Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2019, Az. 1 StR 677/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2019, 8906

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Gegenstand

Strafzumessung: Überprüfung des Vorliegens eines minder schweren Falls durch das Rechtsmittelgericht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 26. September 2018 im Strafausspruch aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus dem [X.] ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Das [X.] hat Folgendes festgestellt: Der Angeklagte erwarb am 17. März 2018 in [X.] 794,4 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 63,3 g THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf und führte das Marihuana mit seinem Pkw nach [X.] ein. Die Polizei hatte zuvor Kenntnis von dem geplanten Erwerb einer größeren Menge von Cannabisprodukten durch den Angeklagten erlangt und überwachte die Fahrt des Angeklagten mit technischen Mitteln. Das Marihuana wurde schließlich bei einer polizeilichen Kontrolle in [X.] sichergestellt.

3

2. Die [X.] ist bei der Strafzumessung vom Regelstrafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG ausgegangen, der eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren bis zu fünfzehn Jahren vorsieht. Das Vorliegen eines minder schweren Falls im Sinne von § 30 Abs. 2 BtMG hat sie verneint und für die Tat eine Freiheitstrafe von drei Jahren als tat- und schuldangemessen erachtet.

4

Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die Beurteilung, ob ein minder schwerer Fall vorliegt, der ein beträchtliches Überwiegen der strafmildernden Umstände voraussetzt, ist im Wesentlichen dem Tatrichter überlassen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Januar 2006 – 4 StR 545/05, [X.], 140, 141; vom 16. Oktober 2013 – 2 [X.], [X.], 612 f. und vom 19. Februar 2015 – 2 StR 343/14, [X.], 256; [X.], StGB, 66. Aufl., § 46 Rn. 85 mwN). Seine Entscheidung ist vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, auch wenn eine andere Entscheidung ebenso möglich gewesen wäre oder sogar näher gelegen hätte. Dies ist ausnahmsweise jedoch nicht der Fall, wenn die mildernden Faktoren so eindeutig überwiegen, dass die Entscheidung des Tatrichters hinsichtlich des Strafrahmens nicht mehr als nachvollziehbar anzusehen ist (vgl. [X.] aaO, [X.], 140, 141 und [X.], 612, 613).

5

So verhält es sich hier. Die [X.] führt selbst eine Reihe bedeutender Milderungsgründe zu Gunsten des 48-jährigen Angeklagten an, wie etwa sein Geständnis, fehlende Vorstrafen sowie die Umstände, dass die Polizeibehörden „jeweils wussten, wo sich der Angeklagte mit seinem Fahrzeug befand“ und die Betäubungsmittel sichergestellt wurden und damit nicht in den Verkehr gelangt sind. Dem stellt sie zu Lasten des Angeklagten lediglich gegenüber, dass er zwei Tatbestände tateinheitlich verwirklicht hat und die nicht geringe Menge um das 8-Fache überschritten wurde. [X.] man diese Gesichtspunkte, so ergibt sich ein so eindeutiges Überwiegen der strafmildernden Faktoren, dass die Anwendung des Normalstrafrahmens des § 30 Abs. 1 BtMG mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren auch unter Anerkennung eines weiten tatrichterlichen [X.] nicht mehr nachvollziehbar erscheint.

6

Hinzu kommt, dass die weitere Zumessungserwägung, dass es sich bei dem eingeführten Marihuana um ein Rauschgift mit „nur mittlerem Gefährdungspotential“ handelt, die die [X.] sowohl bei der Prüfung des minder schweren Falls als auch im Rahmen der konkreten Strafzumessung einstellt, Bedenken begegnet. Sie lässt besorgen, dass das [X.] die – im Vergleich zu anderen illegalen Betäubungsmitteln – geringere Gefährlichkeit von Cannabisprodukten zugunsten des Angeklagten nicht hinreichend berücksichtigt hat (zum Stufenverhältnis von sog. harten Drogen wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen wie Cannabis vgl. etwa [X.], Urteil vom 11. Oktober 2018 – 4 StR 274/18, juris Rn. 7; Beschlüsse vom 14. Juni 2017 – 3 [X.], juris Rn. 13 [insofern nicht abgedruckt in [X.], 310]; vom 15. Juni 2016 – 1 [X.], [X.], 614, 615 und vom 26. März 2014 – 2 [X.], juris Rn. 20).

7

Die vorgenannten rechtlichen Bedenken betreffen auch die Strafrahmenbestimmung für das tateinheitlich verwirklichte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG, so dass auch insoweit kein abweichender höherer Strafrahmen in Betracht kommt.

8

3. Die zugrunde liegenden Feststellungen sind von dem [X.] nicht betroffen und werden von der Aufhebung nicht umfasst. Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.

Raum     

      

Bellay     

      

Bär     

      

Hohoff     

      

Pernice     

      

Meta

1 StR 677/18

26.03.2019

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Aschaffenburg, 26. September 2018, Az: 112 Js 3354/18 KLs

§ 30 Abs 1 BtMG, § 30 Abs 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2019, Az. 1 StR 677/18 (REWIS RS 2019, 8906)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 8906

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