LG Frankfurt, Urteil vom 03.09.2020, Az. 2-03 O 282/19

3. Zivilkammer | REWIS RS 2020, 4396

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Gegenstand

Kündigung eines Kontos in einem sozialen Netzwerk nach verweigerter Identitätsprüfung


Leitsatz

Der Betreiber eines sozialen Netzwerks kann nach seinen Bedingungen grund-sätzlich die Identität eines Nutzers prüfen. Fordert er den Nutzer hierzu auf und verweigert der Nutzer die Prüfung, kann der Betreiber den geschlossenen Vertrag kündigen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die [X.]en streiten um die Zulässigkeit der Löschung eines Profils auf der Plattform der [X.]n, Schadensersatz und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten.

Die [X.] betreibt die Webseite und das [X.] Netzwerk [X.]. Das [X.] Netzwerk wird von der Muttergesellschaft der [X.]n mit Sitz in [X.], [X.], betrieben. [X.]ür [X.] ist Anbieter und Vertragspartner der Nutzer von [X.] die [X.] mit Sitz in [X.], [X.]. Die Nutzung des [X.]n Netzwerkes [X.] erfolgt auf Grundlage einer einmaligen Anmeldung unter Angabe von Klardaten.

Die [X.] stellt den Nutzern Geschäftsbedingungen, die u.a. aus den Nutzungsbedingungen (Anlage K1) und den [X.]sstandards (Anlage [X.]) bestehen.

In Ziffer 1 dieser Nutzungsbedingungen heißt es u.a. :

„Wir bekämpfen schädliches Verhalten und schützen und unterstützen unsere [X.]:

Personen können nur dann [X.]en auf [X.] bilden, wenn sie sich sicher fühlen. Wir beschäftigen weltweit spezielle Teams und entwickeln fortschrittliche technische Systeme, um Missbrauch unserer Produkte, schädliches Verhalten gegenüber anderen und Situationen aufzudecken, in denen wir möglicherweise dazu beitragen können, unsere [X.] zu unterstützen und zu schützen. Wenn wir von derartigen Inhalten oder Verhaltensweisen erfahren, werden wir geeignete Maßnahmen ergreifen, z. B. indem wir Hilfe anbieten, Inhalte entfernen, den Zugriff auf bestimmte [X.]eatures sperren, ein Konto deaktivieren oder Kontakt mit den Strafverfolgungsbehörden aufnehmen. Wir teilen Daten mit anderen [X.]-Unternehmen, wenn wir Missbrauch oder schädliches Verhalten durch eine Person feststellen, die eines unserer Produkte nutzt.“

Ziffer 3 lautet u.a. (Hervorhebung hier):

3.1 Wer [X.] nutzen kann

Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist unsere [X.] sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen werden. Aus diesem Grund musst du [X.]olgendes tun:

•Denselben Namen verwenden, den du auch im täglichen Leben verwendest.

•Dein Passwort nicht weitergeben, anderen keinen Zugriff auf dein [X.]-Konto gewähren bzw. dein Konto nicht an jemand anderen übertragen (ohne unsere Zustimmung).

Wir versuchen, [X.] umfassend und für alle zur Verfügung zu stellen. Allerdings darfst du [X.] nicht nutzen, wenn [X.]olgendes zutrifft:

...

3.2 Was du auf [X.] teilen und tun kannst

Wir möchten, dass Personen [X.] nutzen, um sich auszudrücken und Inhalte zu teilen, die ihnen wichtig sind. Dies darf jedoch nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlergehens anderer oder der Integrität unserer [X.] erfolgen. Du stimmst deshalb zu, dich nicht an den nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen zu beteiligen (oder andere dabei zu fördern oder zu unterstützen):

1.Du darfst unsere Produkte nicht nutzen, um etwas zu tun oder zu teilen, auf das [X.]olgendes zutrifft:

•Es verstößt gegen diese Nutzungsbedingungen, unsere [X.]sstandards oder sonstige Nutzungsbedingungen und Richtlinien, die für deine Nutzung von [X.] gelten.

•Es ist rechtswidrig, irreführend, diskriminierend oder betrügerisch.

•Es verletzt die Rechte einer anderen Person oder verstößt dagegen, z. B. deren geistige Eigentumsrechte.

2.Du darfst keine [X.] oder schädlichen Code hochladen oder etwas tun, das die einwandfreie [X.]unktionsweise bzw. das Erscheinungsbild unserer Produkte unterbinden, überlasten oder beeinträchtigen könnte.

