Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2004, Az. XII ZR 123/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 4194

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:10. März 2004Küpferle,[X.] Geschäftsstellein der [X.]:[X.]:jaBGHR: [X.] §§ 1613 Abs. 2 Nr. 2 a, 1607 Abs. 1; BGB § 1615 d a.[X.]Unterhalt für die Vergangenheit vor Anerkenntnis oder Feststellung der Vater-schaft kann das Kind gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB - anders als nach§ 1615 [X.] - auch von ersatzweise haftenden Verwandten des nicht mitder Mutter verheirateten leistungsunfähigen [X.] verlangen. Dies gilt [X.] bereits für [X.]räume vor Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. Juli 1998.BGH, Urteil vom 10. März 2004 - [X.]/01 -OLGKarlsruheAG[X.]- 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und die [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. März 2001 im Kosten-punkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Beklagtenfür die [X.] bis einschließlich Juni 1998 zurückgewiesen wordenist.Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts- Familiengericht - [X.] vom 7. April 2000 - 33 F 4/00 - ab-geändert und wie folgt neu gefaßt:Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.533,88 DM)nebst 4 % Zinsen seit dem 22. Februar 2000 zu zahlen.Im übrigen wird die Klage abgewiesen.Die weitergehenden Rechtsmittel des Beklagten werden zurück-gewiesen.Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 78 % [X.] Beklagte 22 %.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Für die am 8. Januar 1995 geborene Klägerin zahlt der Beklagte, [X.], seit dem 1. Juli 1999 freiwillig monatlich 250 DM Unterhalt. Mit [X.] Klage nimmt die Klägerin ihn auf rückständigen Unterhalt für die[X.] von Januar 1995 bis Juni 1999 in Höhe von (54 x 250 DM =) 13.500 DMnebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch.Durch Urteil des [X.] vom 26. April 1999, das seit [X.] Juni 1999 rechtskräftig ist, wurde festgestellt, daß der [X.] des [X.] Vater der Klägerin ist. Zugleich wurde der [X.] des Beklagten zur [X.] ab 8. Januar 1995 verurteilt. Zahlungen leistete er nicht.Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsge-richts, die sich das Berufungsgericht zu eigen gemacht hat, ist er wegen einerschweren Erkrankung jedenfalls für die [X.] ab März 1998 zur Unterhaltslei-stung nicht in der Lage.Sonstige leistungsfähige Verwandte sind nicht vorhanden. Die Höhe desgeltend gemachten Unterhalts und die Leistungsfähigkeit des Beklagten stehenzwischen den Parteien außer Streit.Der Beklagte ist am 22. Juni 1999 zum 1. Juli 1999 gemahnt worden. [X.] behauptet, ihre Mutter habe den Beklagten schon im Mai 1997 auf [X.] Zahlungspflicht für den Fall hingewiesen, daß der Kindesvater keinen [X.] zahle.Das Amtsgericht gab der Klage statt, das [X.] wies die Be-rufung des Beklagten zurück. Dagegen richtet sich dessen zugelassene [X.], mit der er seinen Antrag auf Abweisung der Klage [X.] 4 -Entscheidungsgründe:Die Revision hat Erfolg, soweit der Beklagte zu Unterhaltszahlungen fürdie [X.] vor dem 1. Juli 1998 verurteilt worden ist, und führt insoweit zur Abwei-sung der Klage. Im übrigen hat sie keinen Erfolg.1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Beklagte [X.] der [X.] nach § 1607 Abs. 1 BGB, zumindest aber nach § 1607Abs. 2 BGB, seiner Enkelin gegenüber unterhaltspflichtig ist. Dies greift auchdie Revision nicht [X.] Im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung [X.], gemäß § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB hafte der Beklagte auchohne Verzug für in der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume.a) § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB ist durch Art. 1 Nr. 12 des [X.] vom 6. April 1998 ([X.] I S. 666), in [X.] getreten am [X.], neu gefaßt worden und ist an die Stelle des früheren § 1615 d BGB ge-treten, hat diese Regelung aber zugleich erweitert.b) Nach § 1615 [X.] konnte das Kind "von seinem Vater [X.]sbeträge, die fällig geworden sind, bevor die [X.]chaft anerkannt oderrechtskräftig festgestellt war, auch für die Vergangenheit verlangen". Diese [X.] stellte eine Ausnahme gegenüber dem allgemeinen, in § 1613 Abs. 1BGB a.