Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. 3 StR 218/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4477

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 218/12
vom
19. Juli
2012
in der Strafsache
gegen

wegen
Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische

Vereinigung im Ausland außerhalb der Europäischen Union

-
2
-
Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des
Beschwerde-führers
und des [X.] -
zu
2. auf dessen Antrag
-
am 19.
Juli 2012 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30.
März 2012 mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben
-
soweit der Angeklagte in den Fällen
I.
B.
3. Taten
5, 8, 10, 11, 13, 14, 16 und 19 der Urteilsgründe verurteilt worden ist,
-
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an einen anderen Strafsenat des [X.]s zu-rückverwiesen.
2.
Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Werbens um [X.] oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung im Ausland in 19
Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verur-teilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des 1
-
3
-
Angeklagten hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; im Übri-gen ist sie unbegründet im Sinne des §
349 Abs.
2 StPO.
Die Schuldsprüche in den Fällen
I.
B.
3. Taten
5, 8, 10, 11, 13, 14, 16 und 19 haben keinen Bestand. Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklag-ten in diesen Fällen führt zur Aufhebung auch des Ausspruchs über die Ge-samtstrafe.
1.
Nach der Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 16.
Mai 2007 -
AK
6/07, StB
3/07, [X.], 345, 353) wirbt
im Sinne von §
129a Abs.
5 Satz
2 StGB um Mitglieder für eine terroristische Vereinigung, wer sich um die Gewinnung von Personen bemüht, die sich mitgliedschaftlich in die Organisation einer bestimmten derartigen Vereinigung einfügen. Um Unter-stützer wirbt, wer bei anderen die Bereitschaft wecken will, die Tätigkeit oder die Bestrebungen einer solchen Vereinigung direkt oder über eines ihrer [X.] zu fördern, ohne sich selbst als Mitglied in die Organisation einzuglie-dern. Dies bedeutet eine Umgrenzung des Tatbestandes in zweifacher Hin-sicht.
a)
Erforderlich ist zunächst eine Gedankenäußerung, die sich nach dem Verständnis des Adressaten als Werbung zugunsten einer konkreten terroristi-schen Vereinigung darstellt. Ein allgemein gefasster Aufruf, sich an nicht näher gekennzeichneten terroristischen Aktivitäten zu beteiligen, reicht für den [X.] notwendigen Organisationsbezug nicht aus. Auch die Aufforderung, sich dem "[X.]"
anzuschließen, genügt für sich genommen nicht, da dieser Begriff nicht allein für den Kampf einer oder mehrerer bestimmter terroristischer Verei-nigungen steht, sondern für eine Vielzahl von islamistischen Aktivitäten, selbst wenn diese nicht durch terroristische Vereinigungen unternommen werden.
Etwas anderes kann für den Aufruf
zum "[X.]"
nur gelten, wenn er durch eine 2
3
4
-
4
-
Person vorgenommen wird, die eine Vereinigung derartig herausgehoben
repräsentiert, dass sich allein daraus ausreichend konkret ergibt, die Aufforde-rung gelte zu allererst oder zumindest auch zu Gunsten der repräsentierten Vereinigung ([X.] aaO). Allein der Umstand, dass die "Medienstelle"
einer be-stimmten terroristischen Vereinigung eine Veröffentlichung in ihr Angebot auf-nimmt, verleiht andererseits einem darin enthaltenen allgemeinen Aufruf zur Teilnahme am "[X.]"
regelmäßig noch nicht den Erklärungswert, dies solle gerade auf Seiten dieser terroristischen Vereinigung geschehen. Denn solche Angebote umfassen erfahrungsgemäß oft nur schwer überschaubare Mengen propagandistischen und radikalreligiösen Materials.
b)