3.Du darfst (ohne unsere vorherige Zustimmung) nicht mittels automatisierter Methoden auf Daten unserer Produkte zugreifen, solche Daten erheben oder versuchen, auf Daten zuzugreifen, für die du keine Zugriffsberechtigung hast.

Wir können Inhalte, die gegen diese Bestimmungen verstoßen, entfernen oder blockieren.

Wenn wir einen von dir geteilten Inhalt wegen eines Verstoßes gegen unsere [X.]sstandards entfernen, werden wir dich entsprechend informieren und dir erläutern, welche Möglichkeiten du hast, eine weitere Überprüfung zu beantragen, es sei denn, du hast erheblich oder wiederholt gegen diese Nutzungsbedingungen verstoßen oder die Benachrichtigung unsererseits könnte für uns oder andere zu einer gesetzlichen Haftung führen, unserer [X.] schaden, die Integrität oder den Betrieb unserer Dienste, Systeme oder Produkte beeinträchtigen oder stören, oder wir werden aufgrund technischer Einschränkungen daran gehindert oder es ist uns aus rechtlichen Gründen untersagt.

Zur [X.]örderung unserer [X.] ermutigen wir dich zum Melden von Inhalten oder Verhaltensweisen, die deiner Ansicht nach gegen deine Rechte (u. a. geistige Eigentumsrechte) oder unsere Nutzungsbedingungen und Richtlinien verstoßen.

Ziffer 4.2 lautet (Hervorhebung hier):

2. Aussetzung oder Kündigung von Konten

Wir möchten, dass [X.] ein Ort ist, an dem sich Personen willkommen und sicher dabei fühlen, sich auszudrücken und ihre Gedanken und Ideen zu teilen.

Unser Recht auf Kündigung aus wichtigem Grund bleibt hiervon unberührt. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn eine [X.] gegen aus diesen Nutzungsbedingungen resultierenden Pflichten, Gesetze, Rechte Dritter oder Datenschutzrichtlinien verstößt, und der kündigenden [X.] unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und nach Abwägung der Interessen beider [X.]en die [X.]ortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Kündigungstermin oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist nur innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens nach Kenntniserlangung von dem Verstoß möglich.

Ist der wichtige Grund ein Verstoß gegen eine Pflicht dieser Nutzungsbedingungen, . Eine [X.]rist für die Abhilfe ist jedoch nicht erforderlich, wenn die andere Seite die Erfüllung ihrer Pflichten ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn nach Abwägung der Interessen beider [X.]en besondere Umstände eine sofortige Kündigung rechtfertigen.

Du kannst mehr dazu erfahren, was du tun kannst, wenn dein Konto deaktiviert worden ist, und wie du uns kontaktieren kannst, wenn wir nach deiner Meinung dein Konto irrtümlicherweise deaktiviert haben.

Wenn du dein Konto löschst oder wir es deaktivieren, enden diese Nutzungsbedingungen zwar als Vereinbarung zwischen dir und uns, aber folgende Bestimmungen bleiben weiterhin bestehen: 3.3.1, 4.2 bis 4.5.

Der Kläger meldete sich am [X.] als Nutzer des von der [X.]n angebotenen Dienstes an, wobei er die E-Mail-Adresse [email protected] verwendete.

Die [X.] versetzte das Konto des [X.] in den so genannten „[X.]ake-Account-Checkpoint“ und forderte den Kläger auf, die Echtheit seines Kontos, z.B. durch Vorlage einer Kopie seines Ausweises oder Bildes, oder durch Eingabe eines Bestätigungscodes von einem seiner Geräte zu bestätigen. Dem kam der Kläger nicht nach.

Am 09.03.2019 sperrte die [X.] das Konto des [X.] ohne Angabe von Gründen.

Der Kläger versuchte, die [X.] zur Wiederherstellung seines Kontos zu bewegen, jedoch erfolglos.

Am 25.03.2019 wandte sich der Kläger an seine hiesigen Prozessbevollmächtigten. Diese holten eine Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung für die außergerichtliche Tätigkeit ein, für die der Kläger Anwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 8.000 [X.] zuzüglich Pauschale und Umsatzsteuer, insgesamt 729,23 [X.], geltend macht. Der Kläger forderte die [X.] mit anwaltlichem Schreiben vom [X.] (Anlage [X.], [X.]. 122 d.A.) u.a. auf, die Sperre aufzuheben.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die [X.]en einen Vertrag über die Nutzung der Plattform der [X.]n geschlossen haben, bei dem es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit miet-, werk-, und dienstvertraglichen Elementen handele. Dieser habe Entgeltcharakter.

