Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2011, Az. GS 2/10

Großer Senat | REWIS RS 2011, 3646

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Gegenstand

Regelung einer einseitigen ausgeführten Verrechnung durch Verwaltungsakt


Leitsatz

Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten ausgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB 1 durch Verwaltungsakt regeln.

Tenor

Der Leistungsträger darf die Rechtsfolgen einer einseitig gegenüber dem originär Sozialleistungsberechtigten durchgeführten Verrechnung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen mit ihm obliegenden Geldleistungen nach § 52 SGB I durch Verwaltungsakt regeln.

Gründe

1

I. Im Streit ist die [X.]erechtigung der [X.]eklagten, Ansprüche der [X.]eigeladenen mit der Altersrente des Klägers durch Verwaltungsakt zu verrechnen.

2

Der Kläger bezieht von der [X.]eklagten seit Oktober 2003 Altersrente. Nachdem die [X.]eigeladene die [X.]eklagte im Oktober 2005 schriftlich zur Verrechnung einer Forderung in Höhe von damals über 53 000 Euro (Erstattung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Ersatz von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen nebst Mahnkosten) mit Leistungsansprüchen des Klägers gegen die [X.]eklagte ermächtigt hatte, erklärte diese gegenüber dem Kläger nach dessen Anhörung, der Anspruch der [X.]eigeladenen werde "mit dem Anspruch auf Rente in der Weise verrechnet, dass ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt monatlich 436 Euro von der Rentenzahlung einbehalten und an die [X.]eigeladene bis zur Tilgung der Forderung gezahlt" würden ([X.]escheid vom 21.11.2005; Widerspruchsbescheid vom 13.6.2006).

3

Die Klage hiergegen hatte erst- und zweitinstanzlich insoweit Erfolg, als der angefochtene [X.]escheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben wurde, weil eine Verrechnung nicht durch Verwaltungsakt habe vorgenommen werden dürfen (Urteil des [X.] vom [X.]; Urteil des L[X.] vom 7.2.2008). Zur [X.]egründung seiner Entscheidung hat das L[X.] ausgeführt, die Prüfung beschränke sich darauf, ob die [X.]eklagte berechtigt gewesen sei, die [X.] in Form eines Verwaltungsakts abzugeben. Hierfür fehle es an einer gesetzlichen Ermächtigung; weil es sich bei der [X.] in der Sache nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung handele, müsse diese als rechtswidriger "formeller Verwaltungsakt" aufgehoben werden.

4

Der im Revisionsverfahren mit der Sache befasste 13. Senat des [X.][X.] beabsichtigt, das [X.]erufungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen, sieht sich jedoch hieran durch das Urteil des 4. Senats vom 24.7.2003 ([X.]-1200 § 52 [X.]) gehindert, weil er, wenn er seiner Entscheidung die Rechtsauffassung dieses Urteils zugrunde legen würde, die Verrechnung nach § 52 [X.][X.] I erfolge nicht durch Verwaltungsakt, die Revision zurückweisen müsse.

5

Auf Anfrage hat der 4. Senat an seiner Rechtsprechung festgehalten ([X.]eschluss vom 22.9.2009); der 13. Senat hat deshalb dem Großen Senat die Rechtsfrage vorgelegt ([X.]eschluss vom [X.]),

        

ob eine Verrechnung nach § 52 [X.][X.] I durch Verwaltungsakt zu erklären sei.

6

II. Die Vorlage ist zulässig (§ 41 Abs 2 und 3 [X.]G); insbesondere ist die vom 13. Senat aufgeworfene Frage bei sachgerechter Auslegung im Ausgangsverfahren entscheidungserheblich.

