Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2019, Az. 4 StR 385/18

4. Strafsenat | REWIS RS 2019, 10865

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Gegenstand

Urkundenfälschung: Urkundeneigenschaft der Brief- und Paketmarken der Deutschen Post


Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 29. März 2018 wird

1. das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte wegen der Tat 176 (unter [X.] der Urteilsgründe) verurteilt worden ist; insoweit wird das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt;

2. das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, so-weit der Angeklagte wegen der Taten 18, 40, 41, 42, 59 und 289 (unter [X.] der Urteilsgründe) verurteilt worden ist;

3. das vorbezeichnete Urteil im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass

a) der Angeklagte [X.]des Betrugs in 123 Fällen, davon in 117 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betrugs in 291 Fällen, der Beihilfe zum Betrug in 203 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in 54 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 146 Fällen als Versuch, der Urkundenfälschung, der Beihilfe zur Urkundenfälschung und der gewerbsmäßigen [X.] schuldig ist;

b) der nicht revidierende Mitangeklagte M.    S.   der Beihilfe zum Betrug in 417 tateinheitlichen Fällen, davon in 118 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 293 Fällen als Versuch, der Urkundenfälschung und der gewerbsmäßigen [X.] schuldig ist.

II. Auf die Revision des Angeklagten [X.]gegen das vorbezeichnete Urteil wird

1. das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, so-weit der Angeklagte (unter [X.] der Urteilsgründe) wegen der Taten 519 und 588 verurteilt worden ist;

2. gemäß § 154a Abs. 2 StPO die Strafverfolgung unter [X.] – Tat 540 der Urteilsgründe dahin beschränkt, dass der Vorwurf in Fall 484 der Anklage entfällt;

3. der Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des Betrugs in 86 Fällen, davon in 52 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des versuchten Betrugs in 160 Fällen, der Urkundenfälschung und der gewerbsmäßigen [X.] schuldig ist.

III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen.

[X.] Im Umfang der Einstellungen trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer; diese haben die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Betrugs in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 124 Fällen, versuchten Betrugs in 293 Fällen, Beihilfe zum Betrug in 204 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in 57 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 147 Fällen als Versuch, „gemeinschaftlicher“ Urkundenfälschung, Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und gewerbsmäßiger [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten und den Angeklagten [X.]wegen Betrugs in 88 Fällen, davon in 57 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchten Betrugs in 161 Fällen, Urkundenfälschung in zwei Fällen und gewerbsmäßiger [X.] zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Den nicht revidierenden Angeklagten [X.]hat es wegen Beihilfe zum Betrug in 417 tateinheitlichen Fällen, davon in 124 Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in 293 Fällen als Versuch sowie wegen Urkundenfälschung und gewerbsmäßiger [X.] zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ferner hat es [X.] getroffen. Mit [X.] vom 14. Juni 2018 hat die [X.] die Anzahl der Taten bei beiden Angeklagten in der Urteilsformel abgeändert und die [X.] neu berechnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten haben – gemäß § 357 Satz 1 StPO auch zugunsten des Mitangeklagten [X.]– den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.

I.

2

Die Revision des Angeklagten [X.]führt zu mehreren [X.] und zu einer Änderung des Schuldspruchs, die zum Teil auch auf den nicht revidierenden Angeklagten [X.]zu erstrecken war; im Übrigen ist sie unbegründet.

3

1. Soweit der Angeklagte [X.]unter [X.] – Tat 176 der Urteilsgründe verurteilt worden ist, hat der Senat das Urteil aufgehoben und das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt, weil ein Verfahrenshindernis besteht.

4

Das [X.] hat das Verfahren wegen dieser Tat (Fall 802 der Anklage) mit Beschluss vom 26. März 2018 nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt (vgl. Protokoll- und [X.], [X.]. 156) und in der Folge nicht wieder aufgenommen. Damit steht diese Einstellung einer Verurteilung auch weiterhin entgegen (vgl. [X.], Beschluss vom 4. Juni 2013 – 4 [X.]; Beschluss vom 13. November 2003 – 3 [X.]; Beschluss vom 27. April 2000 – 4 [X.]/00).

5

2. Darüber hinaus hat der Senat auf Antrag des [X.] das Verfahren auch hinsichtlich der Taten [X.] – Taten 18, 40, 41, 42, 59 und 289 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Diese Taten waren Gegenstand des aus den vom [X.] angeführten Gründen unwirksamen und deshalb unbeachtlichen [X.]es vom 14. Juni 2018. Damit wird für den Angeklagten jede Beschwer ausgeschlossen, die sich aus der Unwirksamkeit dieses Beschlusses ergeben könnte.