Die Nutzungsbedingungen der [X.]n seien im [X.]rühjahr 2018 nicht wirksam geändert worden.

Die Sperrung bzw. Deaktivierung eines Kontos der [X.]n ohne Vorliegen von Gründen sei zudem grundsätzlich rechtswidrig. Der [X.]n stehe kein ordentliches Kündigungsrecht zu. Aus Ziffer 4.1 und 4.2 der Nutzungsbedingungen lasse sich entnehmen, dass die [X.] lediglich ein außerordentliches Kündigungsrecht habe, wenn eine [X.] gegen ihre Pflichten verstoße. Nur der Nutzer könne gemäß Ziffer 4.1 der Nutzungsbedingungen ohne Angabe von Gründen jederzeit kündigen. Indem die [X.] das Konto des [X.] ohne Angabe von Gründen gelöscht habe, habe sie gegen ihre eigenen Nutzungsbedingungen verstoßen.

Die [X.] trage die Darlegungs- und Beweislast für den Grund einer außerordentlichen Kündigung. Die [X.] habe auch nicht das Recht gehabt, den Kläger zur Vorlage von Nachweisen zu zwingen.

Der Kläger könne dementsprechend Wiederherstellung verlangen. Dies umfasse auch die Wiederherstellung aller mit seinem Profil verknüpften Inhalte.

Der Schaden, der durch die Verweigerung der Nutzung des Netzwerkes entstanden sei, sei mit 50 [X.] pro Tag zu bemessen.

Der Kläger beantragt,

1. das am 08.03.2019 gelöschte Profil des [X.] (Anmelde-E-Mail: [email protected]) auf [X.] vollständig wiederherzustellen und insbesondere alle Verknüpfungen dieses Profils mit den Profilen anderer Nutzer, wie dies zum Löschungszeitpunkt bestand, wiederherzustellen; sowie dem Kläger Zugriff auf dieses Konto zu gewähren,

2. die [X.] zu verurteilen, an den Kläger Schadensersatz in Höhe von 1.500 [X.] zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2019 zu zahlen,

3. die [X.] zu verurteilen, den Kläger von Rechtsanwaltskosten

a. für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 691,33 [X.] und

b. für die Einholung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit in Höhe von 201,71 [X.] und

c. für die Einholung einer Deckungszusage für die Klage in Höhe von 729,23 [X.]

durch Zahlung an die Kanzlei ... freizustellen.

Die [X.] beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die [X.] behauptet, sie habe davon ausgehen dürfen, dass der Kläger ein gefälschtes Konto erstellt habe.

Die [X.] ist der Auffassung, dass ihr aus Ziffer 1, 3 und 4 der Nutzungsbedingungen ein Recht zur Deaktivierung der Konten ihrer Nutzer zustehe. Sie habe den Vertrag mit dem Kläger kündigen dürfen, weil er gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen habe. Er habe ein gefälschtes Konto angemeldet und insbesondere auf ihre Aufforderung hin keine Nachweise vorgelegt. Sie habe den Kläger auch zur Vorlage von Nachweisen auffordern dürfen. Sie habe ihm auch eine [X.]rist eingeräumt, in der er seine Identität habe nachweisen können, so dass eine Abhilfefrist im Sinne von Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen gesetzt worden sei. Die [X.] sei auch nicht verpflichtet, einem Nutzer einen Grund für die Deaktivierung seines Kontos mitzuteilen. Unter anderem sehe dies § 626 Abs. 2 S. 3 BGB nicht vor. Auch könne der Verstoß gegen eine solche Verpflichtung nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen, sondern nur zu einem Anspruch auf Auskunft über den Grund der Maßnahme.

Dem Kläger sei ein Schaden nicht entstanden. Der entsprechende Antrag sei auch unzulässig, da er nicht hinreichend bestimmt sei.

Die [X.] hat die Annahme der Zustellung zunächst wegen fehlender Übersetzung der Unterlagen verweigert ([X.]. 175 d.A.). Der Kläger hat sodann mit Schriftsatz vom 10.09.2019 den Erlass eines Versäumnisurteils beantragt. Vor Ergehen eines eventuellen Versäumnisurteils hat die [X.] mit Schriftsatz vom 16.09.2019 unter Aufrechterhaltung ihres Standpunkts, dass eine wirksame Zustellung nicht vorgelegen habe, ihre [X.] angezeigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den [X.]en gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

1

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

2

I.

