Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2014, Az. VI ZR 443/13

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2535

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]
Verkündet am:

30. September 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB 823 Abs. 1 Aa
Hat das erstinstanzliche Gericht den Patienten zur Frage des [X.]s persönlich angehört und will das Berufungsgericht das Ergebnis dieser Anhörung abweichend vom Erstgericht würdigen, ist es dazu grundsätzlich nicht ohne erneute persönliche Anhörung des Patienten befugt.

[X.], Urteil vom 30. September 2014 -
VI [X.] -
[X.]

[X.]

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Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2014 durch den Vorsitzenden [X.], die Richter
[X.], Pauge und [X.] und die Richterin Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 26. Zivilsenats des [X.] vom 3.
September 2013 im Kos-tenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der seinerzeit 48-jährige Kläger, der in der [X.] vom 1. bis 10.
September 2007 Blutungen beim Stuhlgang hatte, stellte sich am 18. September 2007 in der Praxis des [X.]n vor. Er unterzeichnete am selben Tag eine Einver-ständniserklärung für eine Koloskopie, die der [X.] am 14. November 2007 mit einer Polypabtragung durchführte. Dabei kam es zu einer Darmperforation 1

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mit nachfolgender Entzündung des Bauchfells. Am 23. November 2007 wurde der Kläger wegen massiver Beschwerden stationär aufgenommen und bis April 2008 mehrfach operativ sowie zeitweilig auch intensiv-medizinisch mit Lang-zeitbeatmung behandelt. In der [X.] vom 11. Mai 2008 bis zum 2. Juni 2008 befand er sich erneut in stationärer Behandlung wegen einer Bronchopneumo-nie mit septischem Schock und akuter respiratorischer Insuffizienz. [X.] wurde er in eine Rehabilitationsklinik verlegt. Der Kläger hat geltend ge-macht, die Koloskopie sei nicht indiziert gewesen. Zudem sei er nicht [X.] über das Risiko einer Peritonitis und das Bestehen von [X.] aufgeklärt worden. Der Kläger begehrt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens. Das [X.] hat die Klage,
sachverständig bera-ten, nach Anhörung der Parteien abgewiesen. Dagegen hat der Kläger [X.] eingelegt. Das [X.] hat die Parteien erneut angehört und Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Es hat das landgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Mit der vom erken-nenden Senat zugelassenen Revision erstrebt der [X.] die Wiederherstel-lung des landgerichtlichen Urteils.

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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in [X.], 309 veröffentlicht ist, führt aus, es könne dahinstehen, ob die gegen den [X.]n geltend gemachten Ansprüche wegen des behaupteten Behandlungsfehlers bestünden. Die Klage sei schon deshalb begründet, weil davon ausgegangen werden müsse, dass die Behandlung ohne eine ausreichende Aufklärung des [X.] erfolgt sei. Es sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der [X.] den Kläger über die Risiken der Koloskopie in dem von ihm als üblich geschilderten Umfang aufgeklärt habe. Der [X.] könne sich auch nicht mit Erfolg auf eine hypothetische Einwilligung des [X.] berufen, denn der Kläger habe plausible Gründe dafür dargelegt, dass er sich bei ordnungs-gemäßer Aufklärung in einem echten [X.] befunden hätte.

