Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2023, Az. 4 StR 274/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1378

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Gegenstand

Tateinheitliches Handeltreiben mit Betäubungsmittel


Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 10. März 2022 im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen sowie des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln schuldig ist.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in neun Fällen, wobei er in einem Fall Gegenstände mit sich führte, die zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind“, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.

2

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs und zum Wegfall einer [X.]; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Die Annahme rechtlich selbständiger Taten in den Fällen [X.]) [X.]) und [X.]) der Urteilsgründe hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand, weil sich die beiden Ausführungshandlungen teilweise überschneiden und die Taten deshalb im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) zueinander stehen.

4

a) Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte am 25. Juni 2021 zehn Kilogramm Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf von einem Lieferanten, wovon er etwa fünf Kilogramm an unbekannte Abnehmer verkaufte (Tat [X.]) [X.])). Am 2. Juli 2021 erwarb er weitere fünf Kilogramm Marihuana zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs, von denen er etwa zwei Kilogramm an unbekannte Abnehmer veräußerte (Tat [X.]) [X.])). Am 7. Juli 2021 lagerte der Angeklagte eine Restmenge von insgesamt 4.927,39 Gramm aus der Lieferung vom 25. Juni 2021 verpackt in insgesamt siebzehn Teilmengen zwischen vier und 1.249 Gramm u.a. in der von ihm bewohnten Wohnung, wobei er diese Betäubungsmittel im Wohnzimmer sowie weitere Teilmengen in anderen Räumlichkeiten seiner Wohnung verwahrte. Zudem lagerte er die Restmenge aus der Tat vom 2. Juli 2021 von insgesamt 2.977,93 Gramm Marihuana – verpackt in sechs Einzelmengen von jeweils ca. 500 Gramm – in einer im Wohnzimmer aufgefundenen Sporttasche.

5

b) Das [X.] hat bei der Annahme von Tatmehrheit nicht berücksichtigt, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit, zueinander dann in Tateinheit stehen, wenn sich ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen teilweise überschneiden (vgl. [X.], Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3 [X.], [X.], 42, 43; Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 [X.], [X.], 711, 712; Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 4 [X.], [X.], 119, 120). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, begründet der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit, wenn die Art und Weise der Besitzausübung wegen eines engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Juni 2020 – 6 [X.], juris Rn. 4; Beschluss vom 28. Mai 2018 – 3 [X.], [X.], 42, 43; Urteil vom 2. April 2015 – 3 [X.], juris Rn. 7). Bei der festgestellten Sachlage sind die Gesetzesverletzungen des Angeklagten durch dieselbe Handlung (§ 52 Abs. 1 StGB) begangen worden; es liegt somit nur eine Tat vor.

6

c) Der Senat hat den Schuldspruch dementsprechend selbst geändert (§ 354 Abs. 1 StPO entsprechend). § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

7

Zugleich war der Schuldspruch dahingehend zu berichtigen, dass der Zusatz „unerlaubt“ hinsichtlich sämtlicher abgeurteilter Delikte zu entfallen hatte, da Straftaten nach dem [X.] ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (vgl. [X.], Beschluss vom 23. März 2021 – 3 StR 19/21, [X.], 301 mwN). Zudem war die Tenorierung des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG entsprechend der [X.] neu zu fassen (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Januar 2022 – 6 StR 588/21, juris Rn. 2).

8

2. Die Schuldspruchänderung führt zum Wegfall der vom [X.] verhängten [X.] für die Tat [X.]) [X.]) von einem Jahr und drei Monaten. Die Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sieben Monaten bleibt hiervon unberührt und kann bestehen bleiben. Mit Blick auf die [X.] von fünf Jahren und sechs Monaten sowie Anzahl und Höhe der weiteren [X.]n ([X.] jeweils ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe, [X.] je zwei Jahre Freiheitsstrafe und eine weitere Freiheitsstrafe von einem Jahr) kann der Senat ausschließen, dass die [X.] bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung auf eine geringere Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte.

9

3. Der geringfügige Erfolg der Revision rechtfertigt es nicht, den Angeklagten von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten zu entlasten.

Bartel     

  

Rommel     

  

Maatsch

  

Scheuß     

  

Momsen-Pflanz     

  

Meta

4 StR 274/22

19.01.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 10. März 2022, Az: 21 KLs 18/21

§ 29 Abs 1 S 1 Nr 1 BtMG, § 29 Abs 1 S 1 Nr 3 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG, § 52 Abs 1 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.01.2023, Az. 4 StR 274/22 (REWIS RS 2023, 1378)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1378

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