Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. 5 StR 461/11

5. Strafsenat | REWIS RS 2012, 9704

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Gegenstand

(Geldwäsche: Aufbewahrung betrügerisch erlangter Güter in der Wohnung des Täters als "Verwahren" der Güter durch den Mitbewohner) 


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] (Oder) vom 30. Juni 2011 nach § 349 Abs. 4 StPO aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Geldwäsche in 29 Fällen unter Auflösung der Gesamtstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts [X.] (Oder) vom 3. März 2009 und unter Einbeziehung der darin verhängten Einzelstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten (Einsatzstrafe: acht Monate Freiheitsstrafe) verurteilt. Des Weiteren hat es den Angeklagten wegen Geldwäsche in 112 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt (Einzelstrafen: jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe). Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Nach den Feststellungen des [X.]s lebte der Angeklagte mit dem gesondert Verfolgten [X.]in einer Lebensgemeinschaft. Beide bewohnten eine im Elternhaus [X.]s befindliche Wohnung und bezogen im gesamten Tatzeitraum staatliche Unterstützung. Einnahmen [X.] s aus der teilweisen Vermietung des ihm und seiner Schwester gehörenden, letztlich jedoch zwangsversteigerten Hauses reichten nicht aus, um die für das Haus anfallenden Verbrauchs- und Kreditkosten zu begleichen. Der Angeklagte gab am 4. April 2007 die eidesstattliche Versicherung ab und stellte am 15. November 2007 einen Verbraucherinsolvenzantrag. Sein Lebensgefährte, der seinerseits am 7. Mai 2009 die eidesstattliche Versicherung leistete, „fasste den Entschluss, über das [X.] eine Vielzahl von Bestellungen bei verschiedenen Firmen aufzugeben, um dadurch Waren zu erlangen, deren Bezahlung er aufgrund seiner finanziellen Situation nicht vornehmen konnte, die er aber dennoch besitzen und ge- bzw. verbrauchen wollte, um sich und dem Angeklagten so einen höheren Lebensstandard ermöglichen zu können“. Bei dem überwiegenden Teil der unter Vortäuschung seiner tatsächlich nicht bestehenden Zahlungsfähigkeit durchgeführten Bestellungen gab er als Rechnungsanschriften fiktive Namen und Adressen an, so dass die Rechnungen nicht zugestellt werden konnten. Als Lieferadresse benutzte er seine eigene Anschrift oder die des Angeklagten, wobei er die Anschrift und die Schreibweise des Namens zum Teil leicht veränderte. Die bestellten Waren wurden entweder an [X.]     oder den Angeklagten ausgeliefert oder an einem vereinbarten Ort hinterlegt. Insgesamt hat das [X.] 141 derartige Warenbestellungen unterschiedlichen Umfangs durch den hierfür inzwischen rechtskräftig verurteilten [X.]     festgestellt, die zu einem Gesamtschaden von knapp unter 30.000 € geführt haben.

3

Von der dem Angeklagten mit den Anklagen vom 7. Mai und 8. Juni 2010 zur Last gelegten (täterschaftlichen) Beteiligung an den betrügerischen Bestellungen hat sich die [X.] nicht zu überzeugen vermocht. Sie hat jedoch weiter festgestellt, der Angeklagte habe aufgrund seines Zusammenlebens mit [X.]     gewusst, dass dieser im [X.] betrügerische, auf Dauer angelegte und zur Erzielung regelmäßiger Einsparungen erfolgende Bestellungen aufgab. Auch sei ihm bekannt gewesen, dass sein Lebensgefährte aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse nicht in der Lage sein werde, die erhaltenen Waren zu bezahlen. In Kenntnis dieser Umstände habe er die Waren – gemeinsam mit seinem Lebensgefährten – „verwahrt, genutzt bzw. verbraucht“ ([X.], 88, 166).

4

Das [X.] hat das Verhalten des Angeklagten als Geldwäsche gemäß § 261 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 1 Nr. 4a StGB in 141 Fällen gewertet.

