Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2001, Az. 4 StR 414/00

4. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3060

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[X.] StR 414/00vom27. März 2001in der [X.] u.a.- 2 -Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 27. März 2001 gemäß § 349 Abs. 2und 4 StPO beschlossen:1.Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil [X.] Siegen vom 28. März 2000 im [X.] mit den Feststellungen [X.] Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten [X.], an eine andere [X.] des Landge-richts [X.] weiter gehende Revision wird verworfen.Gründe:Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tatein-heit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechsMonaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision,mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das [X.] hat zum Strafausspruch mit einer Aufklärungsrüge Erfolg; im übrigen istes unbegründet.1. Die Verfahrensrüge, § 258 StPO sei dadurch verletzt worden, daß [X.] und dem Angeklagten nach der Verkündung eines (Teil-) Einstel-lungsbeschlusses gemäß § 154 Abs. 2 StPO nicht nochmals Gelegenheit ge-geben worden sei, sich zu äußern, hat keinen Erfolg.- 3 -a) Der Rüge liegt folgender Verfahrensgang zugrunde:Am dritten [X.] wurde die Beweisaufnahme (erneut)geschlossen, nachdem die Verteidigerin einen [X.] gestellt hatte.Durch die begehrte Beweiserhebung sollte die Glaubwürdigkeit der Geschä-digten und Hauptbelastungszeugin erschüttert werden. Der Staatsanwalt [X.], einen Teil des Anklagevorwurfs - eine nach dem angeklagten [X.] an dem Tatopfer begangene (weitere) Körperverletzung -gemäß § 154 Abs. 2 StPO einzustellen und den Angeklagten im übrigen zuverurteilen. Die Nebenklägerin schloß sich dem Antrag des Staatsanwalts an.Nach einem rechtlichen Hinweis beantragte die Verteidigerin Freispruch. [X.] hatte das letzte Wort; er verzichtete auf Ausführungen zu seinerVerteidigung. Sodann wurde die Hauptverhandlung unterbrochen und an einemanderen Tag mit der Verkündung des (Teil-) [X.] - wie [X.] beantragt - und des Urteils fortgesetzt. Der [X.]wurde in den Urteilsgründen rechtsfehlerfrei abgelehnt.b) Die Rüge ist unbegründet.Ein nach dem letzten Wort des Angeklagten und unmittelbar vor [X.] verkündeter Beschluß über die Teileinstellung des Verfahrens nach§ 154 Abs. 2 StPO ist Teil der abschließenden Entscheidung des Gerichts; [X.] mit der Folge, daß dem Angeklagten nach dem Beschluß nicht erneut dasWort zu erteilen ist - auch dann, wenn durch den [X.] übereinen das Verfahren insgesamt betreffenden [X.] mittelbar [X.] wird.aa) Es ist umstritten, ob in der Verkündung eines [X.] unmittelbar vor dem Urteil ein zu erneuten Ausführungen und zur- 4 -nochmaligen Erteilung des letzten Wortes zwingender Wiedereintritt in dieVerhandlung zu sehen ist (vgl. [X.], 257 = [X.], 296; Gollwit-zer in Löwe/[X.] StPO 25. Aufl., § 258 Rdn. 6, [X.]. 27 f. jeweils m.w.[X.] 2. Strafsenat des [X.] hat dies in seinem Urteil [X.] 1979 - 2 StR 473/78 [X.] verneint, weil der [X.] le-diglich einen Teil der aus Beschluß und Urteil bestehenden Endentscheidungdarstelle (zustimmend [X.] 1986, 166, 167; [X.] § [X.]. 