Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, Az. B 2 U 15/14 R

2. Senat | REWIS RS 2015, 7671

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Gegenstand

(Gesetzliche Unfallversicherung - Lastenausgleich zwischen landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaft und anderem Unfallversicherungsträger - Aufwendungsersatz gem § 175 SGB 7: Erstattungsanspruch eigener Art - Nichtanwendung der Ausschlussfrist gem § 111 SGB 10 - Solidaritätsgrundsatz - verdrängende Wirkung einer Spezialregelung im besonderen Teil des SGB - Auslegung: Abgrenzung zu den Erstattungsansprüchen gem §§ 102ff SGB 10 - kein Konkurrenzverhältnis zweier Sozialleistungsträger - Finanzierungsregelung im Innenverhältnis - vorübergehende Tätigkeit eines außerhalb der Landwirtschaft Beschäftigten in einem landwirtschaftlichen Unternehmen)


Leitsatz

Der Lastenausgleichsanspruch einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft gegen einen anderen Unfallversicherungsträger unterliegt nicht der gesetzlichen Ausschlussfrist für Erstattungsansprüche der Leistungsträger.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des [X.] vom 26. Juni 2014 und des [X.] vom 21. Mai 2012 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 5925,72 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe einer Erstattungsforderung streitig.

2

Der bei der [X.] wegen seiner Beschäftigung als Pförtner der Polizeidirektion [X.] gesetzlich unfallversicherte [X.] (Versicherter) erlitt am [X.] als mithelfender Familienangehöriger im landwirtschaftlichen Unternehmen seines [X.] einen Arbeitsunfall. Die für den landwirtschaftlichen Betrieb zuständige Klägerin gewährte dem Versicherten Verletztengeld und Verletztenrente. Mit ihrem bei der [X.] am 22.9.2008 eingegangenen Schreiben vom 17.9.2008 meldete sie einen Lastenausgleich nach § 175 [X.] an. Aufgrund der erbrachten Sozialleistungen nebst Sozialversicherungsbeiträgen und Verwaltungskosten machte die Klägerin mit weiteren Schreiben vom 10.11.2008 einen Mehraufwand in Höhe von insgesamt 8818,50 € (richtig: 8822,22 €) geltend. Die Beklagte zahlte daraufhin einen Betrag von 2896,50 €. Eine Erstattung der für die Zeit bis zum 21.9.2007 getragenen Aufwendungen lehnte sie wegen verspäteter Geltendmachung ab.

3

Das [X.] hat die auf Zahlung von 5925,72 € gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]), das [X.] die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Ausschlussfrist des § 111 Abs 1 Satz 1 [X.] gelte über § 37 Abs 1 SGB I auch für die Erstattungsnorm des § 175 [X.]. Dem stehe nicht Sinn und Zweck der unfallversicherungsrechtlichen Bestimmung entgegen, eine unverhältnismäßige Belastung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften ([X.]) auszugleichen. Diese würden ebenso behandelt wie andere Sozialleistungsträger. Der Erstattungsanspruch nach § 175 [X.] sei nach seiner Struktur und Zielsetzung mit den [X.] nach §§ 102 ff [X.] vergleichbar. Die Unanwendbarkeit des § 111 [X.] auf die Erstattungsregelung des § 175 [X.] hätte vom Gesetzgeber ausdrücklich normiert werden müssen. Schließlich mache das [X.] eine Heranziehung der Ausschlussfrist nicht entbehrlich (Urteil vom 26.6.2014).

4

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 175 [X.]. Als Ausnahmevorschrift sei § 111 [X.] restriktiv anzuwenden. Deren Heranziehung sei auch ohne ausdrücklich erklärten Nachrang nicht schon wegen der Bezeichnung des § 175 [X.] als Erstattungsnorm gerechtfertigt. Es handele sich bei § 175 [X.] vielmehr - ebenso wie bei § 174 [X.] - um eine besondere abschließende [X.]. Für das Anliegen des § 111 [X.], eine Erstattung regelmäßig schnell durchzuführen, sei nur dann Raum, wenn es zwischen den betroffenen Leistungsträgern zu wechselseitigen [X.] kommen könne. § 175 [X.] regele aber einen Ausgleichsanspruch eigener Art, der sich von den [X.] nach §§ 102 ff [X.] dadurch unterscheide, dass nicht ein unzuständiger, sondern ein zuständiger Leistungsträger Ersatz seiner Aufwendungen begehre. Der zur Erstattung verpflichtete Unfallversicherungsträger sei nicht als Leistungserbringer gegenüber den Versicherten, sondern lediglich zur Finanzierung der vom allein zuständigen landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträger erbrachten Leistungen beteiligt. Die mit dem Lastenausgleich bezweckte Entlastung der landwirtschaftlichen [X.] würde nicht erreicht, wenn § 111 [X.] anwendbar wäre.

