Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2023, Az. 6 StR 503/22

6. Strafsenat | REWIS RS 2023, 406

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Gegenstand

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln: Voraussetzungen einer Einziehung des Wertersatzes


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. August 2022 aufgehoben

a) im Strafausspruch,

b) im Ausspruch über die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen mit den zugehörigen Feststellungen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt und die Einziehung eines bei der Tat verwendeten Mobiltelefons sowie von insgesamt 550 Euro angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung des materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Schuldspruch weist keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Hingegen unterliegt der Strafausspruch der Aufhebung, weil das [X.] versäumt hat, die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung und eines etwaigen Härteausgleichs zu erörtern. Nach Begehung der hiesigen Tat am 15. April 2021 wurde der Angeklagte am 1. Juni 2021 vom [X.] zu einer Geldstrafe verurteilt. Aufgrund fehlender Feststellungen zum Stand der Vollstreckung dieser Strafe ist eine revisionsgerichtliche Prüfung nicht möglich, ob das Tatgericht mit der hier festgesetzten Strafe eine Gesamtstrafe hätte bilden müssen. Sollte die Geldstrafe bereits als Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt worden sein, wäre ein Härteausgleich zu erwägen gewesen. Da dies nicht ausgeschlossen werden kann, war die für sich genommen rechtsfehlerfrei verhängte Freiheitsstrafe aufzuheben. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

3

Auch die von der [X.] angeordnete erweiterte Einziehung von 520 Euro hat – anders als die Einziehung des [X.] in Höhe von 30 Euro – keinen Bestand. Eine Entscheidung gemäß § 73a Abs. 1 StGB setzt voraus, dass das Tatgericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die Überzeugung gewonnen hat, der Angeklagte habe die betreffenden Gegenstände aus rechtswidrigen Taten erlangt, ohne dass diese selbst im Einzelnen festgestellt werden müssen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. März 2022 – 6 [X.], [X.], 662; vom 4. April 2018 – 3 [X.], [X.], 19). Umstände, die eine Anordnung rechtfertigen, können etwa in der [X.] selbst (vgl. [X.], Beschluss vom 22. November 1994 – 4 [X.], [X.]St 40, 371, 373) oder in den persönlichen Verhältnissen des [X.] liegen (vgl. [X.], Urteil vom 3. September 2009 – 5 [X.], [X.], 384), insbesondere seinen Einkommensverhältnissen (vgl. [X.], Urteil vom 28. November 1995 – 1 [X.], [X.], 116). Der bloße Verdacht der illegalen Herkunft des Gegenstandes reicht für dessen Einziehung aber nicht aus (vgl. BT-Drucks. 18/9525, [X.] f.). Begründen bestimmte Tatsachen die nicht nur theoretische Möglichkeit, dass Vermögensgegenstände des [X.] aus anderen Quellen als aus rechtswidrigen Taten stammen, und verbleiben deshalb vernünftige Zweifel an ihrer deliktischen Herkunft, ist die Anordnung der erweiterten Einziehung insoweit ausgeschlossen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 23. März 2022 – 6 [X.], [X.], 662; vom 21. August 2018 – 2 [X.], NStZ-RR 2018, 380, 381; Urteil vom 10. Januar 2018 – 5 [X.]/17).

4

So verhält es sich hier. Das [X.] hat zum beruflichen Werdegang des Angeklagten festgestellt, dass er sich im [X.] als Trockenbau- und Bodenlegerhelfer selbständig gemacht, ein Gewerbe angemeldet und seitdem auf verschiedenen Baustellen gearbeitet habe. Nach eigenen Angaben verdient er 1.800 bis 1.900 Euro brutto monatlich; nach Abzug der Steuern und Fixkosten verbleiben ihm 400 bis 500 Euro monatlich. Hiernach erscheint es jedenfalls möglich, dass der in der Wohnung gefundene Bargeldbetrag aus der insgesamt mehr als zehnjährigen (legalen) Erwerbstätigkeit des Angeklagten stammt. Nichts anderes folgt aus der Annahme des [X.]s, dass der Gesamtbetrag in der Wohnung in „szenetypischer Stückelung“ aufgefunden worden sei. Sichergestellt wurden in der Wohnung neun 50-, vier 20- und zwei [X.]. Ein belastbares Indiz dafür, dass das Geld aus Drogengeschäften herrührt, ergibt sich daraus nicht. Es kann in dieser Zusammensetzung ohne Weiteres etwa bei der Abhebung einer entsprechenden Summe aus einem Geldautomaten erlangt worden sein (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 [X.], [X.], 652).

Sander     

  

Feilcke     

  

Tiemann

  

von Schmettau     

  

Arnoldi     

  

Meta

6 StR 503/22

26.01.2023

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Braunschweig, 8. August 2022, Az: 8 KLs 9/22

§ 73a Abs 1 StGB, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.01.2023, Az. 6 StR 503/22 (REWIS RS 2023, 406)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 406

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