zeugenbefragung zu sachlich gebotener Verfahrensbeschleunigung führen werde. Die Zeugin wurde vor einer eingehenden Befragung durch die Verteidi-gung entlassen und im weiteren
Verlauf nicht mehr vernommen. Der Verteidiger widersprach bei der Entlassung der Verwertung der Aussage der Zeugin. Er begründete dies mit (behaupteten) rechtsstaatswidrigen Vernehmungen bulga-rischer Staatsorgane.
In der Beweiswürdigung zog die [X.] die Angaben der Zeugin D.

zum [X.] der durch den Angeklagten verübten gefährli-chen Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin Ko.

insofern heran, als sie die Glaubhaftigkeit des hierzu abgegebenen Geständnisses des Ange-23
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klagten [X.] bestätigten; die Zeugin habe dieses Geschehen trotz des an-sonsten geringen Beweiswerts ihrer Aussage detailliert, schlüssig und anschau-lich beschrieben, wobei sich ihre Bekundungen mit denen des Angeklagten deckten ([X.]). Hinsichtlich des Vorwurfs der durch die Angeklagten über mehrere Jahre hinweg verübten ausbeuterischen Zuhälterei verwertete das [X.] die Aussage nicht.
b) Die [X.] entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Denn die Revision hat die Niederschriften über die polizeilichen Verneh-mungen der Zeugin nicht vorgelegt, auf die sie sich zur Begründung ihrer Anre-gung der Nichtweitervernehmung tragend gestützt hat. Der [X.] kann deshalb nicht prüfen, ob die Bekundungen der Zeugin auch zu diesem gegenüber dem Vorwurf langjähriger Ausbeutung mehrerer Prostituierter leicht fassbaren Teil-aspekt im Vergleich zu ihrer Aussage vor Gericht Inkonstanzen gravierender Art aufwiesen. Allenfalls unter dieser Voraussetzung könnte an einen durch die Verfahrensweise der [X.] geschaffenen Vertrauenstatbestand gedacht werden, dass sie die hierzu erfolgte und sich mit der geständigen Einlassung des Angeklagten im Detail deckende Aussage nicht als Indiz für deren Glaub-haftigkeit in Ansatz bringen würde.
4. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachbeschwerde deckt kei-nen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
a) Die Beweiswürdigung ist tragfähig vorgenommen. Das [X.] hat die geständige Einlassung des Angeklagten und die sich damit deckenden ge-ständigen Aussagen der Mitangeklagten hinreichend mit den Ergebnissen der mehr als 30 Tagen dauernden Verhandlung abgeglichen und auf ihren Wahr-heitsgehalt untersucht. Ausweislich der Sitzungsniederschrift über die [X.] vom 19. Februar 2014, die dem [X.] aufgrund der unter Ziffer 1 27
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erörterten Verfahrensrüge zugänglich gewesen ist, hat sich der Angeklagte [X.] seines Verteidigers beschränkt.
Vielmehr hat er mindestens 40 [X.] bis maximal eine knappe Stunde lang zur Sache ausgesagt und dabei [X.] beantwortet. Dies hat auch in den Urteilsgründen seinen Niederschlag ge-funden ([X.] ff.).
Besonderen Stellenwert im Rahmen der Beweiswürdigung nahmen die Aussagen der [X.] A.

und K.

ein. Entgegen der Auf-einem denkbaren Falschbelastungsmotiv wegen in Aussicht stehenden Scha-densersatzes befasst ([X.] f.). Auch die Aussage der Zeugin D.

ist mit der gebotenen Zurückhaltung gewürdigt ([X.] f.). Dass sich das [X.] nicht ausdrücklich mit der Frage befasst hat, ob der Angeklagte (wie dann auch die mitangeklagte Ehefrau
und die mitangeklagte Tochter) möglich-der Haft seiner Ehefrau und seiner Tochter zu erreichen, begründet schon an-gesichts der hier gegebenen klaren Beweislage keinen durchgreifenden [X.] (vgl. auch [X.], Beschluss vom 23. Mai 2012

1 [X.] Rn. 7).
b) Die Entscheidung nach § 111i [X.] ist noch hinreichend begründet. Soweit das [X.] bei der Berechnung des (auch) durch
den Angeklagten aus der Straftat der ausbeuterischen Zuhälterei [X.] ([X.]) möglich-erweise Zeiten einbezogen hat, die vor Inkrafttreten des § 111i [X.]
am 1.
Januar 2007 liegen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 10. April 2013

1 StR 22/13, [X.], 254, 255 [X.]), würde das Urteil hierauf nicht beruhen. Denn auch die nach diesem Zeitpunkt gemäß der durch die Straf-30
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g-ten Beträge übersteigen die durch sie letztlich angenommene Summe von Schätzung schließt der [X.] ferner aus, dass die Festsetzung des [X.] noch niedriger ausgefallen wäre, wenn das [X.] die Härtefallvor-schrift des § 73c Abs. 1
StGB explizit erörtert hätte.

[X.] König [X.]

Bellay Feilcke

Meta

5 StR 20/15

14.04.2015

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.04.2015, Az. 5 StR 20/15 (REWIS RS 2015, 12800)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12800

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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