Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. 4 A 17/20

4. Senat | REWIS RS 2022, 9182

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Erfolglose Rüge der Rechtswidrigkeit der räumlich-technischen Variantenprüfung für eine Höchstspannungsfreileitung durch einen enteignungsbetroffenen Kläger


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für eine Höchstspannungsfreileitung.

2

Der Beschluss der [X.] vom 30. September 2020 stellt den Plan für die Errichtung und den Betrieb einer 380-kV-Höchstspannungsleitung im Abschnitt Pkt. [X.] - [X.] durch die beigeladene Übertragungsnetzbetreiberin fest. Die Trasse ist rund 33,5 km lang; auf ihr sollen 87 [X.]en neu errichtet werden. Das Vorhaben ist ein Abschnitt des ca. 150 km langen Vorhabens [X.] - Pkt. Meppen ([X.] <[X.]> 4201). Dabei handelt es sich um den südlichen Teil des 181 km langen Gesamtvorhabens [X.]/[X.] - [X.], das in [X.] der Anlage zum Energieleitungsausbaugesetz - [X.] - und darin zugleich als ein Pilotvorhaben für die Erdkabeltechnologie aufgeführt ist.

3

Die planfestgestellte Freileitung mit zwei [X.] verläuft zunächst von [X.] 115 bis [X.] 170 in nördlicher, dann nordöstlicher Richtung und nutzt dabei auf einer Strecke von über 26 km Länge im Wesentlichen den [X.] der zurückzubauenden und überwiegend bereits zurückgebauten 220-kV-Höchstspannungsfreileitung [X.]/[X.] - [X.] ([X.]). Ab [X.] 170 (Pkt. [X.]) verlässt die Leitung den vorhandenen [X.] in nördlicher Richtung, von [X.] 175 bis [X.] 202 ([X.]) wird sie - abgesehen von einer Verschwenkung von [X.] 189 bis [X.] 194 - parallel mit der [X.] - Gersteinwerk ([X.] 4307; belegt mit zwei [X.] und je einem 220-kV- und 110-kV-Stromkreis) zunächst nach Nordwesten und später nach Norden geführt.

4

Der Kläger bewirtschaftet einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde [X.] im Norden des [X.]. Er baut Sonderkulturen wie Spargel und Erdbeeren an, die er direkt ab Hof an Endverbraucher und über den Handel vermarktet. Mehrere in seinem Eigentum stehende Grundstücke werden im Bereich von [X.] 191 bis [X.] 196 von der Leitung überspannt sowie für Schutzstreifen und für die Errichtung von [X.]en in Anspruch genommen. Über seine Grundstücke verlaufen außerdem die 380-kV-Höchstspannungsfreileitung [X.] 4307, eine Mittelspannungsfreileitung und drei unterirdische Hochdruck-Gasleitungen; auch stehen dort bereits mehrere [X.]en. Im Bereich der [X.]en ... und ... soll die geplante Leitung zwischen seiner Hofstelle und der Bestandsleitung [X.] 4307 geführt werden. Die Leitung verläuft in einer Entfernung von 182 m zum Wohngebäude. Der [X.] ... ist etwa 200 m entfernt.

5

Der Kläger wendet sich gegen die Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke. Er rügt Beeinträchtigungen seines Eigentums und seiner betrieblichen Belange durch eine übermäßige Belastung aufgrund weiterer Überspannungen und [X.]standorte. Im betreffenden Abschnitt sei eine gemeinsame Führung ("Einspurigkeit") der Trassen [X.] 4201 und [X.] 4307 mit allen auf diesen geführten Stromkreisen auf den neu zu errichtenden [X.]en der [X.] 4307 möglich und zur Schonung seiner Belange auch geboten.

6

Der Kläger beantragt,

den Planfeststellungsbeschluss der [X.] vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung [X.] - Pkt. Meppen ([X.] 4201) im Abschnitt Pkt. [X.] - [X.] in der Gestalt der [X.] vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 aufzuheben, soweit er den Bereich von [X.] 191 bis [X.] 196 betrifft,

hilfsweise

festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss der [X.] vom 30. September 2020 für die Errichtung und den Betrieb der 380-kV-Höchstspannungsleitung [X.] - Pkt. Meppen ([X.] 4201) im Abschnitt Pkt. [X.] - [X.] in der Gestalt der [X.] vom 25. April 2022 und vom 2. September 2022 sowie des Planergänzungsbeschlusses vom 11. Oktober 2022 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist, soweit er den Bereich von [X.] 191 bis [X.] 196 betrifft.

