Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2019, Az. IX ZR 44/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 7201

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Gegenstand

Wahlrecht des Insolvenzverwalters nur bei gegenseitigen Verträgen


Leitsatz

1. Der Insolvenzverwalter kann nur dann die Erfüllung eines gegenseitigen Vertrages verlangen oder die Erfüllung ablehnen, wenn im Zeitpunkt der Eröffnung im Synallagma stehende Hauptleistungspflichten ganz oder teilweise ausstanden.

2. Dem Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers steht kein Recht zur Erfüllungswahl oder Ablehnung der Erfüllung zu, wenn der Besteller den Werklohn vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vollständig gezahlt hatte und nur die Abnahme der vom Unternehmer verweigerten Mängelbeseitigungsarbeiten ausstand.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] vom 19. Januar 2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Beklagte ist Verwalter in dem am 30. April 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin). Mit [X.] vom 30. März 2006 beauftragte die Rechtsvorgängerin der Klägerin (fortan: Klägerin) die Schuldnerin mit der Planung und Errichtung einer Pflegeeinrichtung, teils unter Einbeziehung vorhandener, unter Denkmalschutz stehender Gebäude. Der Vertrag sah die Geltung der VOB/B in der bei Vertragsschluss geltenden Fassung vor. In § 1 Abs. 2 des Vertrages heißt es:

"Der Bauherr beabsichtigt, die Leistungen aus diesem Vertrag nach Erteilung der Baugenehmigung in mehrere selbständige gesondert abzunehmende und abzurechnende Teilleistungen aufzuteilen. Der Generalübernehmer erklärt sich hiermit einverstanden und wird eine entsprechende [X.] zu diesem [X.] Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung abschließen, wenn der Bauherr dies wünscht."

2

Finanziert wurde das Vorhaben von der [X.] (fortan: [X.]). Mit [X.] trat die Klägerin der [X.] zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Forderungen aus bankmäßiger Geschäftsverbindung sämtliche Forderungen aus dem [X.] gegen die Schuldnerin ab. Im Abtretungsvertrag verpflichtete sich die Klägerin unter anderem dazu, die Schuldnerin anzuweisen, Zahlungen nur auf ein von der [X.] zu bestimmendes Konto zu leisten.

3

Am 1. November 2007 fand eine [X.] des Bauvorhabens bezüglich der Gebäude [X.] und [X.] ohne Außenanlagen statt. Die Klägerin erklärte die [X.], behielt sich aber ihre Rechte bezüglich bestimmter näher beschriebener Mängel vor. Die Schuldnerin erklärte, die Mängelliste zur Kenntnis zu nehmen, nicht aber anzuerkennen. Am 27. Juni 2008 trafen die Klägerin und die Schuldnerin eine Vereinbarung, in deren Vorbemerkung es heißt, die Leistungen aus dem [X.] seien im Wesentlichen erbracht, mit [X.]n vom 1. November 2007 und 16. November 2007 abgenommen worden und sämtlich abgerechnet worden. Die Vergütung sei bis auf einen Betrag von 1.286.575,65 € vollständig gezahlt worden. Ziel der Vereinbarung sei, die gegenseitigen Ansprüche im Zusammenhang mit den [X.] und der Auszahlung der Restvergütung einvernehmlich zu regeln. Die folgenden Vertragsbestimmungen betreffen die Restvergütung, die von der Restvergütung abzuziehenden Auslagen der Klägerin, die Abgeltung der [X.], die Minderungen zur Abgeltung näher beschriebener nicht beseitigter Mängel, von der Schuldnerin zu erbringende Restleistungen, eine Zahlung gegen Sicherheit und eine weitere Zahlung. In § 9 Abs. 2 der Vereinbarung heißt es:

"Der Generalübernehmer bestätigt, dass ihm weitere als die in dieser Vereinbarung genannten Ansprüche gegen den Bauherrn nicht zustehen."

