Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2014, Az. VI R 34/12

6. Senat | REWIS RS 2014, 8097

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Gegenstand

Berücksichtigung eines Investitionsabzugsbetrags beim Abzug von Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen


Leitsatz

1. Unterhaltsaufwendungen können nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen .

2. Zum Nettoeinkommen gehören im Wesentlichen alle steuerpflichtigen Einkünfte und alle steuerfreien Einnahmen .

3. Das Nettoeinkommen ist um den in § 7g EStG geregelten Investitionsabzugsbetrag zu erhöhen .

Tatbestand

1

I. [X.]treitig ist, ob zur Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens beim Abzug von [X.] als außergewöhnliche [X.]elastungen ein Investitionsabzugsbetrag zu berücksichtigen ist.

2

Die Kläger und [X.] (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger haben drei Kinder, und zwar einen volljährigen [X.] ([X.]), eine volljährige [X.]ochter ([X.]) und eine minderjährige [X.]ochter ([X.]). [X.] wohnte im [X.]treitjahr (2009) mit ihrem Kind ebenso wie [X.] ganz im Haushalt der Kläger in [X.] [X.]ie ist vom Kindesvater geschieden, der zur Zahlung von Unterhalt nicht in der Lage war. [X.] studierte in [X.]; dort verfügte er über eine [X.]ietwohnung. Allerdings verbrachte er die Wochenenden und --überwiegend-- die [X.]emesterferien bei den Klägern in [X.] [X.] und [X.] waren im [X.]treitjahr nicht erwerbstätig. Auch verfügten sie nicht über eigenes unterhaltsrechtlich relevantes Vermögen.

3

In ihrer Einkommensteuererklärung für das [X.]treitjahr gaben die Kläger Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb (./. 255.572 €), aus selbständiger Arbeit (25.200 €) und aus nichtselbständiger Arbeit (366.119 €) an. [X.]ei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb brachte der Kläger einen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (E[X.]tG) in Höhe von rd. 178.000 € in Ansatz; die gewerblichen Einkünfte ohne diesen [X.]etrag beliefen sich demnach auf ./. 77.172 €.

4

Die Kläger leisteten im [X.]treitjahr an [X.] und [X.] Unterhaltszahlungen in Höhe von jeweils 8.400 € (= 12 [X.]onate x 700 €). In Höhe von insgesamt 15.360 € (= 2 Kinder x 7.680 €) machten die Kläger diese Zahlungen als außergewöhnliche [X.]elastungen geltend.

5

Dies lehnte der [X.]eklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --[X.]--) ab. Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, die Opfergrenze belaufe sich im [X.]treitjahr auf rd. 53.310 €. Ohne [X.]erücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags sei von einem verfügbaren Nettoeinkommen in Höhe von rd. 133.273 € auszugehen. Die Opfergrenze betrage unter [X.]erücksichtigung ihres dritten, noch minderjährigen Kindes 40 %.

6

Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Zur [X.]egründung führte das [X.] aus, [X.] seien nur zu berücksichtigen, soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stünden und diesem nach Abzug der [X.] für sich sowie seinen Ehegatten und seine Kinder genügend [X.]ittel zur [X.]estreitung des Lebensunterhalts verblieben. Dies sei vorliegend nicht der Fall, wie sich aus folgender [X.]erechnung ergäbe:

7

Einnahmen:

                 

§ 15 E[X.]tG

./. 255.572 €

        

§ 18 E[X.]tG

25.200 €

        

§ 19 E[X.]tG

366.119 €

        

Kindergeld

2.068 €

        

[X.]umme:

        

137.815 €

Ausgaben:

                 

[X.]ozialabgaben

6.915 €

        

Lohnsteuer

152.947 €

        

[X.]olidaritätszuschlag

8.405 €

        

Kirchensteuer

13.755 €

        

Werbungskosten

920 € 

        

[X.]umme:

        

182.942 €

Nettoeinkommen:

        

./. 45.127 €

8

Das Finanzgericht ([X.]) gab der Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1349 veröffentlichten Gründen statt.

9

[X.]it der Revision rügt das [X.] die Verletzung materiellen Rechts.

Das [X.] beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat zu Recht bei der Ermittlung des Leistungsfähigkeitsmerkmals den im Rahmen der Einkünfte des [X.] aus Gewerbebetrieb gewinnmindernd erfassten Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g E[X.]tG nicht berücksichtigt.

1. Erwachsen dem [X.]teuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer dem [X.]teuerpflichtigen oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 7.680 € im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG).

