Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2015, Az. B 1 KR 14/15 R

1. Senat | REWIS RS 2015, 681

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsanspruch - keine Geltendmachung innerhalb der Ausschlussfrist von zwölf Monaten - Rückerstattungsanspruch des Leistenden innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist - Krankenkasse - Übernahme einer Krankenhausbehandlung in Unkenntnis der ursächlichen Berufskrankheit - Beginn der Ausschlussfrist für Geltendmachung des Erstattungsanspruchs - Regelungszweck der Zuzahlungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung


Leitsatz

1. Leistet ein Leistungsträger zur Erfüllung eines Erstattungsanspruchs, den der berechtigte Leistungsträger nicht innerhalb der Ausschlussfrist von zwölf Monaten geltend gemacht hat, kann der Leistende innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist Rückerstattung verlangen.

2. Leistet eine Krankenkasse einem Versicherten Krankenhausbehandlung in Unkenntnis der ursächlichen Berufskrankheit, beginnt die Ausschlussfrist für das Geltendmachen des Erstattungsanspruchs mit dem letzten Behandlungstag, auch wenn der zuständige Träger dem Versicherten später zur Behandlung geleistete Zuzahlungen erstattet.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 34 991,93 [X.] festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rückerstattung von 34 991,93 [X.] Heilbehandlungs- und Krankentransportkosten.

2

Die beklagte Krankenkasse ([X.]) trug für stationäre Behandlungen des am 1.12.2008 verstorbenen Versicherten M. (im Folgenden: M.) in der [X.] vom [X.] bis 5.3.2004 und des am 21.2.2011 verstorbenen Versicherten [X.] (im Folgenden: [X.]) in der [X.] vom 3.6.2003 bis 5.6.2009 insgesamt 34 991,93 [X.] Kosten (für M. 24 456,56 [X.]; für [X.] 10 535,37 [X.] unter Einbeziehung eines Krankentransports). Die Rechtsvorgängerin der klagenden Berufsgenossenschaft (im Folgenden einheitlich: Klägerin) erstattete M. dessen Zuzahlungen (536 [X.]; Bescheid vom [X.]). Die Klägerin informierte die Beklagte, dass sie M. und [X.] voraussichtlich Rente zahlen werde (Schreiben vom 12.7.2006 bezüglich M.; Schreiben vom 21.11.2011 bezüglich [X.]). Die Beklagte forderte daraufhin schriftlich Erstattung der von ihr erbrachten Leistungen (Eingang bei der Klägerin bezüglich M. am [X.], bezüglich [X.] am 2.12.2011). Die Klägerin bezahlte diese und erstattete auch M. die von ihm geleisteten Zuzahlungen, begehrte aber später (Schreiben vom [X.]) - vergeblich - von der Beklagten Rückerstattung, weil der Erstattungsanspruch der Beklagten im [X.]punkt der Zahlungen bereits untergegangen gewesen sei. Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 34 991,93 [X.] zurückzuerstatten (§ 112 [X.]B X). Der Erstattungsanspruch der Beklagten sei bereits ausgeschlossen gewesen (§ 111 S 1 [X.]B X). § 111 S 2 [X.]B X finde keine Anwendung. Die Klägerin habe lediglich über die Erstattung der Zuzahlungen an M., nicht aber über Ansprüche von M. und [X.] auf stationäre Behandlung und Krankentransport entschieden (§ 111 S 2 [X.]B X). Dies sei ihr auch nicht mehr möglich, da M. und [X.] die Naturalleistungen bereits erhalten hätten (Urteil vom 7.10.2014).

