Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2015, Az. 3 StR 581/14

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 17442

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Gegenstand

Voraussetzungen und Bemessung der Jugendstrafe: Begriff der schädlichen Neigungen; Berücksichtigung des Erziehungsgedankens


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. Mai 2014 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen Körperverletzung zur Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er ohne weitere Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

2

Die Rüge der Verletzung formellen Rechts ist aufgrund der fehlenden Angaben der den Mangel enthaltenden Tatsachen unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

3

Die in allgemeiner Form erhobene Sachrüge deckt zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch hält hingegen revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand:

4

Das [X.] hat bei dem zu den [X.] zwanzig Jahre und vier Monate bzw. zwanzig Jahre und acht Monate alten Angeklagten aufgrund seines Werdegangs Reifeverzögerungen angenommen und deshalb auf ihn gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendrecht angewandt. Zur Begründung der Verhängung von Jugendstrafe hat es lediglich ausgeführt, dass bereits in den zurückliegenden Verurteilungen aus den Jahren 2010 und 2011 der jeweilige Tatrichter von dem Vorliegen schädlicher Neigungen ausgegangen sei und die nunmehr abzuurteilenden Taten dies erneut belegen würden.

5

Diese knappen Wendungen reichen zur Begründung schädlicher Neigungen nicht aus. Um solche handelt es sich bei erheblichen Anlage- oder Erziehungsmängeln, die ohne längere Gesamterziehung des [X.] die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie müssen schon vor der Tat angelegt gewesen sein und noch zum Urteilszeitpunkt bestehen; es müssen deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sein (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, [X.], 287 mwN). Hier fehlen insbesondere sämtliche Angaben dazu, dass auch im Zeitpunkt der Urteilsfindung bei dem Angeklagten noch schädliche Neigungen bestanden. Ausführungen dazu waren auch nicht entbehrlich, weil zwischen den Taten und dem Urteil zwölf bzw. acht Monate lagen und der mittlerweile 21-jährige Angeklagte in der Untersuchungshaft an einer (weiteren) berufsvorbereitenden Maßnahme mit Besuch der Berufsschule teilgenommen hat.

6

Auch im Übrigen genügt die Strafzumessung nicht den Anforderungen, die § 18 Abs. 2 JGG an sie stellt. Nach dieser Vorschrift ist die Höhe der Jugendstrafe in erster Linie an erzieherischen Gesichtspunkten auszurichten. Die Urteilsgründe müssen deshalb erkennen lassen, dass dem [X.]n die ihm zukommende Beachtung geschenkt und bei der Bemessung der Jugendstrafe das Gewicht des Tatunrechts gegen die Folgen der Strafe für die weitere Entwicklung des Heranwachsenden abgewogen worden ist (st. Rspr.; vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 StR 15/12, [X.], 186 mwN). Das [X.] hat demgegenüber vorrangig auf die Vorbelastungen des Angeklagten abgestellt und für zwei der drei Taten jeweils einen entlastenden Gesichtspunkt genannt. Daneben hat es weitere dem Erwachsenenstrafrecht entlehnte Strafzumessungsgesichtspunkte wie die Rückfallgeschwindigkeit, die Begehung der Tat unter Führungsaufsicht sowie den Schuldausgleich und den Sühnegedanken berücksichtigt. Der [X.] findet Erwähnung nur insoweit, als die Strafkammer "von einem Gesamterziehungsbedarf" ausgeht, "der die Verhängung einer zur Bewährung aussetzbaren Strafe ausschließt." Eine derartige lediglich formelhafte Erwähnung des [X.]ns reicht indes grundsätzlich nicht aus (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Beschluss vom 17. Juli 2012 - 3 StR 238/12, [X.], 287 mwN).

Becker                             [X.]                            [X.]

                   Gericke                          Spaniol

Meta

3 StR 581/14

08.01.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Neubrandenburg, 22. Mai 2014, Az: 80 KLs 2/14

§ 17 Abs 2 JGG, § 18 Abs 2 JGG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2015, Az. 3 StR 581/14 (REWIS RS 2015, 17442)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 17442

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