Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2012, Az. II B 63/11

2. Senat | REWIS RS 2012, 6491

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Gegenstand

(Feststellung einer Steuerhinterziehung durch das FG - Keine Prüfung materiellen Rechts im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde - Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG)


Leitsatz

1. NV: Für die nach § 76 Abs. 1 S. 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffende Feststellung der Steuerhinterziehung ist kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen .

2. NV: Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und der Prüfung durch den BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen .

3. NV: Die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG ist im Regelfall auf den Erwerb von Todes wegen seitens des/der Erben beschränkt .

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie überhaupt die Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung ([[[[[[[X.].].].].].].]O) erfüllen, nicht vor.

2

1. Die Revision ist nicht wegen eines [[[[[[[X.].].].].].].], auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 [[[[[[[X.].].].].].].]O), zuzulassen.

3

a) Die Rüge, das Finanzgericht ([[[[[[[X.].].].].].].]) habe verfahrensfehlerhaft die beantragte Beweiserhebung des [[[[[[[X.].].].].].].] unterlassen, ist unbegründet. Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 [[[[[[[X.].].].].].].]O hat das [[[[[[[X.].].].].].].] den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 2 [[[[[[[X.].].].].].].]O). Dabei ist für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 [[[[[[[X.].].].].].].]O von Amts wegen zu treffen ist, kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt die [[[[[[[X.].].].].].].] trägt (Beschluss des Großen Senats des [[[[[[[X.].].].].].].] --[[X.].]-- vom 5. März 1979 GrS 5/77, [[[[[[[X.].].].].].].], 140, [[[[[[[X.].].].].].].] 1979, 570). Die Nichterhebung eines angebotenen Beweises ist nur dann ein [[[[[[X.].].].].].]erfahrensmangel, wenn das voraussichtliche Beweisergebnis nach der materiell-rechtlichen Auffassung des [[[[[[[X.].].].].].].] entscheidungserheblich sein kann (z.B. [[[[[[[X.].].].].].].] vom 23. März 2005 [[[[[[X.].].].].].]I B 137/04, [[[[[[[X.].].].].].].] 2005, 1296). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf hingegen unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist (vgl. z.B. [[[[[[[X.].].].].].].] vom 30. April 2008 [[[[[[X.].].].].].]I B 131/07, [[[[[[[X.].].].].].].] 2008, 1475; vom 13. November 2007 [[[[[[X.].].].].].]I B 100/07, [[[[[[[X.].].].].].].] 2008, 219; [[[[[[[X.].].].].].].] in Tipke/[[[[[[[X.].].].].].].], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 81 [[[[[[[X.].].].].].].]O Rz 46, m.w.[[X.].]).

4

Nach diesen Grundsätzen war das [[[[[[[X.].].].].].].] nicht gehalten, den von der Klägerin benannten [[[[[[X.].].].].].] als Zeugen zu vernehmen. Nach der --zutreffenden-- materiell-rechtlichen Auffassung des [[[[[[[X.].].].].].].] ist für die verlängerte Festsetzungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung darauf abzustellen, ob der [[[[[[X.].].].].].]ater ([[[[[[X.].].].].].]) der Klägerin (als deren seinerzeitiger gesetzlicher [[[[[[X.].].].].].]ertreter) seine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 des [[[[[[X.].].].].].] (ErbStG) vorsätzlich nicht erfüllt hat. Dabei ist das [[[[[[[X.].].].].].].] --ebenfalls rechtlich zutreffend-- davon ausgegangen, dass diese Anzeigepflicht allein für [[[[[[X.].].].].].] und nicht für den Testamentsvollstrecker bestand und dass [[[[[[X.].].].].].] von seiner Anzeigepflicht auch nicht durch die Erklärungspflicht des Testamentsvollstreckers (§ 31 Abs. 5 ErbStG) befreit wurde. Hiervon ausgehend ist das [[[[[[[X.].].].].].].] mit eingehender Begründung zu der Überzeugung gelangt, dass [[[[[[X.].].].].].] seine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG vorsätzlich nicht erfüllt habe. [[[[[[X.].].].].].] habe das Bestehen seiner Anzeigepflicht für möglich gehalten und ihre [[[[[[X.].].].].].]erletzung ebenso billigend in Kauf genommen wie die daraus erwachsende [[[[[[X.].].].].].]erkürzung der Erbschaftsteuer. Hiernach erweist sich das [[[[[[X.].].].].].]orbringen der Klägerin, ihr wäre durch die [[[[[[X.].].].].].]ernehmung des [[[[[[X.].].].].].] der Beweis gelungen, dass [[[[[[X.].].].].].] von ihrem Aufenthalt in [[[[X.].].].] keine Kenntnis gehabt, seine Pflichten ordentlich erfüllt und auch [[[[[[X.].].].].].] darauf hätte vertrauen können, als unerheblich. Denn auch bei einem solchen Beweisergebnis hätte das Urteil nicht anders ausfallen können, weil dem Kenntnisstand des [[[[[[X.].].].].].] über den seinerzeitigen Aufenthaltsort der Klägerin keine den [[[[[[X.].].].].].]orsatz des [[[[[[X.].].].].].] ausschließende Bedeutung zukommen konnte.

5

b) Mit der Rüge, dem [[[[[[[X.].].].].].].] seien hinsichtlich des von ihm bejahten [[[[[[X.].].].].].]orsatzes des [[[[[[X.].].].].].] sowie der unterlassenen [[[[[[X.].].].].].]ernehmung des [[[[[[X.].].].].].] "objektive Fehler" unterlaufen und das [[[[[[[X.].].].].].].] habe gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen, wird kein [[[[[[X.].].].].].]erfahrensmangel geltend gemacht.

