Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.10.2023, Az. I ZB 12/23

1. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 8668

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Gegenstand

Unionsrechtskonformität von Schiedsklauseln in Extra-EU-BITs


Leitsatz

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache "Achmea" (EuGH, Urteil vom 6. März 2018 - C-284/16, SchiedsVZ 2018, 186) ist nicht auf bilaterale Investitionsschutzabkommen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Drittstaaten (sogenannte Extra-EU-BITs) übertragbar. Schiedsklauseln in Extra-EU-BITs widersprechen nicht dem Unionsrecht (Anschluss an EuGH, Urteil vom 2. September 2021 - C-741/19, SchiedsVZ 2022, 34 [juris Rn. 65] - Komstroy).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.] - 12. Zivilsenat - vom 26. Januar 2023 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Wert des [X.]: 9.426.358,90 €

Gründe

1

I. Die Antragstellerin, die [X.], beteiligte sich im [X.] über eine Tochtergesellschaft mit Sitz in [X.] an der in der [X.] ansässigen [X.]. (nachfolgend "D.  ") mit Investitionen in Höhe von 75 Mio. US$ und im [X.] mit weiteren 22,2 Mio. US$, was einer prozentualen Beteiligung von bis zu 19,62 % entsprach. D.  waren aufgrund eines Vertrags mit dem [X.] Staatsunternehmen [X.]. (nachfolgend "A.  ") im Jahr 2005 Rechte zur Nutzung eines Teils des elektromagnetischen Spektrums (sogenanntes [X.]) eingeräumt worden, um einen Service für Mobilfunk und Breitbanddaten auf dem [X.] Markt anzubieten. [X.]beendete den [X.] wegen "höherer Gewalt" mit der Begründung, das [X.] sehe aus Sicherheitsgründen keine Möglichkeit, das [X.] für kommerzielle Aktivitäten bereitzustellen.

2

Die Antragstellerin machte daraufhin in einem Schiedsverfahren unter Berufung auf das Abkommen zwischen der [X.] und der [X.] über die Förderung und den Schutz von Kapitalanlagen vom 10. Juli 1995 ([X.] II 1998, 620; nachfolgend "[X.]") Schadensersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin, die [X.], geltend.

3

Art. 9 [X.] enthält - in [X.] Übersetzung - folgende Regelungen:

Investitionsstreitigkeiten

(1) Streitigkeiten zwischen einem Investor einer Vertragspartei und der anderen Vertragspartei im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei werden, soweit möglich, zwischen den Streitparteien im Verhandlungsweg gütlich beigelegt. Die [X.], die beabsichtigt, die Streitigkeit im Verhandlungsweg beizulegen, zeigt der anderen [X.] ihre Absichten an.

(2) Kann eine Streitigkeit nicht gemäß Absatz 1 innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Anzeige beigelegt werden, so kann sie in Überstimmung mit den Vergleichsregeln der [X.] einem Vergleichsverfahren unterworfen werden, sofern beide [X.]en dem zustimmen. Stimmt eine [X.] dem Vergleichsverfahren nicht zu oder verläuft das Verfahren ergebnislos, so kann eine [X.] die Streitigkeit einem Schiedsverfahren in Übereinstimmung mit der Schiedsgerichtsordnung der [X.] von 1976 unter folgenden Voraussetzungen unterwerfen:

(b) bei Schiedsverfahren gilt folgendes:

i) Das Schiedsgericht besteht aus drei Schiedsrichtern. Jede [X.] wählt einen Schiedsrichter aus. Diese beiden Schiedsrichter benennen einvernehmlich einen Obmann, der Staatsangehöriger eines dritten Staates ist, der mit den Regierungen der Streitparteien diplomatische Beziehungen unterhält. Die Schiedsrichter werden innerhalb von zwei Monaten bestellt, nachdem eine der Streitparteien der anderen mitgeteilt hat, dass sie die Streitigkeit einem Schiedsverfahren unterwerfen will.

4

In einem Zwischenentscheid vom 13. Dezember 2017 bejahte das Schiedsgericht in [X.] seine Zuständigkeit sowie eine Haftung der Antragsgegnerin dem Grunde nach. Ein dagegen gerichteter Aufhebungsantrag der Antragsgegnerin wurde im Dezember 2018 vom [X.] [X.] zurückgewiesen. Mit [X.] vom 27. Mai 2020 verurteilte das Schiedsgericht die Antragsgegnerin unter Abweisung weitergehender Ansprüche zur Zahlung von 92,3 Mio. US$ nebst Zinsen sowie zur Kostentragung.

5

Die Antragstellerin hat die Vollstreckbarerklärung des [X.]s in Höhe eines [X.] von 10 Mio. US$ nebst Zinsen beantragt. Das [X.] hat den Schiedsspruch wie beantragt für vollstreckbar erklärt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.

