Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2010, Az. II ZR 62/06

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 8832

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/06 vom 2. März 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja RVG § 22 Abs. 2 Satz 2 Die Erhöhung der Wertgrenze für die Anwaltsgebühren auf 100 Mio. • nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG setzt voraus, dass die dort als "in [X.]elben Angelegenheit" für die mehreren Auftraggeber bezeichnete anwaltliche Tätigkeit verschiedene Gegens-tände betrifft. [X.], [X.]uss vom 2. März 2010 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der I[X.] Zivilsenat des [X.] hat am 2. März 2010 durch [X.] und [X.] Strohn, [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens für die Vergü-tung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird unter Zu-rückweisung ihres weitergehenden Antrags auf 30.000.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Die Parteien haben vor dem [X.]at um einen Anspruch auf Rückzahlung ei-nes [X.] in Höhe von 164.638.234,57 • gestritten, der nach Auffassung des klagenden Insolvenzverwalters nicht geschuldet war, weil der zugrunde liegende Vorgang eine verdeckte Sacheinlage darstellte. Das Verfahren ist mittlerweile rechts-kräftig abgeschlossen ([X.] 173, 145; [X.], [X.].Urt. v. 11. Mai 2009 - [X.], [X.], 1155). 1 Die Prozessbevollmächtigten der vier Beklagten haben beantragt, den [X.]swert für die anwaltliche Tätigkeit auf 100 Mio. • festzusetzen. 2 I[X.] Funktionell zuständig für die Entscheidung ist der [X.]at. Zwar sieht § 33 Abs. 8 RVG vor, dass über den Antrag auf [X.] das Gericht durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter entscheidet. Das gilt aber nicht für den [X.] - 3 - [X.], bei dem Entscheidungen durch den Einzelrichter nicht vorgesehen sind ([X.], [X.]. v. 13. Januar 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 584 zu § 66 Abs. 6 GKG). II[X.] Der Antrag ist zulässig. 4 Nach § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG setzt das Gericht des Rechtszugs den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit fest, wenn sich die Gebühren in einem [X.] Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Wert berechnen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Wegen § 22 Abs. 2 RVG ist die Fest-setzung des Streitwerts für die Gerichtsgebühren nach § 39 GKG nicht zwingend auch für die Höhe der Anwaltsgebühren maßgeblich. Dabei genügt die Behauptung, die Wertgrenze sei zugunsten des Antragstellers erhöht. 5 Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sind nach § 33 Abs. 2 Satz 2 RVG aus eigenem Recht antragsbefugt. 6 IV. Der Antrag ist nur in Höhe von 30 Mio. • begründet, im Übrigen ist er [X.]. 7 Eine Erhöhung der Wertgrenze des § 22 Abs. 2 Satz 1 RVG von 30 Mio. • auf 100 Mio. • nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG kommt nicht in Betracht, weil die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Beklagten denselben Gegenstand betroffen hat und damit § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG keine Anwendung findet. 8 1. Der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit ist dann [X.]elbe, wenn der Rechtsanwalt für mehrere Auftraggeber wegen desselben Rechts oder Rechtsver-hältnisses tätig wird. Ob dasselbe Recht oder Rechtsverhältnis betroffen ist, be-9 - 4 - stimmt sich auch dann nach dem klägerischen Begehren, wenn der Rechtsanwalt für die Beklagten tätig wird ([X.], [X.]. v. 5. Oktober 2005 - VIII ZB 52/04, [X.] 2006, 69). Der Kläger hat sämtliche Beklagten als Gesamtschuldner auf Rückzahlung eines einheitlichen [X.] in Anspruch genommen. Damit liegt ein einheitlicher [X.] vor. 2. Die Erhöhung der Wertgrenze von 30 Mio. • auf 100 Mio. • nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG setzt voraus, dass in [X.]elben Angelegenheit mehrere Gegens-tände behandelt werden (AnwKommRVG/[X.] 5. Aufl. § 22 Rdn. 32; [X.]