Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.10.2013, Az. 1 StR 403/13

1. Strafsenat | REWIS RS 2013, 2308

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beweiswürdigung im Strafverfahren: Überzeugungsbildung aufgrund eines einzigen Beweisanzeichens


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 5. April 2013 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und bestimmt, dass die in [X.] erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 angerechnet wird. Die mit einer Verfahrensrüge und der näher ausgeführten Sachrüge begründete Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

2

1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt:

3

Der anderweitig Verfolgte M.  führte am 27. März 2011 etwas über  7,3 kg Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von knapp 2,6 kg Kokain-Hydrochlorid mit sich, das in den vorderen Radkästen eines in [X.]an- gemieteten Pkw versteckt worden war und bei einer Polizeikontrolle an der  [X.]    aufgefunden wurde. Nach Aufforderung der  Polizei nahm M.  mit dem von ihm benannten Mittäter „R.  “ per [X.] Kon- takt auf, was zu einer Ortung des von „R.  “ benutzten Mobiltelefons in  [X.]führte. Sämtliche mit „R.  “ ausgetauschten [X.] wa- ren in [X.] Sprache verfasst.

4

Wegen dieser Tat wurde M.  mit Urteil des [X.]s München II  wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Das [X.] sieht die Tat des M.  als „Haupttat“ der Beihilfehandlung des An- geklagten an.

5

Das in Platten gepresste Kokain war für den Transport in dreizehn Päckchen verpackt worden, die jeweils einen identischen Aufbau aufwiesen: Die erste Schicht der Verpackung bestand aus transparentem Tesaklebeband, die zweite Schicht aus einem transparenten Schlauchfolienbeutel, die dritte Schicht aus braunem Paketklebeband, die vierte Schicht aus Frischhaltefolie und die fünfte Schicht aus einem [X.] Gefrierbeutel. Zwölf Päckchen waren zudem in schwarzer Schrift mit Buchstabenkombinationen beschriftet.

6

Die geschilderte Verpackung des Kokains nahm der Angeklagte an  einem unbekannten Ort vor der Übergabe an M.  zu einem nicht genau fest- stellbaren Zeitpunkt kurz vor dem 27. März 2011 vor. Hierbei war ihm - wie allen übrigen Tatbeteiligten - bewusst, dass das Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war.

7

2. Die Überführung des aus [X.] stammenden und in [X.] in der Gastronomie arbeitenden Angeklagten, der zum Tatvorwurf geschwiegen hat und bislang im [X.] unbestraft ist, stützt das [X.] auf drei von ihm stammende Fingerspuren, die auf der vierten Verpackungslage (Frischhaltefolie) eines der Kokainpakete gesichert werden konnten. Weitere verwertbare Spuren wurden bei der Untersuchung der Pakete nicht gefunden; der als Zeuge vernommene M.  hatte angegeben, den Angeklagten  nicht zu kennen.

8

Das [X.] ist davon überzeugt, dass der Angeklagte bei der Verpackung des entsprechenden [X.] beteiligt war: Weil sich die Frischhaltefolie wegen ihrer dünnen Qualität nicht zur Wiederverwendung eigne und sonstige Verschmutzungen auf dieser Folie nicht gefunden worden seien, gebe es keine Anhaltspunkte, dass die Frischhaltefolie vor ihrer Verwendung als Rauschgiftverpackung zu anderen Zwecken verwendet worden sei, weshalb ein zufälliges Aufbringen der Fingerabdrücke auf die Folie ausgeschlossen werden könne. Aus der Gleichartigkeit der Verpackung der Drogen zieht die Kammer den Schluss, dass der Angeklagte beim Verpacken aller dreizehn Rauschgiftpäckchen mitgeholfen habe, die aufgrund der Beschriftungen und des identischen Verpackungsaufbaus den Eindruck einer Sammelbestellung machten.

II.

