Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.07.2012, Az. 3 StR 238/12

3. Strafsenat | REWIS RS 2012, 4616

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Gegenstand

Jugendstrafrecht: Voraussetzungen des Vorliegens schädlicher Neigungen; Höhe der Jugendstrafe


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 25. Januar 2012, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Jugendstrafe; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Das [X.] hat auf den zur Tatzeit 18 Jahre alten Angeklagten gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 [X.] rechtsfehlerfrei Jugendstrafrecht angewendet. Jedoch halten weder die Begründung schädlicher Neigungen des Angeklagten noch die Ausführungen der [X.] zur Strafhöhe sachlichrechtlicher Überprüfung stand.

3

1. Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 [X.] sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des [X.] die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich auch noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 10. März 1992 - 1 StR 105/92, [X.]R [X.] § 17 Abs. 2 schädliche Neigungen 5).

4

Diese Voraussetzungen werden durch die Feststellungen nicht belegt. Soweit das [X.] auf die von ihm für bestimmend erachteten konkreten Strafzumessungsgesichtspunkte abstellt, betreffen diese überwiegend das objektive Tatunrecht; sie sind deshalb für das Vorliegen schädlicher Neigungen weitgehend unergiebig. Bei den von der [X.] daneben angeführten Vorbelastungen des Angeklagten handelt es sich lediglich um zwei Verfahren wegen Diebstahls bzw. Sachbeschädigung, bei denen gemäß § 45 Abs. 1 bzw. 2 [X.] von der Verfolgung abgesehen bzw. das Verfahren nach Zahlung einer Geldbuße eingestellt wurde. In einem dritten Verfahren wurde der Angeklagte wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gesprochen, weil er sich im Rahmen einer Identitätsfeststellung gegen einen Polizeibeamten gewehrt und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Fuck the Police" gezeigt hatte. Die ihm deswegen auferlegten Arbeitsstunden hat der Angeklagte abgeleistet. Aus diesen Sachverhalten ergeben sich keine tragfähigen Anhaltspunkte für das Vorliegen schädlicher Neigungen; sie belegen vielmehr lediglich vergleichsweise geringfügige, jugendtypische Verfehlungen.

5

2. Gemäß § 18 Abs. 2 [X.] bemisst sich die Höhe der Jugendstrafe vorrangig nach erzieherischen Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem [X.]n die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, [X.], 186, 187 mwN).

6

Diesen Anforderungen genügen die Strafzumessungserwägungen des angefochtenen Urteils nicht. Das [X.] hat zunächst auf das weitgehende Geständnis des Angeklagten, dessen Vorbelastungen sowie die objektiven Tatumstände abgestellt. Daneben hat es ausgeführt, die Strafe müsse in angemessener Relation zu der nach Erwachsenenstrafrecht zugemessenen Strafe eines Mittäters stehen. Der [X.] findet sodann Erwähnung lediglich in der nicht näher substantiierten Wendung, die verhängte Strafe sei "erzieherisch geboten" und eine geringer bemessene Strafe sei nicht geeignet, "dem [X.] des Angeklagten wirksam Rechnung zu tragen". Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des [X.]ns reicht grundsätzlich nicht aus ([X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.], 281). Eine Abwägung zwischen dem Tatunrecht und den Folgen der Verbüßung der verhängten Strafe für die weitere Entwicklung des Angeklagten fehlt ebenfalls.

Becker                        Schäfer                        Mayer

              Gericke                        [X.]

Meta

3 StR 238/12

17.07.2012

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Düsseldorf, 25. Januar 2012, Az: 7 KLs 45/11

§ 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.07.2012, Az. 3 StR 238/12 (REWIS RS 2012, 4616)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4616

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