II.
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Da das Berufungsgericht offen lässt, ob dem [X.]n bei der Kolo-skopie ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, ist im [X.] zuguns-ten des [X.]n zu unterstellen, dass ein Behandlungsfehler jedenfalls nicht nachgewiesen ist.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des [X.]sgerichts, der [X.] habe den ihm obliegenden Beweis einer ordnungs-gemäßen Risikoaufklärung nicht erbracht.
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a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass ein Arzt grund-sätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteili-gen Folgen haftet, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwil-ligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist. Richtig ist auch, dass eine wirksame Einwilligung des Patienten dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraussetzt (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2006 -
VI
ZR 206/05, [X.]Z 169, 364 Rn. 7). Nach gefestigter Rechtsprechung ist ein Patient über schwer-wiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Risikostatistiken sind für das Maß der Aufklärung von nur geringem Wert (vgl. Senatsurteile vom 15. Februar 2000 -
VI
ZR 48/99, [X.]Z 144, 1, 5; vom 22. April 1980 -
VI
ZR 37/79, [X.], 456, 457,
und vom 21. November 1995 -
VI
ZR 341/94, [X.], 330, 331;
[X.], Urteil vom 7. Juli 1994 -
III
ZR 52/93, [X.]Z 126, 386, 389). Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist nicht ein bestimmter Grad der Risikodichte, insbesondere nicht eine bestimmte Statistik. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (Senatsurteile vom 7. Februar 1984 -
VI
ZR 174/82, [X.]Z 90,
103, 106 und vom 21. November 1995 -
VI
ZR 341/94, aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen war vorliegend vor der Koloskopie -
was der [X.] auch nicht in Abrede stellt
-
über das Risiko einer Darmperforation aufzuklären, denn nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen handelt es sich bei einer im Rahmen einer Koloskopie auftretenden Perforation zwar um eine seltene Komplikation, die jedoch, wenn sie eintritt, in der [X.] Zahl der Fälle eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge hat und eine operative Sanierung notwendig macht.
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c) Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass der [X.] nicht bewiesen habe, den Kläger vor der Behandlung über das Risiko einer Darmperforation aufgeklärt zu haben.
aa) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dürfen an den dem Arzt obliegenden Beweis einer ordnungsgemäßen Risikoaufklärung aller-dings keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Der Tatrichter hat die besondere Situation, in der sich der Arzt während der [X.] des Patienten befindet, ebenso zu berücksichtigen wie die Gefahr, die sich aus dem Missbrauch seiner Beweislast durch den Patienten zu [X.] Zwecken ergeben
kann. Ist einiger Beweis für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht, sollte dem Arzt im Zweifel geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist; dies auch mit Rücksicht darauf, dass aus vielerlei verständlichen Gründen Pati-enten sich im Nachhinein an den genauen Inhalt solcher Gespräche, die für sie etwa vor allem von therapeutischer Bedeutung waren, nicht mehr erinnern. In jedem Fall bedarf es einer verständnisvollen und sorgfältigen Abwägung der tatsächlichen Umstände, für die der Tatrichter einen erheblichen Freiraum hat (vgl. Senatsurteile vom 10.
März 1981 -
VI
ZR 202/79, [X.], 730, 731; vom 21. September 1982 -
VI
ZR 302/80, [X.], 1193, 1194; vom 28.
Februar 1984 -
VI
ZR 70/82, [X.], 538, 539 f.; vom 8. Januar 1985 -
VI
ZR 15/83, [X.], 361, 362 und vom 28. Januar 2014 -
VI
ZR 143/13, [X.], 588 Rn. 11, jeweils mwN; [X.], [X.], 625, 626, mwN).
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verkannt. Entgegen der Auffassung der Revision hat es auch die Anforderungen an den Nachweis einer ärztlichen Aufklärung nicht überspannt.
