Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2015, Az. StB 1/15

3. Strafsenat | REWIS RS 2015, 15969

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

StB 1/15
vom
5. Februar 2015
in dem Strafverfahren
gegen

wegen Beihilfe zum Mord

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Der 3. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschwerdeführers und seiner Verteidiger am 5. Februar 2015 gemäß § 304 Abs. 5 StPO beschlossen:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des [X.] vom 22. Dezember 2014 wird [X.].

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:
I.

Der Angeklagte wurde am 29. November 2011 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 28. November 2011
(3 [X.] 97/11) -
neu gefasst durch dessen Beschluss vom 15. Mai 2012 (3 [X.] 169/12), abgeändert durch Senatsbeschluss vom 14. Juni 2012 ([X.]) -
festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Der Senat hat in der letztgenannten Entscheidung deren Fortdauer über sechs Monate hinaus und durch Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 ([X.]), vom 8.
Januar 2013 ([X.]) und vom 11. April 2013 ([X.]) deren Fortdauer auch über neun, zwölf und fünfzehn Monate hinaus angeordnet. Zum [X.] nimmt der Senat Bezug auf seinen Beschluss vom 14. Juni 2012 (AK 1
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18/12) und auf die Anklageschrift des [X.] vom 5. November 2012. Der 6. Strafsenat des [X.] hat mit der [X.] gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte am 6. Mai 2013 begonnen; diese dauert weiter an.

In der Hauptverhandlung am 3. Dezember 2014 haben die Verteidiger des Angeklagten beantragt, den bestehenden Haftbefehl aufzuheben, [X.], diesen gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen. Mit Beschluss vom 22. Dezember 2014 hat das [X.] die Anträge ab-gelehnt und Haftfortdauer angeordnet. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Angeklagten.

II.

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

1. Der Angeklagte ist des ihm vorgeworfenen Tatgeschehens weiterhin dringend verdächtig.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 16.
April 2013 -
StB 6/13; vom 22. Oktober 2012 -
StB 12/12, NJW
2013, 247, 248;
vom 19. Dezember 2003 -
StB 21/03, StV
2004, 143; vom 2. September 2003 -
StB 11/03, NStZ-RR
2003, 368) unterliegt die Beurteilung des [X.], die das erkennende Gericht während laufender [X.] vornimmt, im [X.] nur in eingeschränktem Um-fang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus 2
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eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten [X.] noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist. Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss das Beschwerdegericht in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, damit den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts an die Begründungstiefe von [X.] zu stellen sind ([X.], Beschluss vom 17. Januar 2013 -
2 BvR 2098/12,
StV 2013, 640, 642
f.), ausreichend Rechnung getragen werden kann. Daraus folgt indes nicht, dass das Tatgericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffen-den Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise durch das [X.] und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Das [X.] führt insoweit nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Tatgericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste.

b) Nach diesen Maßstäben hat das [X.] hinreichend konk-ret dargelegt, dass die Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung den dringenden Verdacht der Beihilfe zu neun Fällen des Mordes, wie ihn der Senat auf der Grundlage des damaligen Ermittlungsergeb-nisses in den oben aufgeführten Haftentscheidungen ebenfalls bejaht hatte, nicht in Frage stellen. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die sich -
wie schon zuvor der entsprechende Anträge des Angeklagten ablehnende, vom [X.] inhaltlich bestätigte Beschluss vom 25. Juni 2014 -
mit den Erkenntnissen zum Weg der Tatwaffe [X.] Nr. 034678 hin zu [X.]
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dern des "[X.]" und den vom Angeklagten hier-zu entfalteten Aktivitäten eingehend auseinandersetzen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug.

2. [X.] besteht fort (§ 112 Abs. 3 StPO); durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Gründe des Beschlusses vom 25. Juni 2014, an deren Gültigkeit sich nach den Darlegungen des [X.]s auch in der [X.] nichts geändert hat. Es sieht durch das bisherige Ergebnis der [X.] bestätigt, dass der Angeklagte, auf freien Fuß gesetzt, mit Hilfe von Unterstützern aus der rechten
Szene Fluchtgedanken
ohne wesentliche Schwierigkeiten in die Tat umsetzen könnte. Für diese Ein-schätzung des [X.]s gilt nichts anderes als -
wie oben ausge-führt
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zur Annahme fortbestehenden dringenden Tatverdachts.

3. Das Verfahren ist weiterhin mit der in Haftsachen gebotenen Be-schleunigung geführt worden. Der Umfang und die Schwierigkeit des Verfah-rens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen. Zwar findet der Vollzug von Untersuchungshaft von mehr als einem Jahr bis zum Erlass eines Urteils nur in ganz besonderen Ausnahmefällen eine Rechtfertigung (vgl. [X.], [X.] vom 23. Januar 2008 -
2 BvR 2652/07, StV
2008, 198, 199). Ein sol-cher Ausnahmefall ist hier jedoch gegeben. Das Verfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Angeklagte und umfasst einen Tatzeitraum von insgesamt fünf-zehn Jahren. Beteiligt sind elf Verteidiger und mehr als 60 Nebenklagevertreter. Die dem Angeklagten vorgeworfenen Beihilfehandlungen sind isolierter Be-trachtung nicht zugänglich, sondern bedürfen zunächst sorgfältiger Aufklärung 7
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der entsprechenden Haupttaten und deren Würdigung in einer Gesamtschau des Tatgeschehens. Schon der Umfang der [X.] -
über 800 Ordner -
verdeutlicht, dass dies ohne eine außergewöhnlich aufwändige Beweisaufnah-me nicht möglich ist. So hat das [X.] bislang bereits etwa 300 Zeugen und Sachverständige vernommen. Dem Gebot größtmöglicher Be-schleunigung hat es dabei durch regelmäßig drei Verhandlungstage pro Woche ausreichend Rechnung getragen.

4. Auch in Anbetracht der insgesamt zu erwartenden Verfahrensdauer steht der weitere Vollzug der Untersuchungshaft nicht außer Verhältnis zur [X.] und der im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu [X.] Strafe (vgl. hierzu auch [X.], Entscheidung vom 6. November 2014 -
Application no. 67522/09 Ereren gegen Deutschland, Rn. 61). Zwar wird sich der Angeklagte, soweit derzeit absehbar, zum Zeitpunkt des Urteils weit über die derzeit bereits vollzogenen [X.] und zwei Monate hinaus in [X.] befinden. Das aufzuklärende Tatgeschehen stellt sich jedoch

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nicht nur nach der gesetzlichen Strafandrohung als eine erhebliche Straftat dar, sondern wiegt auch unter den konkret gegebenen Umständen schwer. Die im Falle der Verurteilung des Angeklagten zu erwartende und zu verbüßende [X.] wird deshalb auch eine Untersuchungshaft von erheblicher Dauer nicht nur unwesentlich übersteigen.

[X.]

[X.]

Meta

StB 1/15

05.02.2015

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.02.2015, Az. StB 1/15 (REWIS RS 2015, 15969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15969

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2 BvR 2098/12

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