Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2019, Az. 3 StR 280/18

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 10615

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Gegenstand

Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung: Anfangsverdacht für Durchsuchungsanordnung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 18. Januar 2018 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Das [X.] zu vier im Zusammenhang mit der Verwertbarkeit von Erkenntnissen aus [X.] erhobenen Verfahrensrügen, das sich offensichtlich an dem Beschluss des Senats vom 3. Mai 2017 (3 [X.], juris) ausrichtet, gibt Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

Anders als in jenem Verfahren geht es vorliegend nicht darum, dass aus [X.] stammende Erkenntnisse unmittelbar als Beweismittel zur Überführung des Angeklagten verwertet worden sind. Die Erkenntnisse aus den [X.] mündeten vielmehr in ein Behördenzeugnis des [X.], das - neben weiteren polizeilichen Erkenntnissen - vom Ermittlungsrichter des [X.] zur Begründung des Anfangsverdachts einer [X.]raftat nach § 89a [X.]GB und zum Erlass darauf aufbauender Durchsuchungsbeschlüsse herangezogen worden ist. Im Rahmen des Vollzugs dieser Beschlüsse wurden ein Laptop und ein Mobiltelefon des Angeklagten sichergestellt, auf denen sich [X.] und [X.] befanden, die das [X.] als Beweismittel verwertet hat, um den Beschwerdeführer wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß § 129b Abs. 1 i.V.m. § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1 Variante 1 [X.]GB zu verurteilen. Für diese Verfahrenskonstellation gilt Folgendes:

1. Für die Zulässigkeit einer regelmäßig in einem frühen [X.]adium der Ermittlungen in Betracht kommenden Durchsuchung reicht der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht aus, dass eine [X.]raftat begangen worden ist und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt (vgl. hierzu: [X.], Beschlüsse vom 12. August 2015 - [X.]B 8/15, [X.]R [X.] § 102 Tatverdacht 3; vom 18. Dezember 2008 - [X.]B 26/08, [X.]R [X.] § 102 Tatverdacht 2; [X.]/[X.], [X.], 26. Aufl., § 102 Rn. 12, § 105 Rn. 65). Dabei können [X.] zur Begründung eines Anfangsverdachts grundsätzlich herangezogen werden, wobei der konkrete Beweiswert des Zeugnisses von seinem Inhalt und davon abhängig ist, ob es - wie hier - lediglich dem Beleg eines Anfangsverdachts oder der Begründung eines höheren Verdachtsgrades dient (vgl. [X.], Beschlüsse vom 22. Februar 2018 - AK 5/18; vom 30. November 2017 - [X.]; vom 8. November 2017 - AK 54/17; vom 17. August 2017 - AK 34/17; vom 4. Januar 2013 - [X.]B 10/12; vom 14. Oktober 2011 - AK 17/11; alle Beschlüsse zitiert nach juris).

Es ist danach nicht zu beanstanden, dass der Ermittlungsrichter des [X.] sich zur Begründung des Anfangsverdachts (auch) auf das Behördenzeugnis des [X.] gestützt hat. Dieses ging seinem Inhalt nach über die pauschale Behauptung hinaus, der Beschwerdeführer sei Unterstützer des [X.] und möglicherweise in [X.] in [X.] involviert; die in dem Behördenzeugnis genannten Anhaltspunkte wurden durch polizeilichen Erkenntnisse gestützt, so dass bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte vorlagen, auf die ein Anfangsverdacht gestützt werden konnte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 31. August 2016 - AK 46/16, juris Rn. 17; vom 12. August 2015 - [X.]B 8/15, [X.]R § 102 Tatverdacht 3).

2. Angesichts dessen war der Ermittlungsrichter des [X.] von Rechts wegen nicht gehalten, Informationen über die Rechtmäßigkeit der [X.] einzuholen, etwa die Akten des [X.] anzufordern und nach gegebenenfalls abgegebener Sperrerklärung des [X.] zu erheben. Konkrete Anhaltspunkte, die gegen die Rechtmäßigkeit der [X.] sprachen, lagen nicht vor; ein pauschales Misstrauen gegenüber den in die Beantragung, Anordnung und Kontrolle der [X.] involvierten Behörden und Gremien, die an Recht und Gesetz gebunden sind, ist nicht angezeigt (so auch: [X.], Beschluss vom 2. Februar 2018 - 9 [X.] 10/17, BeckRS 2018, 9058 Rn. 17).

3. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das [X.] verpflichtet gewesen ist, [X.] zur Rechtmäßigkeit der [X.]n zu entfalten, kann offen bleiben, weil die von ihm ergriffenen Maßnahmen - wie der [X.] in seiner Antragschrift zutreffend ausgeführt hat - auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl. [X.], Beschluss vom 3. Mai 2017 - 3 [X.], juris [X.] [X.]) jedenfalls ausreichend gewesen sind.

4. In der konkreten Verfahrenskonstellation wäre richtiger Bezugspunkt einer etwaigen Rechtmäßigkeitsprüfung allerdings nicht - wie vom Beschwerdeführer und ihm folgend vom [X.] angenommen - die [X.], sondern die Durchsuchungsbeschlüsse des [X.] gewesen, weil diese die ermittlungsrichterlichen Entscheidungen darstellten, auf deren Grundlage die verwerteten Beweismittel gewonnen wurden. Für die insoweit vorzunehmende Prüfung gelten die allgemeinen Grundsätze zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit ermittlungsrichterlicher Beschlüsse (vgl. zum Prüfungsmaßstab [X.], Urteil vom 16. Februar 1995 - 4 [X.]R 729/94, [X.][X.] 41, 30, 31 ff.; Beschlüsse vom 1. August 2002 - 3 [X.]R 122/02, [X.][X.] 47, 362, 365 f.; vom 26. Februar 2003 - 5 [X.]R 423/02, [X.][X.] 48, 240, 248; vom 8. Februar 2018 - 3 [X.]R 400/17, NJW 2018, 2809 Rn. 17) und aus einer etwaigen Rechtswidrigkeit gegebenenfalls zu ziehenden Konsequenzen (zur in ständiger Rechtsprechung des [X.] vertretenen Abwägungslösung vgl. etwa [X.], Urteile vom 13. Januar 2011 - 3 [X.]R 332/10, [X.][X.] 56, 127 Rn. 13 [X.]; vom 14. August 2009 - 3 [X.]R 552/08, [X.][X.] 54, 69 Rn. 47 ff. [X.]; [X.], Beschluss vom 7. Dezember 2011 - 2 BvR 2500/09, [X.]E 130, 1, 29 ff.; zur Frage der sog. Fernwirkung vgl. [X.], Beschluss vom 7. März 2006 - 1 [X.]R 316/05, [X.][X.] 51, 1 Rn. 21 ff.; zur Begründung eines Anfangsverdachts durch einem Verwertungsverbot unterliegende Beweismittel vgl. auch [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417 Rn. 42).

Schäfer     

        

Gericke     

        

Spaniol

        

Berg     

        

Hoch     

        

Meta

3 StR 280/18

06.02.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend KG Berlin, 18. Januar 2018, Az: (3) 172 OJs 9/17 (4/17)

§ 102 StPO, § 129a Abs 1 Nr 1 StGB, § 129a Abs 5 S 1 Alt 1 StGB, § 129b Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.02.2019, Az. 3 StR 280/18 (REWIS RS 2019, 10615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10615

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