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(1) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach §
559 Abs.
2 ZPO gebun-den. [X.] ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsur-teile vom 20. Dezember 2011 -
VI
ZR 309/10, [X.], 454 Rn. 13; vom 10.
Juli 2012 -
VI
ZR 341/10, [X.]Z 194, 26 Rn. 28; vom 11. Dezember 2012
-
VI
ZR 314/10, [X.], 321 Rn. 16 und vom 20. Mai 2014 -
VI
ZR 187/13, [X.], 1130 Rn. 28,
jeweils mwN).
(2) Das Berufungsgericht hat sich nach Anhörung des [X.]n und Vernehmung der Arzthelferin [X.] nicht die Überzeugung bilden können, dass der [X.] den Kläger so wie üblich aufgeklärt hat. Erst recht hat es sich nicht davon überzeugen können, dass eine Aufklärung über das Risiko einer [X.] stattgefunden hat. Dem Berufungsgericht fehlten ausreichende Indizien für die Annahme einer ordnungsgemäßen Aufklärung. Diese Würdi-gung ist vertretbar und hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
(3) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des [X.]n von Amts wegen gemäß §
448 ZPO verneint. Die Entscheidung über die Vernehmung einer Partei nach §
448 ZPO steht im Ermessen des Tatrichters und ist im Revisionsverfahren nur darauf nachprüfbar, ob die rechtlichen Voraussetzungen verkannt worden sind oder das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt worden ist (st. Rspr.;
vgl. Senatsurteil vom 1. Februar 1983 -
VI
ZR 152/81, [X.], 445; [X.], Urteile vom 5. Juli 1989 -
VIII
ZR 334/88, NJW 1989, 3222 f.
und vom 5. Dezember 2012 -
VIII
ZR 74/12, [X.], 1299 Rn. 39; jeweils mwN). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
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(a) Voraussetzung für eine Parteivernehmung der beweisbelasteten [X.] ist, dass bereits eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der be-strittenen Behauptung erbracht ist und das Gericht durch die Parteivernehmung die Ausräumung seiner restlichen Zweifel erwartet ([X.], Urteile vom 5. Juli 1989 -
VIII
ZR 334/88, aaO, S. 3223
und vom 5. Dezember 2012 -
VIII
ZR 74/12, aaO; [X.], NJW-RR 2011, 496, 498; [X.], NJW-RR 2010, 1717, 1718; Musielak/[X.], ZPO, 11.
Aufl., §
448 Rn.
3).
(b) Danach hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen für eine [X.]vernehmung des [X.]n im Hinblick auf dessen Angaben bei seiner per-sönlichen Anhörung mit Recht verneint, denn der [X.] hat erklärt, er könne sich zwar an den Kläger wegen dessen Vorerkrankung erinnern und habe über-legt, ob dessen Morbus [X.] der Durchführung der Koloskopie entgegen-stehen könne. Er hat aber zugleich ausdrücklich eingeräumt, sonst nichts mehr von dem Aufklärungsgespräch zu wissen. Er habe lediglich keinen Anlass an-zunehmen, dass die Aufklärung anders als sonst üblich gewesen sei. Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, dass eine Partei-vernehmung des [X.]n für den Beweis einer Aufklärung über das Risiko einer Darmwandperforation
ungeeignet ist.
3. Die Revision wendet sich jedoch mit Recht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, der [X.] könne sich nicht mit Erfolg auf eine hypotheti-sche Einwilligung des [X.] berufen, weil dieser einen [X.] plausibel dargelegt habe.
a) Der Einwand der [X.], der Patient hätte sich einem Ein-griff auch bei zutreffender Aufklärung über dessen Risiken unterzogen, ist grundsätzlich beachtlich (Senatsurteil vom 7. Februar 1984 -
VI
ZR 174/82, aaO,
S.
111). Den Arzt trifft insoweit die Behauptungs-
und Beweislast. Er ist 14
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mit dem Beweis für seine Behauptung, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt haben würde, allerdings nur zu belasten, wenn der Patient zur Überzeugung des Tatrichters plausibel macht, dass er, wären ihm rechtzeitig die Risiken der Behandlung verdeutlicht worden, vor ei-nem echten [X.] gestanden hätte, wobei an die Substantiie-rungspflicht zur Darlegung eines solchen Konflikts keine zu hohen Anforderun-gen gestellt werden dürfen (Senatsurteile vom 7. April 1992 -
VI
ZR 192/91, [X.], 960, 962 und vom 14. Juni 1994 -
VI
ZR 260/93, [X.], 1302, jeweils
mwN).
b) Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht im Ansatz zutref-fend ausgegangen. Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass es die plausible Darlegung eines [X.]s durch den Kläger bejaht hat, ohne [X.]n selbst dazu persönlich gehört zu haben.
aa) Die Würdigung, ob der Patient im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung
in einen [X.] geraten wäre, ist ebenso wie die Beweiswürdi-gung gemäß § 286 ZPO grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Fest-stellungen das Revisionsgericht gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO). [X.] ist indes zu überprüfen,
ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den [X.] umfassend und widerspruchsfrei auseinanderge-setzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht ge-gen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. zur Beweiswürdigung Senatsurteil
vom 10. Juli 2012 -
VI
ZR 341/10, aaO; [X.], Urteile vom 29. Juni 2010 -
XI
ZR 104/08, [X.]Z 186, 96 Rn. 38 und vom 22. Juni 2011 -
IV
ZR 225/10, [X.], 1037, insoweit in [X.]Z 190, 120 nicht abgedruckt, jeweils mwN). Feststellungen darüber, wie sich ein Patient bei ausreichender Aufklä-rung entschieden hätte, und ob er in einen [X.] geraten wäre, darf der Tatrichter grundsätzlich nicht ohne persönliche Anhörung des Patienten 18
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treffen; ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn schon die unstreitigen äußeren Umstände eine sichere Beurteilung der hypothetischen Entscheidungssituation erlauben (vgl. Senatsurteile vom 26. Juni 1990 -
VI
ZR 289/89, [X.], 1238, 1240 und vom 1. Februar 2005 -
VI
ZR 174/03, [X.], 694 mwN).
bb) Das Berufungsgericht hat den Kläger selbst nicht dazu gehört, ob er im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung über das mit einer Koloskopie verbun-dene Risiko einer Darmperforation in einen [X.] geraten wäre. Es hat seiner Beurteilung vielmehr die Angaben des [X.] zugrunde gelegt, die dieser bei seiner persönlichen Anhörung vor dem [X.] gemacht hat. Diese Angaben hat es allerdings anders als die Vorinstanz gewürdigt. Diese Würdigung leidet, wie die Revision mit Recht geltend
gemacht, an einem Ver-fahrensfehler und kann deshalb keinen Bestand haben.
cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann eine hypothe-tische Einwilligung auf die erstinstanzliche Anhörung des Patienten in der Regel nicht gestützt werden, wenn das Berufungsgericht dessen Angaben anders als das [X.] würdigen will.
(1) Der erkennende Senat fordert für den Regelfall eine persönliche An-hörung des Patienten, um zu vermeiden, dass das Gericht für die Verneinung eines [X.]s vorschnell auf das abstellt, was bei objektiver Be-trachtung als nahe liegend oder vernünftig erscheint, ohne die persönlichen, möglicherweise weniger nahe liegenden oder als unvernünftig erscheinenden Erwägungen des Patienten ausreichend in Betracht zu ziehen. Die persönliche Anhörung soll es dem Gericht ermöglichen, den anwaltlich vorgetragenen Gründen für und gegen einen [X.] durch konkrete Nachfragen nachzugehen und sie auch aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Patienten sachgerecht beurteilen zu können (Senatsurteil vom 17. April 2007 -
VI
ZR 20
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108/06, [X.], 999, Rn. 18; vgl. auch Senatsurteile vom 26. Juni 1990
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VI
ZR 289/89, aaO; vom 11. Dezember 1990 -
VI
ZR 151/90, [X.], 315, 316; vom 2. März 1993 -
VI
ZR 104/92, [X.], 749, 750 f.; vom 4.
April 1995 -
VI
ZR 95/94, [X.], 1055, 1057; vom 1. Februar 2005
-
VI
ZR 174/03, aaO; vom 15. März 2005 -
VI
ZR 313/03, [X.], 836, 837; vom 10. Oktober 2006 -
VI
ZR 74/05, [X.], 66
Rn. 17 f.
und vom 6. Juli 2010 -
VI
ZR 198/09, [X.], 1220 Rn.
17; [X.]/[X.], 2.
Aufl., §
630h BGB Rn. 92 f.; [X.]/[X.], [X.], 7. Aufl., Rn. [X.] 142).
(2) Nach gefestigter Rechtsprechung ist eine wiederholte Vernehmung eines Zeugen notwendig, wenn das Gericht die Glaubwürdigkeit eines Zeugen anders würdigen will als die Vorinstanz (vgl. Senatsurteile vom 20. November 1984 -