5

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 26. Juni 2014 und des [X.] vom 21. Mai 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5925,72 € zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision ist begründet. Das [X.] hat die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.] zu Unrecht zurückgewiesen. Die [X.] hat auch die der Klägerin für die [X.] vom 14.5. bis zum 21.9.2007 entstandenen Mehraufwendungen in Höhe von 5925,72 € zu erstatten, weil § 111 [X.]B X auf den Anspruch der Klägerin keine Anwendung findet.

9

Die auf Zahlung von Aufwendungsersatz gerichtete (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs 5 [X.]G ist statthaft und zulässig. Die [X.] ist weder berechtigt noch verpflichtet, über das Bestehen und die Höhe des geltend gemachten Zahlungsanspruchs durch Verwaltungsakt gegenüber der Klägerin zu entscheiden. Eine hierfür gemäß § 31 [X.]B I erforderliche ausdrückliche Ermächtigung ist weder durch Gesetz noch aufgrund eines Gesetzes bestimmt. Besondere Sachentscheidungsvoraussetzungen sind daher nicht zu beachten. Damit war weder ein Vorverfahren durchzuführen noch eine Klagefrist einzuhalten.

Die Klage ist auch begründet. Erleiden vorübergehend für ein landwirtschaftliches Unternehmen Tätige einen Versicherungsfall und ist für ihre hauptberufliche Tätigkeit ein anderer Unfallversicherungsträger als die landwirtschaftliche [X.] zuständig, erstattet dieser nach § 175 [X.]B VII in der vom [X.] bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes ([X.]) vom [X.] ([X.]Bl I 1254) der landwirtschaftlichen [X.] die Leistungen, die über das hinausgehen, was mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigte zu beanspruchen haben. Die Voraussetzungen dieser [X.]regelung sind erfüllt. Die Klägerin ist die für das landwirtschaftliche Unternehmen des [X.] des Versicherten zuständige [X.], die [X.] der für den Arbeitgeber des Versicherten als beschäftigter Pförtner zuständige Unfallversicherungsträger. Der Versicherte hat auch bei einer vorübergehenden Tätigkeit im landwirtschaftlichen Betrieb seines [X.] einen Arbeitsunfall erlitten. Wegen der Entschädigung dieses Versicherungsfalls sind der Klägerin (unstreitig) Mehraufwendungen in Höhe von insgesamt 8822,22 € entstanden.

Der Erstattung eines [X.] in Höhe von 5925,72 € für die [X.] vom 14.5. bis zum 21.9.2007 steht nicht § 111 Satz 1 [X.]B X in der hier maßgebenden Fassung der Bekanntmachung vom 18.1.2001 ([X.]Bl I 130) entgegen. Danach ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der [X.] ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Vorschrift gilt weder über § 37 Satz 1 Halbs 1 [X.]B I (dazu 1.) noch in analoger Anwendung (dazu 2.) für den Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII.

1. Nach § 37 Satz 1 Halbs 1 [X.]B I gelten das [X.]B I und das [X.]B X für alle Sozialleistungsbereiche, soweit sich aus den übrigen Büchern nichts Abweichendes ergibt. Es kann dahingestellt bleiben, ob vorliegend überhaupt der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift eröffnet ist, weil sich im [X.]B VII keine ausdrückliche Regelung zu der Frage findet, innerhalb welchen [X.]raums ein Erstattungsanspruch anzumelden ist und es damit an der Vergleichbarkeit mit einer Bestimmung aus einem besonderen Teil des [X.]B fehlt. Denn die Prüfung einer Abweichung setzt voraus, dass zumindest der Regelungsgegenstand derselbe ist. Selbst wenn § 37 Satz 1 Halbs 1 [X.]B I einschlägig wäre, würde § 111 [X.]B X durch § 175 [X.]B VII verdrängt werden. Eine Abweichung gegenüber dem [X.]B X kann, muss aber nicht dem Wortlaut der vorrangigen Vorschrift unmittelbar zu entnehmen sein. Verdrängende Wirkung kommt einer Spezialregelung im Rahmen der besonderen Teile des [X.]B auch ohne ausdrückliche Anordnung zu, wenn sich aus ihrem Sinn und Zweck bei Berücksichtigung der zugrundeliegenden Interessenbewertung ergibt, dass der von ihr erfasste Sachverhalt eigenständig und abweichend geregelt werden soll (B[X.] vom 24.8.1994 - 6 RKa 20/93 - [X.] 3-1300 § 45 [X.]). Die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X auf den Ausgleichsanspruch des § 175 [X.]B VII ist zwar mit dem Wortlaut dieser Vorschrift zu vereinbaren (dazu a). Aus dem Zweck der unfallversicherungsrechtlichen Anspruchsnorm (dazu b), dem Regelungskonzept der §§ 102 ff [X.]B X (dazu c) und der Entstehungsgeschichte der jeweiligen Vorschriften (dazu d) wird aber deutlich, dass § 111 [X.]B X nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung für § 175 [X.]B VII gelten soll. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus rechtssystematischen Gründen (dazu e).

