Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.08.2000, Az. 3 StR 176/00

3. Strafsenat | REWIS RS 2000, 1473

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/00vom9. August 2000in der Strafsachegegen1.2.wegen räuberischen Angriffs auf einen Kraftfahrer u.a.- 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom [X.], an der teilgenommen haben:Richterin am [X.]. [X.] als Vorsitzende,[X.] am [X.],[X.],von [X.],[X.]als [X.],[X.] als Vertreter der [X.]schaft,Rechtsanwalt B. aus [X.] als Verteidiger des Angeklagten [X.]. ,[X.]als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird [X.] des [X.] [X.] vom [X.] hinsichtlich beider Angeklagter in den [X.] mit den jeweils zugehörigenFeststellungen aufgehoben.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuerVerhandlung und Entscheidung, auch über [X.] des Rechtsmittels, an eine andere Jugend-kammer des [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegen Gründe:Das [X.] hat beide Angeklagten des räuberischen Angriffs [X.] in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung schuldig ge-sprochen. Es hat gegen den Angeklagten [X.]. auf eine zur Bewährungausgesetzte Freiheitsstrafe von zwei Jahren erkannt, gegen die [X.] hat es zwei Freizeitarreste verhängt und ihr die Weisungen erteilt, "sichmit Hilfe der Drogenberatung [X.] einer Drogentherapie zu unterziehenund alles zu unterlassen, was die Durchführung der derzeit durchgeführten [X.] gefährden könnte".Hiergegen hat die Staatsanwaltschaft - zum Nachteil beider Angeklag-ter - Revision eingelegt. Das auf die [X.] beschränkteRechtsmittel hat mit der Sachrüge [X.] 4 -1. Die [X.] des [X.] weist einen den Angeklagten[X.]. begünstigenden Rechtsfehler auf.Allerdings ist die Strafzumessung - und damit zunächst die Wahl desanzuwendenden Strafrahmens - grundsätzlich Sache des Tatrichters, der [X.] Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlungvon der Tat und der Täterpersönlichkeit gewonnen hat, die wesentlichen [X.] und belastenden Umstände festzustellen, zu bewerten und [X.] hat (st. Rspr.; s. nur BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349). [X.] es daher auch, im Rahmen einer Gesamtwürdigung alle maßgeblichenUmstände, die - sei es dem Tatgeschehen vorausgehend, ihm innewohnend,es begleitend oder ihm nachfolgend - in objektiver und subjektiver Hinsicht dieTat und die Person des [X.] kennzeichnen, in wertender Betrachtung für [X.] der verwirklichten Straftatbestände zu entscheiden, ob das [X.] der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle in [X.] abweicht, das etwa die Anwendung eines nach der jeweiligen Strafvor-schrift zur Verfügung stehenden [X.] für minder schwereFälle geboten erscheint (st. Rspr.; s. die zahlr. Nachw. bei [X.]/[X.], StGB 49. Aufl. § 46 Rdn. 41 f.). Das Ergebnis seiner Würdigung istvom Revisionsgericht nur begrenzt nachprüfbar. Dieses vollzieht keine exakteRichtigkeitskontrolle (BGHSt 27, 2, 3) und hat die Bewertung des Tatrichters [X.] hinzunehmen (BGHSt 29, 319, 320; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Beurtei-lungsrahmen 1). Es kann daher nur dann eingreifen, wenn die Strafzumes-sungserwägungen in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht rechtlich anerkannteStrafzwecke außer Betracht läßt oder sich die Strafe so weit nach oben oderunten von ihrer Bestimmung löst, gerechter [X.]uldausgleich zu sein, daß sie- 5 -nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumtenSpielraumes liegt (BGHSt 29, 319, 320; 34, 345, 349; BGHR StGB § 46 Abs. 1Beurteilungsrahmen 1 und 6). Ein derartiger Rechtsfehler liegt hier [X.].Die Angeklagten hatten nach den Feststellungen den [X.]durch einen Telefonanruf der Angeklagten [X.]am Abend des19. Mai 1999 gegen 23.30 Uhr zu der [X.] nach [X.] gelockt,wo der Angeklagte [X.]. , nachdem beide Angeklagte das Taxi bestiegenhatten, den Taxifahrer veranlaßte, zum [X.] auf einen von der [X.] zu fahren. Dort angekommen bedrohte der [X.] Taxifahrer mit einem nicht funktionsfähigen Gasrevolver und verlangte,unterstützt durch die Angeklagte [X.], die Herausgabe von Geld sowie- um die Verfolgung der Angeklagten zu erschweren - des [X.]