Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2005, Az. VII ZB 21/05

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 1526

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[X.][X.]/05
vom 4. Oktober 2005 in der Zwangsvollstreckungssache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein

ZPO § 798 a; BGB § 1612 a § 798 a ZPO ist nur auf solche Vollstreckungstitel anwendbar, die Unterhaltsansprü-che im Sinne von §1612 a BGB in der seit 1. Juli 1998 geltenden Fassung feststellen oder die gemäß Art. 5 § 3 [X.] auf das seit 1. Juli 1998 geltende Recht umgestellt worden sind.

[X.], Beschluss vom 4. Oktober 2005 - [X.] - [X.]

[X.]

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 4. Oktober 2005 durch [X.], [X.] Kuffer, [X.], die Richterin-nen Dr. Kessal-Wulf und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners werden der Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 1. Oktober 2004, der Beschluss des [X.] vom 15. September 2004 und der Pfändungs- und Überweisungsbe-schluss des [X.] vom 2. August 2004 aufgeho-ben. Der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses wird zurückgewiesen. Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens. [X.]: 2.400 •.

Gründe: [X.] Der Schuldner ist dem am 8. April 1985 geborenen Gläubiger, seinem nichtehelichen [X.], zum Unterhalt verpflichtet. Er ist nach dem Endurteil des [X.] vom 8. November 1989 u.a. verpflichtet, an den [X.] "ab April 1989 [X.] zuzüglich eines Zuschlags von 90 % des [X.] - 3 - [X.] zu bezahlen". Mit Beschluss des [X.] vom 11. Juni 1996 wurde der monatlich zu zahlende [X.] für die [X.] vom 8. April 1997 bis zum 7. April 2003 auf 844 DM festgesetzt. Unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des [X.] vom 8. November 1989 hat der Gläubiger am 23. Juli 2004 den Erlass eines [X.] und Überweisungsbeschlusses wegen einer Hauptforderung von 2.400 • beantragt, die Unterhaltsansprüche nach Eintritt der Volljährigkeit [X.]. Der Rechtspfleger hat den Beschluss erlassen. Die dagegen eingelegte Erinnerung des Schuldners hat der [X.] verworfen. Das Be-schwerdegericht hat die sofortige Beschwerde des Schuldners zurückgewiesen. Dieser begehrt mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-schwerde weiterhin die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbe-schlusses. I[X.] Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Ent-scheidungen des Land- und Amtsgerichts und zur Abweisung des Antrags des Gläubigers auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. 1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Gläubiger könne nach wie vor auf der Grundlage des [X.] vom 8. November 1989 und des [X.] vom 11. Juni 1996 die Vollstreckung betreiben. Beide Entscheidun-gen beruhten zwar noch auf dem inzwischen aufgehobenen § 1615 f BGB und der [X.]sverordnung vom 27. Juni 1970, beträfen nunmehr jedoch einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1612 a BGB in der seit 1. Juli 1998 2 3 4 - 4 - geltenden Fassung. Gemäß § 798 a ZPO könne der Schuldner nicht einwen-den, dass Minderjährigkeit nicht mehr bestehe. 2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Gläubiger kann weder aus dem Endurteil vom 8. November 1989 noch aus dem Beschluss vom 11. Juni 1996 die Zwangsvollstreckung betreiben. a) Nach dem bis zum 30. Juni 1998 geltenden Unterhaltsrecht für nicht-eheliche Kinder war der Vater verpflichtet, bis zur Vollendung des 18. Lebens-jahrs mindestens den [X.] zu zahlen; der der Berechnung zugrunde zu legende Regelbedarf wurde durch die [X.]sverordnung ([X.] I 1970 S. 1010) festgesetzt, § 1615 f BGB. Das Kind konnte, anstatt die [X.] zur Zahlung eines bestimmten Betrags als Individualunterhalt zu begehren, Klage auf Leistung des [X.]s erheben, § 642 ZPO a.F. Das nur allgemein auf Zahlung des [X.]s lautende Urteil wurde erst durch die in einem gesonderten Verfahren erfolgende betragsmäßige Festset-zung des [X.]s ausgefüllt, § 642 a ZPO a.F. Durch diese Typisierung und Standardisierung des Unterhalts (vgl. [X.]