Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2020, Az. 3 StR 331/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1615

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Gegenstand

Jugendstrafe: Beurteilung der Schwere der Schuld


Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des [X.] vom 24. Mai 2018 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zu einem Jugendarrest von vier Wochen verurteilt und angeordnet, dass dieser aufgrund der vom Angeklagten erlittenen Untersuchungshaft nicht vollstreckt wird. Eine Entschädigung für die die Dauer des [X.] übersteigende Untersuchungshaft hat die [X.] nicht gewährt.

2

Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision wendet sich die Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen den Rechtsfolgenausspruch. Das vom [X.] nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

3

Das [X.] hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

4

1. Ende des Jahres 2015 schlossen sich die gesondert Verfolgten [X.], [X.]und der Zeuge [X.]zusammen, um in erheblichem Umfang Diebstähle in metallverarbeitenden Unternehmen zu begehen. Bei den konkreten Tatausführungen hielten sich die genannten Haupttäter vorwiegend im Hintergrund, übernahmen die [X.] der Einbrüche, während die Taten durch andere angeworbene Mittäter unmittelbar ausgeführt wurden. Als einer dieser Mittäter erklärte sich im [X.] 2015 der zwischenzeitlich rechtskräftig verurteilte [X.] des Angeklagten bereit, an der Entwendung von Metall mitzuwirken. Im [X.] 2015 wurde der Angeklagte unter dem Versprechen, in einer Autowaschanlage arbeiten zu können, nach [X.] gelockt. Zu diesem Zweck holte ihn ein anderweitig Verfolgter in [X.]     ab und brachte ihn zur Wohnung des [X.], dem Anführer der Gruppierung. Dort wurde dem Angeklagten sein [X.]          Pass abgenommen. Unter Androhung von [X.] wurde ihm ferner bedeutet, er müsse Schulden in Höhe von 1.300 € bei [X.]abarbeiten und zu diesem Zweck in metallverarbeitenden Betrieben auf Anweisung des [X.]Gegenstände aus Metall in ein Fahrzeug laden. Der sich anfangs sträubende Angeklagte war im Folgenden Bedrohungen und Gewalttätigkeiten des [X.]ausgesetzt. Letztlich erklärte er sich freiwillig zu der Mitwirkung bereit, weil er hoffte, von der [X.] anteilig zu profitieren. Der Angeklagte war an drei Taten beteiligt; zum Teil gelang es ihm, sich krank zu stellen, um sich so einer Teilnahme an weiteren Einbruchsdiebstählen zu entziehen.

5

Jeweils am 17.,18. und 20. Februar 2016 drang der Angeklagte gemeinsam mit [X.]und weiteren Beteiligten in die Lagerhallen metallverarbeitender Betriebe ein, wobei in zwei Fällen hierzu Fenster aufgebrochen und beschädigt wurden. Die Täter entwendeten Metall im Gesamtwert von 105.600,46 €, 35.205,56 € bzw. 37.594,08 €, um sich aus dem Verkaufserlös eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Aufgabe des Angeklagten war es jeweils, zusammen mit weiteren Beteiligten die metallischen Gegenstände in das Transportfahrzeug zu laden. Er erhielt weder einen Anteil an der Beute noch einen Lohn für seine Beteiligung.

6

2. Die [X.] hat den Sachverhalt rechtlich als drei tatmehrheitliche Fälle des schweren Bandendiebstahls, in zwei Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, gewürdigt (§ 244a Abs. 1, § 243 Abs. 1 Satz 2 N[X.] 1 und 3, § 25 Abs. 2, § 303 Abs. 1, §§ 52, 53 StGB). Sie hat auf den zum Tatzeitpunkt 19 Jahre und sechs Monate alten Angeklagten nach § 105 Abs. 1 N[X.] 1 [X.] Jugendstrafrecht angewendet und ihn zu einem Dauerarrest von vier Wochen verurteilt.

7

Das [X.] hat gegen den Angeklagten keine Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 [X.] verhängt. Nach der Würdigung der [X.] lagen mit Blick auf die durch den Bandenchef geschaffene Zwangslage, die freiwillige Loslösung des Angeklagten aus seinem kriminellen Umfeld sowie den nachhaltigen Eindruck, den die gegen den Angeklagten vollstreckte Auslieferungs- und Untersuchungshaft auf ihn hinterließ, zumindest zum Entscheidungszeitpunkt keine schädlichen Neigungen (§ 17 Abs. 2 Alternative 1 [X.]) mehr vo[X.] Die Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.] hat das [X.] anhand der konkreten Tatumstände als nicht gegeben erachtet.