4

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Klägerin zunächst Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 1.270.000 € zur Beseitigung von Mängeln (Feuchte, Schimmel, Versalzungen im [X.]) sowie die Feststellung der Pflicht zur Erstattung weiterer durch die Feuchte im [X.] entstehender Kosten verlangt. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin meldete die Klägerin Vorschussansprüche in Höhe von insgesamt 1.370.000 € sowie eine Zinsforderung in Höhe von 198.377,33 € zur Tabelle an. In der Anmeldung erklärte sie, hilfsweise in gewillkürter Prozessstandschaft die sicherungshalber an die [X.] abgetretenen [X.] nebst Zinsen geltend zu machen, so dass die geltend gemachten Beträge an die [X.] zu zahlen seien. Der Beklagte bestritt die Forderungen und lehnte die Erfüllung etwaiger Vertragspflichten der Schuldnerin aus dem [X.] ab.

5

Nach Aufnahme des durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Rechtsstreits hat die Klägerin die Feststellung eines Vorschussanspruchs in Höhe von 1.270.000 € betreffend die Abdichtung der [X.]außenwand, eines weiteren Vorschusses in Höhe von 100.000 € betreffend die [X.]sohlplattenflächen sowie eine Zinsforderung in Höhe von 198.377,33 € zur Tabelle beantragt. Das [X.] hat die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche aus eigenem Recht zur Tabelle angemeldet habe, obwohl sie nicht Inhaberin der Forderung gewesen sei. Die [X.] und die Klägerin einigten sich sodann über eine Rückabtretung der Forderungen aus dem [X.]. Die Klägerin meldete die streitgegenständlichen Forderungen daraufhin erneut zur Tabelle an. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Anträge auf Feststellung der genannten Ansprüche zur Tabelle weiter.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

7

Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung war die Berufung nicht unzulässig mit der Folge, dass es an einem gültigen und rechtswirksamen Verfahren vor dem Revisionsgericht fehlte (vgl. [X.], Urteil vom 11. Oktober 2000 - [X.], NJW 2001, 226 unter II.; Beschluss vom 23. Oktober 2003 - [X.] 369/02, [X.], 198; jeweils mwN).

8

1. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist ein Rechtsmittel allerdings nur dann zulässig, wenn mit ihm die Beseitigung einer in der angefochtenen Entscheidung liegenden Beschwer erstrebt wird. Das Rechtsmittel darf nicht allein mit dem Ziel einer Antragsänderung oder Antragserweiterung eingelegt werden ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2014 - [X.] 77/13, [X.], 421 Rn. 6 mwN).

9

2. So liegt der Fall hier indes nicht.

a) Die Revisionserwiderung verkennt bereits, dass das [X.] die Klage nicht wegen einer fehlenden Übereinstimmung zwischen der Anmeldung der Forderungen zur Tabelle aus eigenem Recht und der Klage als Prozessstandschafterin der Bank abgewiesen hat. Die Anmeldung zur Tabelle ist eine Sachurteilsvoraussetzung für das Urteil über eine Feststellungsklage nach § 180 [X.]. Fehlt sie, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (vgl. etwa [X.], Urteil vom 3. Juli 2014 - [X.], [X.], 1487 Rn. 10 mwN). Die Klage ist hier nicht wegen fehlender Anmeldung der geltend gemachten Forderungen zur Tabelle als unzulässig abgewiesen worden, sondern wegen fehlender Aktivlegitimation der Klägerin als unbegründet.

b) Ein Urteil erwächst auch insoweit in Rechtskraft, als es entgegen § 308 Abs. 1 ZPO über einen Anspruch entscheidet, den die klagende [X.] nicht geltend gemacht hatte ([X.], Urteil vom 27. Februar 1961 - [X.], [X.]Z 34, 337, 339 f; vom 28. Mai 1998 - I ZR 275/95, NJW 1999, 287, 288). Die [X.]en müssen sich gegen ein solches Urteil durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels wehren, soweit es sie beschwert. Die Klägerin hat sich mit ihrer Berufung gegen die Aberkennung eigener Ansprüche aus dem [X.] gewandt. Dass sie sich insoweit auch auf eine Rückabtretung der Forderungen bezogen hat, die erst nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils vereinbart worden ist, ist für die Frage der Zulässigkeit der Berufung nicht von Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin sich gegen die Aberkennung von Forderungen aus eigenem Recht gewandt und damit die Beseitigung der im erstinstanzlichen Urteil liegenden Beschwer erbeten hat.

