Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2020, Az. 4 StR 580/19

4. Strafsenat | REWIS RS 2020, 11899

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 26. Juni 2019 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit

a) der Angeklagte im Fall [X.]. [X.]) der Urteilsgründe wegen Betruges zu der Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt sowie gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.647 € angeordnet worden ist;

b) über den Anrechnungsmaßstab für die im Ausland erlittene Freiheitsentziehung und eine dort etwa vollstreckte Geldstrafe nicht entschieden worden ist.

2. Auf die Revision des Angeklagten wird das vorbezeichnete Urteil, auch soweit es den Nichtrevidenten [X.]betrifft, im Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 75.000 € dahin abgeändert, dass die Einziehung des Wertes von Taterträgen als Gesamtschuldner in Höhe von 45.000 € angeordnet wird; in Höhe von 30.000 € entfällt die Einziehung gegenüber dem Angeklagten und dem früheren Mitangeklagten [X.].

3. Im Umfang der Aufhebung (Ziff. 1) wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Betruges in drei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es gegen ihn und die früheren Mitangeklagten [X.]und [X.]„die gesamtschuldnerische Einziehung von [X.] in Höhe von 75.000 € angeordnet“, darüber hinaus „die gesamtschuldnerische Einziehung von [X.] gegen die Angeklagten [X.] und [X.]in Höhe von 22.647 €“. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der nicht näher ausgeführten Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges im Fall [X.] aa. [X.]) der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Feststellungen des angefochtenen Urteils keinen auf eine mittäterschaftliche Begehung dieses Betruges mit dem früheren, insoweit bereits rechtskräftig verurteilten Mitangeklagten [X.] gerichteten Tatentschluss des Angeklagten ergeben.

3

a) Nach den Feststellungen trat der frühere Mitangeklagte [X.] im „Februar/März 2018“ mit der        [X.]          in Kontakt und spiegelte ihr vor, Mitarbeiter für seine [X.] zu suchen. Er forderte sie am 8. März 2018 in [X.].       auf, mit ihm nach B.      zu fahren, um dort einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Zu diesem Zweck müsse jedoch ein Fahrzeug für die Fahrt von ihr angemietet werden.        [X.]         begab sich daraufhin gemeinsam mit [X.] zur Firma [X.]in [X.].      und mietete dort einen Pkw [X.] im Wert von 22.647,06 €. Sie übergab [X.] die Schlüssel zu dem Fahrzeug; [X.] fuhr mit ihr sodann nach B.      und übergab dort das Fahrzeug an den Angeklagten [X.]. Dieser verbrachte das Fahrzeug nach [X.], wo es anschließend „von den dortigen Hintermännern“ veräußert wurde.

4

b) Diese rechtsfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen ergeben in subjektiver Hinsicht keinen auf die gemeinschaftliche Begehung des ([X.] mit [X.] gerichteten Tatentschluss des Angeklagten [X.] . Dies vermag der Senat auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht zu entnehmen; insbesondere in dem vom [X.] der Schilderung der Einzelfälle vorangestellten Vorspann ([X.] der Urteilsgründe) finden sich hierzu keine Anhaltspunkte. Allein der Umstand, dass der Angeklagte [X.] in B.      das Fahrzeug übernommen hat, genügt nicht. Anders als in den beiden anderen, als mittäterschaftlich begangenen Betrug abgeurteilten Fällen hat der Angeklagte in diesem Fall auch keinen Tatbeitrag im Vorfeld der Anmietung des nach [X.] zu verbringenden Fahrzeugs geleistet.

5

c) Von der Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten im Fall [X.] aa [X.]) erfasst werden der Schuldspruch, die insoweit verhängte [X.] von einem Jahr und sechs Monaten sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 22.647 € (so der im Tenor genannte Betrag), soweit diese Maßnahme gegen ihn angeordnet ist.