3

Mit ihrer Sprungrevision rügt die Beklagte die Verletzung des § 111 S 2 [X.]B V. Es bestehe [X.] zwischen den von ihr erbrachten Leistungen und den Zuzahlungen. Die Klägerin habe mit der Erstattung der Zuzahlungen an M. gleichzeitig über ihre Pflicht entschieden, ihm die stationären Krankenhausaufenthalte zu leisten. Die Rechtsnachfolger des [X.] hätten noch Anspruch auf eine entsprechende Entscheidung. Die Ausschlussfrist habe deshalb nicht zu laufen begonnen.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 7. Oktober 2014 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision der beklagten [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G). Das [X.] hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, der klagenden Berufsgenossenschaft 34 991,93 [X.] erstattete Heilbehandlungs- und Krankentransportkosten für M. und [X.] zurückzuerstatten. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs 5 [X.]G) ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen des Rückerstattungsanspruchs sind erfüllt.

8

1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Rückerstattung ist § 112 [X.]B X: "Soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist, sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten". Die Klägerin erstattete in diesem Sinne den streitigen Zahlbetrag zu Unrecht. Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob die Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung für M. und [X.] erbrachter Sozialleistungen erworben hatte. Ein etwaiger Erstattungsanspruch erlosch, jedenfalls deshalb, weil die Beklagte ihn verspätet geltend machte (dazu a). Ein Fall, in dem der Lauf der Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 111 [X.] [X.]B X hinausgeschoben wird, liegt nicht vor (dazu b). [X.] unterliegt seinerseits nicht dem Anspruchsausschluss wegen Verfristung nach § 111 S 1 [X.]B X (dazu c).

9

a) Eine Erstattung ist im Rechtssinne ua zu Unrecht erfolgt, wenn sie auf einen ursprünglich bestehenden Erstattungsanspruch hin erfolgte, der aber wegen Verfristung nach § 111 S 1 [X.]B X erlosch, weil der Berechtigte ihn nicht rechtzeitig geltend machte (vgl sinngemäß zur früheren Rechtslage bereits B[X.] [X.] 3-1300 § 111 [X.] f). Daran hat die Änderung des § 111 [X.] [X.]B X (eingefügt durch Art 10 [X.] zur Einführung des [X.] im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften <4. [X.]-Einführungsgesetz˃ vom [X.], [X.] 1983) nichts geändert. Gemäß § 111 S 1 [X.]B X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der [X.] ihn nicht spätestens 12 Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Diese Frist (zur Fristberechnung vgl § 26 [X.]B X iVm §§ 187 ff BGB) hat die Beklagte in den M. und [X.] betreffenden Erstattungsfällen nicht eingehalten. Nach den den Senat bindenden, nicht mit Verfahrensrügen angreifbaren Feststellungen des [X.] (§ 163 iVm § 161 Abs 4 [X.]G) erbrachte die Beklagte Leistungen an M. zuletzt am 5.3.2004 mit Geltendmachung des Erstattungsanspruchs am [X.] und an [X.] zuletzt am 5.6.2009 mit Geltendmachung des Erstattungsanspruchs am 2.12.2011. Aus den Feststellungen des [X.] ergeben sich auch keine Umstände, die ausnahmsweise zur Unbeachtlichkeit des Fristablaufs führen könnten (vgl B[X.]E 98, 238 = [X.]-1300 § 111 [X.], Rd[X.]0 ff, für den Fall, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger schwer gegen seine Pflicht zu enger Zusammenarbeit verstoßen hat).

b) Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Lauf der Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nicht gemäß § 111 [X.] [X.]B X auf einen späteren Zeitpunkt als den nach § 111 S 1 [X.]B X maßgeblichen Zeitpunkt des letzten Tages der Leistungserbringung hinausgeschoben.

