Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. I B 50/11

1. Senat | REWIS RS 2012, 9205

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Gegenstand

Beiladung einer Gemeinde im Zuteilungsverfahren - Anforderungen an eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte


Leitsatz

1. NV: Zu einem gerichtlichen Rechtsstreit über einen Zuteilungsbescheid ist die Gemeinde notwendig beizuladen, der entweder der Gewerbesteuermessbetrag zugeteilt worden ist oder die eine solche Zuteilung beansprucht .

2. NV: Zu den Anforderungen an eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte .

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und [X.]eschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist zum 31. Dezember 2000 durch formwechselnde Umwandlung der G-GmbH entstanden.

2

Gegenstand der am 4. [X.]ugust 2000 gegründeten G-GmbH war der Erwerb und das Halten von [X.]. Der Sitz der Gesellschaft war in der [X.], in der die G-GmbH ab 22. September 2000 eine Wohnung ohne Telefon- oder Faxanschluss angemietet hatte. Während der Mietzeit wurde dort kein Strom verbraucht.

3

[X.]m Stammkapital der G-GmbH waren [X.] sowie [X.] mit jeweils 12.450 € sowie die C-GmbH, deren [X.]nteile von [X.] und [X.] gehalten wurden, beteiligt. Diese waren nicht nur Prokuristen der D-[X.]G mit Sitz in [X.], sondern auch Geschäftsführer der G-GmbH, deren [X.]iel es war, an den von der D-[X.]G akquirierten [X.]iel-Kapitalgesellschaften einen Vorzugsgeschäftsanteil zu erwerben und sich anschließend im Wege einer Vorzugsdividende die nach § 30 [X.]bs. 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der für das Streitjahr (2000) geltenden Fassung belasteten Teile des verwendbaren Eigenkapitals ausschütten zu lassen. Dieses Konzept (sog. Rücklagenmanagement) wurde von der D-[X.]G entwickelt und über mehrere [X.] (darunter auch die G-GmbH) umgesetzt; zur Finanzierung dieses Konzepts stellte die D-[X.]G (Filiale [X.]) einen Kreditrahmen von insgesamt … DM zur Verfügung. Die Klägerin erwarb im Streitjahr [X.]nteile an neun inländischen Kapitalgesellschaften.

4

Im [X.]nschluss an eine [X.]etriebsprüfung vertrat der [X.]eklagte und [X.]eschwerdegegner (das Finanzamt --F[X.]--) die [X.]uffassung, dass sich die Stätte der Geschäftsleitung der G-GmbH im Streitjahr in [X.], dem [X.]rbeits- und Wohnort von [X.] und [X.] befunden habe. Dort seien die Unterlagen der Gesellschaft verwahrt und der für die Verwaltung ihres Vermögens maßgebliche Wille gebildet worden. Nachdem das F[X.] den [X.] 2000 festgesetzt hatte, beantragte die Stadt [X.] ([X.]eigeladene) den Erlass eines [X.]uteilungsbescheids gemäß § 190 der [X.]bgabenordnung ([X.]). Dem hat das F[X.] mit [X.]escheid vom 30. Juli 2008 entsprochen und den [X.] in vollem Umfang der Stadt [X.] zugewiesen.

5

Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ([X.]) hat seine Entscheidung zum einen darauf gestützt, dass sich der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 [X.]) und damit die Geschäftsleitungsbetriebsstätte der G-GmbH (§ 12 Satz 2 Nr. 1 [X.]) in der [X.]rbeitsstätte von [X.] und [X.] bei der D-[X.]G in [X.] befunden habe. Dabei könne angesichts der gleichgerichteten Interessen der D-[X.]G und G-GmbH unterstellt werden, dass Letztere einen [X.]nspruch auf Nutzung dieser Räume durch [X.] und [X.] gehabt habe. Der Umstand, dass die G-GmbH in der [X.] Räumlichkeiten angemietet habe, stehe dem nicht entgegen, da insbesondere unter [X.]erücksichtigung der Einlassungen von [X.] in der mündlichen Verhandlung in diesen Räumen keine unternehmerischen [X.]wecken dienenden Handlungen vorgenommen worden seien. [X.]um anderen --so das [X.] weiter-- könne letztlich offenbleiben, ob die G-GmbH in den [X.]üroräumen der D-[X.]G eine [X.]etriebsstätte gehabt habe. Da jede nichtnatürliche Person über eine [X.]etriebsstätte verfügen müsse, die geschäftsleitende Tätigkeit für die G-GmbH aber weitgehend in der Stadt [X.] ausgeübt worden sei, hätte sich deren [X.]etriebsstätte, wenn nicht in den genannten [X.]üroräumen, so doch in den Wohnräumen von [X.] oder [X.] befinden können. Die Revision wurde von der Vorinstanz nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die hiergegen erhobene [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Sie ist deshalb zurückzuweisen.

