Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2012, Az. 3 StR 370/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 1499

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Gegenstand

Sexualdelikt: Sexueller Missbrauch eines Kindes bei Vergewaltigung der Kindesmutter in Anwesenheit des Kindes


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird

a) das Verfahren gemäß § 154a Abs. 2 StPO im dritten Tatkomplex auf den Vorwurf der Vergewaltigung beschränkt,

b) das Urteil des [X.] vom 9. März 2012

aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen Vergewaltigung und wegen Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt ist,

bb) im Ausspruch über die Einzelstrafe im dritten Tatkomplex sowie über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch eines Kindes sowie wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf Verfahrensrügen sowie sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

2

1. Soweit der Angeklagte wegen Körperverletzung in zwei Fällen schuldig gesprochen worden ist, hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3

2. Dem Schuldspruch wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern (dritte Tat) liegen folgende Feststellungen zugrunde: Der Angeklagte vergewaltigte nachts in der Wohnung seine Lebensgefährtin. Dies wurde von ihrem gemeinsamen fünfjährigen [X.] beobachtet. Er hatte in dem als Wohn- und Schlafzimmer genutzten Raum geschlafen, war aufgewacht und rief nun: "[X.] macht [X.]". Der Angeklagte nahm darauf keine Rücksicht und setzte die erzwungene sexuelle Handlung noch für ungefähr zehn Minuten fort.

4

Der Verurteilung auch wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Form der Vornahme sexueller Handlungen vor einem Kind (§ 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB) könnten nach der neueren Rechtsprechung des [X.] rechtliche Bedenken entgegenstehen. Danach reicht zur Erfüllung des Tatbestands nicht aus, dass das Kind die sexuelle Handlung wahrnimmt und der Täter dies erkennt. Erforderlich soll vielmehr sein, dass der Täter das Kind in der Weise in das sexuelle Geschehen einbezieht, dass für ihn gerade die Wahrnehmung der sexuellen Handlung durch das Kind von Bedeutung ist ([X.], Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 [X.], [X.]St 49, 376, 381; Urteil vom 12. Mai 2011 - 4 [X.], [X.], 633). Diese Einschränkung des Tatbestands durch eine einengende Auslegung des Merkmals "wahrnehmen" in § 184g Nr. 2 StGB in subjektiver Hinsicht mag in bestimmten Situationen (z.B. sexuellen Handlungen von Eltern in Anwesenheit des Kindes bei beengten Wohnverhältnissen) geboten sein, um einer Ausdehnung der Strafbarkeit entgegenzuwirken, die dadurch entstanden ist, dass der Gesetzgeber bei der Neufassung der Vorschrift durch das 6. Strafrechtsreformgesetz auf das Erfordernis der [X.] einer sexuellen Erregung verzichtet hat (vgl. [X.], Urteil vom 14. Dezember 2004 - 4 [X.], [X.]St 49, 376, 380). Der [X.] hat allerdings Zweifel, ob dem auch für eine Konstellation zu folgen wäre, in der das Kind Zeuge einer Vergewaltigung der Mutter wird (anders indes [X.] aaO). Er muss dies nicht entscheiden, nachdem der [X.] einer Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der Vergewaltigung gemäß § 154a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO zugestimmt hat.

5

3. Damit entfällt die Verurteilung wegen des als in Tateinheit zur Vergewaltigung stehend angenommenen sexuellen Missbrauchs eines Kindes nach § 176 Abs. 4 Nr. 1 StGB. Da das [X.] die Verwirklichung dieses Tatbestands ausdrücklich strafschärfend gewürdigt hat, kann der [X.] nicht ausschließen, dass die [X.] ohne das ausgeschiedene Delikt eine geringere Einzelstrafe und eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe verhängt hätte. Die Strafe muss deshalb erneut zugemessen werden.

Schäfer                           Pfister                             Hubert

                 Gericke                          Spaniol

Meta

3 StR 370/12

13.11.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Hannover, 9. März 2012, Az: 96 KLs 23/11

§ 176 Abs 4 Nr 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.11.2012, Az. 3 StR 370/12 (REWIS RS 2012, 1499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1499

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