Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2021, Az. 3 StR 54/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2148

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Rechtsmittel gegen das Strafurteil eines Oberlandesgerichts: Statthaftigkeit einer sofortigen Beschwerde zum BGH gegen die Versagung einer Strafverfolgungsentschädigung; Entschädigungsanspruch bei überschießender Untersuchungshaft und Reststrafaussetzung


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten   H.     wird das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2020 dahin geändert, dass die Aussetzung der Vollstreckung der ihn betreffenden Freiheitsstrafe zur Bewährung entfällt.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten    H.     und die Revisionen der übrigen Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen.

3. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten    H.     gegen die Versagung der Entschädigung für erlittene Untersuchungshaft wird verworfen.

4. Der Angeklagte    H.     hat die Kosten seiner Rechtsmittel, im Übrigen jeder Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat die Angeklagten jeweils wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland verurteilt, den Angeklagten    A.           in sechs Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten S.     in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten, den Angeklagten   H.    zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten sowie den Angeklagten [X.].    zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Die Vollstreckung der beiden letztgenannten Freiheitsstrafen hat es zur Bewährung ausgesetzt. Zudem hat es [X.] getroffen und eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung festgestellt. Von einer Entschädigung des Angeklagten    H.     für Untersuchungshaft hat es abgesehen. Die Angeklagten beanstanden mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen sowie - mit Ausnahme des Angeklagten S.     - formellen Rechts. Der Angeklagte    H.     wendet sich überdies mit sofortiger Beschwerde gegen die Versagung einer Entschädigung für die Untersuchungshaft. Die Revision des Angeklagten   H.     hat einen geringfügigen Teilerfolg in Bezug auf die Strafaussetzung zur Bewährung. Im Übrigen sind sämtliche Rechtsmittel unbegründet.

2

1. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen hat, abgesehen von der Anordnung einer Strafaussetzung zur Bewährung beim Angeklagten   H.     , keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.

3

Ergänzend zu den umfangreichen Ausführungen in den [X.] des [X.] bemerkt der Senat hinsichtlich der Beanstandung, Erkenntnisse aus Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz - [X.]) seien zu Unrecht verwertet worden (vgl. etwa [X.], Beschluss vom 3. Mai 2017 - 3 StR 498/16, StraFo 2018, 30 f.), dass die von den Angeklagten    H.     sowie [X.].    in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen und auch deshalb keinen Erfolg haben. So werden etwa weder der nähere Inhalt des vom [X.] an das [X.] gerichteten Schreibens vom 16. März 2018 noch das Schreiben des Ministeriums vom 5. Februar 2019 mit einer Vielzahl beigefügter Unterlagen in teilgeschwärzter Form mitgeteilt.

4

2. Das Urteil hat allein insofern keinen Bestand, als die Vollstreckung der gegen den Angeklagten    H.     verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Da sich der Angeklagte in dem Verfahren über ein Jahr lang in Untersuchungshaft befand, ist die Strafe wegen der Anrechnung des bereits erlittenen [X.] gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB voll verbüßt. In einer solchen Konstellation kommt eine Strafaussetzung mangels noch zu vollstreckender Strafe nicht in Betracht (st. Rspr.; vgl. etwa [X.], Urteil vom 24. März 1982 - 3 StR 29/82, [X.]St 31, 25 ff.; Beschluss vom 22. Juni 2021 - 4 StR 83/21, juris Rn. 1 mwN; LK/Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 56 Rn. 7).

5

3. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten    H.     gegen die Versagung einer Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen ist zwar zulässig, aber unbegründet.

6

Der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde steht unter den gegebenen Umständen nicht entgegen, dass eine von einem [X.] getroffene Entscheidung angegriffen wird; denn hier handelt es sich gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 [X.], § 464 Abs. 3 Satz 3 StPO um eine Annexentscheidung zum Urteil (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. März 2021 - StB 32/20, juris Rn. 4; vom 9. Dezember 1975 - StB 28/75, [X.]St 26, 250 ff.; [X.], [X.], 11. Aufl., § 8 Rn. 49).

7

In der Sache hat das Rechtsmittel indes keinen Erfolg, weil eine Entschädigung für die Untersuchungshaft nicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 [X.] der Billigkeit entspricht. Der Senat teilt nach einer Gesamtabwägung die vom [X.] im angefochtenen Urteil näher dargelegte Einschätzung. Dabei ist vor allem von Belang, dass die Dauer der Untersuchungshaft sowie deren Konsequenzen ausdrücklich substantiell in die Strafzumessung eingeflossen sind (vgl. dazu [X.], Beschlüsse vom 29. Januar 1997 - 2 StR 463/96, [X.]R [X.] § 4 Abs. 1 Nr. 2 Untersuchungshaft 4; vom 11. März 1998 - 3 StR 43/98, [X.], 369; [X.], Beschluss vom 30. Juli 2004 - 2 BvR 993/02, juris Rn. 24).

Schäfer     

        

Ri[X.] Prof. Dr. Paul befindet
sich im Urlaub und ist deshalb
gehindert zu unterschreiben.

        

Anstötz

                 

Schäfer

                 
        

Kreicker     

        

     Voigt     

        

Meta

3 StR 54/21

05.10.2021

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend OLG München, 29. Juni 2020, Az: 9 St 10/17

§ 4 Abs 1 Nr 2 StrEG, § 8 Abs 3 S 2 StrEG, § 349 Abs 2 StPO, § 349 Abs 4 StPO, § 354 Abs 1 StPO, § 464 Abs 3 S 2 StPO, § 464 Abs 3 S 3 StPO, § 51 Abs 1 S 1 StGB, § 56 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 05.10.2021, Az. 3 StR 54/21 (REWIS RS 2021, 2148)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2148


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 9 St 10/17

OLG München, 9 St 10/17, 02.02.2018.


Az. 3 StR 54/21

Bundesgerichtshof, 3 StR 54/21, 05.10.2021.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 StR 36/14 (Bundesgerichtshof)

Zeitige Freiheitsstrafe: Anrechnung verfahrensfremder Unterbringungszeiten; Bewährungsentscheidung


1 StR 36/14 (Bundesgerichtshof)


11 Ns 412 Js 45500/15 (LG Nürnberg-Fürth)

Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Amtsträger


3 StR 179/17 (Bundesgerichtshof)

Strafaussetzung zur Bewährung: Vollständige Vollstreckung der Freiheitsstrafe durch Anrechnung der Untersuchungshaft


2 StR 117/17 (Bundesgerichtshof)

Strafaussetzung zur Bewährung: Berücksichtigung des Verdachts einer anderen Straftat bei der Aussetzungsentscheidung


Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 483/21

1 StR 14/22

Zitiert

3 StR 498/16

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.