6

3. Der danach verbleibende Schuldspruch hält der rechtlichen Überprüfung nicht voll umfänglich stand.

7

a) Soweit das [X.] den Angeklagten [X.]unter [X.] – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 der Urteilsgründe auch wegen einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung und hinsichtlich [X.] – Taten 563, 570 und 601 der Urteilsgründe wegen Beihilfe zu tateinheitlich begangenen Urkundenfälschungen verurteilt hat, wird dies in den Urteilsgründen nicht belegt.

8

Zwar ist die [X.] zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei Brief- und Paketmarken der [X.], die nach der Neuordnung des Post- und Telekommunikationswesens nicht mehr § 148 StGB unterfallen, um Urkunden im Sinne von § 267 Abs. 1 StGB handelt. Sie verkörpern als Inhaberpapiere im Sinne des § 807 BGB einen Anspruch auf Beförderung der Postsendung im Umfang des aufgedruckten Werts und perpetuieren insoweit zu Beweiszwecken eine entsprechende Gedankenerklärung des Ausstellers (die entsprechende Beförderungsleistung gegenüber jedem schuldbefreiend erbringen zu wollen, der gültige Briefmarken in Höhe des vorgesehenen Leistungsentgelts auf die Postsendung klebt) (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2005 – [X.], [X.]Z 158, 201 ff.; [X.], Beschluss vom 10. Januar 2002 – 5 Ws 2/02, Rn. 5; [X.], [X.] (1999), 389, 418 ff.; [X.]/Puppe, 5. Aufl., § 148 Rn. 3 und 8; [X.], StGB, 65. Aufl., § 148 Rn. 2a; [X.] in [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 148 Rn. 2; [X.] in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 148 Rn. 5; BeckOK-StGB/Weidemann, 40. Edition, § 148 Rn. 3; [X.]/Kühl, StGB, 29. Aufl., § 148 Rn. 2). Der Angeklagte hat sich deshalb in allen Fällen, in denen er entweder selbst gefälschte [X.] übersandte oder den Mitangeklagten [X.]hierbei unterstützte auch der Urkundenfälschung bzw. der Beihilfe hierzu schuldig gemacht. Die [X.] hat aber übersehen, dass es nach den Feststellungen unter [X.] – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 sowie 563, 570 und 601 nicht zu einer Übersendung von gefälschten Brief- oder Paketmarken durch den Angeklagten bzw. den von ihm unterstützten Mitangeklagten [X.]kam. Die insoweit erfolgte Verurteilung wegen einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB bzw. der Beihilfe hierzu hatte daher zu entfallen.

9

b) Darüber hinaus ist der [X.] bei der Abfassung des Schuldspruchs insoweit auch ein Übertragungsfehler unterlaufen, als sie von einer Beihilfe zum Betrug in 204 tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in 147 Fällen als Versuch ausgegangen ist, obgleich sie in den Urteilsgründen nur 203 Fälle, davon 146 Fälle als Versuch, festgestellt hat (UA 146).

c) Dadurch, dass der Angeklagte [X.]den Mitangeklagten [X.]bei der Herstellung einer unechten Meldebescheinigung unterstützte, indem er ihm eine elektronische Vorlage übersandte, hat er sich nur der Beihilfe zu einer Urkundenfälschung und nicht wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht.

Zwar hat [X.]die von ihm erstellte unechte Meldebescheinigung – wie von vorneherein beabsichtigt – in zwei Fällen für Kontoeröffnungen verwendet, doch führt dies nicht zu der Annahme mehrerer Urkundenfälschungen. Hat der Täter schon beim Herstellen der unechten Urkunde den Vorsatz, diese – gegebenenfalls auch mehrfach – zu verwenden und geschieht dies in der Folge auch, so verbinden sich die darin liegenden mehrfachen Verwirklichungen des Tatbestandes des § 267 Abs. 1 StGB zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit, sodass im Ergebnis nur eine Urkundenfälschung vorliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2017 – 4 StR 629/16, [X.], 205; Beschluss vom 26. Oktober 2016 – 4 [X.]; NStZ-RR 2017, 26 f.; Beschluss vom 7. Mai 2014 – 4 [X.], [X.], 349; weitere Nachweise bei [X.] in MünchKomm-StGB, 3. Aufl., § 267 Rn. 217).

d) Schließlich war der Schuldspruch auch dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte im Fall [X.] der Urteilsgründe nur der „Urkundenfälschung“ schuldig ist. Das Mitwirken von Mittätern („gemeinschaftlich“ gemäß § 25 Abs. 2 StGB) gehört nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 StPO (vgl. [X.], Beschluss vom 28. November 2017 – 3 StR 272/17, Rn. 3 mwN).

