Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2018, Az. 4 StR 550/17

4. Strafsenat | REWIS RS 2018, 13994

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Gegenstand

Strafverfahren: Grenzen der Mitwirkung eines als Zeuge vernommenen Staatsanwalts


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10. April 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Ergänzend zum Verwerfungsantrag des [X.] bemerkt der Senat:

Auch soweit der Beschwerdeführer beanstandet, dass Staatsanwältin [X.]nach ihrer Zeugenvernehmung weiter als [X.]in der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung mitgewirkt hat, bleibt die Verfahrensrüge ohne Erfolg.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ist ein Staatsanwalt, der in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen worden ist, insoweit an der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als [X.] der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung gehindert, als zwischen dem Gegenstand seiner Zeugenaussage und der nachfolgenden Mitwirkung an der Hauptverhandlung ein unlösbarer Zusammenhang besteht (vgl. [X.], Urteile vom 13. Juli 1966 - 2 [X.], [X.]St 21, 85, 89 f.; vom 18. Mai 1976 - 5 StR 529/75; vom 20. Juli 1976 - 1 [X.]; vom 7. Dezember 1993 - 5 [X.], [X.], 194; vom 3. Februar 2005 - 5 StR 84/04, bei [X.], [X.], 257; Beschluss vom 30. Januar 2007 - 5 [X.], [X.]R StPO § 24 Staatsanwalt 7; enger [X.], Urteile vom 7. Juni 1956 - 3 [X.], bei [X.], [X.] 1957, 16; vom 3. Mai 1960 - 1 [X.], [X.]St 14, 265; zweifelnd [X.], Urteil vom 25. April 1989 - 1 StR 97/89, [X.] 1989, 583; Beschluss vom 24. Oktober 2007 - 1 [X.], [X.], 337; vgl. [X.] in [X.], 5. Aufl., vor § 48 Rn. 51 ff.). Nimmt der Staatsanwalt im Rahmen der weiteren Sitzungsvertretung eine Würdigung seiner eigenen Zeugenaussage vor oder bezieht sich seine Mitwirkung auf einen Gegenstand, der mit seiner Aussage in einem untrennbaren Zusammenhang steht und einer gesonderten Bewertung nicht zugänglich ist, liegt ein relativer Revisionsgrund nach § 337 StPO vor (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 1960 - 1 [X.] aaO), der im Falle eines gegebenen Beruhenszusammenhangs zur Aufhebung des Urteils führt (vgl. [X.], Urteile vom 5. Mai 1976 - 2 StR 709/75; vom 19. Oktober 1982 - 5 StR 408/82, [X.] 1983, 53; Beschluss vom 7. Juni 1983 - 5 [X.], [X.] 1983, 497; Urteile vom 15. April 1987 - 2 [X.], NJW 1987, 3088, 3090; vom 21. Dezember 1988 - 2 [X.], [X.]R StPO § 24 Staatsanwalt 2). Soweit sich die Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung inhaltlich von der Erörterung und Bewertung der eigenen Zeugenaussage trennen lässt, ist der Staatsanwalt dagegen von einer weiteren Sitzungsvertretung nicht ausgeschlossen.

In Fällen, in denen - wie hier - nach der Zeugenvernehmung der vernommene Staatsanwalt und ein weiterer hinzugezogener Staatsanwalt gemeinsam als [X.] der Staatsanwaltschaft auftreten, liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn der vernommene Staatsanwalt bei seiner weiteren Aufgabenwahrnehmung die dargestellten Grenzen einer zulässigen Mitwirkung nicht beachtet. Mit der Verfahrensrüge, die eine verfahrensfehlerhafte Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch den als Zeugen vernommenen Staatsanwalt geltend macht, muss daher im Rahmen des nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachenvortrags konkret dargetan werden, dass der Staatsanwalt bei der Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung seine eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt oder in sonstiger Weise die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung überschritten hat (vgl. [X.], Urteile vom 25. Oktober 1983 - 5 StR 736/82, [X.] 1984, 182; vom 10. Juli 1996 - 3 StR 50/96, [X.]R StPO § 24 Staatsanwalt 5; Beschluss vom 30. Januar 2007 - 5 [X.], [X.]R StPO § 24 Staatsanwalt 7; Häger in [X.] für [X.], 1990, [X.], 180 f.).