Die von § 33a Abs. 1 [X.]atz 1 E[X.]tG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich ebenso nach dem Zivilrecht wie die [X.] ([X.] in [X.]/[X.]/ [X.] --[X.]--, § 33a E[X.]tG Rz 42, m.w.N.). Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der [X.]teuerpflichtige unterhaltsverpflichtet ist. Nach der sog. konkreten Betrachtungsweise setzt die Abziehbarkeit von Leistungen des [X.]teuerpflichtigen an dem Grunde nach unterhaltsberechtigte Personen zudem voraus, dass die unterhaltene Person bedürftig ist (§ 1602 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --[X.]--; [X.]enatsurteil vom 5. Mai 2010 VI R 29/09, [X.], 12, [X.], 116). Darüber hinaus ist § 1603 [X.] zu beachten. Nach dieser Vorschrift ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, den Unterhalt zu gewähren. Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ([X.]) können daher Unterhaltsaufwendungen im Allgemeinen nur dann als zwangsläufig und folglich als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn sie in einem angemessenen Verhältnis zum Nettoeinkommen des Leistenden stehen und diesem nach Abzug der Unterhaltsleistungen noch die angemessenen Mittel zur Bestreitung des Lebensbedarfs verbleiben (sog. Opfergrenze, vgl. z.B. [X.]enatsurteil vom 17. Dezember 2009 VI R 64/08, [X.]E 227, 491, [X.], 343, m.w.N.). Dieses von der Finanzverwaltung und ihr folgend der Rechtsprechung entwickelte spezifisch steuerrechtliche Verständnis der zivilrechtlichen Leistungsfähigkeit ([X.]/ [X.], § 33a E[X.]tG Rz 42) ist allerdings auf Ehegatten und minderjährige Kinder, mit denen der [X.]teuerpflichtige alle ihm verfügbaren Mittel teilen muss (§ 1603 [X.]), sowie bei einer bestehenden [X.] mit der unterhaltenen Person (sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft) nicht anzuwenden ([X.]enatsurteil vom 28. März 2012 VI R 31/11, [X.]E 237, 79, [X.], 769; [X.]chreiben des [X.] vom 7. Juni 2010, [X.], 582, [X.]z 12). In einem solchen Fall ist für die Ermittlung der gemäß § 33a Abs. 1 E[X.]tG abziehbaren Unterhaltsaufwendungen das verfügbare Nettoeinkommen vielmehr nach [X.] zu verteilen ([X.]enatsurteil in [X.]E 227, 491, [X.], 343; [X.]-Urteil vom 29. Mai 2008 III R 23/07, [X.]E 222, 250, [X.], 363). Allerdings kann vorliegend dahinstehen, ob die Opfergrenze auf die Familiensituation der Kläger anzuwenden ist.

2. Denn nach den Feststellungen des [X.] waren im [X.]treitjahr die von den Klägern unterstützten Kinder [X.] und [X.] tatsächlich bedürftig und die Kläger sind entgegen der Auffassung des [X.] auch unter Berücksichtigung der Opfergrenze entsprechend leistungsfähig.

a) Gemäß § 1603 Abs. 1 [X.] ist mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Dabei kommt es auf das Vermögen und die Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten (sog. Nettoeinkommen) an.

aa) Zum Nettoeinkommen gehören im Wesentlichen alle steuerpflichtigen Einkünfte i.[X.]. von § 2 Abs. 1 E[X.]tG und alle steuerfreien Einnahmen ([X.]/[X.], § 33a E[X.]tG Rz 43). Allerdings gelten die steuerrechtlichen Maßstäbe im Unterhaltsrecht nicht uneingeschränkt. [X.]o sind die Einkünfte um Beträge zu kürzen, die dem Verpflichteten faktisch nicht zur Verfügung stehen (z.B. steuerliche und sozialrechtliche Belastungen; s. dazu [X.]-Urteil vom 11. Dezember 1997 III R 214/94, [X.]E 185, 168, B[X.]tBl II 1998, 292). Andererseits sind steuerrechtlich zulässige Gewinnminderungen zu korrigieren, soweit kein tatsächlicher Mittelabfluss vorliegt. Dies gilt etwa für Rücklagen ([X.], [X.], 13. Aufl., § 1603 Rz 44; Urteil des [X.] --BGH-- vom 19. Februar 2003 XII ZR 19/01, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2003, 741), trifft aber auch auf den in § 7g E[X.]tG geregelten Investitionsabzugsbetrag zu ([X.]/[X.], § 7g E[X.]tG Rz 5; Bartone in [X.], § 7g E[X.]tG Rz 7.0).

bb) Der Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g E[X.]tG ermöglicht die Verlagerung von [X.] in Wirtschaftsjahre vor Anschaffung und Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter und soll damit der Verbesserung der Liquidität und Eigenkapitalausstattung dienen. [X.]eine Wirkung erschöpft sich in einer zinslosen [X.]teuerstundung ([X.]/[X.], § 7g E[X.]tG Rz 3; [X.] vom 2. Juni 2004 XII ZR 217/01, [X.]/NV 2005, Beilage 1, 56). Dem Abzugsbetrag liegen mangels Investition keine Ausgaben bzw. kein Wertverzehr zugrunde, so dass die Leistungsfähigkeit des [X.]teuerpflichtigen effektiv nicht beeinflusst wird. Das hat nach Auffassung des [X.]enats unterhaltsrechtlich zur Folge, dass der Abzugsbetrag nicht zu berücksichtigen und dem Gewinn zuzuschreiben ist (Urteil des [X.] vom 2. August 2007  9 UF 185/06, juris; s. auch [X.]/Brudermüller, [X.], 73. Aufl., § 1361 Rz 32). Erst im Zeitpunkt der gewinnerhöhenden Hinzurechnung gemäß § 7g Abs. 2 E[X.]tG bzw. im Fall der Rückgängigmachung der Fördermaßnahme (§ 7g Abs. 3 und 4 E[X.]tG) beeinflussen die entsprechenden steuerlichen Auswirkungen das Unterhaltsrecht.

b) Nach diesen Grundsätzen hat das [X.] zu Recht den Investitionsabzugsbetrag im [X.]treitjahr nicht in Ansatz gebracht. Auf dieser Grundlage und der nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des [X.] standen den Klägern nach Abzug der streitigen Unterhaltsleistungen noch genügend Mittel zur Bestreitung des eigenen Lebensunterhalts zur Verfügung.

Meta

VI R 34/12

06.02.2014

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 24. April 2012, Az: 15 K 234/11, Urteil

§ 33a Abs 1 S 1 EStG 2009, § 2 Abs 1 EStG 2009, § 7g Abs 1 EStG 2009, § 1602 BGB, § 1603 BGB, § 7g Abs 2 EStG 2009, § 7g Abs 3 EStG 2009, § 7g Abs 4 EStG 2009, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 06.02.2014, Az. VI R 34/12 (REWIS RS 2014, 8097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8097

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