7

Der Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

8

Sie verteidigen den Planfeststellungsbeschluss.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Kläger ist durch die Inanspruchnahme von Grundflächen für [X.] und für Schutzstreifen enteignungsbetroffen, sodass ihm ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) zusteht, soweit der geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme seiner Grundstücke kausal ist ([X.], Urteile vom 12. August 2009 - 9 A 64.07 - [X.]E 134, 308 Rn. 24, vom 26. Juni 2019 - 4 A 5.18 - [X.] 451.17 § 43 [X.] Nr. 10 Rn. 12 und vom 3. November 2020 - 9 A 12.19 - [X.]E 170, 33 Rn. 25 ff., 34 ff.). Der Kläger trägt mit seiner Antragstellung dieser Einschränkung Rechnung; denn die Trassenführung im Bereich [X.], die Gegenstand der Verfahren - [X.] 4 A 15.20 - und - [X.] 4 A 16.20 - ist, wirkt sich auf seine Betroffenheit nicht aus.

Der Kläger kann im beantragten Umfang weder die Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses in der Fassung der im Laufe des Gerichtsverfahrens erlassenen Änderungs- und Ergänzungsbeschlüsse noch die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen. Denn der Planfeststellungsbeschluss verletzt - nach Maßgabe des durch den gemäß § 6 Satz 1 UmwRG fristgerechten Vortrag bestimmten Prozessstoffs ([X.], Urteil vom 5. Juli 2022 - 4 A 13.20 - [X.] 2022, 639 Rn. 12) - den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Der Kläger wendet sich allein gegen die Trassenführung im Bereich seiner Grundstücke, insbesondere bei seiner Hofstelle. Er ist der Auffassung, dass die Mitführung der vorhandenen Stromkreise der Bestandsleitung auf den in der [X.] neu zu errichtenden Masten ("Ersatzneubau der [X.]") die vorzugswürdige räumlich-technische Alternative sei.

Die [X.] zugunsten der planfestgestellten Parallelführung der beiden Höchstspannungsleitungen ist indessen nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des [X.] führt nicht auf einen rechtserheblichen Fehler des [X.] oder des [X.]. Der Planfeststellungsbeschluss hat die abwägungserheblichen Belange zutreffend erfasst; die auf dieser Grundlage erfolgte Gesamtabwägung hat von Rechts wegen Bestand.

Nach § 43 Abs. 3 [X.] sind bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Das Abwägungsgebot verlangt, dass - erstens - eine Abwägung überhaupt stattfindet, dass - zweitens - in die Abwägung an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, und dass - drittens - weder die Bedeutung der öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 47 m. w. N.).

Bestehen keine rechtlich zwingenden Vorgaben, ist die Auswahl unter verschiedenen [X.] eine fachplanerische [X.]. Die Ausübung der planerischen Gestaltungsfreiheit unterliegt rechtlichen Bindungen. Die Wahl einer Trassenvariante ist rechtsfehlerhaft, wenn eine andere als die gewählte Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belange insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen. Darüber hinaus ist die [X.] auch dann fehlerhaft, wenn der Planungsbehörde infolge einer fehlerhaften Ermittlung, Bewertung oder Gewichtung einzelner Belange ein rechtserheblicher Fehler unterlaufen ist (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 2021 - 4 A 9.19 - UPR 2022, 98 Rn. 48 m. w. N.). Gleiches gilt für die Auswahl unter technischen Varianten (siehe etwa [X.], Urteil vom 12. November 2020 - 4 A 13.18 - juris Rn. 128 ff.).

