Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.08.2013, Az. 5 B 47/13

5. Senat | REWIS RS 2013, 3403

© Bundesverwaltungsgericht, Foto: Michael Moser

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verfahrensmangel; Verletzung des § 114 VwGO; Kündigung von Schwerbehinderten; Präventionsverfahren


Gründe

1

1. Die auf die Zulassungsgründe eines [X.] (a) und der grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache (b) gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

a) Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines [X.], auf dem die Entscheidung beruhen kann, zuzulassen.

3

aa) Soweit der Kläger eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 86 Abs. 1 VwGO) mit der [X.]egründung rügt, das Oberverwaltungsgericht habe versäumt zu ermitteln, ob der [X.]eklagte überhaupt die Frage des Präventionsverfahrens geprüft habe, ist ein Verfahrensmangel nicht ausreichend im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt.

4

Eine angebliche Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts ist u.a. nur dann ausreichend bezeichnet, wenn im Einzelnen dargetan wird, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig gewesen wären, welche [X.]eweismittel zu welchen [X.]eweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese [X.]eweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass auf die Erhebung der [X.]eweise vor dem [X.] durch Stellung förmlicher [X.]eweisanträge hingewirkt worden ist oder - sollte dies nicht der Fall gewesen sein - aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Sachaufklärung dem Gericht hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. z.[X.]. [X.]eschlüsse vom 13. Januar 2009 - [X.]VerwG 9 [X.] - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 372 S. 18 und vom 5. März 2010 - [X.]VerwG 5 [X.] 7.10 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 94 S. 11 m.w.N.). Diesen Anforderungen trägt die [X.]eschwerde nicht ausreichend Rechnung.

5

Weder die [X.]eschwerdebegründung noch die Sitzungsniederschrift lassen erkennen, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht auf eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung hingewirkt oder gar ein förmlicher [X.]eweisantrag im Sinne von § 86 Abs. 2 VwGO gestellt worden ist. Ebenso wenig legt die [X.]eschwerde dar, warum sich dem Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsansicht und des ihm zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegenden [X.] eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

6

bb) Die vom Kläger behauptete Verletzung des § 114 VwGO rechtfertigt nicht die Annahme eines [X.].

7

Ein solcher ist nur anzunehmen, wenn gegen eine Vorschrift verstoßen wird, die den äußeren Verfahrensablauf regelt, nicht aber dann, wenn die Vorinstanz eine Vorschrift missachtet hat, die den inneren Vorgang der richterlichen Rechtsfindung bestimmt. § 114 Satz 1 VwGO regelt in Ergänzung von § 113 Abs. 1 und 5 VwGO die Grenzen der materiellen [X.]efugnis der Verwaltungsgerichte, die behördliche Ermessensausübung zu kontrollieren. Überschreitet ein Gericht diese Grenzen, liegt darin ein materiellrechtlicher Fehler, der im Anwendungsbereich des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO unbeachtlich ist ([X.]eschluss vom 11. März 2009 - [X.]VerwG [X.] 7.09 - juris Rn. 6).

8

b) Der Kläger hat das Vorliegen der Voraussetzungen einer Revisionszulassung wegen grundsätzlichen [X.]edeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ausreichend dargelegt.

9

Grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende [X.]edeutung besteht. Die [X.]eschwerde muss daher erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisherigen revisionsgerichtlich nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts führen kann (vgl. [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - [X.] 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14). Dazu bedarf es auch der substantiierten Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung und bereits ergangener einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. [X.]eschlüsse vom 11. August 2006 - [X.]VerwG 1 [X.] 105.06 - [X.] 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 20 Rn. 2 und vom 5. Juni 2013 - [X.]VerwG 5 [X.] 11.13, 5 PKH 14.13 - juris Rn. 2, jeweils m.w.N.).

Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision hinsichtlich der als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen

"Ist es zulässig, dass im Verwaltungsprozess um die Kündigungszustimmung eines behinderten Menschen dann, wenn das [X.] nicht nachweislich die Nichtdurchführung eines Präventionsverfahrens als Abwägungsmaterial gesehen und zugrundegelegt hat, das Gericht aus seiner Sicht prüft, ob bei gehöriger Durchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden? Kann das Gericht auf diese Weise die Ermessensentscheidung des [X.]es stützen oder gar heilen, wenn das [X.] den Aspekt der Unterlassung eines Präventionsverfahrens nicht erkennbar in seine Überlegungen mit eingestellt hat?"