2. Dass Staatsanwältin [X.]im Rahmen der weiteren Wahrnehmung der Aufgaben als [X.]in der Staatsanwaltschaft bis zu den [X.] eine Würdigung der eigenen Zeugenvernehmung vorgenommen oder ihre Mitwirkung sonst einen mit der Aussage untrennbar verbundenen Gegenstand betroffen hat, wird von der Revision nicht vorgetragen. Soweit die Revisionsbegründung auf Stellungnahmen zu von der Verteidigung gestellten Beweisanträgen und auf einen von der Staatsanwältin gestellten Antrag auf Aufrechterhaltung und weitere Vollstreckung des Haftbefehls gegen den Angeklagten verweist, wird deren Inhalt ebenso wenig mitgeteilt, wie das der Stellungnahme zur Haftfrage vorausgegangene Verfahrensgeschehen. Auch dem Vorbringen zur Beteiligung von Staatsanwältin [X.]an dem von der [X.] angeregten [X.] lässt sich eine Würdigung des Beweisergebnisses durch die Staatsanwältin nicht entnehmen. Die hierbei im Zusammenhang mit einer bei der Strafhöhe zu vermeidenden Schlechterstellung des gesondert Verfolgten [X.]von ihr zum Ausdruck gebrachte Einschätzung von dessen Einlassungsverhalten in seiner Hauptverhandlung war so bereits Gegenstand der Anklage und beinhaltete keine Stellungnahme zur Beweisaufnahme.

Zu den [X.] führt die Revision selbst aus, dass die Bewertung der Zeugenaussage der Staatsanwältin [X.]durch die weitere an der Hauptverhandlung mitwirkende [X.]in der Staatsanwaltschaft erfolgt ist. Ob mit dem weiteren Vortrag der Revision, wonach sich Staatsanwältin [X.]auch einer Würdigung der Aussagen der zu den Angaben des gesondert Verfolgten [X.]in dessen Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Richter [X.]     und [X.]hätte enthalten müssen, was nicht der Fall gewesen sei, eine unzulässige Wahrnehmung der Aufgaben als [X.]in der Staatsanwaltschaft durch Staatsanwältin [X.]ausreichend dargetan wird, kann schließlich offenbleiben, weil auszuschließen ist, dass das angefochtene Urteil hierauf beruht. Die Verurteilung gründet auf dem im Rahmen einer Verständigung abgelegten, umfassenden und von der [X.] als uneingeschränkt glaubhaft bewerteten Geständnis des Angeklagten. Zur Bestätigung dieses Geständnisses hat sich die [X.] - neben einer mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Angeklagten zuzuordnenden DNA-Spur auf dem Bett des Opfers und den Bekundungen des [X.] zum Tatgeschehen - auch auf die Angaben der Zeugen [X.]     und [X.]gestützt, nach denen der gesondert Verfolgte [X.]in der ihn betreffenden Hauptverhandlung den [X.] und die Tatbeiträge des Angeklagten in Übereinstimmung mit dem Geständnis des Angeklagten schilderte. Angesichts dieser eindeutigen Beweislage schließt der Senat aus, dass Staatsanwältin [X.]durch eine unzulässige Würdigung der Aussagen der Zeugen [X.]     und [X.]in entscheidungserheblicher Weise auf die Überzeugungsbildung des [X.] Einfluss genommen hat.

Sost-Scheible     

      

Cierniak     

      

[X.]

      

Bender     

      

Quentin     

      

Meta

4 StR 550/17

14.02.2018

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 10. April 2017, Az: 64 KLs 26/16

§ 24 StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.02.2018, Az. 4 StR 550/17 (REWIS RS 2018, 13994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 13994

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Referenzen
Wird zitiert von

1 StR 235/19

6 StR 326/20

1 StR 382/17

4 StR 550/17

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