a) Nach dem Gesetzeswortlaut des § 175 [X.]B VII "erstattet" der für die hauptberufliche Tätigkeit zuständige Unfallversicherungsträger die der landwirtschaftlichen [X.] entstandenen Mehraufwendungen. Dementsprechend regelt die Vorschrift nach ihrer Überschrift "Erstattungsansprüche" der landwirtschaftlichen [X.]. § 111 [X.]B X schließt für den Fall der verspäteten Geltendmachung den "Anspruch auf Erstattung" aus. Dabei beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem [X.]punkt, zu dem der "erstattungsberechtigte" Leistungsträger von der Entscheidung des "erstattungspflichtigen" Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Dass beide Vorschriften nach ihrem Wortlaut auf Erstattungsansprüche abzustellen scheinen, genügt aber für sich allein nicht, den Anwendungsbereich des § 111 [X.]B X auf § 175 [X.]B VII zu erstrecken (vgl B[X.] vom 29.5.1991 - 9a [X.] - juris Rd[X.] 13).

b) § 175 [X.]B VII ist nach seiner Zielsetzung ein Erstattungsanspruch eigener Art, der sich von den [X.] der §§ 102 ff [X.]B X grundlegend unterscheidet und damit nicht der Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X unterfällt. Es handelt sich um eine besondere [X.]regelung, die darauf abzielt, bei gleichzeitiger Versicherung durch eine hauptberufliche Tätigkeit die landwirtschaftliche [X.] von den besonderen Belastungen freizuhalten, die ihr im Falle eines Versicherungsfalls durch die vorübergehende Tätigkeit berufsfremder Personen entstehen. Diese zusätzliche Belastung der Klägerin hat ihre Ursache darin, dass der Träger der allgemeinen Unfallversicherung die von den ihm zugewiesenen Unternehmen zu zahlenden Umlagen nach den höheren Arbeitseinkünften der Versicherten erhält und diese zu höheren Leistungen der landwirtschaftlichen [X.] führen als diese bei einer nur in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung versicherten Verrichtung sonst gewähren müsste und die damit nicht durch entsprechende Beiträge ihrer landwirtschaftlichen Mitgliedsunternehmen abgedeckt sind (B[X.] vom 10.8.1999 - [X.] U 22/98 R - [X.] 3-2200 § 788 [X.] mwN). Da der Jahresarbeitsverdienst ([X.]) aus der hauptberuflichen Tätigkeit regelmäßig höher ist als der [X.], der sich bei alleiniger Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Tätigkeit ergeben würde, soll der für die hauptberufliche Tätigkeit zuständige Unfallversicherungsträger der landwirtschaftlichen [X.] die Mehraufwendungen ersetzen, die über die Leistungen hinausgehen, die für eine in der Landwirtschaft dauerhaft mit gleichen Arbeiten betraute beschäftigte Person zu erbringen wären. Der landwirtschaftliche Unfallversicherungsträger soll nur die Leistungen tragen müssen, die er nach den Umständen des Einzelfalls zu tragen hätte, wenn der bei der landwirtschaftlichen Tätigkeit verletzte Familienangehörige des landwirtschaftlichen Unternehmers nicht nur vorübergehend, sondern dauernd in gleicher Weise beschäftigt gewesen wäre (B[X.] vom 12.5.1992 - 2 RU 19/91 - [X.] 3-2200 § 788 [X.] 1 mwN).