Nach § 111 [X.] [X.]B X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl B[X.] [X.]-1300 § 111 [X.] RdNr 14; s ferner B[X.] Urteil vom [X.] - Juris Rd[X.]2 bis 24 = [X.]b 2011, 220, 222) setzt eine "Entscheidung über die Leistungspflicht" des erstattungspflichtigen Leistungsträgers iS von § 111 [X.] [X.]B X voraus, dass dieser dem leistungsberechtigten Versicherten eine in seine Zuständigkeit fallende Sozialleistung zuerkannt hat oder eine solche Entscheidung zumindest noch in Betracht kommt. "Leistungspflicht" iS von § 111 [X.] [X.]B X meint hingegen nicht die Leistungspflicht im [X.] zwischen zwei Leistungsträgern (vgl B[X.] [X.]-1300 § 111 [X.] RdNr 18; B[X.] Urteil vom 28.2.2008 - [X.] KR 13/07 R - Juris RdNr 19 = FEVS 60, 5, 8 f).

Die Klägerin traf keine derartige Entscheidung im Hinblick auf die [X.] und Krankentransportleistungen gegenüber den Versicherten M. und [X.] Eine dahingehende materiell-rechtliche Entscheidung konnte und durfte die Klägerin auch nicht mehr mit den Wirkungen iS des § 111 [X.] [X.]B X treffen (dazu [X.]). Die (gegenüber den Rechtsnachfolgern von [X.] ggf noch ergehende) Entscheidung über die Rückzahlung von M. und [X.] bereits geleisteter Zuzahlungen ist auch keine Teilentscheidung über die von der Beklagten erbrachten [X.] (dazu bb).

[X.]) Die Beklagte erfüllte bereits mit der Verschaffung der Leistungen im Wege der Naturalleistung den Anspruch der Versicherten auf eine ausreichende Versorgung. Deswegen durfte die zunächst erstattungsverpflichtete Klägerin eine materiell-rechtliche Entscheidung über die Leistungen, die die erstattungsberechtigte Beklagte bereits erbracht hatte, nicht mehr treffen (vgl B[X.] [X.]-1300 § 111 [X.] RdNr 15 f; dem folgend B[X.]E 98, 238 = [X.]-1300 § 111 [X.], RdNr 16 f; ebenso B[X.] Urteil vom 28.2.2008 - [X.] KR 13/07 R - Juris RdNr 15 ff; B[X.] Urteil vom 18.11.2014 - [X.] KR 20/13 R - Juris Rd[X.]1 = USK 2014-122). Sie unterließ dies zu Recht. Für einen entsprechenden Antrag der Rechtsnachfolger der Versicherten würde es von vornherein an der notwendigen rechtlichen Betroffenheit fehlen. Vielmehr gilt der [X.] des Versicherten gegenüber der Klägerin als zuständigem Leistungsträger kraft der Fiktion des § 107 [X.]B X als erfüllt (B[X.] [X.]-1300 § 111 [X.] RdNr 15; B[X.] Urteil vom 28.2.2008 - [X.] KR 13/07 R - Juris RdNr 16 mwN; B[X.] Urteil vom 18.11.2014 - [X.] KR 20/13 R - Juris Rd[X.]1).

bb) Die Entscheidung der Klägerin vom [X.], M. die von ihm gemäß § 39 Abs 4 iVm § 61 [X.] [X.]B V zur stationären Behandlung geleisteten Zuzahlungen in Höhe von 536 [X.] zu erstatten, hatte nicht zugleich den erfüllten sozialrechtlichen Anspruch des M. zum Gegenstand. Der erkennende Senat kann die Frage offenlassen, ob die Klägerin gegenüber den Rechtsnachfolgern des [X.] noch über die Erstattung zu Unrecht geleisteter Zuzahlungen entscheiden muss. Auch diese Entscheidung beträfe jedenfalls nicht die Leistungspflicht der Klägerin hinsichtlich des erfüllten sozialrechtlichen Anspruch des [X.] iS von § 111 [X.] [X.]B X. Sie wäre nicht geeignet, den Fristenlauf nach § 111 [X.] [X.]B X hinauszuschieben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasst die Entscheidung, einem Versicherten geleistete Zuzahlungen zu einer von ihm erhaltenen Naturalleistung zu erstatten, nicht den Anspruch auf die Naturalleistung, hier etwa die geleisteten stationären Krankenhausaufenthalte. Zuzahlungsansprüche der Leistungsträger gegen Versicherte, die sozialrechtlich [X.] beanspruchen können, und dementsprechend Ansprüche auf Erstattung [X.] geleisteter Zuzahlungen sind im [X.]B - jedenfalls soweit hier von Interesse - als selbstständige Ansprüche konzipiert. Die Entscheidung eines Leistungsträgers über den Anspruch auf Zuzahlung oder deren Erstattung unterliegt einem eigenen Rechtsregime. Sie ist nicht zugleich eine einheitliche Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf Naturalleistung. Der Rechtsgrund des Naturalleistungsanspruchs des Versicherten kann eine Vorfrage für den Anspruch auf Zuzahlungserstattung betreffen. Die Beantwortung der Vorfrage ist aber nicht Teil des [X.] der Entscheidung, sondern bloßes Begründungselement.