2. Der Kläger teilt die Auffassung des Planfeststellungsbeschlusses (S. 199), dass eine Mitführung der geplanten zwei 380-kV-Stromkreise auf den bestehenden Masten der Leitung [X.] (Variante 1) wegen technischer Undurchführbarkeit nicht in Betracht kommt, weil die Bestandsleitung aus statischen Gründen nicht um die dann erforderlichen zusätzlichen Traversen nachgerüstet werden kann. Auch soweit der Planfeststellungsbeschluss ([X.]01 f.) unter Verweis auf technische und betriebliche Risiken die Variante 3 verwirft, bei der die Leitung [X.] 4201 die Leitung [X.] kreuzt, sodass die neue Leitung im Bereich des Hofs des [X.] auf der diesem abgewandten Ostseite der Bestandsleitung geführt wird, macht der Kläger [X.] nicht geltend.

Das Führen aller sechs Stromkreise auf einem Gestänge ist nach der im Planfeststellungsbeschluss vertretenen und vom Kläger, gestützt durch ein Sachverständigengutachten, geteilten Auffassung [X.] auf hierfür nach Statik und Größe ausgelegten Masten mit dann vier Traversen möglich und wird nach Aussage des Beklagten in der mündlichen Verhandlung insbesondere in Ballungsräumen wegen der dort beengten Platzverhältnisse auch praktiziert.

a) Der Planfeststellungsbeschluss (S. 199 f.) sieht jedoch gravierende betriebliche Nachteile durch Risiken und Unwägbarkeiten bei nur einer Leitung. Bei Wartungen und Störungen könne es wegen der räumlichen Nähe der Stromkreise nötig werden, auch die anderen Stromkreise freizuschalten und so den Stromfluss auf der ganzen Linie einzustellen. Bei Störungen seien infolge einer dann gegebenenfalls erfolgenden automatischen Freischaltung aller Leitungen kritische Netzsituationen zu befürchten. Dies sei deswegen zu vermeiden, weil die Leitungen [X.] 4201 und [X.] zu windstarken [X.]en mit dem Stromtransport von Nord nach Süd vergleichbaren Zwecken dienten.

Diese Feststellungen und Einschätzungen werden vom Vorbringen des [X.] nicht widerlegt. Es ist nachvollziehbar dargetan, dass durch die - vom Kläger nicht infrage gestellte - gebotene Freischaltung der anderen auf der betroffenen Mastseite geführten Leitungen bei Wartungsarbeiten bzw. Reparaturen an einem Stromkreis wegen der Unterbrechung des gesamten Stromflusses der verlässliche Betrieb des Stromnetzes erschwert wird. Dass bei Störfällen kritische Netzsituationen mit höherer Wahrscheinlichkeit entstehen können als bei einer getrennten Leitungsführung, ist ebenfalls plausibel.

Wenn der Gutachter des [X.] hiergegen auf der Grundlage verschiedener Übersichten über die Häufigkeit von Störungen in Stromnetzen einwendet, dass im betreffenden Abschnitt bei Führung von sechs Stromkreisen auf einem Gestänge eine Störung statistisch nur alle 21 Jahre auftrete, bei den bestehenden vier Stromkreisen alle 32 Jahre, mag dahinstehen, ob das so zutrifft. Denn ein Bestreben nach Minimierung der betrieblichen Risiken durch die getrennte Führung der Stromkreise wird dadurch nicht infrage gestellt. Dass auch solche seltenen, nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit auftretenden Ereignisse nicht zuletzt aufgrund des mit ihnen verbundenen [X.] ohne weiteres Anlass für eine hieran ausgerichtete Optimierung sein können, belegen etwa Hochwasserschutzmaßnahmen, die sich an großzügigen zeitlichen Horizonten - etwa einem 50-jährlichen oder einem 100-jährlichen Hochwasser ([X.] oder [X.]) - orientieren können (vgl. etwa § 76 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WHG).