5

2. Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zum Erfolg.

6

a) Entgegen der Ansicht des [X.] fehlt es allerdings nicht an einer [X.] (§ 264 StPO) zwischen den angeklagten Betrugs- und den ausgeurteilten Geldwäschetaten.

7

Die zu diesem [X.] ergangene Rechtsprechung ist uneinheitlich (vgl. einerseits: [X.], Beschluss vom 16. Oktober 1987 – 2 [X.], [X.]St 35, 80, 81 f.; andererseits: [X.], Urteil vom 22. Dezember 1987 – 1 [X.], [X.]St 35, 172, 174 mwN; vgl. auch [X.], Urteil vom 11. September 2007 – 5 [X.], [X.]R StPO § 264 Abs. 1 [X.] 43; [X.], Beschluss vom 7. Juli 1999 – 1 [X.], [X.], 523, Urteil vom 29. September 1987 – 4 [X.], [X.]St 35, 60). Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit den einzelnen Auffassungen, zumal da sich die Anklageschriften ausdrücklich mit der Verwendung der ertrogenen Güter befassen. Darüber hinaus kann angesichts des gegebenen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen Vortat und Geldwäsche (vgl. hierzu etwa [X.], Urteil vom 11. März 1999 – 4 StR 526/98, [X.]R StPO § 260 Abs. 3 Verfahrenshindernis 2; Urteil vom 23. Februar 1989 – 4 [X.], [X.]R StPO 264 Abs. 1 [X.] 15; Beschluss vom 11. November 1987 – 2 [X.], [X.]St 35, 86, 89) die [X.] hier nicht zweifelhaft sein. Die Betrugshandlungen und die als Auffangtatbestand angenommenen Geldwäschehandlungen gehen nahezu ineinander über. Zudem liegt es in der Natur entsprechender Postpendenzfeststellungen, dass die in sie einfließenden möglichen Begehungsvarianten hierdurch auch zu einer einheitlichen Tat verknüpft werden, um den Gesamtkomplex insgesamt rechtskräftig und unter Strafklageverbrauch für alle sonstigen Varianten endgültig abschließen zu können.

8

b) Die angefochtene Entscheidung kann aber dennoch keinen Bestand haben.

9

aa) Ausreichende Feststellungen, die eine Verurteilung nach § 261 StGB tragen könnten, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Das [X.] sieht die den Tatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB ausfüllende Handlung bezogen auf alle Einzelfälle pauschal darin, dass der Angeklagte die Waren – gemeinsam mit seinem Lebensgefährten – „verwahrt, genutzt bzw. verbraucht“ ([X.], 88, 166) bzw. „verwahrt und teilweise für sich verwendet“ ([X.]) habe. Dies stellt indessen lediglich eine (sinngemäße) Wiedergabe der Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB dar. Die Ausführungen im Urteil lassen keine konkrete Handlung erkennen, die geeignet wäre, den Tatbestand auszufüllen. Es bleibt mithin unklar, welchen Sachverhalt das [X.] in den einzelnen Fällen der Verurteilung zu Grunde gelegt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 27. September 1983 – 4 [X.], [X.] 1989, 422). Ein Verwenden ist nicht belegt. Entsprechendes gilt für ein Verwahren. Allein die Tatsache, dass die vom Lebensgefährten des Angeklagten betrügerisch erworbenen Gegenstände in den auch vom Angeklagten bewohnten Haushalt gelangt und dort verblieben sind, vermag noch nicht die Annahme zu rechtfertigen, der Angeklagte habe die Gegenstände im Sinne des § 261 Abs. 2 Nr. 2 StGB verwahrt. Zwar ist unter Verwahren bereits die bewusste Ausübung des Gewahrsams zu verstehen (Stree/[X.] in: [X.]/[X.], StGB, 28. Aufl., § 261 Rn. 16); gelangt der in § 261 Abs. 1 StGB bezeichnete Gegenstand jedoch ohne Zutun des [X.] in seinen Herrschaftsbereich und ist eine wie auch immer geartete Übernahmehandlung, durch die sein Wille zur Sachherrschaft zum Ausdruck käme, nicht erkennbar, kann allein das Vorhandensein des inkriminierten Gegenstandes im [X.] des [X.] schon in Ermangelung einer die Grundlage der Strafbarkeit bildenden Handlung kein tatbestandsmäßiges Verhalten darstellen.

