Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2010, Az. 1 StR 187/10

1. Strafsenat | REWIS RS 2010, 6023

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Gegenstand

Hauptverhandlung in Strafsachen. Urteilsberatung nach Wiedereintritt in die Verhandlung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Der Angeklagte hat innerhalb von drei Monaten vier bewaffnete Raubdelikte, einen Mordversuch und zwei versuchte [X.] begangen. Das [X.] hat ihn deshalb zu einer aus [X.] zwischen fünf Jahren und sechs Monaten und zehn Jahren gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er eine Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht, bleibt erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der näheren Ausführungen bedarf nur Folgendes:

3

Die Revision rügt, dass vor der Verkündung des [X.]eils unter Verstoß gegen § 260 Abs. 1 StPO keine (erneute) [X.]eilsberatung stattgefunden habe.

4

a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde:

5

Nachdem die [X.] das [X.]eil umfassend beraten hatte, wurde die Beweisaufnahme wieder eröffnet und ein Hinweis nach § 265 StPO erteilt. Im [X.] daran wurde die Beweisaufnahme erneut geschlossen. Die Verfahrensbeteiligten machten von der Gelegenheit, weitere Erklärungen zur Sache abzugeben, keinen Gebrauch, sondern nahmen lediglich auf ihre bereits gemachten Ausführungen Bezug. Sodann wurde das [X.]eil verkündet, ohne dass eine (erneute) Beratung stattgefunden hatte.

6

b) Die Revision und auch der [X.] in seiner Antragsschrift vom 29. April 2010 halten dieses Vorgehen zutreffend für rechtsfehlerhaft.

7

Gemäß § 260 Abs. 1 StPO hat das [X.]eil „auf die Beratung“ zu ergehen; diese muss der [X.]eilsverkündung unmittelbar vorausgehen. Tritt das Gericht nach den [X.] und der Beratung wieder in die Verhandlung ein, so muss es vor der Verkündung erneut beraten. Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] grundsätzlich auch dann, wenn wie im vorliegenden Fall der Wiedereintritt in die Verhandlung keinen neuen Prozessstoff ergeben hat ([X.]R StPO § 260 Abs. 1 Beratung 2; [X.], 142; [X.], 106).

8

c) Der Senat kann jedoch hier ausnahmsweise ein Beruhen des [X.]eils auf dem aufgezeigten Verfahrensmangel ausschließen. Bestätigt durch das [X.] hat die Vorsitzende der [X.] in ihrer dienstlichen Äußerung erklärt, dass eine erneute Beratung deshalb unterblieben ist, weil nach dem Wiedereintritt in die Verhandlung von keinem der Verfahrensbeteiligten eine Äußerung erfolgt ist, die - nicht einmal in einem geringen Umfang - über die bloße Bezugnahme auf frühere Ausführungen hinaus inhaltliche Substanz gehabt hätte. Zusätzliche Erkenntnisse, die für den Straf- oder Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung hätten sein können, ergaben sich somit aus dem weiteren Verlauf der Hauptverhandlung nicht. Für diesen Fall war nach der dienstlichen Äußerung der Vorsitzenden in der vor der Wiedereröffnung der Hauptverhandlung vorangegangenen [X.]eilsberatung zwischen den Mitgliedern der [X.] dahingehend Einigkeit erzielt worden, dass es bei dem [X.] - einer Verurteilung des Angeklagten entsprechend dem erteilten rechtlichen Hinweis - bleiben sollte, ohne dies noch einmal zu beraten. Dementsprechend haben weder die Berufsrichter noch die Schöffen vor der [X.]eilsverkündung den Wunsch nach einer erneuten Beratung geäußert. Es erscheint daher ausgeschlossen, dass hier ein Gerichtsmitglied zu einer anderen Entscheidung als zu der bereits umfassend vorberatenen gelangt wäre (vgl. [X.]R StPO § 260 Abs. 1 Beratung 2 und 6; [X.], 106).

9

2. Auch im Übrigen hat die aufgrund der [X.] gebotene Überprüfung des [X.]eils aus den von dem [X.] zutreffend dargelegten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

3. Der Senat sieht jedoch Anlass zu folgendem Hinweis:

Das [X.] hat eine Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 2 StGB abgelehnt. [X.] beraten hat es bei diesem trotz der „ungewöhnlich schwerwiegenden Tatserie“ wegen des kurzen [X.] von drei Monaten einen Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB „noch“ nicht feststellen können.

Die Begründung, mit der das [X.] das Vorliegen eines Hanges verneint hat, ist nicht zutreffend. Liegen wie im vorliegenden Fall die formellen Voraussetzungen von § 66 Abs. 2 StGB vor, kann nach der gesetzlichen Wertung schon allein aus den abgeurteilten Taten ein Hang ableitbar sein. Es ist daher bereits im Ansatz zweifelhaft, ob der Umstand, dass der Täter nicht schon früher oder öfter straffällig wurde oder dass nicht ein bestimmter zeitlicher Abstand zwischen den [X.] bestand, maßgeblich zur Verneinung eines Hanges herangezogen werden kann (vgl. [X.], [X.]. vom 14. August 2007 - 1 [X.]; [X.]. vom 4. September 2008 - 5 [X.]/08 m.w.[X.]). Vielmehr können gerade zeitlich dicht aufeinander folgende Taten in ihrer Häufung für einen eingeschliffenen inneren Zustand des [X.] sprechen, der ihn immer neue Straftaten begehen lässt. Durch die daher nicht tragfähig abgelehnte Anordnung von Sicherungsverwahrung ist der Angeklagte aber nicht beschwert.

[X.]                              Wahl                            [X.]

                  [X.]

Meta

1 StR 187/10

09.06.2010

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Stuttgart, 8. Dezember 2009, Az: 1 Ks 112 Js 9400/09, Urteil

§ 260 Abs 1 StPO, § 265 StPO, § 337 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.06.2010, Az. 1 StR 187/10 (REWIS RS 2010, 6023)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6023

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