Besondere Sorgfalt ist zweitens zu richten auf die Abgrenzung zum bloßen Werben um Sympathie für eine bestimmte terroristische Vereinigung, ohne die der Tatbestand des §
129a Abs.
5 Satz
2 StGB die hinreichende in-haltliche Bestimmtheit verlöre. Nicht ausreichend ist danach das befürwortende Eintreten für eine terroristische Vereinigung, die Rechtfertigung ihrer Ziele oder der aus ihr heraus begangenen Straftaten sowie die Verherrlichung der Ideolo-gie, aus der verschiedene derartige Vereinigungen ihre Tätigkeit legitimieren und die gegebenenfalls auch Einzelpersonen zur Rechtfertigung für die Bege-hung von Straftaten dient ([X.] aaO). Dass derartige Äußerungen regelmäßig auch mit der stillschweigenden Erwartung einhergehen werden, beim [X.] Überlegungen hin zu einem Anschluss an die Vereinigung oder zu deren Unterstützung auszulösen und dieser so neuen Zulauf zu verschaffen, kann hieran nichts ändern. [X.] man die gebotene Abgrenzung zur bloßen Sympa-thiewerbung nicht aufgeben, so muss vielmehr festgehalten werden am Erfor-dernis eines sich dem Adressaten -
wenn auch nur aus den Gesamtumstän-den
-
erschließenden eigenen Inhalts der Erklärung dahin, sie diene gezielt der Gewinnung von Mitgliedern oder Unterstützern zu Gunsten einer konkreten
Organisation ([X.] aaO).
5
-
5
-
2.
Nach diesen Maßstäben tragen die Feststellungen in den genannten Fällen nicht die Verurteilung des Angeklagten wegen Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine terroristische Vereinigung. Weder der vom [X.] mitgeteilte Inhalt der vom Angeklagten auf seiner Website
zum Abruf bereitgehalten Veröffentlichungen der Medienstellen der Al
Qaida
("[X.]") bzw. der [X.] ("[X.]") noch die dargestellten eigenen Kom-mentare des Angeklagten erlauben hier die Annahme hinreichend konkreter Aufforderungen an die Adressaten, sich mitgliedschaftlich in eine der genann-ten Organisationen einzugliedern oder die Tätigkeit oder die Bestrebungen ge-rade einer dieser Organisationen zu unterstützen. Vielmehr belegen die Fest-stellungen lediglich allgemeine Aufrufe zum "[X.]"
oder Rechtfertigungen der Ziele und der Aktivitäten von Al
Qaida und [X.]. Im Einzelnen:
Fall
5:
Der von der Medienstelle "[X.]"
verbreitete, in einer nicht mitgeteilten Fremdsprache gehaltene Videobeitrag zeigt Aufnahmen von Ope-rationen der [X.]
"sowie anderen Muhaschirien und [X.]"
gegen die "abtrünni-ge [X.]". Unbekannte Sprecher rechtfertigen diese Operatio-nen, glorifizieren
den "Märtyrertod"
zweier dabei getöteter "Kämpfer"
und beto-nen die "religiöse Pflicht zum [X.]". Als Kommentar fügte der Angeklagte bei: "Leider ist das Video weder auf deutsch noch einer anderen Sprache, die ich euch übersetzen kann. Die Bilder jedoch sprechen für sich."
Fall
8:
Der von der Medienstelle "[X.]"
anlässlich
des Todes von [X.] herausgegebene, mit [X.] Tonspur und [X.] [X.] versehene Videofilm in [X.] enthält eine Dokumentation über das Leben [X.] und über die Geschichte der [X.]. Unbekannte Sprecher fordern zum "[X.]"
auf; der Tod eines Anführers dürfe keine Auswir-kung auf die Kampfmoral der "[X.]"
haben. Anders als bei der Veröf-6
7
8
-
6
-
fentlichung der usbekischen Fassung (Tat
3) fügte der Angeklagte auch keinen für die Unterstützung der [X.] werbenden Kommentar bei.
Fall
10:
Der vom Angeklagten ohne eigene Bemerkungen auf seiner In-ternetseite eingestellte Videofilm der Medienstelle "[X.]"
in [X.] schildert die "Laufbahnen"
von fünf "Märtyrern"
und deren Aufgaben innerhalb der Al
Qaida. Die "[X.] sowie Sympathisanten des globalen [X.]"
werden nach den Feststellungen "dazu animiert, ihren Vorbildern in den Reihen von Al
Qaida nachzueifern und selbst in den [X.] zu ziehen".
Fall
11:
Der von der Medienstelle "[X.]"
herausgegebene und von dem gegenüber [X.] Adressaten als Repräsentant der [X.] auftretenden

C.