"Ist die Kündigungszustimmung des [X.]es ohne weiteres ermessensfehlerhaft, wenn das [X.] nicht nachweislich geprüft hat, ob der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren durchgeführt hat"

nicht in [X.]etracht.

Dies folgt schon daraus, dass sich diese Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen würden. Ihnen liegt die Annahme zugrunde, das [X.] habe den Umstand, dass ein Präventionsverfahren nicht durchgeführt wurde, vernachlässigt. Dies entspricht nicht den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil. In den Urteilsgründen wird unter anderem dargelegt, das [X.] sei offenbar davon ausgegangen, dass auch ein Präventionsverfahren wegen dauernder Arbeitsunfähigkeit des [X.] sinnlos sei. Dieser Erwägung ist entgegen der Ansicht des [X.] die Feststellung zu entnehmen, dass das [X.] das Fehlen eines Präventionsverfahrens berücksichtigt hat. Diese Tatsachenfeststellung ist - wie aufgezeigt - von dem Kläger nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen und deshalb für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Mithin müsste der Senat von ihr in einem Revisionsverfahren ausgehen.

Davon abgesehen erweist sich die Rüge auch deshalb als nicht ausreichend begründet, weil es insoweit an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der zu § 84 des Neunten [X.]uches Sozialgesetzbuch (Art. 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001 ([X.]G[X.]l I S. 1046), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2012 ([X.]G[X.]l I S. 2598) - SG[X.] IX - ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung fehlt. Gemäß § 84 Abs. 1 SG[X.] IX schaltet der Arbeitgeber bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen [X.]eschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 93 SG[X.] IX genannten Vertretungen sowie das [X.] ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur [X.]eratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige [X.]eschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann (so genanntes Präventionsverfahren). In der Rechtsprechung des [X.]undesverwaltungsgerichts und des [X.]undesarbeitsgerichts ist geklärt, dass die Durchführung eines Präventionsverfahrens zwar keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmungsentscheidung des [X.]es nach § 85 SG[X.] IX ist, dieses Verfahren jedoch bei der Ermessensentscheidung des [X.]es über die Zustimmung zur Kündigung nach § 85 SG[X.] IX und unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gegebenenfalls zulasten des Arbeitgebers zu berücksichtigen ist, wenn bei gehöriger Durchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit bestanden hätte, die Kündigung zu vermeiden (vgl. [X.]eschluss vom 29. August 2007 - [X.]VerwG 5 [X.] 77.07 - [X.] 436.62 § 84 SG[X.] IX Nr. 1 Rn. 5; [X.]AG, Urteil vom 7. Dezember 2006 - 2 [X.] - [X.]AGE 120, 293 Rn. 27). Das Unterbleiben des Präventionsverfahrens steht einer Kündigung dann nicht entgegen, wenn die Kündigung auch durch dieses Verfahren nicht hätte verhindert werden können. Ist das [X.] nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen ist, kann nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SG[X.] IX hätte die Kündigung verhindern können (vgl. [X.]AG, Urteil vom 7. Dezember 2006 a.a.[X.] Rn. 27 f.). Mit dieser auch dem angegriffenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts ([X.] f.) im [X.] zugrunde liegenden Rechtsprechung setzt sich die [X.]eschwerdebegründung nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise auseinander. Insbesondere fehlt es an Erwägungen dazu, ob sich aus dieser Rechtsprechung zumindest Anhaltspunkte für die [X.]eantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Fragen ergeben.

2. Von einer weiteren [X.]egründung wird gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

Meta

5 B 47/13

19.08.2013

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, 23. Januar 2013, Az: OVG 6 B 35.11, Urteil

§ 114 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 84 Abs 1 SGB 9, § 85 SGB 9

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.08.2013, Az. 5 B 47/13 (REWIS RS 2013, 3403)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3403

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

5 B 24/13 (Bundesverwaltungsgericht)

Schwerbehindertenrechtlicher Kündigungsschutz


5 B 15/19 (Bundesverwaltungsgericht)

Erstattung von Fahrgeldausfällen für die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter über den bereits gewährten landestypischen Pauschalsatz hinaus


5 BN 2/20 (Bundesverwaltungsgericht)


5 BN 1/20 (Bundesverwaltungsgericht)


5 BN 3/20 (Bundesverwaltungsgericht)

Wirksamkeit einer Kostenbeitragssatzung für Kindertagesstätten; erfolglose Nichtzulassungsbeschwerde


Referenzen
Wird zitiert von

B 3 K 16.346

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.