Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2023, Az. IV ZB 3/23

4. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 5113

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Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des [X.] - 19. Zivilsenat - vom 3. Januar 2023 wird auf seine Kosten verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf bis 500 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Das [X.] hat den im Wege einer Stufenklage in Anspruch genommenen Beklagten verurteilt, Auskunft darüber zu erteilen, welche Unterlagen er im Rahmen der Ausübung seines Amtes als Testamentsvollstrecker "erhalten und aus dessen Besorgung erlangt" hat. Das [X.] hat die hiergegen gerichtete Berufung verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

2

II. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht ausgeführt, das vom Beklagten eingelegte Rechtsmittel sei unzulässig, da die Beschwer des Beklagten 600 € nicht übersteige und das [X.] die Berufung nicht zugelassen habe (§ 511 Abs. 2 ZPO). Abzustellen sei bei der Bemessung der Beschwer auf den Aufwand an Zeit und Kosten, den die sorgfältige Erteilung der geschuldeten Auskunft erfordere. Dabei sei grundsätzlich auf die Stundensätze zurückzugreifen, die der Auskunftspflichtige als Zeuge in einem Zivilprozess erhalten würde, wenn er mit der Erteilung der Auskunft weder eine berufliche Leistung erbringe noch einen Verdienstausfall erleide. Weil die letztgenannten Ausnahmen hier nicht vorgetragen seien, sei der Berechnung der Beschwer ein Stundensatz von 4 € zugrunde zu legen. Zudem beziehe sich die ausgeurteilte Auskunftsverpflichtung erkennbar nur auf solche Unterlagen, die noch nicht an den Kläger übergeben worden seien, und umfasse deshalb lediglich die Sichtung von 42 Aktenordnern. Ausgehend von dem auch durch den Beklagten angesetzten zeitlichen Aufwand von einer Stunde je Ordner ergebe sich unter Einrechnung eines Aufschlags für Papier und Postkosten ein Gesamtaufwand von nicht mehr als 190 €.

3

III. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO und § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber im Übrigen nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt weder den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG). Eine Entscheidung des [X.] ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zudem nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) erforderlich und die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die sich hier in Zusammenhang mit der Bemessung des Wertes des [X.] bei Verurteilung zu einer Auskunft im Rahmen einer Stufenklage stellenden Rechtsfragen sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt.

4

2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Berufung des Beklagten als unzulässig zu verwerfen, weil der Wert des [X.] 600 € nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), hält einer rechtlichen Überprüfung stand.

5

a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Fall der Verurteilung zu einer Auskunft bei einer Stufenklage für die Bemessung des Werts des [X.] das Interesse des Rechtsmittelklägers maßgeblich ist, die Auskunft nicht erteilen zu müssen ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.], 54 Rn. 26). Hierbei kommt es grundsätzlich auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft erfordert (Senatsbeschlüsse vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 5; vom 14. Oktober 2015 - [X.], juris Rn. 9). Zur Bewertung des Zeitaufwandes ist auf die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Regelungen des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (im Folgenden: [X.]) zurückzugreifen ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.], 54 Rn. 27; Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8), wenn nicht vom Rechtsmittelführer dargelegt ist, mit der Erteilung der Auskunft entgingen ihm bestimmte berufliche Einkünfte oder die Auskunftserteilung stelle eine berufstypische Leistung dar, so dass der Zeitaufwand nach der Vergütung zu bestimmen ist, die er sonst verlangen könnte (zu diesen Ausnahmen vgl. [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 aaO Rn. 27; vgl. auch Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2003 - [X.], 724 [juris Rn. 12]).

6

b) Soweit das [X.] - wie hier - gemäß den §§ 2, 3 ZPO festzusetzen ist, kann die Bewertung durch das Berufungsgericht im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat. Das ist insbesondere der Fall, wenn das Berufungsgericht maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht berücksichtigt oder etwa erhebliche Tatsachen unter Verstoß gegen die Aufklärungspflicht nicht festgestellt hat (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 5 f., vgl. auch [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.], 54 Rn. 23).

7

c) Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei und ohne Überschreitung der dem Tatrichter gezogenen Grenzen einen 600 € nicht übersteigenden Wert des [X.] angenommen. Den Angriffen der Rechtsbeschwerde hält insbesondere stand, dass das Berufungsgericht bei der [X.] nur eine Entschädigung für [X.] nach § 20 [X.], also 4 € je Stunde, zugrunde gelegt hat.