Nach den aufgezeigten Grundsätzen haben etwa die [X.]n nach dem [X.]B V einen eigenständigen Anspruch gegen die Versicherten auf Zuzahlungen, der weder den Naturalleistungscharakter ändert noch den gesetzlichen Anspruch auf die Naturalleistung mindert (so schon B[X.] [X.] 2200 § 372 [X.], zu § 184 Abs 3 RVO). [X.], für die Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung Zuzahlungen erbringen müssen - wie hier bei Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 4 S 1 [X.]B V) und Krankentransport (§ 60 Abs 2 S 1 Halbs 1 [X.]B V) -, sind keine bloßen Teilleistungen. Der Anspruch auf diese Leistungen hängt auch nicht von der Erfüllung der [X.] ab. Der bloß wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Leistung und Zuzahlung macht eine Zuzahlungsentscheidung der [X.] jedenfalls bei [X.] - wie sie hier M. und [X.] zustanden - nicht zu einer (negativen) Teilentscheidung über den bestehenden Leistungsanspruch des Versicherten, soweit mit ihm nach dem [X.]B V eine [X.] verbunden ist. Denn der Anspruch der [X.]n auf Zuzahlung ist ein im Verhältnis zum Naturalleistungsanspruch selbstständiger Zahlungsanspruch eigener Art. Das belegen Wortlaut, Systematik und Regelungszweck der §§ 61, 62 und § 43b [X.]B V (in der bis 22.7.2015 geltenden Fassung = aF; seit 23.7.2015 § 43c [X.]B V nF = in der Fassung des [X.] in der gesetzlichen Krankenversicherung iVm den Vorschriften aus denen sich die [X.] der Versicherten dem Grunde nach ergibt (vgl insbesondere § 31 Abs 3 und [X.], § 32 Abs 2 S 1 und 2, § 33 Abs 8 S 1, § 37 Abs 5, § 38 Abs 5, § 39 Abs 4 S 1, § 40 Abs 6 S 1, § 60 Abs 2 S 1 Halbs 1 [X.]B V). Entsprechendes gilt für die Kehrseite des Anspruchs auf Zuzahlung, den Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Zuzahlung: Entscheidet ein Leistungsträger, einem Versicherten eine geleistete Zuzahlung zu erstatten, betrifft dies ebenfalls einen gegenüber dem bezogenen Naturalleistungsanspruch eigenständigen Anspruch. Der Leistungsträger muss hierfür die Voraussetzung bejahen, dass der Versicherte die Zuzahlung [X.] leistete. Der Leistungsträger trifft auch hierbei keine Entscheidung über den wirtschaftlich korrelierenden Naturalleistungsanspruch. So verhält es sich hier im Fall von M.; ebenso verhielte es sich auch im Fall von [X.], wenn die Klägerin ihm oder seinen Rechtsnachfolgern die Erstattung geleisteter Zuzahlungen zuerkannt hätte.

