Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2019, Az. 5 StR 578/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 632

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Gegenstand

Unerlaubter Waffenbesitz: Konkurrenzverhältnis bei gleichzeitiger Aufbewahrung zweier Schlagringe an verschiedenen Orten


Leitsatz

Der gleichzeitige Besitz zweier Schlagringe stellt auch dann einen tateinheitlich begangenen Verstoß gegen das Waffengesetz i.S.d. § 53 Abs. 3 Nr. 1 WaffG in zwei Fällen dar, wenn die Waffen an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden.

Tenor

Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 6. Juli 2018

a) dahin geändert, dass die Angeklagte wegen Besitzes in Tateinheit mit Führen von verbotenen Gegenständen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt ist,

b) um die Feststellung ergänzt, dass das Revisionsverfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.

Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagte wegen Besitzes eines Schlagringes in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Führen eines Schlagringes, zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 8 € verurteilt. Ihre gegen das Urteil gerichtete Revision führt mit der allgemeinen Sachrüge zu der aus der [X.] ersichtlichen Änderung des Schuld- und Strafausspruchs sowie zu einer Ergänzung um eine Kompensation für einen Konventionsverstoß gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 [X.]. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen bewahrte die Angeklagte am 20. Dezember 2017 einen Schlagring in ihrer Wohnung auf, der bei deren Durchsuchung sichergestellt wurde. Am 13. Januar 2018 führte sie bei einer polizeilichen Fahrzeugkontrolle versteckt im Futter ihrer Handtasche einen weiteren Schlagring bei sich. Sie hatte ihn möglicherweise einige [X.] zuvor von einem Bekannten bekommen und seither in ihrer Tasche verwahrt.

3

2. Die konkurrenzrechtliche Beurteilung des Besitzes der beiden Schlagringe als tatmehrheitlich begangene selbständige Taten nach § 52 Abs. 3 Nr. 1 [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat bei der Bewertung des [X.] zwischen den genannten Taten nicht bedacht, dass durch die gleichzeitige Ausübung der tatsächlichen Gewalt über mehrere Waffen alle in Bezug auf diese Waffen in der Besitzphase begangenen Verstöße gegen das Waffengesetz zu Tateinheit verbunden werden ([X.], Beschluss vom 17. Juni 2014 - 4 [X.], NStZ-RR 2014, 291 mwN; [X.]/StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 52 [X.] Rn. 165 mwN). Dies gilt selbst dann, wenn die Waffen an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden ([X.], Beschlüsse vom 30. November 2010 - 1 StR 574/10, StraFo 2011, 61; vom 2. Dezember 2014 - 4 StR 473/14, [X.], 188 mwN).

4

Hier hat es das [X.] für möglich gehalten, dass die Angeklagte den zuletzt sichergestellten Schlagring, den sie ihrer Einlassung zufolge schon „seit Monaten“ in ihrer Handtasche versteckt verwahrte ([X.]), seit einiger [X.] in ihrem Besitz hatte. Dann besaß sie diese Waffe jedoch naheliegenderweise auch schon bei der Sicherstellung des [X.] im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am 20. Dezember 2017 (vgl. zum Zweifelssatz bei partieller Gleichzeitigkeit des Besitzes mehrerer Waffen: [X.], Beschluss vom 16. Dezember 1998 - 2 StR 536/98, [X.] 1999, 645 mwN). Der gleichzeitige Besitz der beiden Schlagringe hat mithin zur Folge, dass die am 20. Dezember 2017 und am 13. Januar 2018 begangenen waffenrechtlichen Verstöße in Tateinheit gemäß § 52 StGB zueinanderstehen (vgl. zum Verhältnis des Führens und des [X.] einer Waffe [X.], Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 52 Konkurrenzen 2, und vom 15. Juni 2015 - 5 StR 197/15, [X.], 529 mwN).

5

3. Der [X.] hat den Schuldspruch entsprechend geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die geständige Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6

Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der verhängten Einzelstrafen nach sich. Der [X.] kann indessen die vom [X.] verhängte Gesamtfreiheitsstrafe in entsprechender Anwendung der Regelung des § 354 Abs. 1 StPO als Einzelstrafe bestehen lassen. Er schließt aus, dass das [X.] allein aufgrund einer abweichenden Beurteilung des [X.] eine mildere Strafe verhängt hätte, zumal der Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat durch eine bloße Änderung der Konkurrenzen nicht berührt wird.

7

4. Zu der nach Erlass des angefochtenen Urteils vom 6. Juli 2018 eingetretenen Verfahrensverzögerung hat der [X.] in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt:

„Die Revision ist am 13. Juli 2018 rechtzeitig eingelegt worden. Die Zustellung des Urteils ist jedoch erst am 15. Mai 2019 verfügt und daraufhin das Urteil am 21. Mai 2019 dem Verteidiger zugestellt worden. Zudem hat das [X.] nach Eingang der Revisionsbegründung am 20. Juni 2019 erst am 12. September 2019 die Akten mit [X.] des Verteidigers der Staatsanwaltschaft übersandt, von der sie am 11. Oktober 2019 an den [X.] übersandt worden sind.

Das Abwarten des Ausgangs sowohl des erstinstanzlichen als auch des Revisionsverfahrens gegen einen Mitangeklagten ist kein sachlicher Grund für die Behandlung des Rechtsmittels der Angeklagten gewesen; es hätten im erforderlichen - geringen - Umfang Doppelakten angelegt werden müssen (vgl. [X.], Urteil vom 6. März 2008 - 3 [X.]‚ [X.], 208). Auch unter Berücksichtigung des nicht übermäßig langen [X.]raums seit Kenntnis von den Vorwürfen am 20. Dezember 2017 bzw. 13. Januar 2018 und des geringen Gewichts der Vorwürfe ist noch von einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung auszugehen.“

8

Zur Kompensation der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung genügt hier deren Feststellung. Die Angeklagte ist zu keiner [X.] in Haft gewesen. Eine sie etwa belastende Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens (vgl. [X.], Beschluss vom 26. Mai 2016 - 5 [X.]) hat sich aufgrund ihrer geständigen Einlassung allein auf die Höhe der vom [X.] erkannten Geldstrafe beziehen können.

9

Diese Kompensation kann der [X.] in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1a Satz 2 StPO selbst aussprechen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 6. März 2008 - 3 [X.], [X.], 208, 209; vom 3. November 2011 - 2 StR 302/11, [X.], 320, 321, und vom 20. Dezember 2016 - 1 StR 617/16 mwN).

5. Da die gegen ihre Verurteilung insgesamt gerichtete Revision nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführerin mit den gesamten Kosten und Auslagen ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Mutzbauer     

        

König     

        

[X.]

        

Mosbacher     

        

Köhler     

        

Meta

5 StR 578/19

10.12.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bremen, 6. Juli 2018, Az: 510 Js 73305/17 - 6 KLs

§ 52 Abs 3 Nr 1 WaffG, § 52 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10.12.2019, Az. 5 StR 578/19 (REWIS RS 2019, 632)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 632

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