Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. 5 StR 555/13

5. Strafsenat | REWIS RS 2014, 8471

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

5
StR 555/13

vom
22. Januar 2014
in der Strafsache
gegen

wegen
Nötigung

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Der 5. Strafsenat des [X.] hat am 22. Januar 2014
beschlos-sen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 3. November 2011 nach § 349 Abs.
4 StPO im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Gegen ihn wird ein [X.] von vier Wochen verhängt, der aufgrund rechts-staatswidriger Verfahrensverzögerung als vollstreckt gilt.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer Kosten und Auslagen seines Rechtsmittels aufzuerlegen. Die Staatskasse hat ein Drittel seiner im Revisionsverfahren entstandenen not-wendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen Nötigung (§ 240 Abs. 4 Nr.
1 StGB) zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt r-tellt, dass drei Monate der Jugendstrafe als voll-streckt gelten. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestütz-te Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschluss-formel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

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1. Während der Schuldspruch keinen durchgreifenden Bedenken begeg-net, hält der Rechtsfolgenausspruch rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) Nach den Urteilsfeststellungen forderte der Angeklagte Ende Ju-ni
2006 von
der damals 21-jährigen Geschädigten, die unter einem Vorwand in eine ihr fremde Wohnung gelockt worden war, die Ausübung des [X.] an ihm oder einem
seiner Bekannten, sonst werde sie nicht aus der Wohnung gelassen. Um die Wohnung verlassen zu können, führte die Geschädigte den Oralverkehr gegen ihren Willen an dem Angeklagten aus.

b) Die [X.] hat bei dem zur Tatzeit 18 Jahre und 11 Monate alten Angeklagten nach § 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG Jugendstrafrecht angewendet und gegen ihn eine Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 JGG) r-n-wärtigen Zeitpunkt noch die Verhängung einer Jugendstrafe erforderlich ma-

nicht ein-schlägig

r-gelegen.

2. Die Begründung, mit der das [X.] die Verhängung einer Ju-gendstrafe wegen Schwere der Schuld als erzieherisch erforderlich angesehen hat, trägt nicht.

a) Die [X.] geht zwar zutreffend davon aus, dass bei der Be-urteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG allein dem äußeren Unrechtsgehalt der
Tat keine selbständige Bedeutung zukommt, sondern in erster Linie auf die innere Tatseite des [X.] abzustellen ist; maßgeblich ist, 2
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inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die [X.] des Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen hat.

b) Das [X.] sieht jedoch die die Tat kennzeichnenden Persön-lichkeitsdefizite des Angeklagten darin, dass seine innere Haltung und Motiva-ten. Er habe die [X.] erfolgten Sexualhandlung zum Nachteil eines anderen Tatopfers, dass der Angeklagte auch zu diesem Zeitpunkt (Anfang Juli 2007) noch ein ähnliches

c) Mit dieser Begründung hat die [X.] bei dem zum [X.] nicht hinreichend belegt, dass aus erzieherischen Gründen die Verhängung einer Jugendstrafe noch erforderlich ist. Die Tat ist trotz des erhöhten Strafrahmens nach dem äußeren Unrechts-gehalt als Vergehen nicht mit gegen die sexuelle Selbstbestimmung und gegen die persönliche Freiheit gerichteten
Verbrechen auf einer Stufe. Bedenken [X.] auch die Bewertung, dass seit der Tatbegehung eine Änderung der in-neren Einstellung des Angeklagten im Umgang mit Frauen nicht erkennbar sei. Dies belegende Verhaltensmuster hat das [X.] nicht festgestellt. Hin-sichtlich des etwa ein
Jahr nach der Tat stattgefundenen
Vorfalls zum Nachteil einer anderen Geschädigten hat das [X.] den Angeklagten und andere Tatbeteiligte

nach Verfahrensabtrennung vom hiesigen Verfahren

freige-sprochen, weil nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit be-züglich jedes Angeklagten festgestellt werden konnte, dass ihm bei den Tat-7
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handlungen bewusst war, dass die Geschädigte mit dem

tatsächlich aufge-zwungenen

Sexualverkehr nicht einverstanden war

([X.]). Inwieweit beteiligt hat, wird nicht näher dargelegt, so dass zu seiner beschriebenen inne-ren Haltung nichts
Ausreichendes gefolgert werden kann. Des Weiteren besorgt der Senat, dass die [X.] die tilgungsreifen und daher unverwertba-ren Eintragungen des Angeklagten im Erziehungsregister (§
63 Abs. 1, Abs. 4, § 51 Abs. 1 BZRG) auch bei der Bewertung der Schuldschwere in ihre Überle-gungen eingestellt hat.

3. Der Senat hebt den Rechtsfolgenausspruch auf. Er entscheidet ange-sichts des beträchtlichen zeitlichen Abstandes zur Tat und der eingetretenen massiven Verfahrensverzögerungen,
die nunmehr allein schon
der Verhängung einer Jugendstrafe entgegenstehen würden,
zur unbedingten Herbeiführung eines Verfahrensabschlusses in der Sache selbst. Wegen
des Gewichts der Straftat ist die Verhängung eines Jugendarrestes von vier Wochen Dauer (§ 16 Abs. 1, Abs. 4 JGG)
angemessen, der jedoch mit Blick auf die bereits vom weiteren mehr als eineinvierteljährigen

von der Revision ausdrücklich bean-standeten

rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung (Art. 6 Abs. 1 [X.]) nach Eingang der Revisionsbegründung beim [X.] bis zum Eingang der Verfahrensakte beim [X.] als vollstreckt gilt.

[X.] Sander Schneider

Berger

Bellay

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Meta

5 StR 555/13

22.01.2014

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.01.2014, Az. 5 StR 555/13 (REWIS RS 2014, 8471)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8471

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