II.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Klägerin sei aufgrund der Rückabtretung aktivlegitimiert. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe nicht zu einer Umgestaltung des Werkvertrages und nicht zum Erlöschen der [X.] geführt. Die Ansprüche der Klägerin seien aber nicht mehr durchsetzbar, nachdem der [X.] die Erfüllung etwaiger Verpflichtungen der Schuldnerin aus dem [X.] abgelehnt habe. Die Voraussetzungen des § 103 [X.] seien erfüllt. Der Vertrag sei nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin von keiner Seite vollständig erfüllt worden. Die Schuldnerin habe die nach Darstellung der Klägerin vorhandenen Mängel unstreitig nicht beseitigt. Die Klägerin habe diese Nachbesserungsarbeiten folglich bisher auch nicht abgenommen.

III.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage des vom Berufungsgericht angenommenen Sachverhalts lagen die tatsächlichen Voraussetzungen eines Wahlrechts gemäß § 103 [X.] im maßgeblichen [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vor.

1. Ist ein gegenseitiger [X.] der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 1 [X.] den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen. Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil gemäß § 103 Abs. 2 Satz 1 [X.] eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Der [X.] stellt einen gegenseitigen Vertrag im Sinne des § 103 [X.] dar. In ihm hat sich die Schuldnerin zur schlüsselfertigen Planung und Herstellung der Pflegeeinrichtung verpflichtet, die Klägerin zur Zahlung der vereinbarten Vergütung. Ein Werkvertrag über Bauleistungen ist ein gegenseitiger Vertrag im Sinne von § 103 [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 25. April 2002 - [X.], [X.]Z 150, 353, 358 zu § 9 [X.]; vom 19. November 2015 - [X.], [X.], 90 Rn. 15; MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 67; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 103 Rn. 27).

2. Im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30. April 2012 hatte die Schuldnerin ihre Pflichten aus dem [X.] noch nicht vollständig erfüllt. Die Pflegeeinrichtung war errichtet und von der Klägerin im Grundsatz abgenommen worden. Nach dem vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Vortrag der Klägerin wies die Werkleistung der Schuldnerin jedoch Mängel auf. Eine vollständige Erfüllung im insolvenzrechtlichen Sinne liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn im [X.]punkt der Eröffnung noch beseitigungsfähige Mängel bestanden ([X.], Urteil vom 19. November 2016 - [X.], aaO Rn. 17; [X.]/[X.], [X.], § 103 Rn. 128; K.[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 103 Rn. 17; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 103 Rn. 63).

3. Die Klägerin hatte ihre aus dem Bauträgervertrag folgenden Pflichten hingegen im Sinne von § 103 [X.] vollständig erfüllt. Sie hatte nach dem vom Berufungsgericht angenommenen und daher revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt die im [X.] vereinbarte Vergütung nach Maßgabe der Vereinbarung vom 27. Juni 2008 vollständig erbracht. Die allein noch ausstehende Abnahme der bisher nicht erbrachten, von der Schuldnerin ebenso wie vom [X.]n verweigerten Nachbesserungsarbeiten betreffend die Kellerfeuchte eröffnet nicht den Anwendungsbereich des § 103 [X.].

a) Ihrem Wortlaut nach knüpft die Vorschrift des § 103 [X.] nur an die nicht vollständige Erfüllung der vertraglichen Pflichten der einen und der anderen Vertragspartei an, ohne nach deren Art und Umfang zu unterscheiden. Gleiches galt für die Vorgängervorschriften des § 17 KO, des § 36 [X.] und des § 9 [X.]. Der [X.] hat den Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen folgerichtig schon beim Ausbleiben einer nicht völlig unbedeutenden Nebenleistung für eröffnet gehalten ([X.], Urteil vom 17. März 1972 - [X.], [X.]Z 58, 246, 249; vgl. auch [X.], Urteil vom 15. Dezember 2016 - [X.], [X.], 55 Rn. 15 mwN).