. Aufgrund der Bedrohung übergab der Geschädigte [X.] "gut 500 DM", das Telefon und die [X.]lüssel, worauf die Ange-klagten flüchteten.Das [X.] hat die Tat des Angeklagten [X.]. jeweils als min-der schweren Fall des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316 a Abs. 1und 2 StGB) und der schweren räuberischen Erpressung (§§ 253, 255, 250Abs. 1 Nr. 1 b und Abs. 3 StGB) angesehen und, da beide Vorschriften densel-ben Strafrahmen (Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren) vorsehen,der Strafzumessung im engeren Sinne den Strafrahmen des § 316 a Abs. 2StGB zugrundegelegt. Es hat hierzu ausgeführt, daß die Anwendung der [X.] der §§ 316 a Abs. 2 bzw. 250 Abs. 3 StGB deswegen ge-boten sei, weil die Tat wegen der relativ geringen Beuteerwartung und der tat-- 6 -sächlich auch nur erlangten gut 500 DM lediglich geringes Gewicht habe. [X.] habe der Angeklagte lediglich einen nicht schußbereiten Gasrevolver ein-gesetzt und habe sich außerdem in einer finanziellen Notlage befunden, dieihm erst kurz vor der Tat durch eine - handgreifliche - Auseinandersetzung miteinem seiner Gläubiger nochmals klargemacht worden sei. Er habe sich daherin einer Ausnahmesituation befunden.Die [X.] ist schon deswegen rechtsfehlerhaft, weil die Ju-gendkammer bei der Beurteilung der Frage, ob bezüglich der schweren räube-rischen Erpressung der Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 oder der Ausnah-mestrafrahmen des § 250 Abs. 3 StGB Anwendung zu finden hat, nicht zugun-sten des Angeklagten würdigen durfte, daß er den Taxifahrer lediglich mit ei-nem nicht funktionsfähigen Gasrevolver bedrohte. Denn dies steht im [X.] zu der Bewertung des Gesetzgebers, die der Neufassung des § 250StGB durch das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. [X.]) vom 26. Ja-nuar 1998 ([X.], 178) zugrunde liegt (vgl. den Gesetzentwurf der [X.] zum 6. [X.], [X.]. 13/8587 S. 44, sowie den Bericht [X.], [X.]. 13/9064 S. 17 f.). Der gegenüber dem § 250Abs. 1 StGB a.F. mildere Regelstrafrahmen des § 250 Abs. 1 Nr. 1 b StGB n.F.wurde danach gerade auch für den Fall geschaffen, daß der Täter beim Rauboder der räuberischen Erpressung, wie hier, eine nicht funktionsfähige [X.]uß-waffe mit sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Drohungmit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden (vgl. [X.], 2914,2915; 1998, 3130). Das schließt es aus, das Mitsichführen einer nicht funkti-onsfähigen [X.]ußwaffe bei der Tat Œ für sich genommen - als Umstand zuwerten, der für die Annahme eines minder schweren Falles i.S.d. § 250 Abs. 3StGB n.F. sprechen kann (vgl. Kudlich [X.] 1998, 357, 358 f.; [X.] in SK-- 7 -StGB, 43. Lfg. § 250 Rdn. 55; [X.]/[X.] § 250 Rdn. 12). Führt der [X.] funktionsunfähige [X.]ußwaffe nicht nur mit sich, sondern setzt er sie, wiehier, bei der Tat zur Bedrohung des Opfers ein, kann dies bei der Bemessungder Strafe vielmehr strafschärfend zu berücksichtigen sein (vgl. [X.], 3130, 3131).Der Senat kann nicht ausschließen, daß das [X.] von der An-nahme eines minder schweren Falles nach § 250 Abs. 3 StGB abgesehenhätte, wenn es den Einsatz des funktionsunfähigen Gasrevolvers nicht alsstrafmildernden Umstand bei der [X.] berücksichtigt hätte. In [X.] hätte die Strafe des Angeklagten [X.]. , selbst wenn die [X.] minder schweren Falles des räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer recht-lich nicht zu beanstanden wäre, nicht dem Strafrahmen des § 316 a Abs. 2StGB, sondern dem des § 250 Abs. 1 StGB entnommen werden müssen (§ 52Abs. 2 Satz 1 StGB). Sie muß daher neu zugemessen werden. Hierfür weistder Senat darauf hin, daß die Rüge der Beschwerdeführerin, die [X.] habe sowohl bei der [X.], als auch bei der Strafzumessung imengeren Sinne einseitig nur zugunsten des Angeklagten sprechende Gesichts-punkte berücksichtigt, ohne die sich insbesondere aus dem [X.] zu