Schließlich beruht die Wertung des Planfeststellungsbeschlusses, dass die mit einer gemeinsamen Leitungsführung verbundenen betrieblichen Risiken zu vermeiden seien, nicht deswegen auf einer unzutreffenden Sachverhaltsannahme, weil er ausführt, die Leitungen dienten mit dem Stromtransport von Nord nach Süd vergleichbaren Zwecken, was - so die Konsequenz - die Auswirkungen einer Unterbrechung des Stromflusses umso gravierender erscheinen lässt. Der Verweis des Sachverständigengutachtens auf die bei der Errichtung der Leitung [X.] verfolgte Zwecksetzung einer Stabilisierung der Stromversorgung im [X.] belegt nicht die Unrichtigkeit der Aussage im Planfeststellungsbeschluss. Denn diese bezieht sich (nur) auf die Konstellation, dass zu den windstarken [X.]en überschüssige Windenergie aus Norddeutschland zu Lastschwerpunkten im [X.] und weiter südlich transportiert wird. Diese Aufgabe ist der Leitung [X.] erst nach ihrer Errichtung im Jahre 1968 im Laufe der [X.] durch den Ausbau der Windenergie zugewachsen. Das Anliegen, gerade wegen dieser Aufgabe die Störanfälligkeit zu minimieren, durfte der Planfeststellungsbeschluss in seine Abwägung einstellen.

b) Die Erwägung im Planfeststellungsbeschluss ([X.]), wonach der Rückbau einer noch funktionstüchtigen Bestandsleitung wirtschaftlich nachteilig und mit einem Verstoß gegen das Gebot einer preisgünstigen Stromversorgung (§ 1 Abs. 1 [X.]) verbunden sei, wird durch den Verweis in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten auf die betriebswirtschaftlichen [X.] nicht erschüttert. Das Gleiche gilt für den Hinweis auf die Festsetzung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer einer "Freileitung 110 - 380 kV" auf 40 bis 50 Jahre nach Ziff. III.1.1 der Anlage 1 zu § 6 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen vom 25. Juli 2005 (BG[X.] [X.]), der sich ebenfalls auf kalkulatorische Abschreibungen bezieht. Diese für die Unternehmensbilanz bedeutsame Betrachtung ändert nichts daran, dass die 1968 errichtete Leitung [X.] das Ende ihrer Lebensdauer noch lange nicht erreicht hat, und deren Rückbau wirtschaftlich folglich nicht angezeigt ist. Die tatsächliche Nutzungsdauer einer Höchstspannungsfreileitung wird allgemein mit durchschnittlich 80 Jahren veranschlagt, und davon geht auch hier der Beklagte aus. Dies wird im vorliegenden Planfeststellungsabschnitt durch den [X.]ick auf die Leitung [X.] 2304 bestätigt, die 1928 errichtet und etwa 2015 außer Betrieb genommen wurde. Darüber hinaus hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen, dass die Masten der [X.] teilweise - wenn auch nicht im Bereich des Anwesens des [X.] - erhöht und die Leiterseile jedenfalls in Abschnitten im Interesse der Anpassung an höhere Betriebstemperaturen ausgetauscht wurden (siehe zum dort 2009 realisierten Pilot-Einsatz von Hochtemperaturleitern Deutsche Energie-Agentur GmbH , Technologieübersicht. Das [X.] Höchstspannungsnetz: Technologien und Rahmenbedingungen, Stand Juli 2014, [X.]4; 3M, Hintergrundinformation zum Netzausbau, Stand 22. November 2011, [X.], verfügbar auf [X.]). Auch diese auf jeweils längere [X.]räume bezogenen Investitionen sprechen gegen die Annahme des [X.], die [X.] müsse in absehbarer [X.] ohnehin ersetzt werden, wobei die doppelten Bauarbeiten zu Lasten der Stromverbraucher gingen. Im Rahmen der wirtschaftlichen Erwägungen ist schließlich auch zu beachten, dass nicht nur der Rückbau als solcher kostenträchtig ist, sondern die Errichtung einer Leitung, die alle Stromkreise auf ihr Gestänge nehmen kann, wegen einer dann erforderlichen anderen Dimensionierung der Masten die Kosten der planfestgestellten Leitung übersteigt.