Im dargelegten Sinne regelt § 43b Abs 1 [X.]B V aF (wortgleich § 43c Abs 1 [X.]B V nF) schon nach seinem klaren Wortlaut nicht nur den Zahlungsweg bei Zuzahlungen, sondern trifft eine Bestimmung für den Fall der Nichtzahlung, die den korrespondierenden Naturalleistungsanspruch nicht berührt: "Leistungserbringer haben Zahlungen, die Versicherte zu entrichten haben, einzuziehen und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Krankenkasse zu verrechnen. Zahlt der Versicherte trotz einer gesonderten schriftlichen Aufforderung durch den Leistungserbringer nicht, hat die Krankenkasse die Zahlung einzuziehen". Die [X.] darf dementsprechend die Bewilligung und Gewährung der Naturalleistung nicht von der Zuzahlung abhängig machen. [X.] gilt für den stationären Bereich (vgl § 43b Abs 3 [X.]B V aF, wortgleich § 43c Abs 1 [X.]B V nF). Abweichend vom Regelfall hat im stationären Bereich lediglich der Krankenhausträger die Zuzahlung einzuziehen (vgl dazu [X.], [X.] 2009, 829; s ferner § 43b Abs 2 [X.]B V, eingefügt durch Art 1 [X.]4 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, [X.] 2190, wonach der vertragsärztlich tätige Leistungserbringer die sog [X.] beim Versicherten unter Anrechnung auf seinen Vergütungsanspruch einzuziehen hatte; § 43b Abs 2 [X.]B V aufgehoben durch Art 1 [X.] Buchst a Gesetz zur Regelung des [X.] in stationären Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen vom 20.12.2012, [X.] 2789). Die "vor [X.] gezogene" Regelung des § 61 [X.]B V über die Höhe der Zuzahlungen (vgl Begründung des [X.], BT-Drucks 15/1525 [X.] [Zu Nummer 39 <§ 61>]; zu weiteren Sonderregelungen s § 32 Abs 2 S 3, § 33 Abs 8 S 3, § 39 Abs 4 [X.], § 40 Abs 6 [X.] [X.]B V) geht ausdrücklich davon aus, dass Versicherte Zuzahlungen "zu leisten haben".

Nach dem gesetzlichen Regelungssystem hat der Versicherte einen Anspruch darauf, dass die [X.] die ihm zustehenden [X.] selbst oder durch Dritte in vollem Umfang verschafft. Die Zuzahlung, die der Leistungserbringer zur Abkürzung der Zahlungswege zu vereinnahmen hat und sich auf seinen Anspruch gegen die [X.] anrechnen lassen muss, leistet der Versicherte an die [X.]. Die [X.] ist im Rechtssinn Leistungsempfängerin der Zuzahlung. Die [X.]en beruhen zwar auf sozialrechtlichen Leistungsverhältnissen, berühren aber den Rechtsgrund und die Rechtmäßigkeit der erbrachten Naturalleistung als solche nicht (vgl zur Rentenversicherung B[X.] [X.] 1500 § 149 [X.], zur [X.] nach § 20 Abs 1 [X.]; B[X.] [X.] 1500 § 149 [X.]; B[X.] [X.] 3-2600 § 301 [X.] [X.]6, zur [X.] nach § 32 [X.]B VI; soweit B[X.]E 85, 293, 297 f = [X.] 3-2600 § 301 [X.] f darauf abstellt, dass eine Vorschrift, die eine Zuzahlung regelt, auch als eine Vorschrift für die Leistung iS des § 301 Abs 1 [X.]B VI angesehen werden müsse, handelt es sich um die Antwort auf eine völlig andere Fragestellung, nämlich die Reichweite einer intertemporalen Norm).