7

Unabhängig von der Formulierung der Anfrage des 13. Senats scheitert die [X.]ejahung der Entscheidungserheblichkeit nicht bereits daran, dass das Urteil des L[X.] wegen Verstoßes gegen § 155 Abs 3 [X.]G aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen wäre, weil in der [X.]erufungsinstanz der Vorsitzende als Einzelrichter entschieden, gleichzeitig aber die Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung zugelassen hat. Nach der Rechtsprechung des [X.][X.] liegt hierin zwar regelmäßig ein absoluter Revisionsgrund ([X.][X.]E 99, 189 = [X.] 4-1500 § 155 [X.] 2, jeweils Rd[X.]1 ff und 22 f); jedoch rechtfertigen vorliegend besondere Umstände die Entscheidung des Vorsitzenden, sodass die Handhabung des § 155 Abs 3 [X.]G nicht ermessensfehlerhaft ist (vgl zu solchen Gründen: [X.][X.] [X.] 4-2500 § 33 [X.] 24 Rd[X.]1 f; [X.] 4-4300 § 53 [X.] 4 Rd[X.]4).

8

Zum einen ist in der vorausgegangenen Anfrage an die [X.]eteiligten, ob einer Entscheidung durch den Vorsitzenden als Einzelrichter zugestimmt werde, bereits ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein" werde. Zum anderen hat der für den Senat entscheidende Vorsitzende keine von der Rechtsprechung seines Senats abweichende eigenständige Rechtsprechung begründet, sondern ist vielmehr ausdrücklich jener und der des 4. Senats des [X.][X.] gefolgt; die Revision wurde lediglich mit der Erwägung zugelassen, angesichts der zwischen dem 4. und 13. Senat des [X.][X.] zu Tage getretenen Unterschiede in der [X.]ewertung der Rechtsnatur der [X.] rasch eine höchstrichterliche Klärung der Streitfrage ermöglichen zu wollen. Dies entzieht den [X.]eteiligten jedenfalls nicht die für die letztverbindliche Entscheidung der Streitfrage zuständigen Richter des [X.][X.], sondern öffnet den Weg zu ihnen in Übereinstimmung mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung (vgl hierzu: [X.][X.] [X.]-4300 § 53 [X.] 4 Rd[X.]4; [X.][X.]E 99, 189 = [X.] 4-1500 § 155 [X.] 2, jeweils Rd[X.] 21).

9

Der Klage kann auch nicht das Rechtsschutzinteresse abgesprochen werden (vgl dazu [X.][X.], Urteil vom 16.12.2009 - [X.] 7 AL 43/07 R - Rd[X.]6). Im Hinblick darauf, dass die Schuld des Klägers gegenüber der [X.]eigeladenen noch nicht insgesamt beglichen ist, haben alle [X.]eteiligten ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob ein Verwaltungsakt hat ergehen dürfen.

Die Entscheidung des [X.]s erfordert indes eine Auslegung der Anfrage des 13. Senats. Sie kann bereits vom Ansatz her und unter [X.]eachtung des Erfordernisses der Entscheidungserheblichkeit für das Ausgangsverfahren nicht so umfassend gemeint sein, wie der Wortlaut nahelegen könnte. Eine Divergenz misst sich immer an der zugrundeliegenden Fallgestaltung; darauf fußend kann der 13. Senat nur geklärt wissen wollen, ob bei der konkreten Konstellation für die Verrechnung die [X.] rechtmäßig gewählt wurde. Seine in der Anfrage gewählte Formulierung ("ob eine Verrechnung nach § 52 [X.][X.] I durch Verwaltungsakt zu erklären ist") ist vor diesem Hintergrund streitgegenständlich zu konkretisieren.

Dies bedeutet, dass eine Antwort bezogen auf den [X.] nur für die einseitige, nicht für die vertraglich zwischen dem Leistungsträger und dem Leistungsempfänger geregelte, Verrechnung verlangt wird; erfasst wird auch nur die Verrechnung mit einer öffentlich-rechtlichen, nicht mit einer privatrechtlichen, Forderung. [X.] sind - bezogen auf den [X.] - zudem die [X.],

        

- dass dieser nicht Inhaber eines [X.]s (§ 11 [X.][X.] I) ist

        

- oder den [X.] im Wege einer Rechtsnachfolge erworben hat.