7

1. [[[[X.].].].], die Revision sei deshalb wegen eines [[[[X.].].].] zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), weil die Gemeinde [[[X.].].], die Sitzgemeinde der G-GmbH, notwendig zum finanzgerichtlichen Rechtsstreit hätte [[[X.].].] werden müssen (§ 60 Abs. 3 [X.]O) ist jedenfalls unbegründet. Nach § 190 Satz 2 [[[[X.].].].] sind für das [[[X.].].] die Vorschriften des Zerlegungsverfahrens und damit auch die Regelungen des § [[[[X.].].].] entsprechend anzuwenden. Hiernach sind auch am [[[X.].].] neben dem [[[X.].].] nur der Steuerpflichtige (§ 186 Nr. 1 [[[[X.].].].]) sowie die (Gewerbe-)Steuerberechtigten beteiligt, denen der ([[[X.].].] zugeteilt worden ist (hier: [[[X.].].]) oder die dessen Zuteilung beanspruchen (§ 186 Nr. 2 [[[[X.].].].]). Letzteres trifft für die Gemeinde [[[X.].].] nicht zu; sie war deshalb auch nicht notwendig beizuladen (vgl. [X.]sbeschluss vom 18. Dezember 2002 [[X.].], [[X.].] 2003, 636). Ob die Gemeinde [[[X.].].] im Wege der sog. einfachen [X.]eiladung am finanzgerichtlichen Verfahren hätte beteiligt werden können (§ 60 Abs. 1 [X.]O), bedarf keiner Erörterung. Selbst dann, wenn man dies bejahen wollte, begründet das Unterlassen einer einfachen [X.]eiladung nach ständiger Rechtsprechung jedenfalls keinen Verfahrensmangel; auch könnte das vorinstanzliche Urteil ersichtlich nicht i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O auf einem solchen Versäumnis beruhen ([X.]eschlüsse des [X.] vom 28. Januar 2010 [X.], [[X.].] 2010, 877; vom 29. Oktober 2002 [X.]/01, [[X.].] 2003, 780).

8

2. Soweit die Klägerin ferner rügt, das vorinstanzliche Urteil beruhe deshalb auf [X.] (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O), weil das [X.] unter Verstoß gegen Denkgesetze zu dem Ergebnis gekommen sei, dass sich die [X.]etriebsstätte der G-GmbH in den [X.]üroräumen der [X.] befunden und die Gesellschaft in der Gemeinde [[[X.].].] keine ins Gewicht fallende Tätigkeit ausgeübt habe, ist der Vortrag unschlüssig. Abgesehen davon, dass nicht deutlich wird, worin die Denkverstöße des [X.] bestehen sollten, lässt der Vortrag außer [X.], dass ein solcher Verstoß [X.] wie die Missachtung von [X.] revisionsrechtlich auch dann dem materiellen Recht zuzuordnen ist, wenn er sich auf die Würdigung von Tatsachen bezieht. Er kann deshalb weder einen Verfahrensmangel noch die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher [X.]edeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) begründen (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [X.]sbeschluss vom 14. Februar 2008 [X.]/07, [[X.].] 2008, 1362; Lange in [X.]/[X.]/ [X.], § 115 [X.]O Rz 248, m.w.N.).

9

3. Hiervon ausgehend kann auch die weitere Rüge nicht durchgreifen, die Revision sei deshalb wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zuzulassen, weil es der Klärung bedürfe, ob eine GmbH ihre Geschäftsleitungsbetriebsstätte in den [X.]üroräumen einer [X.]ank unterhalten könne. Der Vortrag ist nicht nur deshalb unsubstantiiert, weil der [X.] nicht zu erkennen vermag, aus welchem Grunde ein allgemeines Interesse an der Klärung dieser Frage bestehen sollte (vgl. hierzu Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 23, m.w.N.). Er ist darüber hinaus auch deshalb unschlüssig, weil die Vorinstanz ihre Entscheidung --selbständig tragend-- auf die weitere Erwägung gestützt hat, dass die geschäftliche Tätigkeit der G-GmbH (weitgehend) in der [[[X.].].] ausgeübt worden sei und sich deshalb deren [X.]etriebsstätte auch in den Wohnräumen von [X.] oder A jeweils in [X.] habe befinden können. Demgemäß wäre es erforderlich gewesen, dass --woran es vorliegend fehlt-- die Klägerin auch im Hinblick auf diese Erwägung zumindest einen der in § 115 Abs. 2 [X.]O genannten Gründe für die Zulassung der Revision substantiiert darlegt (Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 116 Rz 28, m.w.N.).

Meta

I B 50/11

14.02.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Hessisches Finanzgericht, 9. Februar 2011, Az: 8 K 533/09, Urteil

§ 186 Nr 2 AO, § 190 AO, § 60 Abs 3 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 FGO, § 10 AO, § 12 S 2 Nr 1 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.02.2012, Az. I B 50/11 (REWIS RS 2012, 9205)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9205

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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