VI
ZR 73/83, [X.], 183, 184
und vom 12. November 1991 -
VI
ZR 369/90, [X.], 237, 238; [X.], Urteile vom 24. Oktober 1973 -
VIII
ZR 111/72, NJW 1974, 56; vom 29. Januar 1991 -
XI
ZR 76/90, NJW-RR
1991, 829, 830; vom 24.
November 1992 -
XI
ZR 86/92, [X.], 99, 101
und vom 2. Juni 1999 -
VIII
ZR 112/98, NJW 1999, 2972, 2973). Dasselbe gilt, wenn es der Aussage auch nur ein anderes Gewicht, eine andere Tragweite oder eine vom Wortsinn abweichende Auslegung geben will oder wenn es die protokollier-ten Angaben des Zeugen für zu vage und präzisierungsbedürftig hält ([X.]/[X.], 4.
Aufl., § 398 Rn.
5 mwN).
(3) Entsprechend diesen Grundsätzen kann die nochmalige Anhörung des bereits in erster Instanz persönlich angehörten Patienten dazu, ob er im Falle ordnungsgemäßer Aufklärung in einen [X.] geraten wä-re, grundsätzlich nicht unterbleiben, wenn das Berufungsgericht die Angaben des Patienten bei seiner persönlichen Anhörung anders als das Erstgericht [X.] will und die vorzunehmende Würdigung der Plausibilität nicht ohne Be-rücksichtigung des persönlichen Eindrucks von dem Patienten erfolgen kann.
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(4) Der Kläger hat in seiner persönlichen Anhörung vor dem [X.] angegeben, dass er, wenn ihm ein Arzt gesagt hätte, das Risiko einer Darmper-foration läge bei drei bis acht von 10.000 Patienten, zunächst nachgefragt hätte, ob es Alternativen gäbe. Auf Nachfrage des Gerichts, was er getan hätte, wenn man ihm gesagt hätte, eine medizinisch sinnvolle Alternative gebe es nicht, hat er erklärt, er hätte vielleicht einen anderen Arzt gefragt; er wisse es nicht. Diese Angaben haben dem [X.] zur plausiblen Darlegung eines echten [X.] nicht genügt. Demgegenüber hat das Berufungsgericht [X.] Angaben des [X.] im Hinblick darauf für hinreichend plausibel gehalten, dass es sich vorrangig um einen diagnostischen Eingriff zur Abklärung der [X.] gehandelt habe und das Risiko für den Kläger auch umso größer einzuschätzen gewesen sei, als die letzte Blutung zum [X.]punkt der Kolosko-pie etwa zwei Monate zurückgelegen habe, weshalb mit der Untersuchung [X.] gewartet werden können, ohne unmittelbare gesundheitliche Probleme riskie-ren zu müssen. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts finden in den Anga-ben des [X.], die dieser bei seiner persönlichen Anhörung vor dem [X.] gemacht hat, ersichtlich keine Stütze. Das Berufungsgericht hat die proto-kollierten Angaben des [X.] anders als das [X.] gewürdigt und ab-weichend vom [X.] für plausibel erachtet, ohne sich dabei -
wie grundsätzlich geboten -
auf einen eigenen persönlichen Eindruck stützen zu können. Bei seiner Würdigung hat es zudem nicht hinreichend beachtet, dass für die Plausibilität eines [X.]s nicht auf eine objektive Risiko-bewertung abgestellt werden darf, sondern dass es allein auf die persönliche Entscheidungssituation des Patienten aus damaliger Sicht ankommt (vgl. Se-natsurteile vom 9. November 1993 -
VI
ZR 248/92, [X.], 682, 684 und vom 18. November 2008 -
VI
ZR 198/07, [X.], 257
Rn.
26). Diese Frage kann das Berufungsgericht nicht ohne erneute Anhörung des Patienten abwei-chend
vom Erstgericht beurteilen.
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4. Nach alledem kann das Berufungsurteil, soweit zum Nachteil des [X.] erkannt worden ist, keinen Bestand haben. Insoweit ist die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen (§
563 Abs.
1 Satz 1 ZPO). Dieses wird bei erneuter Befassung Gelegenheit haben, auch das weitere Vorbringen der Parteien in der [X.] zu berücksichtigen.
Galke
[X.]
Pauge

[X.]
Oehler

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.02.2012 -
4 [X.]/09 -

[X.], Entscheidung vom 03.09.2013 -
I-26 [X.]/12 -

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Meta

VI ZR 443/13

30.09.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.09.2014, Az. VI ZR 443/13 (REWIS RS 2014, 2535)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2535

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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