3

Das [X.] ist international und örtlich zuständig. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit, so dass jedenfalls aufgrund rügeloser Einlassung gemäß Art. 26 Abs. 1 S. 1 der [X.] 1215/2012 von einer Zuständigkeit des angerufenen Gerichts auszugehen ist (vgl. auch [X.], 3178 Rn. 16).

4

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Freischaltung seines Profils (Antrag zu 1.). Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vetrag.

5

a. Die geltend gemachten Ansprüche sind gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2 der [X.] nach [X.] Recht zu beurteilen. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Darüber hinaus haben die Parteien in den Nutzungsbedingungen der [X.] die Geltung [X.] Rechts vereinbart (vgl. auch [X.], [X.]. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 18).

6

b. Im Grundsatz handelt es sich bei dem Vertrag zwischen einem Nutzer und der [X.] über die Nutzung des [X.] Netzwerks der [X.] um einen schuldrechtlichen Vertrag mit miet-, werk- und dienstvertraglichen Elementen ([X.], [X.]. v. 10.09.2018 – 2-03 O 310/18, [X.], 770; vgl. auch [X.] [X.] 2018, 286 Rn. 56 m.w.N.; OLG München NJW 2018, 3115). Gegenstand dieses Vertrages sind auch die von der [X.] gestellten Verhaltensregeln als [X.].

7

c. Der Prüfung der Vertragswidrigkeit des Verhaltens der [X.] unter Berücksichtigung und Abwägung der widerstreitenden Interessen [X.]. § 241 Abs. 2 BGB sind die Vertragsbedingungen zu Grunde zu legen, die seit dem Frühjahr 2018 von der [X.] gestellt werden. Entgegen der Auffassung des [X.] sind diese schon aus dem Grund wirksam vereinbart worden, dass der Kläger nach seinem Vortrag sich erst im März 2019 und damit unter den neuen Nutzungsbedingungen bei der [X.] angemeldet hatte.

8

d. Bei den Nutzungsbedingungen und den darin in Bezug genommenen Gemeinschaftsstandards handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB ([X.] NJW 2018, 3111; [X.], 35; [X.], [X.]. v. 31.05.2019 – 305 O 117/18, BeckRS 2019, 21755 Rn. 23).

9

e. Der Kläger kann auf dieser Basis nicht die Wiederherstellung seines Profils verlangen.

10

Im vorliegenden Fall kommt es nicht wesentlich darauf an, ob die Parteien hier um einen Kontrahierungszwang der [X.] oder um eine zulässige Kündigung des Nutzungsverhältnisses durch die Beklagte streiten.

11

Insoweit ist hier insbesondere der zeitliche Ablauf zu berücksichtigen. Nach dem klägerischen Vortrag in der Klageschrift wirkte es zunächst so, als ob der Kläger die Plattform der [X.] bereits seit längerer Zeit nutzte und die Beklagte sich ohne Angabe von Gründen plötzlich entschlossen habe, sein Profil zu löschen. Hierbei unterließ es der Kläger einerseits vorzutragen, dass er sich erst am [X.] bei der [X.] angemeldet hatte und dass die Beklagte unstreitig den Kläger aufgefordert hatte, Nachweise für seine Identität vorzulegen und er dem nicht nachgekommen war.

12

Hierbei ist auch unstreitig geblieben, dass die Nachfrage der [X.] beim Kläger im unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Anmeldung bei der [X.] erfolgte. Der Kläger meldete sich am [X.] an, die Beklagte versetzte sein Profil in einen „Fake-Account-Checkpoint“ und forderte ihn auf, Nachweise beizubringen. Nachdem der Kläger dem nicht nachkam, löschte die Beklagte sein Profil bereits am 09.03.2019.

13

aa.

14

In einer solchen Konstellation mag man davon ausgehen, dass der vorliegende Streit zwischen den Parteien sich nicht darum dreht, ob die Beklagte aufgrund eines bestimmten Verhaltens des [X.], z.B. einer nach den Nutzungsbedingungen der [X.] unzulässigen Äußerung, zur Löschung des Beitrags und Sperre bzw. Löschung seines Profils berechtigt war. Vielmehr könnte es vorliegend darum gehen, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch darauf hat, ohne eine Überprüfung seiner Identität gemäß den Nutzungsbedingungen der [X.] einen Vertrag mit der [X.] abschließen zu können, der diese verpflichtet, ihm ihre Dienstleistungen zur Verfügung zu stellen. [X.] des Rechtsstreits könnte dementsprechend sein, ob die [X.] einem Kontrahierungszwang obliegt.