b) In der Fachliteratur hat diese Rechtsprechung teilweise Zustimmung erfahren (MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 123; HK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 103 Rn. 70; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 17). Teilweise wird aber auch vertreten, dass nur selbständige Nebenpflichten die Anwendbarkeit des § 103 [X.] rechtfertigten, Pflichten also, die einen klagbaren Anspruch gewähren und dem Leistungsinteresse dienen ([X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 103 Rn. 58; [X.]/[X.], [X.], 19. Aufl., § 103 Rn. 18). Nach wieder anderer Ansicht ist ein gegenseitiger Vertrag nur dann im Sinne von § 103 [X.] beiderseits nicht erfüllt, wenn es sich bei den im [X.]punkt der Eröffnung noch ausstehenden Leistungen um im [X.] stehende Hauptleistungspflichten handelt ([X.]/[X.], [X.], § 103 Rn. 111 unter Hinweis auf die Senatsurteile vom 10. Juli 2003 - [X.], [X.]Z 155, 371, 374, und vom 22. Januar 2009 - [X.], [X.], 471 Rn. 15). Die Vorschrift des § 103 [X.] regele die Fortgeltung des [X.]s in der Insolvenz; deshalb müssten bei Insolvenzeröffnung auch noch in diesem Verhältnis stehende Ansprüche bestehen.

c) Die besseren Gründe sprechen für die Richtigkeit der letztgenannten Ansicht.

aa) [X.] vom 17. März 1972 betraf einen besonders gelagerten Einzelfall, der sich seit dem Inkrafttreten der [X.] nicht mehr wiederholen kann. Der Kläger hatte vom [X.]n ein Grundstück gekauft und den Kaufpreis vollständig errichtet. Danach wurde das Vergleichsverfahren über das Vermögen des beklagten Verkäufers eröffnet, welches mit einem gerichtlich bestätigten [X.] endete. Unter den Voraussetzungen des § 36 [X.], welche der V. Zivilsenat wegen der fehlenden Abnahme des Kaufgegenstandes als gegeben erachtet hat, gehörte der Kläger nicht zum Kreis der Vergleichsgläubiger und konnte folglich die Übereignung des bereits bezahlten Grundstücks verlangen. Nach damaliger Ansicht des [X.] entsprach diese Lösung nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch dem Sinn und Zweck der insoweit übereinstimmenden Regelung in § 36 [X.] und § 17 KO, welcher dahin gehe, bei gegenseitigen Verträgen in erster Linie und möglichst lange den Vertragspartner des Vergleichs- oder Gemeinschuldners zu schützen ([X.], Urteil vom 17. März 1972, aaO S. 249).

bb) Nach heutigem Verständnis der Vorschrift des § 103 [X.] dient das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht nur und nicht einmal in erster Linie dem Schutz des Vertragspartners des Insolvenzschuldners. Die Vorschrift dient dazu, dem Vertragspartner des Insolvenzschuldners den durch das funktionelle [X.] vermittelten Schutz zu erhalten, soll es aber vor allem dem Verwalter ermöglichen, den Vertrag zum Vorteil der Masse und damit im Interesse der Gläubigergesamtheit auszuführen ([X.], Urteil vom 7. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 138, 148; vom 23. Oktober 2003 - [X.], [X.], 2429, 2431; vom 14. September 2017 - [X.], [X.]Z 216, 10 Rn. 19 mwN; vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 3. Aufl., § 103 Rn. 11 ff). Der im Urteil vom 17. März 1972 beabsichtigte Schutz des Vertragspartners war überdies auf den entschiedenen Einzelfall beschränkt, in welchem der Käufer den Kaufpreis bezahlt hatte, das Vergleichsverfahren über das Vermögen des Verkäufers eröffnet worden war und der [X.] von seinem Wahlrecht aus § 50 Abs. 1 Satz 2[X.] keinen Gebrauch gemacht hatte.

