Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6992

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Gegenstand

Entgangener Gewinn: Nachweis der Verzinsung eines zur Verfügung stehenden Geldbetrags


Leitsatz

Nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge kann nicht mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% verzinst.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 20. Juli 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Sparkasse als Prospektverantwortliche und Anlageberaterin im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin, eine langjährige Kundin der Beklagten, hatte bis zum [X.] wiederholt Geld in Sparbüchern, Festgeldanlagen und [X.]en angelegt. Als ein solcher [X.] in Höhe von 105.000 DM fällig wurde, führte sie am 8. November 2000 ein Beratungsgespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten. Dieser empfahl ihr eine Beteiligung an dem Immobilienfonds "[X.]" (im Folgenden: Fonds), der ein Fachmarktzentrum in [X.]          sowie ein Bürogebäude in [X.]       bewirtschaftet. Die Klägerin beteiligte sich daraufhin am selben Tage in Höhe von 100.000 [X.] 5% Agio an diesem Fonds, den die Beklagte als Gründungskommanditistin im Jahre 1999 initiiert hatte.

3

Die Klägerin hat ihre Klage unter anderem darauf gestützt, dass das Alter des Fachmarktzentrums in [X.]           im Anlageprospekt unzutreffend dargestellt worden sei. Sie hat deshalb erstinstanzlich die Rückzahlung ihres Anlagekapitals sowie des [X.] abzüglich erhaltener Ausschüttungen, insgesamt 39.145,53 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen die Übertragung der Fondsbeteiligung, die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten begehrt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt und darüber hinaus insbesondere die Erstattung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 24.177,49 € für die Zeit zwischen [X.] und Rechtshängigkeit gefordert.

4

Das Berufungsgericht hat der Klage im Umfang des erstinstanzlichen Klagebegehrens stattgegeben, die in zweiter Instanz geltend gemachten, weitergehenden Ansprüche jedoch abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr zweitinstanzliches Begehren hinsichtlich der entgangenen Anlagezinsen weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in BeckRS 2011, 29481 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Beklagte hafte der Klägerin als Prospektverantwortliche und wegen einer Verletzung des zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrages auf Schadensersatz, denn sowohl der Emissionsprospekt als auch die Beratung der [X.] seien hinsichtlich des Alters des Fondsobjekts in [X.]          und damit in einem für die Anlageentscheidung der Klägerin wesentlichen Punkt unrichtig gewesen. Die Klägerin könne jedoch Zug um Zug gegen die Abtretung ihrer Beteiligungsrechte nur die Rückerstattung ihrer Einlage sowie des [X.] in Höhe von insgesamt 53.658,65 € abzüglich erhaltener Ausschüttungen in Höhe von 14.540,12 €, mithin nur 39.145,53 € beanspruchen. Die von ihr in zweiter Instanz darüber hinaus begehrte Erstattung entgangener Anlagezinsen in Höhe von 24.177,49 € stehe der Klägerin nicht zu, denn sie habe weder nachgewiesen, dass sie bei richtiger Aufklärung alternativ einen [X.] oder ein Bundeswertpapier mit einer sicheren durchschnittlichen Rendite von 5,8% bzw. 5,16% gezeichnet hätte, noch, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen des Einzelfalles ein solcher Gewinn oder aber ein Gewinn von mindestens 4% p.a. zu erwarten gewesen sei.

8

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei es der Klägerin bei der Wiederanlage ihres Kapitals auf die Beibehaltung des Zinsniveaus des abgelaufenen [X.]es und die Übertragbarkeit der Anlage unter erbschafts- und schenkungssteuerrechtlichen Gesichtspunkten angekommen. Da ein ähnlicher Zinssatz mit [X.]en zum damaligen Zeitpunkt nicht erzielbar gewesen sei, habe sie nach anderen Anlagemöglichkeiten mit höherer Rendite/Verzinsung gefragt, woraufhin ihr der Fonds empfohlen worden sei. Angesichts dessen könne nicht angenommen werden, dass sich die Klägerin bei gebotener Aufklärung erneut für einen [X.] oder ein Bundeswertpapier entschieden hätte. Es sei vielmehr naheliegend, dass die Klägerin eine Anlage gewählt hätte, die abstrakt die gleichen Vorteile wie der streitgegenständliche Fonds geboten hätte. Mangels ausreichender Anhaltspunkte dafür, um welche Art von Anlage es sich gehandelt und welchen Gewinn bzw. Verlust die Klägerin dabei erzielt hätte, komme eine Schätzung des entgangenen Gewinns nach § 252 [X.], § 287 ZPO nicht in Betracht.