15

Insoweit könnte man es als unschädlich erachten, dass die Beklagte ihre Überprüfung erst nach der Anmeldung des [X.] beim Dienst der [X.] durchführte und sein Profil anschließend löschte, anstatt den Kläger gar nicht erst vorher zu ihrer Plattform zuzulassen und einen Nutzungsvertrag nicht abzuschließen. Aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs könnte man dennoch von ausgehen, dass hier der quasi erstmalige Zugang zur Plattform der [X.] im Streit steht.

16

Die Beklagte unterliegt jedoch einem generellen Kontrahierungszwang nicht ([X.] NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; [X.], 426 Rn. 37; [X.], [X.]. v. 03.05.2020 – 2-03 O 411/20). Wenn der Kläger sich einer Mitwirkung grundlegend verweigert, kann die Beklagte nicht dazu verpflichtet sein, einen Nutzungsvertrag mit ihm abzuschließen.

17

Darauf kam es aber letztlich nicht an.

18

bb.

19

Selbst wenn man nicht davon ausgeht, dass ein Kontrahierungszwang der [X.] im Streit steht, sondern vielmehr die Frage, ob die Beklagte den Vertrag mit dem Kläger kündigen durfte, wäre diese Kündigung als wirksam anzusehen.

20

Insoweit kommt es wiederum nicht darauf an, ob die Beklagte nur ein außerordentliches Kündigungsrecht oder auch ein ordentliches Kündigungsrecht gemäß § 620 Abs. 2 BGB hatte, worauf Ziffer 4.2 Abs. 2 ihrer Nutzungsbedingungen hinweist, in der davon die Rede ist, dass das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grunde unberührt bleibe, woraus man schließen kann, dass es auch ein Recht auf ordentliche Kündigung geben soll.

21

Der [X.] stand hier jedoch auch ein Recht zur außerordentlichen Kündigung zu. Denn der Kläger hat gegen seine Pflichten aus dem Vertrag verstoßen. Ziffer 3.1 der Nutzungsbedingungen legt fest, dass der Nutzer verpflichtet ist, Informationen zu seiner Person vorzulegen. Dementsprechend muss es der [X.] auch möglich sein, solche Informationen in verhältnismäßigem Umfang überprüfen zu können (vgl. zur Durchsetzung der Nutzungsbedingungen eines Bewertungsportals [X.], [X.]. v. 26.06.2019 – 15 U 91/19, [X.]). Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich ein Vertragspartner über die Identität seines Gegenübers Gewissheit verschaffen darf. Nachdem die Beklagte hier den Kläger nicht persönlich kennt und Verträge mit ihm nur über das [X.] schließt, kann man davon ausgehen, dass sie andere Mittel wählen darf, um Kenntnis von der Identität ihres Vertragspartners zu erhalten. Es steht insoweit dem Kläger frei, den Dienst der [X.] nicht zu nutzen (vgl. [X.] NJW-RR 2020, 429 Rn. 4; [X.], 426 Rn. 37), wenn er seine Identität nicht offenlegen will.

22

Insoweit ist der Kammer bewusst, dass die Wahrung der Anonymität im [X.] durchaus wichtig sein kann und § 13 Abs. 6 TMG die anonyme Nutzung von Telemediendiensten vorsieht. Einerseits ist dem Nutzer beim Dienst der [X.] jedoch bekannt, dass er Informationen über seine Person angeben muss. Dies ist auch in den Nutzungsbedingungen so festgelegt. Ob der Kläger einem solchen Fall für sich in Anspruch nehmen, in Anonymität zu verbleiben, obwohl sich die Beklagte entschlossen hat, dass sie ihm gegenüber ihre Nutzungsbedingungen zur Anwendung bringt, kann letztlich offenbleiben. Darüber hinaus steht es dem Kläger steht letztlich frei, andere [X.] Netzwerke zu nutzen, die auf die Offenlegung der Identität verzichten, wenn er diese Anforderungen nicht erfüllen will.

23

Denn die Beklagte hat insoweit hier dem Kläger verschiedene Möglichkeiten angeboten, um seine Identität nachzuweisen bzw. zu belegen, dass der neu angelegte Account kein „Fake-Account“ ist. Die Beklagte hat – anders als es der Kläger darstellt – nicht kategorisch die Vorlage eines Personalausweises verlangt, sondern auch die Vorlage eines Bildes oder ähnlichem als ausreichend erachtet. Nach dem unstreitig gebliebenen Vortrag der [X.] hätte es hierfür sogar ausgereicht, wenn der Kläger einen Bestätigungscode von einem seiner Geräte übermittelt, was nicht zwingend die Offenlegung seiner Identität nach sich gezogen hätte.