/[X.] [1997] § 1615 f, Rdn. 4, 7) hatte das Kind eine einfache und rasche Möglichkeit, sich einen Unterhaltstitel zu verschaffen. Dieser konnte in einem gegenüber der [X.] nach § 323 ZPO vereinfachten Verfahren geänderten Preis- und Lebensverhältnissen angepasst werden, § 642 b ZPO a.F. Diese Form der Unterhaltsleistung war vom Gesetzgeber bis zur Vollendung des 18. Lebens-jahrs des Kindes begrenzt worden (vgl. [X.]/[X.] [X.]O, Rdn. 7, 11). Demgemäß setzte die [X.]sverordnung die einzelnen Regelbe-darfssätze nur bis zum vollendeten 18. Lebensjahr fest. Nach diesem [X.]punkt erlosch der Anspruch des Kindes auf [X.]; der Vater schuldete aber noch Individualunterhalt nach den Regeln über den Verwandtenunterhalt ([X.] 6 - 5 - dinger/[X.] [X.]O, Rdn. 13; [X.]/Wax, Unterhaltsrecht, 6. Aufl. 1994, Rdn. 877). b) Danach hätte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss schon [X.] nicht erlassen werden dürfen, weil das vom Gläubiger vorgelegte Endurteil vom 8. November 1989 trotz der erteilten Vollstreckungsklausel keine Grundla-ge für eine Zwangsvollstreckung sein kann. [X.]) Im Zwangsvollstreckungsverfahren ist von Amts wegen zu prüfen, ob die mit der Vollstreckungsklausel versehene Urkunde einen vollstreckbaren [X.] darstellt. Die Klausel kann den fehlenden vollstreckbaren Inhalt eines Titels nicht ersetzen ([X.]/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 724 Rdn. 14). [X.]) Das Endurteil vom 8. November 1989 ist kein vollstreckbarer Titel. Es verpflichtet den Schuldner, [X.] zu zahlen. Es handelt sich um einen Rahmentitel, der erst durch den Beschluss über die Betragsfestsetzung nach § 642 a ZPO a.F. ausgefüllt wird. Erst aus diesem Beschluss ist die Zwangs-vollstreckung möglich (§ 794 a ZPO a. und n.F.; [X.]/[X.], ZPO, 20. Aufl., § 642 Rdn. 9; [X.]/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 794 Rdn. 19). Er und nicht das vorangegangene Urteil ist mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ([X.], ZPO, 21. Aufl., § 642 a Rdn. 8; Musielak/[X.], ZPO, 4. Aufl., § 794 Rdn. 43). c) Der Gläubiger ist vor Zurückweisung seines Antrags grundsätzlich auf Mängel des Titels hinzuweisen ([X.]/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 724 Rdn. 14). Es bestand jedoch kein Anlass, deshalb die Sache an das [X.] und dem Gläubiger Gelegenheit zu geben, eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses vom 11. Juni 1996 nachzureichen. Denn dieser Beschluss ist kein tauglicher Vollstreckungstitel für Unterhaltsansprüche des Gläubigers, die nach Eintritt seiner Volljährigkeit am 8. April 2003 fällig [X.] 8 9 10 - 6 - den sind. Insbesondere kann der Gläubiger aus § 798 a ZPO nichts zu seinen Gunsten herleiten. [X.]) Durch das [X.] vom 6. April 1998 ([X.] I S. 666) wurden mit Wirkung zum 1. Juli 1998 § 1615 f BGB aufgehoben und das vereinfachte Ver-fahren zur Festsetzung des [X.]s für nichteheliche minderjährige [X.] nach §§ 642 ff ZPO a.F. abgeschafft. Stattdessen wurde durch die Neufas-sung des § 1612 a BGB allen minderjährigen Kindern die Möglichkeit eröffnet, den Unterhalt als Prozentsatz des [X.] nach der [X.]verord-nung zu verlangen. Die [X.] werden jeweils für drei Lebensaltersstu-fen festgesetzt, § 1612 a Abs. 3 BGB. Die dritte Altersstufe beginnt mit dem 13. Lebensjahr, eine Begrenzung bis zum Eintritt der Volljährigkeit sieht das Gesetz nicht vor. Der Unterhalt ist dynamisiert. Er wird gemäß § 1612 a Abs. 4 BGB in zweijährigem Rhythmus der Entwicklung des durchschnittlich verfügba-ren Arbeitsentgelts angepasst. Für seine Festsetzung stellen die §§ 645 ff ZPO bis zu einer bestimmten Höhe ein vereinfachtes Verfahren zur Verfügung. Der ebenfalls