Es kann deshalb offen bleiben, ob bzw inwieweit die bezeichneten Konstellationen überhaupt von § 52 [X.][X.] I erfasst werden. Nicht entscheidungserheblich für das Ausgangsverfahren - deshalb vom 13. Senat zu Recht nicht angefragt - ist außerdem die Rechtsnatur einer Aufrechnung im Sinne des § 51 [X.][X.] I bzw sonstiger sozialrechtlicher Vorschriften.

Wie der Tenor des [X.] des 13. Senats vom [X.] gegenüber dem 4. Senat zeigt (nicht Erklärung durch Verwaltungsakt, sondern Ausübung durch verwaltungsrechtliche Willenserklärung), ist das Anliegen des 13. Senats dabei nicht isoliert die Klärung der rechtlichen Qualität der bloßen Erklärung "zu verrechnen", sondern die des [X.] der Verrechnung. Diese ist in der Praxis nämlich regelmäßig mit (notwendigen) Konkretisierungen der Rechtsfolge (z[X.] Umfang und [X.]eginn) verbunden. Was im Einzelnen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Empfängerhorizonts (vgl dazu: [X.][X.]E 67, 104, 110 f = [X.] 3-1300 § 32 [X.] 2 S 11 f; vgl auch [X.][X.], Urteil vom 6.4.2011 - [X.] 4 [X.]/10 R - Rd[X.]8) zu verlangen ist, bzw ob die gewählte Formulierung hinreichend bestimmt ist (§ 33 Abs 1 [X.][X.] X), um überhaupt einen Verwaltungsakt bzw einen rechtmäßigen Verwaltungsakt annehmen zu können, ist eine Frage der Auslegung im Einzelfall und unterliegt nicht der [X.]eurteilung des [X.]s.

Es ist auch nicht darüber zu befinden, ob das gegenseitige Erlöschen der verrechneten Forderungen ausdrücklich erklärt werden muss oder ob es genügt, dass sich diese Rechtsfolge in entsprechender Anwendung des § 389 [X.]G[X.] aus dem Gesetz ergibt. Ebenso wenig ist zu entscheiden, ob bzw inwieweit trotz ggf rechtswidrigen Verwaltungsakts eine darin enthaltene wirksame Verrechnung durch öffentlich-rechtliche Willenserklärung zu sehen sein kann (vgl zum [X.]: [X.][X.], Urteil vom 16.12.2009 - [X.] 7 AL 43/07 R - Rd[X.]6; [X.]FHE 157, 8 ff) oder ob sich die Annahme einer Verwaltungsaktqualität und die einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung nicht gegenseitig ausschließen, weil auch die Willenserklärung eine hinreichend konkrete Angabe der gewollten Rechtsfolgen enthalten muss. Die Vorlagefrage ist schließlich unter dem [X.]lickwinkel der Entscheidungserheblichkeit nur dahin zu verstehen, ob eine Verrechnung erklärt werden darf; denn im Ausgangsfall ist die [X.] gewählt worden.

Unter diesen Vorgaben und mit den beschriebenen Einschränkungen ist die Anfrage an den Großen Senat im Ausgangsverfahren des 13. Senats entscheidungserheblich. Wäre der Entscheidung des 4. Senats zu folgen, wären die Revisionen der [X.]eklagten und [X.]eigeladenen zurückzuweisen; wäre die Rechtsfrage im Sinne der Anfrage zu entscheiden, müsste der 13. Senat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückverweisen, weil es zumindest an erforderlichen Tatsachenfeststellungen für die [X.]eantwortung folgender Rechtsfragen fehlt:

        

-       

[X.]estehen der von der [X.]eigeladenen gegen den Kläger geltend gemachten Forderungen,

        
        

-       

Pfändbarkeit der Rentenansprüche des Klägers gegen die [X.]eklagte (§ 52 [X.][X.] I iVm § 51 Abs 1 [X.][X.] I),

        
        

-       

Voraussetzungen des § 51 Abs 2 [X.][X.] I (Verrechnung höchstens zur Hälfte; keine Hilfebedürftigkeit nach dem [X.][X.] XII oder dem [X.][X.] II),

        
        

-       

ordnungsgemäße Ausübung des der [X.]eklagten zustehenden Ermessens.

