Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.11.2013, Az. X B 114/13

10. Senat | REWIS RS 2013, 867

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Gegenstand

Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerde wegen Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten - Zuordnung eines erworbenen Objekts zum gewerblichen Grundstückshandel - Umsatzsteuerliche Behandlung kein Indiz für Gewerblichkeit


Leitsatz

1. NV: Eine Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, wenn sowohl der Kläger als auch das FA schriftsätzlich ausführen, bei der vorzeitigen Ablösung von Grundstücksfinanzierungsdarlehen seien Vorfälligkeitsentschädigungen angefallen, und das FG in rechtlicher Hinsicht die Auffassung vertritt, die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung könne als Indiz gegen die Gewerblichkeit eines Grundstücksgeschäfts dienen, die Klage aber mit der Begründung abweist, der Kläger habe nichts zu einer Vorfälligkeitsentschädigung vorgetragen .

2. NV: Wird ein Steuerpflichtiger, der mit anderen Objekten bereits einen gewerblichen Grundstückshandel betreibt, bei Erwerb eines weiteren Objekts in unbedingter oder zumindest bedingter Veräußerungsabsicht tätig, wird dieses Objekt regelmäßig seinem bestehenden Betriebsvermögen zuzuordnen sein .

3. NV: Weil umsatzsteuerrechtlich jeder Vermieter als Unternehmer anzusehen ist, stellt die umsatzsteuerrechtliche Behandlung in Fällen, in denen über die Existenz eines gewerblichen Grundstückshandels gestritten wird, kaum ein tragfähiges Indiz für das Vorliegen von Gewerblichkeit im ertragsteuerrechtlichen Sinne dar .

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren 1996, 1998 und 1999 zur Einkommensteuer [[[X.].]] wurden. Der Kläger war als Immobilienkaufmann gewerblich tätig sowie alleiniger Gesellschafter und einziger Geschäftsführer einer im Bauträgergeschäft tätigen GmbH.

2

Mit notariell beurkundetem [[[X.].]] erwarb der Kläger ein unbebautes Grundstück in [[X.].] Bereits im August 1993 hatte er sich gegenüber einer Restaurantkette verpflichtet, eine Teilfläche dieses Grundstücks mit einem zum Betrieb eines Restaurants geeigneten Gebäude zu bebauen und anschließend auf 15 Jahre umsatzsteuerpflichtig zu vermieten. Das Objekt wurde durch ein Bankdarlehen mit zehnjähriger Laufzeit finanziert und 1994 an die Mieterin übergeben.

3

Mit [[X.].] verkaufte der Kläger den vermieteten Grundstücksteil zum Preis von [[X.].] [[X.].] Umsatzsteuer und löste das Bankdarlehen vorzeitig ab. Im September 1997 verkaufte er auch die Restfläche zum Preis von [[X.].].

4

Der Kläger ordnete die Mieteinnahmen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu, die er für die Jahre 1995 und 1996 allerdings durch eine "Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG" ermittelte. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) vertrat demgegenüber die Auffassung, die vom Kläger hinsichtlich des [[X.].] entfaltete Tätigkeit sei als gewerblicher Grundstückshandel zu qualifizieren. Er ermittelte aus dem Verkaufsvorgang des Jahres 1996 einen Gewinn von [[X.].] und aus dem Verkaufsvorgang des Jahres 1997 einen Verlust von [[X.].].

5

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht ([[X.].]) führte --ohne hierzu Einzelheiten festzustellen-- aus, der Kläger habe in den Streitjahren bereits mit anderen Objekten einen gewerblichen Grundstückshandel unterhalten, dessen Betriebsvermögen auch das Objekt [X.] zuzuordnen sei. Maßgebend für die Zuordnung zum Betriebsvermögen seien der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer bei der Vermietung und dem Verkauf dieses Grundstücks sowie die Branchennähe des Klägers. Weder der Abschluss eines langfristigen Mietvertrags noch die langfristige Finanzierung seien als Gegenindizien anzusehen. Anders könne dies nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) allenfalls dann zu beurteilen sein, wenn der Kläger eine Vorfälligkeitsentschädigung hätte zahlen müssen. Dazu habe er indes nichts vorgetragen.

6

Mit ihrer Beschwerde begehren die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung und eines Verfahrensmangels.

7

Das [X.] hält die Beschwerde im Ergebnis für unbegründet. Selbst wenn dem [[X.].] der gerügte Verfahrensfehler tatsächlich unterlaufen sein sollte, sei die Beschwerde jedenfalls in analoger Anwendung des § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung ([[X.].]O) wegen [X.] zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Beschwerde ist begründet. Es liegt ein von den Klägern geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des [[X.].] beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[X.].]O).

9

1. Der von den Klägern gerügte Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[X.].]O) in Gestalt eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten liegt vor.

a) Zum Gesamtergebnis des Verfahrens i.S. des § 96 Abs. 1 Satz 1 [[X.].]O gehört auch die Auswertung des Inhalts der dem Gericht vorliegenden Akten. Ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten und damit eine Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 [[X.].]O ist gegeben, wenn das [[X.].] seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, der dem schriftlichen oder protokollierten Vorbringen der Beteiligten nicht entspricht, oder wenn es eine nach den Akten klar feststehende Tatsache unberücksichtigt gelassen hat und die angefochtene Entscheidung darauf beruht (Senatsbeschlüsse vom 11. November 2010 [X.] B 159/09, [[X.].], 610, unter II.2., und vom 19. Januar 2011 [[X.].], [[X.].], 632, unter 3., m.w.N.).