Hat der Käufer im [X.]punkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Kaufpreis vollständig entrichtet und steht nur noch die Abnahme der [X.] aus, wird der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers dann, wenn ihm ein Wahlrecht zusteht, die Erfüllung des Vertrages wählen, während der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verkäufers die Erfüllung ablehnen wird. Steht dem Verwalter kein Wahlrecht zu, ist der Anspruch des Käufers auf Übereignung der [X.] in der [X.] nur eine Insolvenzforderung, während der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Käufers diesen Anspruch durchsetzen wird. Die Einbeziehung der vertraglichen Nebenleistungen in den Begriff der vollständigen Erfüllung im Sinne von § 103 [X.] führt damit nicht - jedenfalls dann nicht, wenn es um die Abnahme einer [X.] geht - zu einem erweiterten Schutz der Masse oder der anderen Vertragspartei. Gleiches gilt für den hier gegebenen Fall der fehlenden Abnahme einer (verweigerten) Nachbesserung nach vollständiger Zahlung des [X.]. In der Insolvenz des Unternehmers lehnt der Verwalter dann, wenn ein Wahlrecht besteht, die weitere Erfüllung des Werkvertrages ab; besteht kein Wahlrecht, stellt der Anspruch auf Nachbesserung nur eine Insolvenzforderung dar. In der Insolvenz des Bestellers wird der Verwalter dann, wenn ein Wahlrecht besteht, die Erfüllung des Werkvertrages und damit des Anspruchs auf Nachbesserung wählen; besteht kein Wahlrecht, kann der Verwalter den Anspruch auf Nachbesserung unmittelbar durchsetzen.

cc) Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters besteht nur bei gegenseitigen Verträgen und knüpft an die beiderseitigen Pflichten aus derartigen Verträgen an. Es ist dazu geschaffen worden, um dem Verwalter die Durchführung günstiger Verträge zu ermöglichen, zugleich aber dem Vertragspartner den Schutz der §§ 320 ff [X.] zu erhalten. Der Anwendungsbereich des § 103 [X.] kann daher nur dann eröffnet sein, wenn auf beiden Seiten synallagmatische Pflichten noch nicht vollständig erfüllt sind. Neben- und Nebenleistungspflichten, die mit den Vertragspflichten der anderen Vertragspartei nicht synallagmatisch verbunden sind, reichen nicht.

(1) Dies zeigt bereits die Entstehungsgeschichte des § 103 [X.]. Die Vorschrift des § 103 [X.] ist derjenigen des § 17 KO nachgebildet worden (BT-Drucks. 12/2443, [X.] zu § 117 [X.]-E). Die Materialien zu § 15 KO, der Vorgängervorschrift des § 17 KO und des § 103 [X.], stammen aus der [X.] vor der Entstehung und dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs und bedienen sich daher einer anderen Sprache als dieses. Sie kennen den Begriff des funktionellen [X.]s nicht und unterscheiden auch nicht nach Haupt- und Nebenpflichten als Voraussetzung des Wahlrechts des Konkursverwalters. Erkennbar stellten jedoch die Leistungspflichten beider Vertragsparteien die Voraussetzung eines Wahlrechts des Verwalters dar [X.], Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 4, Neudruck 1983, [X.], und 88):

"Von einem solchen Wahlrecht kann nur die Rede sein, wenn sich aus dem zweiseitigen Vertrage Recht und Pflicht des Gemeinschuldners noch gleichzeitig gegenüberstehen, wenn also beide Theile noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt haben. Sonst vereinfacht sich das Rechtsverhältnis nach Art der einseitigen Verträge. Hatte der Gemeinschuldner seinerseits vor der Konkurseröffnung schon vollständig erfüllt, so kann selbstverständlich der Verwalter die allein rückständige Gegenleistung des [X.] zur Konkursmasse erfüllt verlangen."

Das Recht jeder Vertragspartei, die Leistung zu verweigern, wenn die Gegenleistung nicht erbracht wird, sollte auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen bleiben (aaO S. 88):

"Verlangt der Verwalter die Erfüllung, so muss er natürlich seinerseits die von dem Gemeinschuldner noch rückständige Leistung vollständig vornehmen. In dieses, nach allen Rechtssystemen begründete Recht des [X.], die von ihm geforderte Erfüllung seiner Leistungen abzulehnen, wenn ihm nicht die Gegenleistung gewährt wird, soll selbstverständlich nicht eingegriffen werden. Der Verwalter hat die Leistung gleich dem Gemeinschuldner zu bewirken."