6

2. Rechtsfehlerhaft hat es das [X.] unterlassen, entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Maßstab für die Anrechnung der in [X.] erlittenen Freiheitsentziehung und der dort ‒ nach den eigenen Angaben des Angeklagten (I[X.] der Urteilsgründe) ‒ von seinem Vater für ihn gezahlten Geldstrafe in Höhe von 4.500 € zu bestimmen. Insoweit hat der [X.] in seiner Antragsschrift vom 31. Oktober 2019 Folgendes ausgeführt:

„Der Strafausspruch ist insoweit rechtsfehlerhaft, als eine Entscheidung über die Anrechnung der in [X.] erlittenen Freiheitsentziehung und der in [X.] verhängten und vollstreckten Geldstrafe in Höhe von 4.500 Euro gemäß § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB unterblieben ist.

Die Kammer hat festgestellt, dass der Angeklagte wegen der Tat vom 18. Mai 2018 (Ziffer 4 der Anklage) in [X.] festgenommen wurde, dort sechs Monate in Untersuchungshaft verbrachte ([X.]. 644 RS) und mit einer ‚nach serbischem Recht verhängten Geldstrafe‘ in Höhe von 4.500 Euro belegt wurde, die er bezahlte ([X.]. 649). Die Kammer hat das Verfahren bezüglich dieser Tat gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt. Die in [X.] erlittene Untersuchungshaft und die bezahlte Geldstrafe hat sie im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt, indem sie zum einen die gebildete Gesamtstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten im Wege des [X.] um drei Monate verringert ([X.] aaO) und zum anderen die schlechten Haftbedingungen in [X.] bei der Bemessung der Einzelstrafen zugunsten des Angeklagten gewertet hat ([X.]. [X.]). Eine Entscheidung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB hat sie nicht getroffen.

Die Vorgehensweise der Kammer hält rechtlicher Prüfung nicht stand, da gemäß § 51 Abs. 3, Abs. 4 Satz 2 StGB sowohl hinsichtlich der in [X.] erlittenen Untersuchungshaft als auch bezüglich der in [X.] verhängten und vollstreckten Geldstrafe eine Ermessensentscheidung über den Maßstab der Anrechnung zu treffen war. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ist eine im Ausland vollstreckte Strafe auch dann gemäß § 51 Abs. 3 Satz 1 StGB auf eine inländische Strafe anzurechnen, wenn die ausländische Strafvollstreckung eine selbständige prozessuale Tat betrifft, die im Inland ‒ etwa aus [X.] gemäß §§ 153c, 154 StPO ‒ nicht abgeurteilt wird, aber Gegenstand des inländischen Verfahrens war (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. Dezember 2016 ‒ 3 [X.], juris Rn. 4, und vom 19. Februar 1997 ‒ 5 StR 33/97, [X.], 337; [X.], Urteil vom 22. Dezember 1987 ‒ 1 StR 423/87, [X.]St 35, 172, 177; Theune in [X.], 12. Aufl., § 51 Rn. 9, 12). Dies war vorliegend hinsichtlich der angeklagten Tat vom 18. Mai 2018 der Fall. Gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 StGB gilt Entsprechendes für die Anrechnung der im Ausland erlittenen Untersuchungshaft.

Der Angeklagte ist durch den Rechtsfehler auch beschwert, da der von der Kammer vorgenommene [X.] in Höhe von drei Monaten Freiheitsstrafe und die Berücksichtigung der [X.] Haftbedingungen bei Bemessung der Einzelstrafen den Angeklagten nicht so stellt, wie es § 51 Abs. 3 StGB vorschreibt (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Februar 1997 ‒ 5 StR 33/97, [X.], 337). Darüber hinaus kann dem Urteil nicht entnommen werden, ob der [X.] die Anrechnung nach § 51 Abs. 3 StGB ersetzen sollte oder aber der Vermeidung eines unbilligen Strafübels diente, das auf der Unmöglichkeit der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe beruhte (zur grundsätzlich möglichen Kumulation von [X.] und Anrechnung gemäß § 51 Abs. 3 StGB bei ausländischen Strafen vgl. [X.], Beschluss vom 5. November 2014 ‒ 1 StR 299/14, juris).