9

Die Klägerin könne entgangene Anlagezinsen auch nicht in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a. beanspruchen. Zwar sei davon auszugehen, dass die Klägerin ihr Kapital nicht ungenutzt gelassen, sondern anderweitig angelegt hätte. Dass eine andere Anlageform nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit gewinnbringend gewesen und mindestens den gesetzlichen Zinssatz erbracht hätte, könne jedoch nicht angenommen werden, da eine Alternativanlage stets von Anlageziel und -verhalten des einzelnen Anlegers abhänge, der zur Erzielung höherer Renditen auch bereit sein könne, gewisse Risiken in Kauf zu nehmen. Zudem ergäben auch die Statistiken der [X.] für Umlaufrenditen von Anleihen der öffentlichen Hand und festverzinslichen Wertpapieren inländischer Bankschuldverschreibungen bei Laufzeiten von 15 bis 30 Jahren nur einen Zinsgewinn in Höhe von 2 bis 3% p.a., so dass ein wahrscheinlicher [X.] der Klägerin nicht angenommen werden könne.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat den von der Klägerin in zweiter Instanz erstmals geltend gemachten Anspruch auf Erstattung entgangener Anlagezinsen in Höhe von insgesamt 24.177,49 € zu Recht verneint.

1. Der Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Beratungsvertrages und fehlerhafter Prospektangaben, den das Berufungsgericht der Klägerin dem Grunde nach rechtskräftig zugesprochen hat, umfasst nach § 252 Satz 1 [X.] allerdings auch den entgangenen Gewinn. Dazu gehören grundsätzlich auch entgangene Anlagezinsen. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist einem Kapitalanleger, der durch unrichtige Angaben dazu bewogen worden ist, einer Publikumsgesellschaft beizutreten, nicht nur seine Einlage in diese Gesellschaft, sondern auch der Schaden zu ersetzen, der sich typischerweise daraus ergibt, dass das Eigenkapital des Anlegers in dieser Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern zu einem allgemein üblichen Zinssatz angelegt worden wäre ([X.], Urteil vom 2. Dezember 1991 - [X.], [X.], 143, 144 mwN).

2. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht jedoch die Erstattung von [X.] in Höhe der für [X.]e oder Bundeswertpapiere durchschnittlich erzielbaren Zinssätze ebenso rechtsfehlerfrei abgelehnt wie die von der Klägerin hilfsweise begehrte Erstattung eines Mindestschadens in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a.

a) Dafür, dass und in welcher Höhe ihm durch das schädigende Ereignis ein solcher Gewinn entgangen ist, ist der Geschädigte darlegungs- und beweispflichtig. § 252 Satz 2 [X.] enthält für den Geschädigten lediglich eine die Regelung des § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung (Senatsurteil vom 13. Januar 2004 - [X.] 355/02, [X.], 422, 425; [X.]/[X.], [X.], 71. Aufl., § 252 Rn. 4). Der Geschädigte kann sich deshalb zwar auf die Behauptung und den Nachweis der Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 [X.] geregelte Vermutung eingreift ([X.], Urteil vom 28. Februar 1996 - [X.], [X.], 1270, 1272 mwN). Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne von § 252 [X.] aufgrund einer zeitnahen alternativen Investitionsentscheidung des Geschädigten und deren Umfang kann jedoch nur anhand seines Tatsachenvortrages dazu beurteilt werden, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich ohne das schädigende Ereignis entschieden hätte [X.]/Lang/[X.] in [X.]/Clouth/Lang, [X.], 4. Aufl., Rn. 508).