bb) Auch für die Annahme gewerbsmäßig begangener Vortaten fehlt es – ungeachtet der Vielzahl festgestellter Betrugstaten – im Urteil an hinreichend tatsachengestützten Feststellungen. Für einen großen Teil der vom Partner des Angeklagten betrügerisch erworbenen Gegenstände ist nämlich nicht belegt, dass sie auf die Schaffung einer fortlaufenden Einnahmequelle in Form einer dauerhaften Ersparnis von Aufwendungen abzielten (vgl. Fischer, StGB, 59. Aufl., Vor § 52 Rn. 62; LK/[X.], StGB, 12. Aufl., § 243 Rn. 36); teilweise sind sie gänzlich ungebraucht geblieben, so dass nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden kann, der [X.] habe hierdurch dauerhaft Aufwendungen ersparen wollen.

3. Eine erneute Verhandlung der Anklagevorwürfe ist schon deshalb geboten, weil im Blick auf die vom Angeklagten eingeräumten Tatumstände bei kritischer Auswertung der einschlägigen Vorverurteilung eine abweichende Beurteilung seiner Betrugsbeteiligung denkbar bleibt. Zudem kann eine Teilnahme möglicherweise auch allein in einer fortlaufend geübten, für beide Lebenspartner verlässlichen und eindeutigen Bereitschaft zur Entgegennahme betrügerischer Bestellungen gefunden werden.

Das neue Tatgericht wird zudem zu prüfen haben, ob die Fälle [X.] und [X.] der Urteilsgründe bereits der Verurteilung des Angeklagten durch das Amtsgericht [X.] (Oder) vom 3. März 2009 zu Grunde lagen, mit der Folge, dass einer erneuten Aburteilung das Verbot der [X.] als Verfahrenshindernis entgegenstünde.

Der Senat weist ferner darauf hin, dass die strafschärfend gewertete Erwägung, der Angeklagte habe „den geschädigten Firmen – zusammen mit [X.]– bedenkenlos einen erheblichen Schaden zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse zugefügt“ in dieser pauschalen Form – ungeachtet der Tatsache, dass bei weitem nicht in allen abgeurteilten Einzelfällen erhebliche Schäden entstanden sind – jedenfalls im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB durchgreifend bedenklich ist. Auch ist die im angefochtenen Urteil angenommene, die Bildung zweier Gesamtstrafen rechtfertigende Zäsur nicht frei von [X.]. Denn die in der betroffenen Entscheidung abgeurteilten Taten wurden sämtlich vor einer und überwiegend vor zwei weiteren vorangegangenen Verurteilungen zu Geldstrafen begangen ([X.] bis 11) und waren somit bereits mit den dort verhängten Strafen gesamtstrafenfähig (vgl. [X.], Beschlüsse vom 16. April 1991 – 5 [X.] – und 15. September 2010 – 5 [X.], [X.]R StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Zäsurwirkung 9 und 19). Davon unabhängig erscheint das aus dem angefochtenen Urteil folgende Gesamtstrafübel namentlich angesichts des begrenzten Umfangs des Gesamtschadens übersetzt (vgl. weiter [X.], Beschluss vom 9. November 1995 – 4 [X.], [X.]St 41, 310, 313).

Raum                                   Brause                                    Schaal

                    König                                     [X.]

Meta

5 StR 461/11

26.01.2012

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 30. Juni 2011, Az: 23 KLs 2/11

§ 261 Abs 1 StGB, § 261 Abs 2 Nr 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2012, Az. 5 StR 461/11 (REWIS RS 2012, 9704)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9704

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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