6

Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung durch den [[X.].] im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen ([[[[[[[X.].].].].].].] vom 22. März 2011 [[[[[[X.].].].].].] B 151/10, [[[[[[[X.].].].].].].] 2011, 1165; vom 31. März 2009 [[[[[[X.].].].].].] B 146/08, [[[[[[[X.].].].].].].] 2009, 1134; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 76, 82, m.w.[[X.].]). Die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers liegt insbesondere in dem [[[[[[X.].].].].].]orbringen, die vom [[[[[[[X.].].].].].].] ausgesprochene Rechtsfolge sei nicht durch ausreichende tatsächliche Feststellungen gedeckt (Gräber/Ruban, a.a.[[X.].], § 115 Rz 81, m.w.[[X.].]). Entsprechendes gilt auch dann, wenn --wie hier-- geltend gemacht wird, die Beweiswürdigung des [[[[[[[X.].].].].].].] verstoße gegen allgemeine Erfahrungssätze ([[[[[[[X.].].].].].].] vom 8. Juni 2010 [[[[[[X.].].].].].] B 126/09, [[[[[[[X.].].].].].].] 2010, 1628; vom 25. September 2007 I[[[[[[X.].].].].].] B 199/06, [[[[[[[X.].].].].].].] 2008, 26; vom 7. Juli 2005 [[[[[[X.].].].].].]I B 13/03, [[[[[[[X.].].].].].].] 2005, 1858; Gräber/Ruban, a.a.[[X.].], § 115 Rz 83 und § 118 Rz 28). Ein [[[[[[X.].].].].].]erfahrensmangel ergibt sich demgemäß auch nicht aus der Rüge der Klägerin, das [[[[[[[X.].].].].].].] sei aufgrund einer unzureichenden Tatsachengrundlage zu der Überzeugung gelangt, [[[[[[X.].].].].].] habe von dem in seinem Besitz befindlichen Schreiben vom 5. April 1993 auch inhaltlich Kenntnis genommen.

7

2. Eine Entscheidung des [[X.].] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2  2. Alternative [[[[[[[X.].].].].].].]O) ist nicht erforderlich; denn die gerügte Divergenz zum [[X.].]-Urteil vom 16. Januar 1973 [[[[[[X.].].].].].]III R 52/69, [[X.].]E 108, 286, [[[[[[[X.].].].].].].] 1973, 273) liegt nicht vor.

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a) Eine Divergenz kann nur vorliegen, wenn das [[[[[[[X.].].].].].].] bei einem gleichen, vergleichbaren oder gleichgelagerten Sachverhalt in ein und derselben Rechtsfrage eine von einer Entscheidung des [[X.].] oder des [[X.].] oder eines [[[[[[[X.].].].].].].] abweichende Rechtsauffassung vertreten hat (z.B. [[[[[[[X.].].].].].].] vom 19. Oktober 2007 I[[[[[[X.].].].].].] B 163/06, [[[[[[[X.].].].].].].] 2008, 212; vom 23. Januar 2007 [[[[[[X.].].].].].]I B 17/06, [[[[[[[X.].].].].].].] 2007, 950; vom 15. Dezember 2005 I[[[[[[X.].].].].].] B 98/05, [[[[[[[X.].].].].].].] 2006, 768; Gräber/Ruban, a.a.[[X.].], § 115 Rz 48).

9

b) Hieran fehlt es im Streitfall. Nach dem [[X.].]-Urteil in [[X.].]E 108, 286, [[[[[[[X.].].].].].].] 1973, 273 ist der für die Bejahung einer Steuerhinterziehung ausreichende bedingte [[[[[[X.].].].].].]orsatz in der Regel dann nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe mit der Erledigung seiner Steuerangelegenheiten und damit auch mit der Fertigung der (Einkommensteuer-)Erklärung beauftragt hat. Das [[[[[[[X.].].].].].].] hat keinerlei tatsächliche Feststellungen dazu getroffen, dass [[[[[[X.].].].].].] in Bezug auf den Erwerb der Klägerin durch [[[[[[X.].].].].].]ermächtnis einen Steuerberater mit der Fertigung der Erbschaftsteuererklärung beauftragt hatte. Sollte das Beschwerdevorbringen dahin zu verstehen sein, dass [[[[[[X.].].].].].] seitens des [[[[[[X.].].].].].] mit der Abgabe der Erbschaftsteuererklärung beauftragt worden sei, so fehlt es ebenfalls an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des [[[[[[[X.].].].].].].]. Im Übrigen ist die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 Abs. 5 ErbStG im Regelfall auf den Erwerb von Todes wegen seitens des/der Erben beschränkt ([[[[[[[X.].].].].].].] vom 9. Juni 1999 II B 101/98, [[X.].]E 188, 440, [[[[[[[X.].].].].].].] 1999, 529).

Meta

II B 63/11

11.05.2012

Bundesfinanzhof 2. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 9. Mai 2011, Az: 9 K 3714/08, Urteil

§ 30 Abs 1 ErbStG 1991, § 31 Abs 5 ErbStG 1991, § 76 Abs 1 S 1 FGO, § 76 Abs 1 S 5 FGO, § 81 Abs 1 S 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 2 Alt 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 370 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 11.05.2012, Az. II B 63/11 (REWIS RS 2012, 6491)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6491

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