5; offengelassen in [X.] NJW 1985, 1479, 1480 [1. Strafsenat]; [X.], 228 [3. Strafsenat]; 1999, 244 [4. Strafsenat] und 257 [3. Strafsenat]).Der 5. Strafsenat des [X.] hat in seinem Beschluß vom12. April 1983 [X.] 5 StR 162/83 (= NStZ 1983, 469) die Ansicht vertreten, daßdem Angeklagten dann nochmals das letzte Wort erteilt werden muß, wenn [X.] ein (Teil-) [X.] nach § 154 Abs. 2 StPOvorausgegangen ist und durch diesen (wie in dem hier zu entscheidenden Fall)über einen [X.] des Verteidigers zur Glaubwürdigkeit des Haupt-belastungszeugen [X.] betreffend auch Fälle, in denen verurteilt wurde [X.] mittelbarmitentschieden worden ist.bb) Für die Richtigkeit der Auffassung des 2. Strafsenats - auch bei [X.] Fallgestaltung wie hier - spricht, daß der Angeklagte keine Möglichkeit hat,sich erneut zu äußern, wenn das Gericht nach Beratung dem Antrag [X.] auf Teileinstellung des Verfahrens nicht folgt und ihn (ohneBeschlußfassung) auch insoweit verurteilt. Dann erscheint es aber widersinnig,daß er bei der für ihn positiven Entscheidung des Gerichts ein erneutes Äuße-rungsrecht haben soll. Der 3. Strafsenat hat zudem zutreffend darauf hingewie-sen, daß nicht Zufälligkeiten über den Bestand des Urteils bei einer Rüge nach§ 258 StPO entscheiden dürfen (s. [X.], 257): So machen etwa dieder Urteilsverkündung erst nachfolgende Mitteilung des (Teil-) [X.] 5 -schlusses (s. [X.] StV 1996, 297 [5. Strafsenat]) oder die - unzulässige - for-male Aufnahme der Teileinstellungsentscheidung in die verkündete [X.] (regelmäßig) keine erneute Worterteilung erforderlich.cc) Sinn der Regelung des Äußerungsrechts in § 258 StPO ist die Wah-rung des rechtlichen Gehörs (vgl. [X.]/[X.] StPO 44. [X.] 258 Rdn. 1). Werden dem Verteidiger und dem Angeklagten nach [X.] des Staatsanwalts und dessen Antrag auf Teileinstellung [X.] das Recht zum Schlußvortrag eingeräumt und hatte der [X.] als letzter Verfahrensbeteiligter Gelegenheit zur Äuße-rung (vgl. [X.]St 13, 53, 60; [X.] NStZ 1993, 551), so ist das rechtliche Gehörumfassend gewährt worden, weil der Verteidiger und der Angeklagte zu demgesamten Vorbringen des Staatsanwalts Stellung nehmen konnten. Das Er-gebnis der unmittelbar anschließenden zur Teileinstellung und Verurteilung imübrigen führenden Beratung des Gerichts ist eine einheitliche Entscheidung,die auch die Behandlung der [X.] umfaßt; denn über sie ist erstim Rahmen der Urteilsberatung zu befinden (vgl. [X.]R StPO § 244 Abs. 6[X.] 7; Herdegen in [X.]., § 244 Rdn. 50 a). Wird über ei-nen [X.] nur "mittelbar" im [X.] entschieden,so kann zwar (möglicherweise) die rechtsfehlerhafte Behandlung des Hilfsbe-weisantrags mit Erfolg gerügt werden, nicht aber § 258 StPO. Ein Verstoß ge-gen § 258 StPO läge noch nicht einmal vor, wenn der hilfsweise gestellte Be-weisantrag, der an sich in den Urteilsgründen hätte abgelehnt werden können,ohne Erörterung gleichzeitig mit der Urteilsverkündung durch einen besonde-ren Beschluß zurückgewiesen wird ([X.], 109 f.; [X.] [X.], 948; [X.] aaO Rdn. 6; [X.] JZ 1992, 884 [X.]. 4 m.w.