Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2016, Az. V ZB 171/13, V ZB161/13, V ZB 150/13

5. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 15545

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Gegenstand

Anordnung und Fortdauer von Sicherungshaft zum Zeitpunkt der Asylantragstellung: Haft zur Sicherung der Zurückschiebung als eine Form der Abschiebungshaft


Leitsatz

§ 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG setzt nur voraus, dass eine Sicherungshaft aus den dort genannten Haftgründen tatsächlich angeordnet ist und sich der Betroffene auf dieser Grundlage in Haft befindet. Auf die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung kommt es nicht an.

Tenor

Die Verfahren [X.], [X.] 161/13 und [X.] 171/13 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Verfahren [X.] 171/13 führt.

Die Rechtsbeschwerden gegen die Beschlüsse der 8. Zivilkammer des [X.] vom 19. September 2013, vom 14. Oktober 2013 und vom 16. Oktober 2013 werden auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt jeweils 5.000 €.

Gründe

I.

1

Der Betroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste am 2. August 2013 aus [X.] kommend in die [X.] ein, ohne im Besitz eines Passes, Visums oder sonstigen Grenzübertrittspapiers zu sein. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass er in [X.] einen Asylantrag gestellt hatte. Am gleichen Tag verfügte die beteiligte Behörde die Zurückschiebung des Betroffenen in die [X.] oder ein anderes Land, in das eine legale Ausreise möglich ist. Zudem beantragte sie die vorläufige Freiheitsentziehung im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum 8. August 2013. Mit Beschluss vom 2. August 2013 ordnete das [X.] Haft zur Sicherung der Zurückschiebung bis längstens 8. August 2013 an, wobei es den Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 [X.] (in der damals geltenden Fassung) als gegeben ansah. Der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag ging beim [X.] ein, als er sich schon in Haft befand.

2

Mit Beschluss vom 8. August 2013 hat das [X.] auf Antrag der beteiligten Behörde die Verlängerung der Haft bis zum 5. September 2013 angeordnet. Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene Beschwerde eingelegt.

3

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das [X.] mit Beschluss vom 4. September 2013 die gegen den Betroffenen angeordnete Haft bis zum 30. September 2013 verlängert. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 19. September 2013 zurückgewiesen.

4

Mit Beschluss vom 27. September 2013 hat das [X.] auf Antrag der beteiligten Behörde die Zurückschiebungshaft nochmals bis zum 21. Oktober 2013 verlängert. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen mit Beschluss vom 14. Oktober 2013 zurückgewiesen.

5

Mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 hat das [X.] den wegen des Ablaufs der angeordneten Haftdauer in der Beschwerdeinstanz gestellten Antrag des Betroffenen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haftanordnung des Amtsgerichts vom 8. August 2013 zurückgewiesen.

6

Mit den Rechtsbeschwerden, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, will der Betroffene die Feststellung erreichen, dass er durch die Beschlüsse des [X.]s vom 19. September 2013, vom 14. Oktober 2013 und vom 16. Oktober 2013 sowie durch die diesen vorangegangenen Beschlüsse des Amtsgerichts [X.] in seinen Rechten verletzt worden ist.

II.

7

Das Beschwerdegericht meint, die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung und die Fortdauer der [X.] hätten vorgelegen. Der Haftanordnung und [X.] habe insbesondere nicht der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag entgegengestanden. Dieser sei bei dem [X.] erst eingegangen, als sich der Betroffene schon wegen Fluchtgefahr in [X.] befunden habe. Daher komme § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG zur Anwendung.

III.

8

Die nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG ohne Zulassung statthaften und nach § 71 FamFG auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerden sind unbegründet.

9

1. Der von dem Betroffenen gestellte Asylantrag hinderte entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht die Anordnung und Fortdauer der [X.].

a) Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 3 AsylVfG ist zwar lediglich von der förmlichen Asylantragstellung abhängig (Senat, Beschluss vom 1. März 2012 - [X.], [X.] 2012, 179, 180). Der Betroffene erwirbt aber bei der Einreise aus einem Mitgliedstaat der [X.] die Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht bereits mit der Protokollierung des [X.] durch die Grenzbehörde, sondern erst mit der Stellung des Antrages bei dem zuständigen Bundesamt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Februar 2010 - [X.], [X.], 18, 20; Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1510 Rn. 11). Einen Asylantrag bei dem [X.] hat der Betroffene nach den - nicht angegriffenen - Feststellungen des [X.] erst gestellt, als er sich schon aufgrund des Beschlusses des [X.] vom 2. August 2013 in Haft befand.

b) Befindet sich der Betroffene zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Haft, steht dies in den Fällen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG der Anordnung oder Aufrechterhaltung von Abschiebungshaft nicht entgegen. Die Norm erfasst in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (Senat, Beschluss vom 6. Mai 2010 - [X.], NVwZ 2010, 1510 Rn. 13; [X.], NVwZ-RR 2009, 616, 617) auch die Haft zur Sicherung der Zurückschiebung als eine Form der Abschiebungshaft (vgl. § 57 Abs. 3, § 62 [X.]). Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG sind erfüllt.

Das [X.] hat [X.] nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 [X.] aF angeordnet. Dass diese Haftanordnung möglicherweise rechtswidrig war, weil das Amtsgericht in der Hauptsache entschieden hat, obwohl die beteiligte Behörde lediglich den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt hatte (vgl. dazu Senat, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.] 114/13, [X.] 2015, 91 Rn. 11 ff.), berührt die Anwendbarkeit von § 14 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 AsylVfG nicht. Die Vorschrift setzt nur voraus, dass eine [X.] aus den dort genannten [X.] tatsächlich angeordnet ist und sich der Betroffene auf dieser Grundlage in Haft befindet. Auf die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung kommt es nicht an. Liegen die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung einer [X.] nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a bis 5 [X.] nicht vor, muss der Betroffene die von der Verfahrensordnung bereit gestellte Rechtsschutzmöglichkeit ergreifen, um die Aufhebung der Haft zu erreichen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 2011 - [X.] 292/10, [X.] 2011, 200 Rn. 15). Erst dann kann er sich - soweit nicht zwischenzeitlich eine weitere Haftanordnung im Sinne des § 14 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG ergangen ist - ggfs. auf eine Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und 3 AsylVfG berufen. Vorliegend hat der Betroffene von der Möglichkeit, gegen die Haftanordnung vom 2. August 2013 Beschwerde (§ 58 Abs. 1 FamFG) zu erheben, keinen Gebrauch gemacht.

2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann                  [X.]

                    Kazele                      [X.]

Meta

V ZB 171/13, V ZB161/13, V ZB 150/13

25.02.2016

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Mainz, 16. Oktober 2013, Az: 8 T 127/13.B

§ 14 Abs 3 S 1 Nr 5 AsylVfG, § 57 Abs 3 AufenthG, § 62 AufenthG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25.02.2016, Az. V ZB 171/13, V ZB161/13, V ZB 150/13 (REWIS RS 2016, 15545)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 15545

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V ZB 183/11

V ZB 172/09

V ZB 213/09

V ZB 114/13

V ZB 292/10

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