[X.] normierten Grundsatz "in praeteritum non vivitur" dar, demzufolge [X.] Unterhalt für die Vergangenheit nur von der [X.] an fordern konnte,zu welcher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruchrechtshängig geworden war.Entsprechend dem Wortlaut dieser Vorschrift galt die Ausnahme des§ 1615 [X.] nach herrschender Auffassung lediglich für den [X.] -anspruch des Kindes gegen seinen Vater (vgl. [X.]/[X.] BGB 9. Aufl.§ 1615 d [X.]. 4 m.N.; Soergel/[X.] BGB 12. Aufl. § 1615 d [X.]. 5; [X.]/[X.] 3. Aufl. § 1615 d [X.]. 1; [X.]/[X.] § 1615 d [X.]. 2).Die entgegenstehende Auffassung von [X.] (Familienrecht 3. Aufl. § 59IV [X.]. 1) und [X.] ([X.]/[X.] BGB [1997] § 1615 d[X.]. 16), derzufolge § 1615 [X.] auf alle väterlichen Verwandten zuerstrecken sei, weil der Normzweck der Vorschrift in deren Wortlaut nur [X.] zum Ausdruck gelange, hatte sich nicht durchsetzen können.c) § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB hat diese Beschränkung auf [X.] gegen den Vater nicht übernommen. Da der Meinungsstreit, ob§ 1615 [X.] auch Ansprüche gegen die nach § 1607 Abs. 1 und 2 [X.] haftenden Verwandten erfaßt, dem Gesetzgeber im [X.]punkt [X.] bekannt war, ist aus dem Fortfall der Beschränkung zu schließen,daß jedenfalls nunmehr auch diese Ansprüche erfaßt werden sollten (vgl. [X.]/[X.] BGB [2000] § 1613 [X.]. 95; [X.]/[X.]/[X.]. [X.]. 207). Dies ergibt sich auch aus der amtlichen Begründungdes Regierungsentwurfs (BT-Drucks. 13/7338 S. 31). Danach sollen unter dieneue Vorschrift alle bisher von § 1615 [X.] erfaßten Sachverhalte fallen;zugleich sollte die neue Vorschrift aber die Voraussetzung des Verzuges oderder Rechtshängigkeit "generell" erübrigen, um Unterhaltsansprüche in [X.] oder tatsächlicher Verhinderung an der Geltendmachung aufrecht-zuerhalten.Der entgegenstehenden Auffassung von [X.] ([X.]/[X.]BGB 10. Aufl. § 1613 [X.]. 19), der § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB weiterhin aufden Anwendungsbereich des § 1615 [X.] beschränken will, vermag [X.] daher trotz durchaus gewichtiger Argumente (aaO [X.]. 17) letztlich [X.] 6 -3. Mit Erfolg rügt die Revision allerdings die Auffassung des Berufungs-gerichts, mangels einschränkender Übergangsbestimmungen gelte § 1613Abs. 2 Nr. 2 a BGB auch rückwirkend für den vorliegenden Streitfall.Richtig ist zwar, daß die Sperre des § 1600 d Abs. 4 BGB = § 1600 aSatz 2 BGB a.[X.], nach der die Rechtswirkungen der [X.]chaft grundsätzlicherst vom [X.]punkt der Feststellung der [X.]chaft an geltend gemacht [X.], nach bisherigem Recht und abweichend vom Grundsatz des § 1613Abs. 1 BGB durch § 1615 [X.] mit Feststellung der [X.]chaft rückwir-kend auf den [X.]punkt der Geburt des Kindes entfiel, und daß diese Rückwir-kung, die bisher nur den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Vater er-faßte, nunmehr nach § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a BGB auch auf Unterhaltsansprüchegegen ersatzweise haftende Verwandte erweitert worden ist.Dies bedeutet aber nicht, daß ein Berechtigter, der aus rechtlichen Grün-den (hier: bis zur Feststellung der [X.]chaft) gehindert war, seinen mit [X.] entstandenen Unterhaltsanspruch gegen einen ersatzweise haftendenVerwandten seines [X.] geltend zu machen, nunmehr nach § 1613 Abs. 2Nr. 2 a BGB Unterhalt auch für diejenigen in der Vergangenheit liegenden [X.]-räume nachfordern kann, die vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am [X.] ([X.]. 1 Nr. 12, 8 Abs. 1 Satz 2 [X.]) liegen.Zwar enthält das Kindesunterhaltsgesetz keine besonderen Übergangs-vorschriften, denen sich eine zeitliche Begrenzung der in § 1613 Abs. 2 Nr. 2 [X.] normierten Regelung entnehmen ließe. Auszugehen ist daher von [X.], daß auf Unterhalt für [X.]en vor Inkrafttreten einer gesetzlichenNeuregelung das bisherige Recht anwendbar bleibt, sofern das [X.] trifft (vgl. Senatsurteil vom 17. Dezember1997 - [X.] - FamRZ 1998, 426, 427 unter 2 d). Die Auslegung des [X.] 7 -8 Abs. 1 Satz 2 [X.], derzufolge die neue Regelung des § 1613 Abs. 2Nr. 2 a BGB am 1. Juli 1998 in [X.] tritt, ergibt jedenfalls, daß die Erstreckungder Regelung auf ersatzweise haftende Verwandte Unterhaltsansprüche für[X.]räume, die vor Inkrafttreten dieser Vorschrift liegen, nicht betrifft (für § 1613Abs. 2 Nr. 