9

1. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt der absolute Revisionsgrund der örtlichen Unzuständigkeit nach § 338 Nr. 4 StPO nicht vor. Das [X.] München II war nach § 7 Abs. 1 StPO für das Verfahren gegen den Angeklagten örtlich zuständig.

In dem für die Zuständigkeitsbestimmung maßgeblichen Zeitpunkt der Eröffnung des Hauptverfahrens lagen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte mit seiner Tätigkeit den Betäubungsmittelhandel von [X.]unterstützte. Nach der Überzeugung des [X.]s ist der Transport der verpackten Betäubungsmittel durch den gesondert Verurteilten M.  zum [X.] gewinnbringenden Weiterverkaufs die Haupttat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Diese Tat wurde jedenfalls auch im Zuständigkeitsbereich des [X.]s München II begangen (§ 7 Abs. 1 StPO), weil M.  mit dem Kokain zum Zweck des gewinnbringenden  Weiterverkaufs unterwegs war (vgl. auch [X.], Beschluss vom 31. März 2011 - 3 StR 400/10, insoweit in [X.], 596 nicht [X.].). An diesem Geschehen hat sich der Angeklagte durch die Verpackung des Kokains beteiligt, denn erst hierdurch war es zum Transport und auch zum Versteck in den Radkästen des Wagens geeignet. Tatort der Beihilfe zum Handeltreiben ist auch der Ort des Handeltreibens (§ 9 Abs. 2 StGB).

Der Fall unterscheidet sich damit schon im Ansatz von den Konstellationen, in denen sich Veräußerer und Erwerber von Betäubungsmitteln gegenüberstehen und gegenteilige Interessen verfolgen (vgl. hierzu [X.], Beschlüsse vom 17. Juli 2002 - 2 Ars 164/02, [X.], 269; vom 31. März 2011 - 3 StR 400/10, insoweit in [X.], 596 nicht [X.].; [X.], Urteil vom 30. September 2008 - 5 [X.], [X.], 221). Soweit die Revision erwägt, der Angeklagte sei alleine auf Seiten etwaiger Veräußerer der Betäubungsmittel tätig geworden, lag dies nach den Umständen des Falls im Zeitpunkt des [X.] angesichts der in [X.] geführten Kommunikation mit dem in [X.] befindlichen Hintermann „R.  “ vor  dem Hintergrund der [X.]en Staatsangehörigkeit des Angeklagten und seines Aufenthalts in [X.] nicht nahe.

2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Die Beweiswürdigung des [X.]s, mit der es sich von der Schuld des Angeklagten überzeugt hat, ist nicht zu beanstanden.

a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters, der sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden hat (§ 261 StPO). Die tatsächlichen Schlussfolgerungen des Tatgerichts müssen nicht zwingend sein; es genügt, dass sie möglich sind und das Tatgericht von ihrer Richtigkeit überzeugt ist (vgl. [X.], Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, [X.]St 10, 208, 209 ff.; [X.], Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, [X.]St 29, 18, 20 f.). Zu seiner Überzeugungsbildung kann es auch allein ein einziges Beweisanzeichen wie etwa einen Fingerabdruck oder eine DNA-Spur heranziehen (vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2013 - 3 [X.], [X.], 420; [X.], Urteil vom 11. Juni 1952 - 3 StR 229/52). Das Revisionsgericht ist auf die Prüfung beschränkt, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht übereinstimmt oder sich soweit von einer Tatsachengrundlage entfernt, dass sich die gezogenen Schlussfolgerungen letztlich als reine Vermutung erweisen (st. Rspr.; vgl. [X.], Urteil vom 21. März 2013  - 3 [X.], [X.], 420 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung des [X.]s gerecht:

Der Schluss des [X.]s von den Fingerabdrücken auf einer Zwischenlage eines Betäubungsmittelpakets auf die Mitwirkung des Angeklagten an der Verpackung des Rauschgifts ist möglich und lebensnah. Aufgrund der Lage der Fingerabdrücke auf der Zwischenlage hat das [X.] nachvollziehbar ausgeschlossen, dass die Abdrücke auf unverfängliche Weise auf die Folie aufgetragen wurden. Angesichts der Gleichartigkeit der Verpackung konnte das [X.] auch rechtsfehlerfrei darauf schließen, dass der Angeklagte am Verpacken sämtlicher Kokainpakete beteiligt war. Mit Umständen, die gegen diesen Schluss sprechen (keine weiteren Spuren an den Paketen), hat sich das [X.] ausdrücklich auseinandergesetzt.

c) Ebenfalls rechtsfehlerfrei ist der Schluss des [X.]s auf den entsprechenden Vorsatz des Angeklagten hinsichtlich der Mitwirkung am [X.]. Dass das Kokain zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt war und der Angeklagte dies auch erkannte, ergibt sich für das [X.] aus der Menge und der auf eine Sammelbestellung hinweisenden Art der Verpackung des Rauschgifts.

Angesichts der Fertigung dreizehn gleichartig verpackter Kokain-Pakete bedurfte es keiner weiteren Ausführungen zu dem Vorstellungsbild des Angeklagten von der Haupttat des M.  , wozu das [X.] naturgemäß keine  weiteren Anknüpfungstatsachen erheben konnte. Der Gehilfe muss seinen  eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich halten und billigen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Januar 2011 - 3 [X.], [X.], 399). Er braucht hingegen Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 302), insbesondere wenn sein Tatbeitrag  - wie hier - nur zu deliktischen Zwecken verwendet werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 18. April 1996 - 1 StR 14/96, [X.]St 42, 135, 137 ff.). Da die dreizehn Kokainpäckchen angesichts der Menge an Betäubungsmitteln nur zum gewinnbringenden Weiterverkauf mittels Transport zu etwaigen Käufern bestimmt sein konnten, liegt es auf der Hand, dass der Angeklagte genau damit rechnete und dies billigend in Kauf nahm. Die Tat des M.  hält sich in diesem  Rahmen.

d) Angesichts der geschilderten Gesamtumstände ist auch die Wertung des [X.]s rechtsfehlerfrei, dass sich der Angeklagte an der Haupttat des M.  beteiligt hat, indem er beim Verpacken des Kokains mitgeholfen hat. Dass  eine besonders sichere Verpackung des Rauschgifts gerade zum Verstecken der Pakete in einem Pkw (hier den Radkästen) beiträgt, liegt nahe und bedurfte deshalb keiner weiteren Erörterung. Soweit die Revision vorbringt, es läge näher, dass der Angeklagte auf Seiten der Verkäufer des Kokains an M.  und  nicht auf Seiten von M.  tätig geworden wäre, erschöpft sich das Vorbringen in  dem Versuch einer in der Revision unbehelflichen eigenen Beweiswürdigung.

Raum                                   Graf                                   Jäger

                      Radtke                               [X.]

Meta

1 StR 403/13

01.10.2013

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 5. April 2013, Az: 1 KLs 44 Js 32611/11

§ 261 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 01.10.2013, Az. 1 StR 403/13 (REWIS RS 2013, 2308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 2308

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 403/13 (Bundesgerichtshof)


6 StR 427/22 (Bundesgerichtshof)

Konkurrenzen und Beihilfe bei Umtausch einer Betäubungsmittel-Menge


3 StR 597/14 (Bundesgerichtshof)

Recht auf konfrontative Befragung im Strafverfahren: Anforderungen an die Verwertung der Einlassungen eines von seinem …


3 StR 642/14 (Bundesgerichtshof)

Unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Tateinheit bei möglicher Identität der Teilakte eines Handelstreibens mit Marihuana und …


2 StR 130/18 (Bundesgerichtshof)

Voraussetzungen einer Beihilfe zu einem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.