Schon diese besondere Ausgestaltung des in § 175 [X.]B VII geregelten [X.] begründet "Abweichendes" iS des § 37 Satz 1 Halbs 1 [X.]B I gegenüber § 111 [X.]B X und schließt dessen Heranziehung aus. Der mit § 175 [X.]B VII verfolgte Zweck, die landwirtschaftliche [X.] und damit deren Beitragszahler von Aufwendungen zu entlasten, die nicht auf eine landwirtschaftliche Tätigkeit zurückzuführen sind und ihre Ursache in von den Mitgliedsunternehmen der allgemeinen Unfallversicherung regelmäßig gezahlten höheren Einkünften haben, sowie der darin zum Ausdruck kommende Solidaritätsgedanke würden verfehlt, wenn der besondere unfallversicherungsrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII allein wegen [X.]ablaufs nicht durchzusetzen wäre. Die landwirtschaftliche [X.] wäre unverhältnismäßig belastet, da den von ihr zu erbringenden Leistungen keine adäquaten Beiträge gegenüberstehen, während der für die hauptberufliche Tätigkeit zuständige Unfallversicherungsträger von Aufwendungen befreit wäre, obwohl ihm Beiträge nach regelmäßig höheren Entgelten zufließen.

c) Es entspricht auch dem gesetzlichen Regelungskonzept der §§ 102 ff [X.]B X, die Vorschrift des § 111 [X.]B X nicht auf Ausgleichsansprüche nach § 175 [X.]B VII anzuwenden. Die Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X bezieht sich in erster Linie auf die im Zweiten Abschnitt des [X.] Kapitels des [X.]B X geregelten Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander. Die durch das [X.]B - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu [X.] - vom 4.11.1982 ([X.]Bl I 1450) mit Wirkung ab 1.7.1983 eingeführten §§ 107 bis 114 [X.]B X sollen nach ihrer Entstehungsgeschichte zwar für "sämtliche Erstattungsansprüche - auch die in den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs - gelten" (BT-Drucks 9/95, [X.], [X.]). Daraus ergibt sich aber nicht die Notwendigkeit, die Vorschriften der §§ 107 ff [X.]B X ausnahmslos bei jedem außerhalb des [X.]B X in besonderen Teilen des [X.]B normierten Ersatz- oder Ausgleichsanspruch zwischen verschiedenen Leistungsträgern heranzuziehen. Diesen Bestimmungen des [X.]B X unterfallen vielmehr nur solche besonders geregelten Erstattungs- und Ausgleichsansprüche, die ihrer Struktur nach denen der §§ 102 ff [X.]B X vergleichbar sind (B[X.] vom 29.5.1991 - 9a [X.] - juris Rd[X.] 9). Daran fehlt es beim Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII.

Die §§ 102 bis 105 [X.]B X enthalten vier Grundtypen eines Erstattungsanspruchs. Während § 102 [X.]B X den Erstattungsanspruch des lediglich vorläufig leistenden Leistungsträgers regelt, sieht § 103 [X.]B X einen Erstattungsanspruch bei nachträglichem Wegfall der Leistungsverpflichtung vor. Darüber hinaus räumt § 104 [X.]B X dem nachrangig verpflichteten und § 105 [X.]B X dem unzuständigen Leistungsträger einen Erstattungsanspruch ein. Sämtlichen [X.] ist dabei gemeinsam, dass anstelle des nach sachlichem Recht endgültig zuständigen Leistungsträgers der erstattungsberechtigte Leistungsträger Sozialleistungen an den leistungsberechtigten [X.] erbracht hat (B[X.] vom 29.5.1991 - 9a [X.] - juris Rd[X.] 9). Durch dieses die Erstattungsansprüche nach §§ 102 bis 105 [X.]B X charakterisierende Merkmal, ist der [X.]anspruch des § 175 [X.]B VII gerade nicht gekennzeichnet. Der für die hauptberufliche Tätigkeit zuständige Unfallversicherungsträger wird im Wege des [X.] nicht als endgültig verpflichteter Sozialleistungsträger in Anspruch genommen. Für die Erbringung von Leistungen an Versicherte, die auf einem in der Landwirtschaft während einer vorübergehenden Tätigkeit erlittenen Versicherungsfall beruhen, ist von Gesetzes wegen ausschließlich die landwirtschaftliche [X.] zuständig. An dieser Alleinzuständigkeit ändert sich nichts durch einen späteren Lastenausgleich des für die hauptberufliche Tätigkeit zuständigen [X.]. Die am Lastenausgleich nach § 175 [X.]B VII beteiligten Unfallversicherungsträger sind weder gleichrangig zur Leistung verpflichtet noch stehen sie in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis zueinander. Die dem Leistungsberechtigten gegenüber bestehende Leistungsverpflichtung der landwirtschaftlichen [X.] geht mit der Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs auch nicht (teilweise) auf den für die hauptberufliche Tätigkeit zuständigen Unfallversicherungsträger über ([X.] in LPK-[X.]B VII, 4. Aufl 2014, § 175 Rd[X.] 11). Anders als im Falle der Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff [X.]B X geht es beim Lastenausgleich nach § 175 [X.]B VII nicht um das [X.] mehrerer Sozialleistungsträger untereinander in Bezug auf die Frage, wer letztlich im Außenverhältnis gegenüber dem Leistungsberechtigten Sozialleistungen zu erbringen hat. Vielmehr regelt § 175 [X.]B VII ausschließlich deren Finanzierung im Innenverhältnis. Da die landwirtschaftliche [X.] für die Leistungserbringung alleine zuständig ist und ein weiterer Unfallversicherungsträger im Rahmen des § 175 [X.]B VII lediglich an der Finanzierung der Sozialleistungen beteiligt wird, steht - anders als bei den §§ 102 ff [X.]B X - kein Konkurrenzverhältnis zweier Sozialleistungsträger im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten infrage (B[X.] vom 2.7.2013 - B 4 [X.]/12 R - B[X.]E 114, 55 = [X.] 4-4200 § 6b [X.] 1, Rd[X.] 33).