würdigen, berechtigt [X.] Die Entscheidung des [X.], gegen die Angeklagte [X.]nicht auf Jugendstrafe zu erkennen, hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet hat das [X.] allerdings zunächst dargelegt, daß bei der Angeklagten keine schädlichenNeigungen (mehr) vorliegen, die die Verhängung von Jugendstrafe gebieten- 8 -würden (§ 17 Abs. 2 Alt. 1 [X.]). Zu beanstanden ist jedoch die Auffassung,die [X.]were der [X.]uld der Angeklagten (§ 17 Abs. 2 Alt. 2 [X.]) erfordereden Ausspruch von Jugendstrafe nicht.Zutreffend ist zwar der Ausgangspunkt der [X.], daß bei [X.] der [X.]uldschwere i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2 [X.] dem äußeren [X.] ("äussere [X.]were", [X.]) keine selbständige Be-deutung zukommt. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d.h. inwieweitsich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die [X.] in vorwerfbarer [X.]uld niedergeschlagen haben. Der [X.] ist nur insofern von Belang, als aus ihm [X.]lüsse aufdie Persönlichkeit des [X.] und die Höhe der [X.]uld gezogen werden [X.] (BGHSt 15, 224, 226; 16, 261, 263; BGHR [X.] § 18 Abs. 2 Tatumstände2).Mit Recht rügt die Revision jedoch, daß das [X.] eine Bewertungdes Unrechtsgehalts der Tat unterlassen und daher auch keine [X.] getroffen hat, inwieweit aus diesem ein [X.]luß auf die Persönlichkeit [X.] und die Höhe ihrer [X.]uld möglich ist. Das [X.] hat [X.] begnügt, die Verneinung von [X.]uldschwere i.S.d. § 17 Abs. 2 Alt. 2[X.] damit zu begründen, daß die Angeklagte nicht zum eigenen finanziellenVorteil gehandelt habe und der [X.] spontan gefaßt worden sei, nach-dem der Angeklagte [X.]. von einem seiner Gläubiger "drangsaliert" [X.] war. Dies läßt eine Auseinandersetzung mit dem objektiven Tatgeschehensowie dem Tatbeitrag der Angeklagten und daran anschließend insbesondereeine Bewertung des Tatunrechts am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohun-gen des Erwachsenenstrafrechts vermissen, die bei dem Rückschluß vom ob-- 9 -jektiven Unrechtsgehalt der Tat auf die zurechenbare [X.]uld des jugendlichen[X.] jedenfalls nicht unberücksichtigt bleiben darf ([X.], 693; [X.], 335, 336 m.w.Nachw.). Daher ist zu besorgen, daß der Rechtsfehler, derder [X.] bei der Einordnung der Tat des Angeklagten [X.]. alsminder schwerer Fall der schweren räuberischen Erpressung unterlaufen ist,sich letztlich auch bei der Bewertung der [X.]were der [X.]uld der Angeklagten[X.] ausgewirkt hat.Der Rechtsfolgenausspruch gegen die Angeklagte [X.] kann daherkeinen Bestand haben, denn der Senat vermag nicht auszuschließen, daß das[X.] bei Beachtung obiger Grundsätze [X.]uldschwere i.S.d. § 17Abs. 2 Alt. 2 [X.] bejaht hätte. Auch kann der Senat dem Gesamtzusammen-hang der Urteilsgründe nicht mit der gebotenen Sicherheit entnehmen, daßselbst dann, wenn die [X.]uld der Angeklagten als schwer i.S.d. § 17 Abs. 2Alt. 2 [X.] einzustufen wäre, die Verhängung von Jugendstrafe deshalb nichtin Betracht kommen kann, weil dies aus erzieherischen Gründen nicht erfor-derlich ist (vgl. BGHSt 15, 224, 225 f.; 16, 261, 263; [X.], 332, 333).Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] wiederumnur auf [X.] und [X.] erkennen, wird sie Gelegenheithaben, gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 [X.] die Laufzeit der zu erteilenden Weisun-gen im Urteil festzulegen ([X.]/[X.], [X.] 10. Aufl. § 11 Rdn. 1), sie in-haltlich mit der erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit zu fassen (vgl. Die-mer/[X.]oreit/Sonnen, [X.] 3. Aufl. § 10 Rdn. 25; [X.], [X.] 8. Aufl. § 10- 10 -Rdn. 7; [X.]/[X.] § 10 Rdn. 3) und gegebenenfalls das Vorliegen dernach § 10 Abs. 2 [X.] erforderlichen Zustimmungs- bzw. Einverständniserklä-rungen in den Urteilsgründen mitzuteilen.[X.] Winkler [X.] von [X.] [X.]

Meta

3 StR 176/00

09.08.2000

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.08.2000, Az. 3 StR 176/00 (REWIS RS 2000, 1473)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 1473

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