neu gefasste § 798 a ZPO bestimmt nunmehr, dass der nach Eintritt der Volljährigkeit noch zum Unterhalt Verpflichtete gegenüber einem titulierten Anspruch auf Unterhalt im Sinne des § 1612 a BGB nicht einwenden kann, dass Minderjährigkeit nicht mehr besteht. Der gemäß Art. 8 Abs. 2 [X.] bis zum 30. Juni 2003 befristete Art. 5 § 3 [X.] sah als Übergangsregelung vor, dass Schuldtitel über Unterhaltsleistungen nach dem vor dem 1. Juli 1998 [X.] Recht auf Antrag in dynamisierte Unterhaltstitel umgestellt, also dahin abgeändert werden konnten, dass die Unterhaltsrente entsprechend der [X.] festgesetzt wurde. [X.]) Aus dieser Systematik des [X.] folgt, dass der Gläubiger für [X.] nach dem 18. Lebensjahr nicht mehr aus dem den [X.] nach 11 12 - 7 - § 1615 f BGB festsetzenden Beschluss vom 11. Juni 1996 vollstrecken und sich auch nicht auf § 798 a ZPO berufen kann. (1) In diesem Beschluss ist der an den Gläubiger zu leistende Unterhalt nur bis zum [X.]punkt des Eintritts der Volljährigkeit festgesetzt. Eine darüber hinausgehende Festsetzung war im Verfahren nach § 642 ZPO a.F. nicht mög-lich. [X.] Unterhalt hätte der Gläubiger nach damaligem Recht nur als Individualunterhalt durch eine bezifferte Leistungsklage geltend machen können (vgl. oben a). (2) Anders als die [X.]sverordnung enthält § 1612 a Abs. 3 BGB hinsichtlich der dritten Altersstufe keine Begrenzung bis zur Volljährigkeit des Kindes. Damit soll das minderjährige Kind in die Lage versetzt werden, den Unterhalt nach § 1612 a BGB auch über den [X.]punkt der Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus geltend zu machen und einen unbefristet tenorierten Titel zu erlangen. Es soll nicht gezwungen sein, sich nach Eintritt der Volljährig-keit einen neuen Titel beschaffen zu müssen (vgl. Begründung zum Gesetzent-wurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 13/7338 S. 23). § 798 a ZPO korrespondiert mit dieser neu geschaffenen Möglichkeit der zeitlich nach oben offenen Tenorierung. Er soll die Zwangsvollstreckung aus einem Titel über Unterhalt im Sinne des § 1612 a BGB, der über das 18. Lebensjahr fortwirkt, erleichtern ([X.]/Stöber, ZPO 25. Aufl., § 798 a Rdn. 1 und 2). Mit diesem Gesetzeszweck ist es nicht vereinbar, § 798 a ZPO auf nach altem Recht ergangene Titel anzuwenden. (3) Schließlich folgt auch aus der Übergangsvorschrift des Art. 5 § 3 [X.], dass die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss vom 11. Juni 1996 nicht mehr möglich ist. 13 14 15 16 - 8 - Der Gesetzgeber hatte ein besonderes gerichtliches Verfahren vorgese-hen, in dem auf Antrag [X.] auf das neue Recht umgestellt werden konnten. Die Unterhaltsleistung konnte für die jeweiligen Altersstufen in Prozentsätze entsprechend der [X.]verordnung umgerechnet werden. Die [X.] konnten dabei nicht nur hinsichtlich der Dynamisierung, sondern auch bezüglich der Laufzeit dem neuen Recht angepasst werden (vgl. [X.], [X.], 659). Daraus folgt, dass ohne die Durchführung dieses Verfahrens [X.] nicht so behandelt werden können, als wären sie auf der Grundlage des neuen Rechts ergangen. Der Gläubiger hat einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. Der [X.] vom 11. Juni 1996 ist deshalb weder hinsichtlich der Dynamisierung 17 18 19 - 9 - noch hinsichtlich der zeitlichen Begrenzung an das neue Recht angepasst [X.]. Er ist kein tauglicher Vollstreckungstitel mehr. Für die Anwendung des § 798 a ZPO ist kein Raum. Dressler Kuffer
[X.]

Kessal-Wulf

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 02.08.2004 - 1 M 2997/04 - [X.], Entscheidung vom 01.10.2004 - 7 T 534/04 -

Meta

VII ZB 21/05

04.10.2005

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.10.2005, Az. VII ZB 21/05 (REWIS RS 2005, 1526)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 1526

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