        

Geht man vom umschriebenen Verständnis zur Durchführung der einseitigen Verrechnung aus, so kann diese alle Voraussetzungen eines Verwaltungsakts nach § 31 [X.][X.] X erfüllen. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen liegt schon darin, dass die im [X.]escheid enthaltene (konkretisierte) [X.] eine unmittelbare Wirkung auf den Auszahlungsanspruch des [X.]erechtigten hat, indem sie diesen, soweit die [X.] reicht, erlöschen lässt (vgl [X.][X.] [X.]-1200 § 52 [X.] Rd[X.]7 f). Dass sich dies bereits aus dem Gesetz (entsprechend § 389 [X.]G[X.]) ergibt, ändert hieran nichts; die Rechtsfolge tritt jedenfalls ohne weiteren Umsetzungsakt ein (vgl zu dieser Voraussetzung [X.][X.]E 75, 97, 107 = [X.] 3-4100 § 116 [X.] 2 S 56; vgl auch [X.][X.] [X.] 3-2200 § 306 [X.] 2 S 7). Das Tatbestandsmerkmal "auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts" ist erfüllt, weil § 52 [X.][X.] I eine spezifische Gestaltung von [X.]eziehungen zwischen Leistungsempfängern und Sozialleistungsträgern durch mit hoheitlichen [X.]efugnissen ausgestattete Leistungsträger ermöglicht. Die Erklärung einer Verrechnung nach § 52 [X.][X.] I enthält schließlich eine hoheitliche Maßnahme, also eine einseitige behördliche Handlung, die nur dem Sozialleistungsträger, nicht aber ihrem Adressaten, dem Sozialleistungsempfänger, in dieser Form ihrer Art nach zusteht (vgl zu diesem Merkmal nur U. [X.] in [X.]/[X.]onk/Sachs, [X.], 7. Aufl 2008, § 35 Rd[X.]04 mwN); dahinstehen kann, ob diesem Gesichtspunkt gegenüber den anderen Voraussetzungen überhaupt ein eigenes Gewicht zukommt.

Die Verwaltung bedarf zum Erlass des Verwaltungsaktes keiner über § 52 [X.][X.] I hinausgehenden Ermächtigung. Wie für die Aufrechnung (vgl nur: [X.][X.]E 64, 17, 22 = [X.] 1200 § 54 [X.]3 S 38; [X.][X.]E 78, 132, 134 = [X.] 3-1200 § 51 [X.] 5 S 16) hat das [X.][X.] für die Verrechnung (vgl nur: [X.][X.]E 64, 17, 22 = [X.] 1200 § 54 [X.]3 S 38; [X.][X.] [X.] 3-1200 § 52 [X.] 3 S 32) als besonderer Form der Aufrechnung ([X.][X.]E 64, 17, 22 = [X.] 1200 § 54 [X.]3 S 38; [X.][X.]E 67, 143, 155 f = [X.] 3-1200 § 52 [X.] S 15; [X.]-1200 § 52 [X.] Rd[X.]4) lange Zeit mehr oder minder selbstverständlich angenommen, dass die [X.] gewählt werden darf (vgl dazu auch den Vorlagebeschluss des 13. Senats unter Rd[X.] 26); es hat dabei eine unmittelbare Anwendung der §§ 387 ff [X.]G[X.], die eine Durchführung der Aufrechnung oder der Verrechnung durch (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung nahelegen könnten, abgelehnt und stattdessen formuliert, die Vorschriften bzw Grundsätze des [X.]G[X.] seien (nur) entsprechend anwendbar ([X.][X.]E 98, 89 = [X.]-2500 § 85 [X.] 31, jeweils Rd[X.]7; [X.][X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.]7, jeweils Rd[X.]1; [X.][X.] [X.] 3-2500 § 75 [X.]1 S 55 f; [X.] 3-1200 § 52 [X.] S 15; [X.] 3-1200 § 52 [X.] 3 S 32; [X.]-1200 § 52 [X.] Rd[X.] 8 mwN).