Diesem Ergebnis steht auch nicht der Zweck der Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X entgegen, möglichst rasch klare Verhältnisse über das Bestehen einer Erstattungspflicht zu schaffen (B[X.] vom 12.11.2013 - [X.] KR 56/12 R - [X.] 4-2500 § 264 [X.] 4 Rd[X.] 12 mwN). Es trifft zwar zu, dass Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern grundsätzlich schnell und unkompliziert abgewickelt werden sollen (B[X.] vom [X.] - 12 RK 14/90 - B[X.]E 70, 93, 97 f = [X.] 3-2400 § 26 [X.] 5). Da mit ihnen nicht regelmäßig gerechnet werden muss, hat der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger ein besonderes Interesse daran, alsbald eine Klärung über die Existenz einer Erstattungsforderung herbeizuführen. Er soll nicht noch nach Jahren [X.] ausgesetzt sein. Dieses Anliegen greift hier aber schon deshalb nicht, weil die Rechtsbeziehungen der einerseits an einem Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff [X.]B X und andererseits an einem Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII Beteiligten unterschiedlich ausgestaltet sind. Der nach dem [X.]B X auf Erstattung in Anspruch genommene Träger kann sämtliche Einwendungen geltend machen, welche die Rechtmäßigkeit der erbrachten Vorleistungen betreffen, ohne insoweit an die Entscheidung des vorleistenden Trägers gebunden zu sein (B[X.] vom 28.9.1999 - [X.] U 36/98 R - [X.] 3-5670 § 3 [X.] 4). Damit steht nicht von vorneherein fest, ob mit einem Erstattungsanspruch gerechnet werden muss (vgl hierzu B[X.] vom [X.] - 9/9a [X.] - juris Rd[X.] 16). Demgegenüber ist der nach § 175 [X.]B VII in Anspruch genommene Unfallversicherungsträger hinsichtlich des anerkannten Arbeitsunfalles, der Verletzungsfolgen, der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Dauer der Verletztenrente an die Feststellungen der landwirtschaftlichen [X.] gebunden (B[X.] vom 10.8.1999 - [X.] U 22/98 R - [X.] 3-2200 § 788 [X.]). Die gewerblichen Unfallversicherungsträger haben daher unzweifelhaft für die bei ihren Versicherten während einer vorübergehenden landwirtschaftlichen Tätigkeit eingetreten Versicherungsfälle (mit)einzustehen.

Unabhängig davon kommt dem Beschleunigungszweck des § 111 [X.]B X dann besonderes Gewicht zu, wenn der Gesetzgeber die Anwendung der Ausschlussfrist ausdrücklich vorsieht oder aufgrund gegenseitiger Erwartung von [X.] der jeweils betroffenen Sozialleistungsträger eine Pauschalierung der gegenseitigen Erstattungsansprüche möglich ist (B[X.] vom 12.11.2013 - [X.] KR 56/12 R - [X.] 4-2500 § 264 [X.] 4 Rd[X.] 12). Pauschalierende Regelungen von wechselseitig bestehenden [X.] scheiden indes beim Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII aus.