II.

8

Die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg.

9

1. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des [X.]s dargelegten Gründen nicht durch.

2. Auch die auf die Sachbeschwerde gebotene umfassende materiellrechtliche Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten ergeben.

Das Absehen von der Verhängung einer Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 [X.] ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Weder die Nichtannahme schädlicher Neigungen (§ 17 Abs. 2 Alternative 1 [X.]) noch die der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.]) erweisen sich als rechtsfehlerhaft. Die [X.] der Beschwerdeführerin erschöpfen sich insoweit - zum Teil unter Heranziehung urteilsfremder Aspekte und Mutmaßungen - weitgehend in einer revisionsrechtlich unbeachtlichen eigenen Würdigung der rechtsfehlerfrei festgestellten Strafzumessungstatsachen.

a) Schädliche Neigungen im Sinne des § 17 Abs. 2 [X.] sind erhebliche Anlage- oder Erziehungsmängel, die ohne längere Gesamterziehung des [X.] die Gefahr weiterer Straftaten begründen. Sie können in der Regel nur bejaht werden, wenn erhebliche Persönlichkeitsmängel schon vor der Tat, wenn auch unter Umständen verborgen, angelegt waren. Sie müssen schließlich noch zum Urteilszeitpunkt bestehen und weitere Straftaten des Angeklagten befürchten lassen (st. Rsp[X.]; vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 27. November 2008 - 3 StR 219/18, juris Rn. 4; vom 4. Mai 2016 - 3 [X.], [X.], 682).

Gemessen an diesen Maßstäben hat die [X.] rechtsfehlerfrei das Vorliegen schädlicher Neigungen verneint. Das [X.] hat dabei weder aus dem Blick verloren, dass der Angeklagte an drei Fällen des schweren Bandendiebstahls täterschaftlich mitwirkte, noch hat es rechtsfehlerhaft eine [X.]      Vorstrafe nicht berücksichtigt. Denn die insoweit erforderliche eigene Feststellung der Begehung der früheren Tat und deren Umstände (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.], 281; MüKo-StGB/[X.], 3. Aufl., § 17 [X.] Rn. 38) hat das [X.] nicht treffen können. Schließlich begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass sich die [X.] nicht mit dem früheren, durch [X.]veranlassten Kokainkonsum des Angeklagten auseinandergesetzt hat, denn es liegen keine Anhaltspunkte für einen zum Zeitpunkt der Urteilsfindung noch bestehenden Betäubungsmittelmissbrauch oder gar eine -abhängigkeit des Angeklagten vo[X.]

b) Auch die Beurteilung der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.]) hält revisionsrechtlicher Nachprüfung im Ergebnis noch stand.

Bei der Prüfung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 Alternative 2 [X.] kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung im Strafgesetzbuch als Verbrechen keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Der äußere Unrechtsgehalt der Tat ist nur insofern von Belang, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des [X.] und die Höhe der Schuld gezogen werden können (vgl. [X.], Beschluss vom 19. November 2009 - 3 [X.], [X.], 281 mwN). Diese ermisst sich aus dem Gewicht der Tat und der persönlichkeitsbegründenden Beziehung des [X.] zu dieser (vgl. [X.], Beschlüsse vom 25. Oktober 2011 - 3 [X.], [X.], 164; vom 29. August 2018 - 5 [X.], NStZ-RR 2018, 358 f.).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe trägt die knappe Begründung der [X.] - im Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe betrachtet - die Verneinung der Schuldschwere. Denn die für die Beurteilung durch das [X.] maßgeblich herangezogenen Gesichtspunkte - die beherrschende und beeinflussende Stellung des [X.]und der von diesem auf den Angeklagten ausgeübte Druck zur Begehung der Straftaten - sind im Rahmen der Feststellungen ausführlich dargestellt.

c) Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten (vgl. § 301 StPO) hat die Überprüfung des Urteils im angefochtenen Umfang nicht ergeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Schäfer     

        

Gericke     

        

[X.]

        

Hoch     

        

Erbguth     

        

Meta

3 StR 331/19

06.02.2020

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Duisburg, 24. Mai 2018, Az: 32 KLs 22/17

§ 17 Abs 2 Alt 2 JGG, § 244a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 06.02.2020, Az. 3 StR 331/19 (REWIS RS 2020, 1615)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1615

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 StR 78/16

3 StR 353/11

5 StR 214/18

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