b) Hier hat die Klägerin zwar vorgetragen, dass sie sich bei einer ordnungsgemäßen Beratung bzw. [X.] nicht für einen Immobilienfonds, sondern - wie zuvor - für eine Geldanlage in Form eines festverzinslichen [X.]es bzw. eines Bundeswertpapiers entschieden hätte. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht jedoch nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme als nicht bewiesen angesehen. Vielmehr hat es das Berufungsgericht aufgrund der Angaben des Zeugen M.    , des Beraters der [X.], zu den Anlagezielen der Klägerin als naheliegend angesehen, dass die Klägerin eine andere Anlage gewählt hätte, die die gleichen Vorteile wie die Fondsbeteiligung geboten hätte, nämlich eine höhere Rendite und eine steuerrechtlich günstigere Übertragbarkeit. Gegen diese tatrichterliche Beweiswürdigung erhebt die Revision, wie sie in der [X.] ausdrücklich erklärt hat, keine Einwendungen und bestehen auch sonst keine Bedenken.

c) Das gilt auch für die weitere Annahme des Berufungsgerichts, es ließen sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür feststellen, welche Art von Anlage die Klägerin gegebenenfalls gewählt hätte und welche Gewinne oder Verluste sie dabei erzielt hätte. Soweit das Berufungsgericht daraus den Schluss gezogen hat, dass eine Schätzung des der Klägerin entgangenen Gewinns mangels Schätzgrundlage nicht in Betracht komme, ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

d) Ohne Erfolg beruft sich die Revision demgegenüber auf § 252 Satz 2 Fall 1 [X.], wonach als entgangen der Gewinn gilt, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

aa) Entgegen der Ansicht der Revision folgt daraus nicht die - von der [X.] unwiderlegte - Vermutung, dass sich die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung bzw. [X.] - wie zuvor - für eine Geldanlage in Form eines festverzinslichen [X.]es bzw. eines Bundeswertpapiers entschieden hätte. Dem steht entgegen, dass das Berufungsgericht, wie oben ausgeführt, in [X.] und [X.] tatrichterlicher Beweiswürdigung festgestellt hat, dass die Klägerin eine andere Anlage gewählt hätte, die die gleichen Vorteile wie die Fondsbeteiligung geboten hätte, nämlich eine höhere Rendite und eine steuerrechtlich günstigere Übertragbarkeit.

bb) Zu Recht ist das Berufungsgericht auch nicht der Auffassung des [X.] ([X.], 1887, 1889) gefolgt, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge könne mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass sich ein zur Verfügung stehender Geldbetrag zumindest in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 4% p.a. (§ 246 [X.]) verzinse. Wie der Senat aus zahlreichen Verfahren weiß, entspricht es schon nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, dass eine Geldanlage überhaupt Gewinn abwirft. Erst recht gilt das für eine Verzinsung von 4% p.a. In Übereinstimmung damit hat das Berufungsgericht unangegriffen und rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die Statistiken der [X.] über Umlaufrenditen von Anleihen der öffentlichen Hand und verzinslichen Wertpapieren inländischer Bankschuldverschreibungen für die vorausgegangenen Monate selbst bei Laufzeiten von 15 bis 30 Jahren fast ausschließlich Werte von nur 2 bis 3% p.a. ausweisen und danach selbst oder gerade bei solchen verlustsicheren Anlagen ein genereller und pauschaler wahrscheinlicher [X.] tatsächlich nicht angenommen werden kann.

[X.]                                                Joeres                                                 Ellenberger

                           Matthias                                                  Pamp

Meta

XI ZR 360/11

24.04.2012

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 20. Juli 2011, Az: 13 U 89/10, Urteil

§ 246 BGB, § 252 S 2 Alt 1 BGB, § 287 Abs 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.04.2012, Az. XI ZR 360/11 (REWIS RS 2012, 6992)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6992

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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