2 b BGB offen gelassen von OLG Bremen FamRZ 2000, 256). [X.] kann nicht angenommen werden, daß das Gesetz sich eine mit dem Rechts-staatsgebot des Art. 20 GG unvereinbare echte Rückwirkung zulegen wollte,indem es nachträglich in Tatbestände eingreift, die in der Vergangenheit [X.] abgeschlossen sind.Die vor Inkrafttreten des Gesetzes bestehende Rechtslage war zwar hin-sichtlich des Geltungsbereichs des § 1615 [X.] nicht unumstritten, aberkeineswegs "undurchsichtig" und "verworren", so daß erst die Neuregelung [X.] herbeiführt hätte; die Rechtsänderung ist auch nicht schon lange [X.]zuvor in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden. Eine echte Rückwirkung istaber nur zulässig, wenn der Bürger kein Vertrauen in den Bestand der [X.] haben konnte (vgl. [X.] FamRZ 1965, 308, 311).Bis zur Änderung des § 1615 [X.] mit Wirkung zum 1. Juli 1998durfte der Beklagte als ersatzweise haftender Verwandter des [X.] vertrauen, von der Klägerin auf Unterhalt für die Vergangenheit auchdann nicht in Anspruch genommen werden zu können, wenn die [X.]chaftseines [X.]es festgestellt würde. Abweichend vom Schuldrecht, wo eine späteGeltendmachung der Forderung allenfalls ein Gegenrecht (Verjährung, Verwir-kung) begründen kann, erlischt der Unterhaltsanspruch, wenn der Gläubigernicht besondere rechtswahrende Handlungen vorgenommen hat (vgl. Senats-urteil vom 9. Mai 1984 - [X.] - FamRZ 1984, 775, 776 sub. 2 a, 777sub. 4; [X.], 1, 7; [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 1613[X.]. 1) oder das Gesetz diese ausnahmsweise - wie in § 1615 [X.] dem- 8 -Kindesvater gegenüber - entbehrlich macht. Nach der bis zum 1. Juli 1998 gel-tenden Rechtslage waren die bis dahin entstandenen Unterhaltsansprüche derKlägerin gegen ihn daher nicht nur nicht durchsetzbar, sondern erloschen.Wollte man davon ausgehen, die Neufassung des § 1613 Abs. 2 Nr. 2 a [X.] bereits erloschene Unterhaltsansprüche gegen ihn für die Vergangenheitwieder aufleben lassen wollen, wäre dies eine echte Rückwirkung.Dem Ergebnis, daß der Beklagte der Klägerin somit für die [X.] vor [X.] Juli 1998 keinen Unterhalt schuldet, steht auch nicht entgegen, daß die Klä-gerin geltend macht, den Beklagten bereits im Mai 1997 gemahnt zu haben.Abgesehen davon, daß der bloße Hinweis auf dessen Zahlungspflicht für denFall, daß der Kindesvater keinen Unterhalt zahle, den Anforderungen an eineInverzugsetzung im Sinne des § 1613 Abs. 1 BGB nicht entspricht, konnte einevor Feststellung der [X.]chaft des [X.]es des Beklagten ausgesprocheneMahnung dessen Verzug nicht herbeiführen (§ 1600 a BGB a.[X.], vgl. Senats-urteil BGHZ 103, 160, 167 m.N.).4. Die Revision zieht die Aktivlegitimation der Klägerin für die [X.] von ih-rer Geburt bis zum 12. März 1998 mit der Begründung in Zweifel, das [X.] habe den Vortrag des Beklagten übergegangen, daß der [X.] Kindesmutter der Klägerin in dieser [X.] Unterhalt gezahlt haben "soll", sodaß Unterhaltsansprüche für diese [X.] gemäß § 1615 b Abs. 1 Satz 1 BGBa.[X.] auf ihn übergegangen seien.Da Unterhaltsansprüche für die [X.] vor dem 1. Juli 1998 nicht bestehen,kommt es darauf nicht mehr an.Aus den gleichen Gründen kann dahinstehen, ob der Kindesvater erst ab13. März 1998 leistungsunfähig war, wie dem im Berufungsurteil (allein) zitier-ten Abänderungsurteil des [X.] vom 8. Dezember 1999 zu [X.] -nehmen ist, oder ob auf entsprechenden Hinweis sowohl der Revisionsbegrün-dung als auch der Revisionserwiderung in der Revisionsinstanz zu [X.] ist, daß das [X.] Koblenz dieses Urteil auf die Berufung [X.] dahin abgeändert hat, daß dieser von Anfang an leistungsunfähigwar.5. Soweit der Beklagte für die [X.] vom 1. Juli 1998 bis 30. Juni 1999 zurZahlung von Unterhalt verurteilt worden ist und das Berufungsgericht das [X.] von [X.] im Sinne des § 1613 Abs. 3 Satz 1 BGB verneint hat,begegnet dies - insbesondere angesichts der Höhe des nunmehr noch [X.] Betrages - keinen durchgreifenden Bedenken. Auch die [X.] insoweit nichts.HahneSprick[X.][X.]Dose

Meta

XII ZR 123/01

10.03.2004

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.03.2004, Az. XII ZR 123/01 (REWIS RS 2004, 4194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 4194

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