Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.10.2015, Az. XII ZB 150/15

12. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 3974

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Internationale Zuständigkeit: Abänderung einer in Deutschland ergangenen Unterhaltsentscheidung gegen einen in den USA lebenden Unterhaltspflichtigen


Tenor

Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1

1. Die mit der Rechtsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 113 Abs. 1 FamFG, § 114 ZPO).

2

2. Die abschließenden Hinweise des [X.], wonach der Antragsgegner eine Abänderung der im vorliegenden Verfahren nach § 237 FamFG ergangenen pauschalen Unterhaltsfestsetzung wegen der [X.] der [X.] am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragstellers - mithin vor den Gerichten des US-Bundesstaates [X.] - betreiben müsse, geben dem Senat Anlass zu folgenden ergänzenden Bemerkungen:

3

a) Es erscheint zwar zweifelhaft, ob ein [X.] Gericht seine internationale Zuständigkeit für die Abänderung einer in [X.] ergangenen Unterhaltsentscheidung annehmen würde. Das Prozessrecht der [X.] ist vom Prinzip der "continuing exclusive jurisdiction" beherrscht, wonach die [X.] stets in dem Staat ergehen muss, in dem auch die [X.] erlassen worden ist (vgl. dazu [X.] Die neuen [X.] zum IPR des Unterhalts auf [X.] S. 61 f.). Das [X.] über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23. November 2007 ([X.] 2007) - welches die [X.] zwar gezeichnet, aber bislang noch nicht ratifiziert haben - enthält keine direkten Zuständigkeitsregelungen. Nach der negativen Zuständigkeitsregel des Art. 18 [X.] 2007 darf der Unterhaltsverpflichtete in anderen Vertragsstaaten keine Abänderung der Entscheidung beantragen, solange der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Staat der Titelerrichtung beibehält. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor, weil der Antragsteller im [X.] ([X.]) nie einen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. In solchen Fällen bleibt es dabei, dass jeder Vertragsstaat nach seinem autonomen Verfahrensrecht darüber entscheidet, ob er international einen Gerichtsstand für die Abänderung eines im Ausland errichteten [X.] eröffnet oder nicht (vgl. auch Borräs/[X.] Report on the Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance Rn. 418, veröffentlicht bei [X.]). Selbst wenn die [X.] das [X.] 2007 zeitnah in [X.] setzen sollten, bleibt es außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 18 [X.] 2007 dabei, dass [X.] seine internationale Zuständigkeit für die Abänderung ausländischer Unterhaltstitel nach seinem eigenen Verfahrensrecht beurteilen würde.

4

b) Wenn der Antragsgegner in den [X.] keine umfassende Korrektur des in [X.] im vereinfachten Verfahren errichteten [X.] erreichen kann, wäre aber eine internationale Zuständigkeit [X.] Gerichte für ein Korrekturverfahren gemäß § 240 FamFG - sofern andere Zuständigkeitsgründe nach der [X.] tatsächlich nicht in Betracht kommen (vgl. zur Problematik der sog. Abänderungsannexkompetenz einerseits Prütting/Helms/[X.] FamFG 3. Aufl. [X.]. zu § 110 Rn. 66 f. und anderseits [X.]/[X.] EuZPR/[X.] 4. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 9) - jedenfalls aus der [X.] nach Art. 7 [X.] herzuleiten.

5

Art. 7 [X.] liegt der allgemeine Gedanke zugrunde, dass die Zuständigkeiten nach Art. 3 bis 5 [X.] nicht alle denkbaren Konstellationen erfassen und daher dem Justizgewährungsanspruch des Rechtssuchenden (Art. 6 Abs.1 [X.]) nicht genügen (vgl. MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. Art. 7 [X.] Rn. 1; [X.]/[X.] EuZPR/[X.] 4. Aufl. Art. 7 [X.] Rn. 1; vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 16 zur [X.]). Art. 7 [X.] muss daher auch solche Fälle erfassen, in denen der Justizgewährungsanspruch eines unterhaltspflichtigen Abänderungsinteressenten durch negative internationale Kompetenzkonflikte der Gerichte gefährdet wird. Dies erschließt sich im Übrigen auch aus Art. 8 Abs. 2 lit. c [X.]: Hat der Unterhaltsberechtigte in einem Vertragsstaat des [X.] 2007 seinen gewöhnlichen Aufenthalt und wird dort der Unterhaltstitel errichtet, gilt nach dieser Vorschrift die sich aus Art. 8 Abs. 1 [X.] ergebende Verfahrensbegrenzung für das Abänderungsverfahren insbesondere dann nicht, wenn die zuständige Behörde im [X.] ihre Zuständigkeit für die Änderung der Entscheidung nicht ausüben kann oder die Ausübung ablehnt. Auch diese Vorschrift will den Justizgewährungsanspruch des Abänderungsinteressenten sichern (vgl. MünchKommFamFG/[X.] 2. Aufl. Art. 8 [X.] Rn. 14), und sie würde für einen Unterhaltspflichtigen mit ständigem Aufenthalt in einem Mitgliedsstaat der [X.] leerlaufen, wenn ihm die [X.] der [X.] schlechthin kein Forum für ein Abänderungsverfahren gegen einen im Ausland lebenden Unterhaltsberechtigten eröffnen würden.

Dose                       Schilling                            Günter

               Botur                           Guhling

Meta

XII ZB 150/15

14.10.2015

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Frankfurt, 5. März 2015, Az: 6 UF 225/13, Beschluss

Art 7 EGV 4/2009, Art 8 Abs 1 EGV 4/2009, § 237 FamFG, § 240 FamFG, Art 6 Abs 1 MRK

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.10.2015, Az. XII ZB 150/15 (REWIS RS 2015, 3974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 3974

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 150/15 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 44/19 (Bundesgerichtshof)

Vorlage an den EuGH zur Auslegung der Europäischen Unterhaltsverordnung: Berufung auf den Gerichtsstand am gewöhnlichen …


XII ZB 662/13 (Bundesgerichtshof)

Abänderungsverfahren für eine ausländische Kindesunterhaltsentscheidung: Inzident-Anerkennung einer irischen Unterhaltsentscheidung im Übergangsfall; anwendbares Recht bei Prüfung …


XII ZB 662/13 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 234/15 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung über Kindesunterhalt: Prüfungsumfang der deutschen Gerichte


Referenzen
Wird zitiert von

XII ZB 150/15

XII ZB 450/21

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.