c) Die mit mehr als 100 m deutlich größere Höhe von Masten mit vier Traversen und deren massivere Bauweise beeinträchtigt nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde das Landschaftsbild in höherem Ausmaß. Diese wegen der Sichtbarkeit in einem größeren Umkreis ohne weiteres nachvollziehbare Wertung, die sich in der Berechnung des [X.] nach § 15 BNatSchG in Abhängigkeit von der [X.] widerspiegelt ([X.], 288 f.; siehe Planunterlagen, Planänderung 7, [X.], [X.] Ersatzgeldberechnung, [X.], [X.]. 1; vgl. auch [X.], Urteil vom 14. März 2018 - 4 A 5.17 - [X.]E 161, 263 Rn. 49), wird durch das Vorbringen des [X.] nicht infrage gestellt, wenn er von einer "moderate[n, ...] praktisch zu vernachlässigen[den]" Erhöhung spricht. Ausweislich der Masttabelle (Planunterlage Nr. 4.1, [X.]) erreichen die planfestgestellten Masten ... und ... eine Höhe von 67,5 m bzw. 71,5 m. Von einer geringfügigen Erhöhung kann bei einem Größenunterschied von über 30 m nicht die Rede sein. Dass die Masten der Bestandsleitung [X.] ihrerseits vergleichbar hoch sind, ist nicht dargetan. Die dem Gutachten beigefügten Fotografien zeigen - soweit ersichtlich - einen Mast von üblicher Höhe mit drei Traversen, d. h. etwa 50 bis 70 m. Diese Größenordnung wird des Weiteren durch die Feststellung belegt, dass bei einer Leitungskreuzung die Überspannung der Bestandsleitung [X.] Masten von 100 m Höhe erforderte ([X.] [X.]02).

d) Schließlich gebieten die rechtlichen Vorgaben zum Klimaschutz entgegen der Auffassung des [X.] keine abweichende Bewertung der Zulässigkeit einer "(Doppel-)Struktur" durch Bestandsleitung und Neubauleitung.

Der Beklagte hat im [X.] vom 11. Oktober 2022 die planerische Abwägung des Planfeststellungsbeschlusses mit [X.]ick auf § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] und § 6 Klimaanpassungsgesetz [X.] - [X.] - vom 8. Juli 2021 (GV. [X.]. [X.]) in verfahrensrechtlich zulässiger Weise um Erwägungen zu den Belangen des Klimaschutzes ergänzt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 73). Der [X.] geht davon aus, dass das unter [X.] der Anlage zu § 1 Abs. 1 [X.] aufgeführte Vorhaben als Bestandteil des in Übereinstimmung mit dem Klimaschutzprogramm 2030 stehenden [X.] dem Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht entgegenstehe. Gegen diese auf die Bewertung von Anlage und Betrieb des Gesamtvorhabens bezogene Einschätzung bringt der Kläger nichts vor. Er wendet sich allein gegen eine vermeintliche Ressourcenverschwendung durch mehrere zeitlich versetzte Baumaßnahmen und durch die umfangreichere Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen. Insoweit entnimmt der [X.] dem § 49 Abs. 1 [X.], der die Beachtung der allgemein anerkannten Regeln der Technik bei der Planung und dem Bau von Energieanlagen vorschreibt, das allgemeine Erfordernis der Begrenzung von Energieleitungen auf das notwendige Maß; es fehle jedoch an konkreten Vorschriften zu den Anforderungen des [X.]. Der Kläger zeigt weder auf noch ist es sonst ersichtlich, dass es entgegen dieser Annahme verlässliche Vorgaben gibt, um eine unmittelbar auf die CO2-Emissionen von Anlage und Bautätigkeit bezogene saldierende Betrachtung von [X.] vornehmen zu können. Schon deswegen ist dem Berücksichtigungsgebot des § 13 Abs. 1 Satz 1 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 76 ff.) jedenfalls dann Genüge getan, wenn die planfestgestellte Trasse nach Maßgabe einer umfassenden Abwägung angemessen und insoweit notwendig ist. Denn dabei sind - wie ausgeführt - auch wirtschaftliche Argumente zu beachten; in geringeren Kosten spiegelt sich - jedenfalls bei langlebigen Investitionsgütern - in aller Regel ein geringerer CO2-relevanter Ressourcen- und Energieverbrauch wider. Auch wird mit der Inanspruchnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen für [X.] keine Klimasenke beeinträchtigt (vgl. [X.], Urteil vom 4. Mai 2022 - 9 A 7.21 - NVwZ 2022, 1549 Rn. 83).

