Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.01.2012, Az. IV B 22/11

4. Senat | REWIS RS 2012, 9641

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Gegenstand

Anforderungen an Darlegung eines Verfahrensmangels bei Übergehen eines Vertagungsantrags


Leitsatz

NV: Zur Darlegung eines erheblichen Vertagungsgrund i.S. des § 155 FGO i.V. mit § 227 Abs. 1 ZPO bei Wechsel des Prozessbevollmächtigten kurz vor der mündlichen Verhandlung ist ein Vortrag des Klägers zu den Gründen der Mandatsniederlegung erforderlich, weil nur so beurteilt werden kann, ob ihn ein Verschulden an der Mandatsniederlegung trifft.

Gründe

1

1. Soweit der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend macht, das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) beruhe deshalb auf einem Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O), weil das [X.] trotz der Mandatsniederlegung seines früheren Bevollmächtigten und der Mandatierung seines jetzigen Bevollmächtigten erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung dessen Antrag auf Vertagung und Akteneinsicht abgelehnt habe, erfüllt dieser Vortrag schon nicht die Anforderungen, die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O an die Darlegung eines Verfahrensfehlers zu stellen sind. Die Geltendmachung erfordert nämlich, dass Tatsachen vorgetragen werden, die --ihre Richtigkeit unterstellt-- den Verfahrensmangel ergeben. Nach § 155 [X.]O i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung kann ein Termin aus erheblichen Gründen verlegt werden (vgl. Urteil des [X.] --[X.]-- vom 5. Dezember 1979 [X.]/76, [X.], 297, [X.] 1980, 208). Ein erheblicher Grund in diesem Sinne liegt vor, wenn kurz vor der mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist, ein Wechsel der Prozessbevollmächtigten stattfindet, den der Kläger nicht verschuldet hat ([X.]-Urteil vom 26. Januar 1977 [X.]/74, [X.], 286, [X.] 1977, 348). Dazu ist es allerdings erforderlich, dass der Kläger zu den Gründen der Mandatsniederlegung durch seinen Bevollmächtigten vorträgt, weil nur so beurteilt werden kann, ob ihn ein Verschulden an der Mandatsniederlegung und dem damit verbundenen Wechsel der Prozessbevollmächtigten trifft (vgl. [X.] vom 17. März 1992 XI [X.]/91, [X.] 1992, 679). Bereits an einem solchen Vortrag fehlt es im Streitfall.

2

2. Soweit der Kläger vorträgt, das [X.] habe die Auffassung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt), wonach der Rechtsvorgänger der Beigeladenen Gesellschaftsanteile an der [X.] nur treuhänderisch für ihn, den Kläger, gehalten habe, mit sachfremden Erwägungen bestätigt, rügt der Kläger nur eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung durch das [X.], also materiell-rechtliche Fehler. Damit kann aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 22. Januar 2007 [X.]/06, [X.] 2007, 949; vom 15. April 2008 [X.], [X.] 2008, 1340).

3

a) Das gilt zunächst, soweit der Kläger geltend macht, das [X.] habe seine Rechtsauffassung zu Unrecht auf in der Person des [X.] bestehende "umfangreiche Vollmachten für die [X.]" gestützt, während ihm lediglich für seine Steuerberatertätigkeit eine Vollmacht erteilt worden sei. Zwar ist die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 [X.]O auch zuzulassen, wenn ein Rechtsfehler des [X.] zu einer "greifbar gesetzwidrigen" Entscheidung geführt hat. Voraussetzung hierfür ist aber die Darlegung, dass die Entscheidung des [X.] in einem solchen Maße fehlerhaft sei, dass das Vertrauen in die Rechtsprechung nur durch eine höchstrichterliche Korrektur der finanzgerichtlichen Entscheidung wiederhergestellt werden könne (ständige Rechtsprechung, z.B. [X.] vom 28. August 2007 [X.], [X.] 2008, 113, m.w.N.). Diese Voraussetzung kann etwa vorliegen, wenn das [X.] eine offensichtlich einschlägige entscheidungserhebliche Vorschrift übersehen hat (vgl. [X.] vom 28. Juli 2003 [X.], [X.] 2003, 1597), das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. [X.] vom 8. Februar 2006 [X.]/04, [X.] 2006, 1116). Unterhalb dieser Schwelle liegende erhebliche Rechtsfehler --wie auch die vermeintliche Verkennung der Reichweite einer [X.] reichen dagegen nicht aus, um eine greifbare Gesetzwidrigkeit oder gar eine Willkürlichkeit der angefochtenen Entscheidung anzunehmen (vgl. [X.] vom 7. Juli 2005 [X.], [X.] 2005, 2031).