Die Regelungen über die Zuzahlung verfolgen den Zweck, den [X.]n über die Beiträge hinaus anhand des konkreten Maßstabs der in Anspruch genommenen Leistungen ergänzende Finanzierungsmittel zur Verfügung zu stellen und hierdurch das Kostenbewusstsein der Versicherten zu stärken (zur Zulässigkeit vgl B[X.]E 100, 221 = [X.]-2500 § 62 [X.], RdNr 14).

c) [X.] unterliegt seinerseits nicht dem Anspruchsausschluss wegen Verfristung nach § 111 S 1 [X.]B X (ganz [X.]: vgl B[X.] Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 10/90 - Juris RdNr 16 mwN zur älteren Literatur = HVBG-Info 1991, 1205; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B I IV X, 2012, § 112 [X.]B X RdNr 5; Kater in [X.] Komm, Stand September 2015, [X.]B X, § 112 RdNr 12; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B X, Stand November 2014, § 112 Rd[X.]9; [X.] in juris-PK-[X.]B X, 2013, § 112 RdNr 12; Roller in von [X.]/Schütze, [X.]B X, 8. Aufl 2014, § 111 Rd[X.]; [X.] in [X.] Sozialrecht, Stand September 2015, [X.]B X, § 111 RdNr 5; Störmann in [X.], [X.]B X, Stand September 2015, § 112 RdNr 8; [X.]/[X.][X.], Handbuch der Rentenversicherung, Teil I, [X.], § 112 [X.]B X RdNr 11, Stand Juni 2014; [X.] in Pickel/[X.], [X.]B X, Stand August 2015, § 112 RdNr 16; [X.], [X.]/[X.][X.]985, 433, 445; [X.], [X.]/[X.][X.]988, 294, 299; [X.], [X.] 1983, 94, 115; [X.], [X.] 1986, 397, 403). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 111 [X.]B X. Er betrifft nur Erstattungsansprüche, während hingegen die Verjährungsvorschrift des § 113 [X.]B X Erstattungs- und [X.] erfasst. Die Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. Er ist einem Vorschlag des Bundesrates nicht gefolgt, auch [X.] in § 111 [X.]B X aufzunehmen (vgl B[X.] Urteil vom 29.11.1990 - 2 RU 10/90 - Juris RdNr 16; s ferner BT-Drucks 9/95 S 40 Anlage 2 Stellungnahme des [X.] und [X.] Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates ). Auf [X.] findet lediglich die Verjährungsfrist des § 113 Abs 1 [X.] [X.]B X Anwendung (vgl nur B[X.] [X.]-5910 § 147 [X.] RdNr 19). Sie verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Aus den Feststellungen des [X.] ergibt sich allerdings nicht, ob im Fall von M. die Klägerin einen Teil der von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung noch vor 2010 gezahlt hat. Jedenfalls hat die Beklagte insoweit nicht die Einrede der Verjährung erhoben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 14/15 R

15.12.2015

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Mannheim, 7. Oktober 2014, Az: S 3 KR 1132/14, Urteil

§ 45 Abs 1 SGB 1, § 31 Abs 3 SGB 5, § 31 Abs 5 SGB 5, § 32 Abs 2 S 1 SGB 5, § 32 Abs 2 S 3 SGB 5, § 33 Abs 8 S 1 SGB 5, § 33 Abs 8 S 3 SGB 5, § 37 Abs 5 SGB 5, § 38 Abs 5 SGB 5, § 39 Abs 4 S 1 SGB 5, § 39 Abs 4 S 2 SGB 5, § 40 Abs 6 S 1 SGB 5, § 40 Abs 6 S 2 SGB 5, § 43b Abs 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 43b Abs 3 SGB 5 vom 17.03.2009, § 43c Abs 1 SGB 5 vom 16.07.2015, § 60 Abs 2 S 1 Halbs 1 SGB 5, § 61 S 2 SGB 5, § 62 SGB 5, § 9 Abs 1 SGB 7, § 107 SGB 10, § 111 S 1 SGB 10, § 111 S 2 SGB 10, § 112 SGB 10, § 113 Abs 1 S 2 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 15.12.2015, Az. B 1 KR 14/15 R (REWIS RS 2015, 681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 681

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