e) Ist die Ablehnung der Errichtung einer einzigen Höchstspannungsleitung für die auf den Leitungen [X.] 4201 und [X.] geführten Stromkreise als technische Alternative nicht zu beanstanden, kommt es auf die Trassenführung für eine solche Leitung nicht mehr an. Es kann deswegen dahinstehen, ob der Bau in einer [X.], der den vorherigen Abbau der Bestandsleitung voraussetzt, ohne weiteres unter Hinweis darauf abgelehnt werden kann, dass die bestehende Leitung im Interesse einer gesicherten Stromversorgung erforderlich sei und nicht für einen längeren [X.]raum unterbrochen werden könne (vgl. [X.] [X.] f.), oder ob insoweit die Möglichkeit eines Provisoriums erwogen werden muss.

3. Die vom Kläger geltend gemachten Belange hat die Planfeststellungsbehörde in ihre Erwägungen eingestellt.

a) Eine höhere Belastung durch elektrische und magnetische Felder infolge der neuen, näher an die Wohnbebauung heranrückenden Leitung hat der Planfeststellungsbeschluss zur Kenntnis genommen. Er hat dabei auch nicht verkannt, dass insoweit Belastungen auch unterhalb der Grenzwerte abwägungsbeachtlich sind, wobei der Belang umso gewichtiger wird, je näher die Belastung an die Grenzwerte heranreicht, und sein Gewicht umso geringer ist, je weiter sie hinter dieser Schwelle zurückbleibt (vgl. etwa [X.], Urteile vom 17. Dezember 2013 - 4 A 1.13 - [X.]E 148, 353 Rn. 39 und vom 14. Juni 2017 - 4 A 11.16 - [X.]E 159, 121 Rn. 53). Am hier maßgeblichen Referenzpunkt des Annäherungsabschnitts 16 - dem der Leitung nächstgelegenen Wohngebäude 16.2 - weist das elektrische Feld eine Stärke von 0,08 kV/m und die magnetische Flussdichte einen Wert von 2,20 µT auf ([X.] [X.]36 [X.]. 202). Angesichts der maßgeblichen Grenzwerte der 26. BImSchV (5 kV/m bzw. 100 µT) ist diese Belastung so gering, dass sie nicht als erheblich angesehen werden musste und der Planfeststellungsbeschluss die verglichenen Varianten insoweit als gleichrangig ansehen durfte.

b) Die Belastung des [X.] wegen der Unterschreitung eines Abstands von 200 m von der [X.] zu Wohngebäuden im Außenbereich hat der Planfeststellungsbeschluss ([X.]35) ebenfalls erkannt. Insoweit billigt er der Abstandsregel nach Ziel Ziff. 8.2-4 Abs. 1 Spiegelstrich 2 des Landesentwicklungsplans [X.] - LEP [X.] - (GV. [X.]. 2017 S. 122) indizielle Bedeutung für die Qualität des [X.] zu, auch wenn diese Regel im Rahmen der landesplanerischen Bewertung keine Anwendung findet, weil es wegen der Bündelung der Trassen an einem Trassenneubau im Sinne des Grundsatzes Ziff. 8.2-1 LEP [X.] fehle ([X.] [X.]49 f.). Er hat festgestellt, dass bei dem Wohngebäude 16.1 dieser Abstand zu einer Freileitung mit 182 m erstmals (knapp) unterschritten wird, während bei den Wohngebäuden 16.2, 16.3 und 16.4 der bereits durch die Bestandsleitung [X.] nicht eingehaltene Abstand sich weiter verringert, und zwar bei dem der Leitung nächstgelegenen Wohngebäude 16.2 auf eine Entfernung von nur noch 95 m, bei den beiden anderen Wohngebäuden auf 109 m bzw. 127 m. Der weiterhin bestehende Abstand sei aber nicht zuletzt wegen der teilweisen Sichtverschattung durch Bäume und andere Gebäude zumutbar. Diese Bewertung ist insbesondere angesichts der Vorbelastung der Grundstücke des [X.] nicht zu beanstanden.

c) Schließlich rügt der Kläger weitere betriebliche Beeinträchtigungen unter Verweis darauf, dass seine Grundstücke bereits durch die Bestandsleitung sowie [X.] in Anspruch genommen werden.