(2) Die Verbindung von Leistung und Gegenleistung ist nunmehr in den §§ 320 ff [X.] geregelt. Ohne die Verpflichtung zur Leistung entsteht auch die Verpflichtung zur Gegenleistung nicht. Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern (§ 320 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Die nicht im [X.] stehenden Vertragspflichten begründen demgegenüber außerhalb des Insolvenzverfahrens lediglich ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 [X.]. Im Insolvenzverfahren hat ein solches Zurückbehaltungsrecht - vom Ausnahmefall des § 51 Nr. 2, 3 [X.] abgesehen - keine Wirkung. Es stellt lediglich ein Zwangsmittel zur Durchsetzung einer rein persönlichen Gegenforderung dar, welches im Insolvenzverfahren nicht zugelassen ist ([X.], Urteil vom 7. März 2002 - [X.], [X.]Z 150, 138, 145; vom 13. Dezember 2012 - [X.], [X.], 138 Rn. 9; [X.]/[X.], [X.], § 103 Rn. 111; vgl. HK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 51 Rn. 46). Dazu stünde es im Widerspruch, wenn die Durchsetzung einer Masseforderung wegen einer nicht im [X.] stehenden Nebenleistungspflicht von der Erfüllungswahl und dem daraus folgenden Zwang zur Erfüllung dieser Pflicht abhängig gemacht würde.

d) Die Pflicht zur Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung (§ 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B) ist eine vertragliche Nebenpflicht, die mit den Hauptpflichten des Unternehmers, insbesondere mit dessen Pflicht zur Herstellung eines mangelfreien Werkes, nicht synallagmatisch verbunden ist.

aa) Das [X.] erstreckt sich bei gegenseitigen Verträgen auf alle Hauptleistungspflichten und auf alle sonstigen vertraglichen Pflichten, die nach dem Vertragszweck von wesentlicher Bedeutung sind. Entscheidend für die Abgrenzung ist der durch Auslegung zu ermittelnde Wille der [X.]en ([X.], Urteil vom 15. Juli 2009 - [X.], juris Rn. 21; vom 9. Juni 2011 - [X.], [X.], 1678 Rn. 30 mwN).

bb) Nach § 640 Abs. 1 [X.] ist der Besteller verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen. Aufgrund der erheblichen Bedeutung der Abnahme im Werkvertragsrecht ist diese neben der Vergütungspflicht eine Hauptpflicht des Bestellers ([X.], Urteil vom 12. Mai 2016 - [X.], [X.]Z 210, 206 Rn. 45 mwN). Welche Folgerungen sich hieraus für § 103 [X.] ergeben, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Abnahme einer Mängelbeseitigungsleistung gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 1 Satz 3 VOB/B steht jedenfalls nicht im [X.] und begründet nicht die Anwendbarkeit des § 103 [X.]. Die Abnahme der Nachbesserungsarbeiten hat durchaus rechtliche Wirkungen. Nach der genannten Bestimmung beginnt mit ihr für die Nachbesserungsleistung eine Verjährungsfrist von zwei Jahren neu, die allerdings nicht vor Ablauf der Regelfristen oder der an ihrer Stelle vereinbarten Frist endet. Ein Zusammenhang mit dem Anspruch auf Werklohn besteht jedoch nicht. Das gilt insbesondere dann, wenn die Vergütung voll bezahlt worden ist und der Besteller einen in § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B nicht ausdrücklich geregelten, aber auch nicht ausgeschlossenen Vorschussanspruch geltend macht (vgl. hierzu etwa [X.]/[X.] in [X.]/Wegen/Weinreich, [X.], 10. Aufl., § 637 Rn. 13). Ob im Fall der Selbstvornahme überhaupt eine Abnahme in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung.

e) Einer Anfrage nach § 132 Abs. 3 [X.] bedarf es nicht, weil der [X.]. Zivilsenat nach dem Geschäftsverteilungsplan des [X.] nunmehr allein für Insolvenzsachen zuständig ist.

IV.

Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Zu weiteren Hinweisen besteht derzeit kein Anlass.

Kayser     

        

[X.]     

        

Pape   

        

Möhring      

        

Röhl      

        

Meta

IX ZR 44/18

16.05.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 19. Januar 2018, Az: 5 U 54/15

§ 103 InsO, § 637 Abs 3 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.05.2019, Az. IX ZR 44/18 (REWIS RS 2019, 7201)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 890-892 WM2019,1174 NJW 2019, 2166 REWIS RS 2019, 7201

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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