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b) Nichts anderes gilt, soweit der Kläger geltend macht, das [X.] habe die Spruchpraxis des [X.] zur tatsächlichen Sachherrschaft über einen Gesellschaftsanteil zwar korrekt wiedergegeben, aber deshalb fehlerhaft auf den Streitfall angewendet, weil es sich auf den zwischen dem Kläger und dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen geschlossenen Darlehensvertrag gestützt habe, ohne dessen Auslegungsbedürftigkeit zu erkennen. Auch insoweit liegt --den gerügten Verstoß unterstellt-- nur ein materieller Rechtsfehler bei der Vertragsauslegung vor, der nicht zu einer greifbar gesetzwidrigen Entscheidung führen kann. Das gilt auch, soweit der Kläger mit Blick auf die Vertragsauslegung des [X.] ausführt, diese führe ggf. zu einer nach dem bürgerlichen Recht unmöglichen Leistung oder unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages zu Lasten Dritter zu einem nichtigen Vertrag.

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c) Auch soweit der Kläger vorträgt, die Wertung des [X.], dass der Rechtsvorgänger der Beigeladenen bei der Wahrnehmung seiner Rechte bezüglich seiner [X.]-Beteiligung stets seine, des [X.], Wünsche habe berücksichtigen müssen, stehe leer im Raum, wird lediglich ein Rechtsanwendungsfehler und also kein Revisionszulassungsgrund dargelegt. Insoweit hat das [X.] seine Wertung auf die vorgenannte Vertragsauslegung gestützt und nur unterstützend weitere Indizien (bezogen auf die Teilnahme des Rechtsvorgängers der Beigeladenen an Gesellschafterversammlungen) angeführt, die aus seiner Sicht den Schluss auf die besondere Stellung des [X.] in Bezug auf den [X.]-Anteil des Rechtsvorgängers der Beigeladenen untermauern. Schließlich führt auch die Einlassung des [X.], das [X.] habe zu Unrecht angenommen, er, der Kläger, habe bezogen auf den vorgenannten [X.]-Anteil [X.] entfaltet, zu keinem anderen Ergebnis, weil auch insoweit lediglich die materielle Richtigkeit des [X.]-Urteils angegriffen wird.

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3. Der Kläger hat mit seinem Vortrag, das [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Einwendungen gegen die Höhe der dem Rechtsvorgänger der Beigeladenen zugerechneten Gewinnanteile nicht überprüft werden könnten und die Klage insoweit unzulässig sei, auch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O gebotenen Weise dargelegt. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss deshalb in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden. Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, genügt dafür nicht. Der Beschwerdeführer muss vielmehr konkret auf die Rechtsfrage und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (vgl. [X.] vom 30. März 1983 [X.], [X.]E 138, 152, [X.] 1983, 479). Daran fehlt es im Streitfall. Im Hinblick auf die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 [X.]O) gelten im Übrigen keine anderen Anforderungen ([X.] vom 7. Juni 2011 [X.]/10, [X.] 2011, 1709).

7

4. Soweit der Kläger eine mögliche Divergenz des [X.]-Urteils "zur ständigen Rechtsprechung" des [X.] ([X.]) betreffend die vertraglichen Hauptpflichten eines Darlehensvertrages anspricht, fehlt bereits die Angabe, um welche [X.]-Urteile es sich im Einzelnen handeln und worin die Abweichung zu ihnen liegen soll. Insoweit wäre es Aufgabe des [X.] gewesen, einen abstrakten Rechtssatz aus dem angefochtenen Urteil und aus mindestens einer Divergenzentscheidung derart einander gegenüberzustellen, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. [X.] vom 22. Juli 2008 [X.]/07, [X.] 2008, 1846; vom 24. August 2006 [X.], [X.] 2007, 69).

8

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 2, 139 Abs. 4 [X.]O. Die Billigkeit erfordert es insoweit, dem Kläger auch die der Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen, weil sie einen entsprechenden Antrag gestellt und damit das Risiko getragen hat, zu unterliegen und mit Kosten belastet zu werden (vgl. [X.] vom 25. Januar 2006 IV R 14/04, [X.]E 212, 231, [X.] 2006, 418).

9

6. Der Beschluss ergeht im Übrigen nach § 116 Abs. 5 Satz 2 [X.]O ohne weitere Begründung, insbesondere ohne Wiedergabe des Tatbestandes.

Meta

IV B 22/11

31.01.2012

Bundesfinanzhof 4. Senat

Beschluss

vorgehend FG München, 16. Dezember 2010, Az: 15 K 2401/08, Urteil

§ 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 155 FGO, § 227 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.01.2012, Az. IV B 22/11 (REWIS RS 2012, 9641)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9641

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