8

Nicht in seine Erwägungen einbeziehen musste das Berufungsgericht hier, ob unabhängig von den Regelungen des [X.] ein über 600 € liegender Wert des [X.] schon deshalb in Betracht kommt, weil dem Beklagten - verursacht durch den für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Zeitaufwand - bestimmte berufliche Einkünfte entgehen (vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.], 54 Rn. 27). Auf solche Einkünfte, die von ihm konkret anzugeben gewesen wären ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 aaO), hat sich der Beklagte nicht bezogen. Ein Verdienstausfall ergibt sich insbesondere nicht ohne Weiteres schon aus einer selbständigen Tätigkeit (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8). Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kommt es deshalb weder auf die berufliche Stellung des Beklagten als Rechtsanwalt und Steuerberater noch auf die Funktion als Testamentsvollstrecker an.

9

Bei der durch das [X.] ausgeurteilten Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft über die im Rahmen der Testamentsvollstreckung erhaltenen Unterlagen handelt es sich zudem nicht um eine berufstypische Leistung, so dass auch aus diesem Grund hier nicht in Betracht kam, den Zeitaufwand des Beklagten danach zu bewerten, welche Vergütung er ansonsten verlangen könnte (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2003 - [X.], NJW-RR 2004, 724 [juris Rn. 12]).

Ein Fehlgebrauch des dem Tatrichter eingeräumten Ermessens lässt sich schließlich auch nicht feststellen, soweit das Berufungsgericht der Auffassung des Beklagten, bei der Bemessung des [X.] sei auf der Grundlage von § 22 [X.] ein Verdienstausfall von 25 € je Stunde in Ansatz zu bringen, mit der Erwägung entgegengetreten ist, ihm sei es ohne weiteres möglich, die für die Erteilung der Auskunft erforderlichen Arbeiten in seiner Freizeit zu erledigen. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, ist hiervon im Grundsatz auszugehen ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.], 54 Rn. 28; vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 7). Der Auskunftspflichtige, der in Abweichung davon behauptet, dass ihm eine Auskunftserteilung in der Freizeit nicht möglich sei, hat die Gründe hierfür im Einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2021 aaO). Solche konkreten Umstände hat der Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere verfängt auch insoweit nicht der allgemeine Hinweis des Beklagten auf seine selbständige Tätigkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 8). Der von der Rechtsbeschwerde in diesem Zusammenhang geltend gemachte Gehörsverstoß liegt schon deshalb nicht vor, weil sich das Berufungsgericht eingehend und unter Abgrenzung zu der von dem Beklagten zitierten Rechtsprechung mit der in der Berufungsbegründung aufgeworfenen Frage auseinandergesetzt hat, ob es hier angesichts der selbständigen Tätigkeit des Beklagten bei dem Grundsatz verbleibt, ohne Darlegung besonderer Umstände sei auch für ihn als Selbständigen eine Erbringung der Auskunftserteilung in der Freizeit möglich. Von einer weiteren Begründung wird gemäß §§ 577 Abs. 6 Satz 2, 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

d) Zu Recht nimmt die Rechtsbeschwerde die weitere Erwägung des Berufungsgerichts hin, eine Auslegung des Tenors der landgerichtlichen Entscheidung anhand der Entscheidungsgründe ergebe, dass sich die Auskunftsverpflichtung nur auf den Inhalt der 42 Aktenordner beziehe, die dem Kläger noch nicht ausgehändigt worden sind (zur Auslegung des Tenors im Lichte der Entscheidungsgründe vgl. [X.], Urteil vom 23. März 2023 - [X.], juris Rn. 6). Ein Überschreiten des dem Tatrichter bei der Bemessung des Wertes des [X.] eingeräumten Ermessens lässt sich insoweit ebenso wenig feststellen wie hinsichtlich der Auffassung des Berufungsgerichts, für die Notwendigkeit der Hinzuziehung von Hilfspersonen fehle substantieller Vortrag (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - [X.]/19, juris Rn. 9).

Prof. Dr. Karczewski     

  

Harsdorf-Gebhardt     

  

Dr. Brockmöller

  

Dr. Bußmann     

  

Dr. Bommel     

  

Meta

IV ZB 3/23

19.07.2023

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 3. Januar 2023, Az: 19 U 26/22

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.07.2023, Az. IV ZB 3/23 (REWIS RS 2023, 5113)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 5113

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Bemessung des Beschwerdewerts: Bewertung des für die Erteilung einer Auskunft aufzuwendenden Zeitaufwands


Referenzen
Wird zitiert von

IV ZB 17/23

Zitiert

V ZR 67/22

IV ZB 21/15

VIII ZB 68/20

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