Die [X.]egründung des Gesetzentwurfs der [X.]undesregierung eines [X.][X.] I ([X.]T-Drucks 7/868, S 22) ist von demselben Verständnis getragen. Darin wird hervorgehoben, die Vorschriften des Dritten Abschnitts des [X.][X.] I gingen davon aus, dass die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts, die durch Konkretisierung von Verfassungsnormen und durch entsprechende Anwendung von Regelungen anderer Rechtsgebiete, insbesondere des [X.]ürgerlichen Rechts, von Wissenschaft und Rechtsprechung erarbeitet worden seien, auch in das Sozialrecht (nur) ausstrahlten. Die zivilrechtlichen Normen sind aber von § 52 [X.][X.] I die Rechtsnatur der Verrechnung gestaltend überlagert. § 52 [X.][X.] I enthält ein spezifisches "Sonderrecht"; eine vergleichbare Regelung, mit der das Erfordernis der Personenidentität für die Gegenseitigkeit der Forderungen aufgehoben wird, ist im öffentlichen Recht ansonsten bzw im Zivilrecht nicht ersichtlich. § 52 [X.][X.] I beseitigt damit eine für die Aufrechnung nach §§ 387 ff [X.]G[X.] strukturwesentliche Voraussetzung. Es kann dahinstehen, ob § 52 [X.][X.] I allein schon deshalb als Ermächtigungsnorm zum Erlass eines Verwaltungsaktes zu verstehen ist; jedenfalls bedarf die Verwaltung über § 52 [X.][X.] I hinaus für ein Handeln durch Verwaltungsakt keiner weiteren (ausdrücklichen) Ermächtigungsgrundlage, weil sich die [X.]efugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts zumindest aus der Systematik des Gesetzes und der Eigenart des Rechtsverhältnisses ergibt (vgl dazu in anderem Zusammenhang: [X.][X.] [X.] 3-3100 § 62 [X.] 4 S 16 mwN; [X.]VerwG, Urteil vom 3.3.2011 - 3 C 19/10).

Dies sieht der Gesetzgeber in § 24 Abs 2 [X.] 7 [X.][X.] X ebenso; dort ist ein Verzicht auf die Anhörung vor Erlass eines Verwaltungsaktes vorgesehen, wenn gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro (aufgerechnet oder) verrechnet werden soll. Die [X.]efugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes wird mithin stillschweigend vorausgesetzt. Dem widerspricht nicht, dass der Gesetzgeber in § 42a Abs 2, § 43 Abs 4 [X.][X.] II mit Wirkung ab 1.4.2011 expressis verbis den Erlass eines (schriftlichen) Verwaltungsakts für die Aufrechnung vorgeschrieben hat. Abgesehen davon, dass diese Vorschriften inhaltlich für eine Verrechnung keine [X.]edeutung gewinnen können, sind diese Neuregelungen des [X.][X.] II kein [X.]eleg dafür, dass für die Verrechnung eine über § 52 [X.][X.] I hinausgehende Ermächtigung erforderlich sein soll.

Mit seiner Entscheidung weicht der [X.] des [X.][X.] schließlich nicht von Entscheidungen des [X.]GH ([X.]eschluss vom 22.3.2004 - [X.] 16/03 -, NJW-RR 2004, 1432 ff), des [X.]VerwG ([X.]VerwGE 66, 218 ff; 132, 250 ff) oder des [X.]FH ([X.]FHE 149, 482, 489 f; 178, 306 ff) ab, die bei der einseitigen Ausübung der hier ohnedies nicht streitgegenständlichen Aufrechnung die Rechtsnatur als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bestimmen. Die bezeichneten Entscheidungen beruhen auf anderen Rechtsgrundlagen und sind nicht zu den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften, insbesondere nicht zur Verrechnung nach § 52 [X.][X.] I, ergangen.

Meta

GS 2/10

31.08.2011

Bundessozialgericht Großer Senat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend SG Hildesheim, 27. Juli 2007, Az: S 4 R 280/06, Urteil

§ 52 SGB 1, § 39 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.08.2011, Az. GS 2/10 (REWIS RS 2011, 3646)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3646

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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