Bewirtschaftungserschwernisse wegen der Überspannung durch die Leitungen und die darunter festgesetzten Schutzstreifen sind jedoch nicht ersichtlich. Von [X.] sind insbesondere die die landwirtschaftliche Produktion des Hofs des [X.] kennzeichnenden Sonderkulturen (Spargel, Erdbeeren) nicht betroffen. Durch die auf dem Grundstück des [X.] Flurstück ..., Flur ... der Gemarkung [X.] vorgesehenen Masten ... und ... wird er zwar belastet. Schäden durch die erforderlichen Baumaßnahmen sind nach dem Planfeststellungsbeschluss (S. 345) aber nicht zu besorgen. Eine Existenzgefährdung durch dauerhafte Bewirtschaftungserschwernisse und Ertragseinbußen behauptet der Kläger selbst nicht. Solche sind im Übrigen auch im Vorfeld dieser Schwelle in jedem Fall zu entschädigen ([X.] S. 393, 372).

Schließlich rügt der Kläger nachteilige Folgen einer weiteren Leitung, die vor allem in optischer ("Mastenwald", "Umspannwerk"), akustischer und auch psychologischer Hinsicht ("Strahlenbelastung") die Attraktivität seines Hofs für die Abnehmer seiner selbst vermarkteten Produkte massiv herabsetze. Auch mit diesen - letztlich wenig greifbaren - Befürchtungen hat sich der Planfeststellungsbeschluss (S. 393 f.) auseinandergesetzt. Er verweist darauf, dass es dem Kläger ungeachtet der bereits bestehenden Rahmenbedingungen einer Nachbarschaft zu einer Höchstspannungsfreileitung gelungen sei, seinen Betrieb gerade mit der Ausrichtung auf die Selbstvermarktung wirtschaftlich weiter auszubauen. Wenn der Planfeststellungsbeschluss hieraus den Schluss zieht, es sei nicht ersichtlich, dass eine weitere Leitung daran etwas ändern werde, liegt darin eine vertretbare Wertung. Hierzu kann ergänzend und bestätigend noch darauf hingewiesen werden, dass die Produktionsweise der Sonderkulturen nicht dem Bild einer hergebrachten ("idyllischen") bäuerlichen Landwirtschaft entspricht: Die Spargel wachsen unter schwarzen Plastikfolien und die Erdbeeren werden in großen begehbaren Folientunneln auf [X.] angebaut, sodass sie - wie auf der Homepage des [X.] besonders betont - nicht schmutzig werden und bequem im Stehen geerntet werden können. Eine Fotografie in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten zeigt, dass schon diese Art des Anbaus landwirtschaftlicher Produkte eine gewisse industrielle Anmutung hat.

4. Gegen die abschließende Abwägung zugunsten der planfestgestellten Leitung ist angesichts der nicht zu beanstandenden Ermittlung und Bewertung der widerstreitenden Belange von Rechts wegen nichts zu erinnern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Meta

4 A 17/20

10.11.2022

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: A

§ 1 Abs 1 EnWG 2005, § 43 Abs 3 EnWG 2005, § 13 Abs 1 S 1 KSG

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.2022, Az. 4 A 17/20 (REWIS RS 2022, 9182)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 9182

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

4 A 16/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Erfolglose Rüge der Rechtswidrigkeit der Variantenprüfung für eine Höchstspannungsfreileitung durch eine Gemeinde


4 A 15/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Erfolglose Rüge der Rechtswidrigkeit der Variantenprüfung für eine Höchstspannungsfreileitung durch nicht enteignungsbetroffene Kläger


4 A 4/15 (Bundesverwaltungsgericht)

Planfeststellung Höchstspannungsfreileitung; zulässige Abschnittsbildung; Wegfall der Vorbelastung bei Rückbau einer Bestandsleitung


4 A 3/15 (Bundesverwaltungsgericht)


4 VR 6/22 (Bundesverwaltungsgericht)

Eilrechtsschutz gegen eine Höchstspannungsfreileitung (hier: Abwägungsfehler)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.