d) Auch die Entstehungsgeschichte des § 175 [X.]B VII legt die Unanwendbarkeit des § 111 [X.]B X auf den Ausgleichsanspruch der landwirtschaftlichen [X.] nach § 175 [X.]B VII nahe. Die durch das [X.] zum [X.] eingeführte Bestimmung des § 175 [X.]B VII entspricht inhaltlich dem zuvor geltenden Recht (BT-Drucks 13/2204, [X.] zu § 175). Die Vorläufervorschrift des § 788 RVO geht auf das [X.] vom 30.4.1963 ([X.]Bl I 241) zurück. Während der Geltung dieser Rechtsnorm bis zum 31.12.1996 sind die Erstattungsregelungen der §§ 102 bis 114 [X.]B X zum 1.7.1983 eingeführt worden. Damit hat der Gesetzgeber in Kenntnis der Normen der §§ 102 ff [X.]B X den [X.] des § 788 RVO in § 175 [X.]B VII übernommen, ohne die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist des § 111 [X.]B X auf den Ausgleichsanspruch nach § 175 [X.]B VII anzuordnen. Hierzu hätte im Hinblick darauf, dass sich der speziell und ausschließlich für eine vorübergehende landwirtschaftliche Tätigkeit eines hauptberuflich Beschäftigten eines außerlandwirtschaftlichen Unternehmens ausgestaltete Lastenausgleich als "aliud" grundlegend von den [X.] der §§ 102 bis 105 [X.]B X unterscheidet, aber Anlass bestanden.

e) Schließlich führen gesetzessystematische Gründe nicht zu einem anderen Ergebnis. Während § 175 [X.]B VII als Bestandteil des Sechsten Unterabschnitts des Ersten Abschnitts des Sechsten Kapitels des [X.]B VII den Ersatz von Mehraufwendungen zugunsten der landwirtschaftlichen [X.] durch einen allgemeinen Unfallversicherungsträger vorsieht, regeln die §§ 176 bis 181 [X.]B VII im Siebten Unterabschnitt die Lastenverteilung zwischen den gewerblichen [X.]. Aus der Zuweisung zu jeweils eigenen Unterabschnitten kann nicht geschlossen werden, dass für den als Erstattungs- und nicht als Lastenverteilungsregelung bezeichneten § 175 [X.]B VII die §§ 102 ff [X.]B X gelten sollten. Die Regelung des § 175 [X.]B VII ist allein dadurch bedingt, dass außerhalb der Landwirtschaft Beschäftigte - wie bereits ausgeführt wurde - besonders häufig in landwirtschaftlichen Unternehmen vorübergehend tätig sind und in landwirtschaftlichen Betrieben im Vergleich zu gewerblichen Unternehmen geringere Einkünfte erzielt werden. Vergleichbare Umstände können zwischen gewerblichen Unfallversicherungsträgern nicht vorliegen. Deshalb bestand für einen das unterschiedliche Lohnniveau berücksichtigenden Lastenausgleich zwischen gewerblichen Unfallversicherungsträgern und damit für eine einheitliche Lastausgleichsregelung dort kein Anlass (vgl B[X.] vom 27.4.1973 - 5 [X.] - B[X.]E 36, 4 = [X.] [X.] 3 zu § 942 RVO aF).

2. Eine Erstreckung des § 111 [X.]B X auf § 175 [X.]B VII im Wege der Analogie kommt mangels planwidriger Regelungslücke nicht in Betracht (zu den Voraussetzungen der Analogie vgl B[X.] vom 4.5.1999 - B 4 RA 55/98 R - [X.] 3-2600 § 34 [X.] 1 bzw des Vorliegens eines "schlüssigen Konzepts" des Gesetzgebers B[X.] vom [X.] - [X.] U 11/11 R - B[X.]E 112, 43 = [X.] 4-2700 § 90 [X.], Rd[X.]3 ff). Aus den oben dargelegten Gründen handelt es sich bei § 175 [X.]B VII um eine Spezialregelung, die den Rückgriff auf § 111 [X.]B X ausschließt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Meta

B 2 U 15/14 R

23.07.2015

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Frankfurt (Oder), 21. Mai 2012, Az: S 10 U 18/10, Urteil

§ 175 SGB 7 vom 07.08.1996, § 102 SGB 10, §§ 102ff SGB 10, § 111 SGB 10 vom 18.01.2001, § 37 S 1 Halbs 1 SGB 1

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, Az. B 2 U 15/14 R (REWIS RS 2015, 7671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 7671

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