b) Dies ist hier der Fall. Die Kläger weisen zutreffend darauf hin, dass sowohl das [[X.].] auf [[X.].]. 5 und 9 der in den Akten des [[X.].] enthaltenen Einspruchsentscheidung als auch sie selbst auf [[X.].]. 5 ihrer Klagebegründung --substantiiert unter Angabe der Empfänger sowie der Höhe der [[X.].] ausgeführt hatten, aufgrund der vorzeitigen Darlehensrückzahlung seien Vorfälligkeitsentschädigungen angefallen. Dieser Umstand war zwischen den Beteiligten während des gesamten Verfahrens ersichtlich unstreitig. Vor diesem Hintergrund beruht es auf ungenügender Einbeziehung des Akteninhalts in die Entscheidungsfindung, wenn das [[X.].] sein klageabweisendes Urteil auch damit begründet, die Kläger hätten nichts zum Entstehen einer Vorfälligkeitsentschädigung vorgetragen.

2. Anders als das [[X.].] meint, kommt eine Zurückweisung der Beschwerde in analoger Anwendung des § 126 Abs. 4 [[X.].]O nicht in Betracht.

Zum einen hatte das [[X.].] in rechtlicher Hinsicht --unter Bezugnahme auf zwei [[X.].] die Auffassung vertreten, "allenfalls" das Entstehen einer Vorfälligkeitsentschädigung könne ein Indiz dafür sein, dass der Steuerpflichtige das Objekt der privaten Vermögensverwaltung zugeordnet habe. Daher ist nicht auszuschließen, dass das [[X.].] --dem die erforderliche Gesamtwürdigung obliegt-- bei Einbeziehung des gesamten Akteninhalts in seine Entscheidungsfindung zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Vor allem aber fehlt es an Feststellungen des [[X.].] zum Umfang des von der Vorinstanz entscheidungstragend angenommenen anderweitigen gewerblichen [[X.].]. In der Einspruchsentscheidung hatte das [[X.].] die Gewerblichkeit der Betätigung des Klägers hinsichtlich des Grundstücks [X.] noch allein damit begründet, dass es sich um ein vom Kläger errichtetes gewerbliches Großobjekt gehandelt habe. Von einem anderweitigen Grundstückshandel des Klägers oder anderen in engem zeitlichen Zusammenhang zu ihrem Erwerb veräußerten Objekten war dort nicht die Rede. Feststellungen dazu, welche Objekte der Kläger --über die beiden Teilflächen des Grundstücks [[X.].] zu welchen Zeitpunkten erworben und veräußert haben könnte, fehlen im angefochtenen Urteil.

3. Der Senat hält es für angezeigt, nach § 116 Abs. 6 [[X.].]O zu verfahren, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [[X.].] zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat --ohne die rechtliche Bindungswirkung des § 126 Abs. 5 [[X.].]O-- auf die folgenden Gesichtspunkte hin:

a) Zutreffend legen die Kläger dar, dass die umsatzsteuerrechtliche Behandlung in Fällen, in denen über die Existenz eines gewerblichen [[X.].] gestritten wird, kaum ein tragfähiges Indiz für das Vorliegen einer Gewerblichkeit im ertragsteuerrechtlichen Sinne darstellen wird. Das [[X.].] hat übersehen, dass umsatzsteuerrechtlich jeder Vermieter zugleich Unternehmer i.S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes ist, da er eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt. Ob das Vermietungsobjekt ertragsteuerrechtlich zum Betriebs- oder Privatvermögen des Vermieters gehört, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ohne Belang. Daher können auch umgekehrt aus der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung keine Rückschlüsse auf das Vorliegen von Gewerblichkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne gezogen werden.

b) [[X.].] ist demgegenüber der Hinweis der Kläger, das [[X.].] habe seine Würdigung auf die [[X.].] des Klägers gestützt. Es hat diesen Begriff zwar tatsächlich verwendet. Entscheidend für die Würdigung des [[X.].] war aber nicht die [[X.].], sondern seine --wenn auch nicht auf tragfähige Feststellungen gestützte-- Auffassung, der Kläger unterhalte mit anderen Objekten ohnehin bereits einen gewerblichen Grundstückshandel, so dass das Grundstück [X.] diesem schon vorhandenen Betriebsvermögen zuzuordnen sei.

Sollte das [[X.].] im zweiten Rechtsgang erneut zu der Auffassung kommen, der Kläger sei auch unabhängig vom Grundstück [X.] als Grundstückshändler tätig geworden, ist darauf hinzuweisen, dass in derartigen Fällen Objekte in aller Regel nur dann zum Privatvermögen gehören, wenn sie ohne Veräußerungsabsicht erworben werden (vgl. Senatsurteil vom 22. August 2012 [X.] R 24/11, [X.], 180, BSt[[X.].] II 2012, 865, unter [X.], m.w.N.). Handelt ein bereits als Grundstückshändler tätiger Steuerpflichtiger beim Erwerb eines weiteren Objekts hingegen in unbedingter oder zumindest bedingter Veräußerungsabsicht, wird dieses Objekt regelmäßig seinem Betriebsvermögen zuzuordnen sein.

Meta

X B 114/13

22.11.2013

Bundesfinanzhof 10. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht des Saarlandes, 22. Mai 2013, Az: 2 K 1384/11, Urteil

§ 15 Abs 2 EStG 1990, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 15 Abs 2 EStG 1997, § 116 Abs 6 FGO, § 2 Abs 1 UStG 1993, § 2 Abs 1 UStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.11.2013, Az. X B 114/13 (REWIS RS 2013, 867)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 867

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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