24

Hier hat sich die Beklagte dazu entschlossen, die Identität des [X.] zu überprüfen und hat ihn aufgefordert, Nachweise beizubringen.

25

Auf die Frage, ob die Beklagte insoweit eine Klarnamenpflicht wirksam mit dem Kläger vereinbart hat oder nicht und ob sie diese durchsetzen konnte, kam es vorliegend nicht an. Denn es ist bereits unklar, ob der Kläger überhaupt einen Klarnamen verwendet hat oder nicht, da er den von ihm gewünschten Nutzernamen auf der Plattform der [X.] nicht angegeben hat. Die von ihm angegebene E-Mail-Adresse hat jedenfalls mit seinem Namen nichts zu tun.

26

Nachdem der Kläger sich einer weiteren Überprüfung verweigert hatte, durfte die Beklagte in Abwägung der widerstreitenden wegen einer Verletzung der Nutzungsbedingungen gemäß Ziffer 3.1 den Vertrag auch außerordentlich kündigen, da der Kläger seine Mitwirkungspflichten aus den Nutzungsbedingungen bzw. als Nebenpflicht aus dem Vertrag verletzt hatte.

27

Soweit Ziffer 4.2 der Nutzungsbedingungen eine Abhilfefrist bzw. Abmahnung verlangt, wurde diese gewährt, indem der Kläger aufgefordert wurde, binnen gesetzter Frist Nachweise beizubringen. Er ist dem jedoch nicht nachgekommen.

28

Auch mit dem Argument des Klägervertreters im Termin zur mündlichen Verhandlung, dass § 13 Abs. 6 TMG eine Klarnamenpflicht untersage, dringt der Kläger nicht durch. Insoweit ist bereits fraglich, ob § 13 Abs. 6 TMG nach Geltungserlangung der [X.] noch Wirkung entfaltet. Vorliegend geht es aber nach dem Vortrag der Parteien nicht um eine Durchsetzung der Klarnamenpflicht. So hat der Kläger schon nicht vorgetragen, sich nicht mit seinem Klarnamen angemeldet zu haben, sondern hat nur eine E-Mail-Adresse angegeben. Darüber hinaus hat die Beklagte dargetan, dass sie zur Überprüfung seiner Identität einerseits die Übermittlung eines Bildes (ohne Namen) oder sogar das Senden eines Bestätigungscodes von einem seiner Geräte akzeptiert hätte, so dass der Kläger im Ergebnis zur Offenlegung seines Namens nicht verpflichtet war.

29

Auch wenn die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger sich unter einem anderen Namen oder (ggf. in Übereinstimmung mit § 13 Abs. 6 TMG) unter einem Pseudonym angemeldet hat, hat die Beklagte nicht verlangt, dass der Kläger sein Profil mit seinem eigenen Namen bezeichnet, sondern nur, dass er diesen der [X.] gegenüber offenlegt.

30

2. Mangels Pflichtverletzung der [X.] scheidet ein Schadensersatzanspruch des [X.] aus (Antrag zu 2.), wobei dahinstehen kann, ob dem Kläger ein solcher überhaupt und generell zustehen würde (vgl. ablehnend für den Fall der zeitweisen Sperre des Nutzerskontos [X.], [X.]. v. 05.03.2020 – 2-03 O 427/18).

31

3. Mangels Hauptanspruchs bestehen auch keine Ansprüche auf Ersatz von außergerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu 3.).

32

4. [X.] beruht auf § 91 ZPO, da der Kläger voll unterlegen ist.

33

5. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

34

6. Dem Kläger war auf den Schriftsatz der [X.]vertreter vom 26.08.2020 kein [X.] zu gewähren. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Kläger auf den Schriftsatz des [X.], der überwiegend [X.] enthielt und nur wenige Seiten lang war, nicht in der mündlichen Verhandlung einlassen konnte. Insbesondere ist die Wochenfrist des § 132 Abs. 1 ZPO eingehalten.


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Meta

2-03 O 282/19

03.09.2020

LG Frankfurt 3. Zivilkammer

Urteil

Sachgebiet: O

Zitier­vorschlag: LG Frankfurt, Urteil vom 03.09.2020, Az. 2-03 O 282/19 (REWIS RS 2020, 4396)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 4396

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