(

I.

) verfasste Textbeitrag äußert sich zu den Grün-
den, die

C.

und seinen Bruder zu dieser Vereinigung geführt ha-
ben. Nach den Feststellungen "unterstrichen"
wird indes die "Internationalität des [X.], die die Zusammensetzung der Gruppen ebenso wie das Kampfge-biet nachrangig erscheinen lasse, solange man für die Sache Gottes und die Ummah kämpfe". Von eigenen Kommentaren sah der Angeklagte auch hier ab.
Fall
13:
Der ohne eigene Stellungnahme des Angeklagten bereitgestellte
Videofilm der Medienstelle "[X.]"
zeigt Angriffe der "[X.]"
auf die [X.] und die Hinrichtung eines afghanischen Soldaten. Er dient nach den Feststellungen dazu, "die militärische Überlegenheit der [X.]"
zu belegen, und soll so "die Soldaten der [X.] und der afghanischen
Armee verunsichern". Außerdem verweist ein unbekannter Sprecher auf den "[X.]"
als einzigen Weg zur Errettung der
Muslime in der Welt.
Fall
14:
Der von der Medienstelle "[X.]"
veröffentlichte Textbeitrag bezeichnet [X.] als "Feindesstaat"
des Islam und ruft -
als Teil des "[X.]"
-
die [X.] Adressaten zu Raubüberfällen, Sabotageakten 9
10
11
12
-
7
-
und Morden an Politikern auf. Der Angeklagte versah die Veröffentlichung mit den Kommentaren "Demokratisierung nein [X.]", "Schia =
Kuffar"
und "[X.] In Hell!".
Fall
16:
In dem von der Medienstelle "[X.]"
herausgegebenen
Videofilm "kommen Führungspersönlichkeiten der Al
Qaida, unter anderem [X.], zu Wort". "Zahlreiche Märtyrer"
begründen ihren "Kampf so-wohl politisch als auch religiös". Weiter wird von unbekannten Sprechern der "Märtyrertod glorifiziert"
und zur "aktiven Teilnahme am Kampf gegen die [X.] des Islam aufgerufen".
Fall
19:
Das von der Medienstelle "[X.]"
herausgegebene, vom Angeklagten unkommentiert zur Verfügung gestellte Textdokument enthält Aus-führungen eines "AQ-Dawah-
und Medienbeauftragten für [X.]". Er be-zeichnet [X.] und [X.] als einheitliche Kriegsfront, kritisiert die
pakistanischen "Machthaber"
als Verbündete der Feinde des Islam -
vornehm-lich der USA
-
und rechtfertigt so die Angriffe auf die [X.]. In diesem Zusammenhang erklärt er den "[X.] in [X.]"
zur "religiös motivier-ten Selbstverteidigung"
und zur "religiösen Pflicht für jeden Muslim".
3.
Der Senat schließt nicht aus, dass die vom Angeklagten in diesen Fäl-len zum Abruf bereitgestellten Veröffentlichungen über die
knappen Feststel-lungen des [X.]s hinaus noch weitere Elemente enthalten, die den Tatbestand des Werbens um Mitglieder oder Unterstützer für eine konkrete terroristische Vereinigung erfüllen. Der neue Tatrichter wird deshalb den
13
14
15
-
8
-
Aussagegehalt dieser Veröffentlichungen nochmals eingehend zu überprüfen haben, soweit er nicht von §
154 Abs.
2 StPO Gebrauch macht.
Becker
Pfister
Schäfer

Mayer
Gericke

Meta

3 StR 218/12

19.07.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. 3 StR 218/12 (REWIS RS 2012, 4477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4477

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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