[X.] 6 -Ob etwas anderes gilt, wenn das Gericht für den Angeklagten einenVertrauenstatbestand dadurch schafft, daß es vor der Verkündung des [X.] ausdrücklich in die Verhandlung eintritt (s. etwa die [X.] [X.] NJW 1985, 1479; NStZ-RR 1998, 15; [X.], Urteil vom 21. Dezember1966 [X.] 4 StR 404/66), kann dahinstehen; denn ein solcher Fall liegt hier nichtvor.dd) Der 5. Strafsenat des [X.] hat auf Anfrage des Se-nats gemäß § 132 Abs. 3 GVG erklärt, daß er seine entgegenstehende Recht-sprechung im Beschluß vom 12. April 1983 [X.] 5 StR 162/83 (= NStZ 1983, 469)aufgibt; die übrigen Strafsenate des [X.] haben mitgeteilt, ent-gegenstehende Rechtsprechung ihres Senats liege nicht vor.2. Die Aufklärungsrüge, mit der die Revision beanstandet, daß die [X.] zur Frage erheblich verminderter Schuldfähigkeit des Angeklagtenkeinen psychiatrischen Sachverständigen gehört hat, hat dagegen Erfolg. Nach den Urteilsfeststellungen zeigte der Angeklagte in der Vergan-genheit erhebliche psychische Auffälligkeiten; er war deswegen in [X.] und psychologischer Behandlung. Wegen seiner figesundheit-lichen [X.] mußte er seinen Beruf als Kraftfahrer, bei dessen Ausübunger fieinige Unfälle mit [X.] erlitten hatte ([X.]), aufgeben. Die Tatdes [X.] bisher nicht bestraften und sozial angepaßt lebenden [X.] Angeklagten [X.] den Feststellungen persönlichkeitsfremd und weist ungewöhnliche Zügeauf: Er stieg an einem frühen Morgen in den Pkw einer ihm unbekannten Frauein, bedrohte sie mit einer Waffe und befahl ihr, in der [X.] [X.],weil er [X.] observieren müssefl. Auf dem Parkplatz seines Firmenge-ländes zog er die Geschädigte aus dem Fahrzeug, zwang sie, in das Firmen-gebäude zu gehen, schlug sie und führte dann mit ihr u.a. den [X.] -kehr durch. Als er ihr danach mitteilte, fi daß er mit ihr noch einige Waldwegeabfahren wollefl, nutzte sie eine Gelegenheit zur Flucht.Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß sich die [X.] [X.] Sachlage hätte gedrängt sehen müssen, ein psychiatrisches Sachver-ständigengutachten einzuholen (vgl. [X.]R StGB § 21 Sachverständiger 7, 8).Dieses hätte möglicherweise ergeben, daß die Schuldfähigkeit des Angeklag-ten bei Begehung der Tat aus einem der in § 20 StGB bezeichneten Gründeerheblich vermindert war. Die versäumte Begutachtung wird der neu entschei-dende Tatrichter nachzuholen haben.Da Anhaltspunkte für eine Schuldunfähigkeit des Angeklagten zur [X.] nicht vorliegen, kann der Schuldspruch bestehen bleiben. Die [X.] jedoch neuer Verhandlung und Entscheidung.[X.] Kuckein [X.]: ja zu 1.[X.]St: nein zu [X.]: ja zu 1.StPO § 154 Abs. 2; § [X.] nach dem letzten Wort des Angeklagten und unmittelbar vor dem Ur-teil verkündeter Beschluß über die Teileinstellung des Verfahrens gemäß- 8 -§ 154 Abs. 2 StPO ist Teil der abschließenden Entscheidung des [X.]; dies gilt auch dann, wenn durch den [X.] über ei-nen das Verfahren insgesamt betreffenden [X.] mittelbarmitentschieden wird (im Anschluß an [X.], Urteil vom 21. Februar 1979 [X.]2 StR 473/78; Aufgabe von [X.] NStZ 1983, 469).[X.], Beschluß vom 27. März 2001 [X.] 4 StR 414/00 [X.] [X.]

Meta

4 StR 414/00

27.03.2001

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2001, Az. 4 StR 414/00 (REWIS RS 2001, 3060)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3060

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