Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. IX ZR 91/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2747

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 91/04 Verkündet am: 6. Juli 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2006 durch [X.] [X.], [X.] Ganter, [X.], [X.] und die Richterin [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 27. Zivilsenats des [X.] vom 26. Februar 2004 aufgeho-ben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsge-richt zurückverwiesen. Von Rechts wegen Tatbestand: Die Klägerin ist Titelgläubigerin der H.

GmbH (i.F.: Schuldne-rin). Die Beklagte zu 1 war Gesellschafterin der Schuldnerin. Die Beklagte zu 2 ist die Witwe und Erbin des persönlich haftenden Gesellschafters der [X.] zu 1, B.

, der zugleich alleinvertretungsberechtigter [X.] und Gesellschafter der Schuldnerin war. 1 Im September 1999 führte die Schuldnerin mit aus einem Auslandsge-schäft eingehenden Zahlungen einen Kontokorrentkredit bei der [X.]bank zu-2 - 3 - rück, für den die Beklagte zu 1 Grundschulden bestellt hatte. Daraufhin wurden die Grundpfandrechte mit Bewilligung der [X.] bank gelöscht. Ende Oktober 1999 veräußerten sämtliche Gesellschafter der Schuldne-rin ihre Geschäftsanteile an einen gewissen G. , damit dieser die Schuldnerin in [X.] "verschwinden" lasse. Nachdem der Erwerber zum neuen Geschäftsführer bestellt worden war, verlegte dieser den Sitz der Schuldnerin (faktisch) nach [X.] und stellte ihren Geschäftsbetrieb ein. Vollstreckungsversuche der Klägerin waren vergeblich. 3 Diese nimmt nunmehr die Beklagte zu 1 als frühere Gesellschafterin der Schuldnerin und die Beklagte zu 2 als Erbin von [X.]aus dem Gesichtspunkt der Gläubigeranfechtung auf Zahlung von 322.769,87 • nebst Zinsen in Anspruch. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Oberlan-desgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision. 4 Entscheidungsgründe: Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung. 5 [X.] Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die Klägerin als anfech-tungsberechtigt im Sinne von § 2 [X.] anzusehen ist. Eine Anfechtung der Rückführung des Darlehens der Schuldnerin auf dem Konto der [X.] bank 6 - 4 - und der Ablösung der Grundschulden nach § 3 Abs. 2 Satz 1 [X.] scheitere bereits daran, dass zwischen der [X.] zu 1 und der Schuldnerin kein ent-geltlicher Vertrag geschlossen worden sei. Die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 [X.] lägen nicht vor, weil es an einer Rechtshandlung der Schuldnerin - auch in Form des Unterlassens - fehle. § 4 [X.] sei unanwendbar, weil die Löschung der Grundschulden nicht unentgeltlich gewesen sei. Eine Anfechtungsmöglich-keit nach § 6 Nr. 2 [X.] bestehe nicht. Zwar dürfte die Anfechtungsfrist nach § 7 Abs. 2 [X.] eingehalten worden sein; § 6 [X.] sei aber auf den vorliegen-den Sachverhalt von vornherein nicht anwendbar. Auch die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283c StGB seien nicht erfüllt. I[X.] Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand. 7 1. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob die Voraussetzungen des § 2 [X.] gegeben sind, ist in der Revisionsinstanz von einer Anfechtungs-berechtigung der Klägerin auszugehen. In dem Parallelverfahren [X.] ZR 190/02 (Urt. v. 22. Dezember 2005, [X.], 242, 243, z.[X.]. in [X.]), das dieselbe Schuldnerin und dieselben [X.] betrifft, hat der [X.] bejaht. 8 2. Die Vorinstanz hat weiter dahingestellt sein lassen, ob die von der [X.] zu 1 gestellten Grundschulden - dem Vortrag der Klägerin [X.] - 5 - chend - den Charakter Eigenkapital ersetzender Gesellschaftersicherheiten hat-ten; auch hiervon ist daher in der Revisionsinstanz auszugehen. 3. In dem Parallelverfahren hat der Senat (aaO S. 243 ff) entschieden, dass das Vorgehen der Schuldnerin den Tatbestand der vorsätzlichen Gläubi-gerbenachteiligung nach § 3 Abs. 1 [X.] erfüllen kann. 10 Eine anfechtbare Rechtshandlung der Schuldnerin kann darin bestanden haben, dass sie es unterlassen hat, einen Freistellungs-/Erstattungsanspruch nach den Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht gegen die Beklagte zu 1 als ihre frühere Gesellschafterin geltend zu machen. Zwar muss dies [X.] geschehen (§ 1 Abs. 2 [X.]); ein erhebliches Beweisanzeichen hierfür ist aber der Umstand, dass die Gesellschaftsanteile an G. veräußert wurden, damit dieser eine faktische Liquidation durchführe, ohne etwa noch offene Forderungen zu realisieren und Gläubiger zu befriedigen. Ferner ist der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung zu bejahen, wenn eine Gesellschaft - wie hier - ohne ordnungsgemäße Liquidation beseitigt werden soll, um so alle [X.] zu "erledigen". Auch eine - wenigstens mittelbare - [X.] ist gegeben, wenn zugleich der Zugriff auf den Erstattungsanspruch gegen die Gesellschafter wesentlich erschwert wird, etwa durch (faktische) Verlegung des Gesellschaftssitzes ins Ausland und stille Li-quidation. 11 Offen gelassen hat der Senat die Frage, ob der Sachverhalt nicht auch die Voraussetzungen einer Schenkungsanfechtung (§ 4 [X.]) oder - alternativ - einer Anfechtung nach § 3 Abs. 2 [X.] oder nach § 6 Nr. 2 [X.] erfüllt. [X.] blieb auch, ob die Handlungsweise der Schuldnerin oder ihrer Gesell-12 - 6 - schafter eine Haftung wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) oder existenzvernichtenden Eingriffs begründet. Falls die Anfechtung gegen B. - sei es in seiner Eigen-schaft als Gesellschafter der Schuldnerin, sei es als persönlich haftender Ge-sellschafter der [X.] zu 1 - begründet ist, haftet die Beklagte zu 2 als des-sen Gesamtrechtsnachfolgerin. 13 b) Wegen der Begründung im Einzelnen sowie wegen des Umfangs ei-nes Anfechtungsanspruchs wird auf das Senatsurteil vom 22. Dezember 2005 Bezug genommen. 14 c) Das die Abweisung der Klage durch das [X.] bestätigende Be-rufungsurteil kann danach nicht aufrechterhalten werden, weil das Berufungsge-richt die Voraussetzungen eines Anfechtungsanspruchs jedenfalls nach § 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1 [X.] nicht rechtsfehlerfrei verneint hat. 15 II[X.] Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück-zuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit - neben der Anfechtungsberechtigung - geprüft wird, ob gemäß dem Vorbringen der Klägerin die Besicherung kapitaler-setzend im Sinne der §§ 30, 31 GmbHG war. 16 - 7 - Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht den in der mündlichen Ver-handlung vor dem Senat gestellten Antrag der [X.] zu 2, ihr die be-schränkte Erbenhaftung vorzubehalten (§ 780 Abs. 1 ZPO), zu beachten haben. 17 [X.] Ganter [X.]

[X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 05.12.2002 - 18 O 622/00 - [X.], Entscheidung vom 26.02.2004 - 27 U 59/03 -

Meta

IX ZR 91/04

06.07.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.07.2006, Az. IX ZR 91/04 (REWIS RS 2006, 2747)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2747

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18 O 622/00 (Landgericht Essen)


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