. [X.] 2009, 455; [X.]. [X.] 2007, 522; [X.]/[X.], RVG 4. Aufl. § 22 Rdn. 17; a.A. [X.], [X.] 2007, 521, 522; [X.], [X.] 2009, 454; [X.], NJW 2009, 3550 ff.; [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], RVG 3. Aufl. § 22 Rdn. 61 f., dieses Ergebnis aber - bis zur 2. Aufl. - zutreffend als "unsinnig" kriti-sierend; [X.], [X.] 39. Aufl. § 22 RVG Rdn. 6; [X.]/von [X.]/[X.], RVG 18. Aufl. § 22 Rdn. 8). Das ergibt sich zwar nicht aus dem Wort-laut des § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG, folgt aber aus der Systematik des [X.], die bei Anwendung der Gegenmeinung Brüche sowohl im [X.] zu § 7 Abs. 2 RVG als auch zu Nr. 1008 [X.] erlitte. 10 Der Ansatz eines Gegenstandswerts von 100 Mio. • nach § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG hätte in einer Angelegenheit mit identischem Gegenstand zur Folge, dass der Prozessbevollmächtigte mehrerer Auftraggeber insgesamt mehr fordern könnte, als ihm alle Auftraggeber nach § 7 Abs. 2 RVG je einzeln schulden (näher AnwKommRVG/[X.] 5. Aufl. § 22 Rdn. 32; zu dieser Problematik auch [X.], NJW 2009, 3550, 3551). Bei einem Gegenstandswert von 100 Millio-nen Euro und Identität des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit ergäbe sich bei Ansatz von 2,3 Gebühren nach Nr. 3208 [X.], 1,5 Gebühren nach Nr. 3210 [X.] und - bei vier Auftraggebern - 0,9 Gebühren nach Nr. 1008 [X.] im [X.] - 5 - visionsverfahren ein Gesamtgebührenanspruch in Höhe von 1.417.031,20 •. Nach § 7 Abs. 2 RVG ist aber der Anspruch gegen jeden einzelnen der Auftraggeber auf 347.684,80 • (3,8 Gebühren aus einem Gegenstandswert von 30 Mio. •) beschränkt. Der Prozessbevollmächtigte könnte deshalb von allen vier Auftraggebern zusammen lediglich (4 x 347.684,80 =) 1.390.739,20 • verlangen. Erhöhte man bei identischem Gegenstand die Wertgrenze von 30 Mio. • auf 100 Mio. •, verbliebe eine Differenz von 26.292,00 •, die angefallen, aber von keinem der Auftraggeber zu erstatten wä-re. Zugleich würde der Ansatz eines Gegenstandswerts von 100 Mio. • zu einem Wertungswi[X.]pruch bei der Anwendung von Nr. 1008 [X.] führen. Die Folge wäre nämlich, dass der Rechtsanwalt in einer Angelegenheit bei identischem [X.] deutlich mehr an Gebühren erhielte als in einer Angelegenheit mit ver-schiedenen Gegenständen, bei denen Nr. 1008 [X.] nicht zur Anwendung kommt. Damit würde eine typischerweise weniger aufwändige Tätigkeit des [X.] höher entgolten als eine typischerweise mit größerem Aufwand verbundene. 12 Dieser - letztlich durch eine unsorgfältige Fassung des § 22 Abs. 2 Satz 2 RVG hervorgerufene (vgl. dazu [X.], RVG 2. Aufl. § 22 Rdn. 61) - Wertungswi-[X.]pruch lässt sich nicht dadurch auflösen, dass man den nach § 7 Abs. 2 RVG er-mittelten Gesamtbetrag der von allen Auftraggebern je einzeln geschuldeten Gebüh-ren als "selbständige Grenze" für die insgesamt geschuldeten Gebühren interpretiert (so aber [X.], NJW 2009, 3550, 3552). Denn auch dann würde der Pro-zessbevollmächtigte - wegen der Gebührenerhöhungen gemäß Nr. 1008 [X.] - deutlich mehr verdienen als ein Rechtsanwalt, der für vier Auftraggeber in vier ver-schiedenen Gegenständen tätig wäre. Das erscheint nicht sachgerecht. 13 - 6 - 14 V. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 33 Abs. 9 RVG. [X.]

Strohn

Reichart Drescher [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 2/26 O 293/03 - [X.], Entscheidung vom 10.02.2006 - 10 U 265/04 -

Meta

II ZR 62/06

02.03.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.03.2010, Az. II ZR 62/06 (REWIS RS 2010, 8832)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8832

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