II.

Die Revision des Angeklagten [X.]führt ebenfalls zu einer Teileinstellung des Verfahrens sowie zu einer Änderung des Schuldspruchs in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

1. Der Senat hat auf Antrag des [X.] die Taten 519 und 588 gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und die Strafverfolgung der Tat 540 gemäß § 154a Abs. 2 StPO dahin beschränkt, dass der Tatvorwurf in Fall 484 der Anklage entfällt, um jedwede Beschwer auch dieses Angeklagten infolge der Unwirksamkeit des [X.]es vom 14. Juni 2018 auszuschließen.

2. Der verbleibende Schuldspruch hält auch bei dem Angeklagten [X.]nicht in allen Fällen der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Feststellungen zu [X.] – Taten 563, 570 und 601 rechtfertigen eine (tateinheitliche) Verurteilung wegen Urkundenfälschung nicht, weil in diesen Fällen, wie oben bereits dargelegt, keine gefälschten Briefmarken versandt wurden; auch hat sich der Angeklagte durch die Herstellung und den zweifachen Gebrauch der unechten Meldebescheinigung – wie die [X.] in den Urteilsgründen zurecht ausgeführt hat – nur einer Urkundenfälschung schuldig gemacht.

b) Schließlich hat der Angeklagte nach den Feststellungen unter [X.] und [X.]. der Urteilsgründe auch nur 160 und nicht 161 versuchte Betrugstaten begangen. Insoweit liegt ersichtlich ein Übertragungsfehler vor.

III.

Der Senat hat bei beiden Angeklagten den Schuldspruch entsprechend abgeändert (§ 354 Abs. 1 StPO analog) und berichtigt. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die geständigen Angeklagten nicht anders als geschehen hätten verteidigen können. Die wegen der fehlerhaften Annahme einer tateinheitlich begangenen Urkundenfälschung erforderlich gewordene Schuldspruchänderung bei dem Angeklagten [X.]war auf den nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]zu erstrecken, soweit dieser wegen Beihilfe zu diesen Taten des Angeklagten [X.]verurteilt worden ist (§ 357 Satz 1 StPO).

IV.

Soweit tateinheitliche Verurteilungen wegen Urkundenfälschung entfallen sind ([X.] – Taten 24, 29, 286, 287, 376 und 411 sowie 563, 570 und 601 der Urteilsgründe), schließt der Senat aus, dass das [X.] bei zutreffender rechtlicher Würdigung gegen beide Angeklagte für diese Taten geringere Einzelstrafen verhängt hätte. Denn die [X.] hat bei der Strafbemessung jeweils nicht auf die Verwirklichung mehrerer Straftatbestände, sondern in erster Linie auf die Schadenshöhe abgestellt. Dies gilt entsprechend, soweit eine Schuldspruchänderung bei dem nicht revidierenden Mitangeklagten [X.]erfolgt ist.

Auch die Gesamtstrafenaussprüche können bestehen bleiben. Soweit Einzelstrafen in Wegfall gekommen sind, schließt der Senat mit [X.]ick auf die große Anzahl der verbleibenden Einzelstrafen aus, dass das [X.] auf geringere Gesamtfreiheitsstrafen erkannt hätte.

Die [X.] erweisen sich auch nach den [X.] aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des [X.] nicht als fehlerhaft.

V.

Im Umfang der Einstellungen fallen die Kosten und notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last. Die verbleibenden Kosten ihrer Rechtsmittel haben die Angeklagten selbst zu tragen; der geringe Teilerfolg ihrer Revisionen rechtfertigt es nicht, sie teilweise von den entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).

[X.]     

      

Cierniak     

      

Bender

      

Quentin     

      

Bartel     

      

Meta

4 StR 385/18

30.01.2019

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bochum, 29. März 2018, Az: 13 KLs 14/17

§ 148 StGB, § 267 Abs 1 StGB, § 807 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 30.01.2019, Az. 4 StR 385/18 (REWIS RS 2019, 10865)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10865

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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