Mangels ausreichender Grundlage im Urteil kann die unterlassene Bestimmung des Anrechnungsmaßstabs nach § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB auch nicht gemäß § 354 Abs. 1 StPO durch das Revisionsgericht nachgeholt werden. Hinsichtlich der nach serbischem Recht ausgesprochenen Geldstrafe in Höhe von 4.500 Euro bedarf es unter anderem Feststellungen zur Frage, welcher Freiheitsstrafe diese Strafe nach serbischem Recht entspricht (vgl. [X.], Beschluss vom 8. Dezember 1981 ‒ 1 [X.], [X.]St 30, 282).“

Dem tritt der Senat bei.

7

3. Der Maßnahmenausspruch im angefochtenen Urteil bedarf weiterhin insoweit der Korrektur, als das [X.] gegen den Angeklagten [X.]‒ in gesamtschuldnerischer Haftung mit den früheren Mitangeklagten [X.] und [X.]‒ die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 75.000 € angeordnet hat. Fehlerhaft ist in diesen Betrag auch der Wert des im Fall [X.] ee. [X.]) der Urteilsgründe betrügerisch erlangten Fahrzeugs in Höhe von 30.000 € eingeflossen. In diesem Fall stellte der Angeklagte [X.]zwar der mit der Anmietung beauftragten       Sc.    die hierfür notwendige Kaution zur Verfügung. Er übte jedoch zu keinem Zeitpunkt (Mit-)Verfügungsgewalt über das Fahrzeug aus, weil nach den getroffenen Feststellungen lediglich der frühere Mitangeklagte [X.]bei der Anmietung anwesend war und das Fahrzeug anschließend nach [X.] überführte. Insoweit fehlt es an der zumindest erforderlichen faktischen Mitverfügungsgewalt des Angeklagten [X.], StGB, 67. Aufl., § 73 Rn. 29 f. mwN).

8

Die Höhe der angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen ist daher um 30.000 € zu reduzieren; dies kann der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO analog selbst aussprechen. Insoweit ist die Entscheidung auf den früheren Mitangeklagten [X.] zu erstrecken, da bei ihm der nämliche Rechtsfehler ebenfalls vorliegt (§ 357 Satz 1 StPO). In Höhe des Betrages von 30.000 € haftet der Angeklagte [X.]allein.

9

4. Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Sost-Scheible     

        

Cierniak     

        

Bender

        

Quentin      

        

Bartel      

        

Meta

4 StR 580/19

09.01.2020

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.01.2020, Az. 4 StR 580/19 (REWIS RS 2020, 11899)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 11899

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

2 StR 514/19 (Bundesgerichtshof)

Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe: Härteausgleich bei bereits vollstreckter Vorstrafe; Vornahme des Härteausgleichs durch das Revisionsgericht


1 StR 267/19 (Bundesgerichtshof)

Serienbetrug: Konkurrenzverhältnisse bei mehreren Beihilfeakten


2 StR 316/18 (Bundesgerichtshof)

Einziehung des Wertersatzes des aus der Tat Erlangten: Erlöschen des Rückgewähranspruchs des Verletzten durch Rückgabe …


1 StR 379/22 (Bundesgerichtshof)

(Erlöschen des staatlichen Einziehungsanspruchs gegen die Mitangeklagten aufgrund der im Wege der Zwangsvollstreckung bei einem …


1 StR 648/18 (Bundesgerichtshof)

Deliktsserie im Zusammenhang mit Kapitalanlagebetrug: Bewertung des Konkurrenzverhältnisses bei Beteiligung mehrerer Täter oder Teilnehmer


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

3 StR 440/16

1 StR 299/14

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.