6

II. Das [X.] hat - soweit für die vorliegende Entscheidung von Relevanz - angenommen, der Antrag sei zulässig und begründet. Zwischen den [X.]en bestehe aufgrund des [X.] eine wirksame Schiedsvereinbarung. Gemäß Art. 9 Abs. 2 Buchst. b [X.] könnten Streitigkeiten zwischen einem Investor einer Vertragspartei und der anderen Vertragspartei in einem Schiedsverfahren nach den Regeln der [X.] ([X.]) ausgetragen werden. Die förmlichen Voraussetzungen des Art. 9 [X.] für das Schiedsverfahren lägen vor. Auch die inhaltlichen Voraussetzungen für die Anwendung des [X.] seien gegeben, so dass von einer wirksamen Schiedsvereinbarung gemäß Art. II des [X.] über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 ([X.]) auszugehen sei. Die Antragsgegnerin könne sich nicht darauf berufen, der Schiedsspruch betreffe eine Streitigkeit, die nicht von der [X.] im [X.] erfasst sei. Eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung gemäß Art. [X.] 1 Buchst. a und c, Art. [X.] 2 Buchst. a [X.] komme nicht in Betracht. Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs könne auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gemäß Art. [X.] 2 Buchst. b [X.] versagt werden.

7

III. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO statthaft und wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt (§ 575 ZPO). In der Sache hat die Rechtsbeschwerde jedoch keinen Erfolg. Das [X.] hat den Schiedsspruch zu Recht im beantragten Umfang für vollstreckbar erklärt.

8

1. Nach § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche nach dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche ([X.]), das aufgrund des [X.] (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG) des [X.] innerhalb der [X.] Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes steht ([X.] II 1961 S. 121). Die Bestimmungen des Art. [X.] 1 Buchst. a bis d, Abs. 2 Buchst. a und b [X.] regeln - wie § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d, Nr. 2 Buchst. a und b ZPO für die Aufhebung inländischer Schiedssprüche - die Gründe für eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs.

9

2. Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass danach keine Gründe für die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung des streitgegenständlichen Schiedsspruchs vorliegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde steht der beantragten Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs insbesondere nicht die Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache "[X.]" ([X.], Urteil vom 6. März 2018 - [X.]/16, [X.] 2018, 186) entgegen.

a) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] sind die Art. 267 und 344 A[X.] dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung in einer internationalen Übereinkunft zwischen den Mitgliedstaaten entgegenstehen, nach der ein Investor eines dieser Mitgliedstaaten im Fall einer Streitigkeit über Investitionen in dem anderen Mitgliedstaat gegen diesen ein Verfahren vor einem Schiedsgericht einleiten darf, dessen Gerichtsbarkeit sich dieser Mitgliedstaat unterworfen hat ([X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 60] - [X.]; [X.], Urteil vom 26. Oktober 2021 - [X.]/20, [X.] 2021, 1097 [juris Rn. 44] - [X.]). Dies hat der Gerichtshof damit begründet, dass eine internationale Übereinkunft die in den [X.] festgelegte Zuständigkeitsordnung und damit die Autonomie des Rechtssystems der [X.], deren Wahrung der Gerichtshof sichert, nicht beeinträchtigen darf. Dieser Grundsatz ist insbesondere in Art. 344 A[X.] verankert, nach dem sich die Mitgliedstaaten verpflichten, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln. Auf der Basis gegenseitigen Vertrauens obliegt es den Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabsatz 1 [X.] niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet insbesondere für die Anwendung und Wahrung des [X.]srechts zu sorgen und zu diesem Zweck alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den [X.] oder den Handlungen der [X.] ergeben, zu ergreifen. Die Verträge haben ein Gerichtssystem geschaffen, in dessen Rahmen es gemäß Art. 19 [X.] Sache der nationalen Gerichte und des Gerichtshofs ist, die volle Anwendung des [X.]srechts in allen Mitgliedstaaten und den Schutz der Rechte zu gewährleisten, die den Einzelnen aus ihm erwachsen. Das Schlüsselelement des so gestalteten [X.] besteht in dem in Art. 267 A[X.] vorgesehenen Vorabentscheidungsverfahren, das durch die Einführung eines Dialogs von Gericht zu Gericht gerade zwischen dem Gerichtshof und den Gerichten der Mitgliedstaaten die einheitliche Auslegung des [X.]srechts gewährleisten soll (vgl. [X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 32 bis 37] - [X.]; [X.], Gutachten vom 30. April 2019 - Gut 1/17, [X.], 191 [juris Rn. 109 bis 111] - [X.]; Urteil vom 2. September 2021 - [X.]/19, [X.] 2022, 34 [juris Rn. 42 bis 46] - [X.]).

b) Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht auf bilaterale Investitionsschutzabkommen von Mitgliedstaaten der [X.] mit Drittstaaten - wie im Streitfall zwischen der [X.] und der [X.] - übertragbar (vgl. auch [X.], Investitionsschutz in [X.], 2022, [X.] f., 287; BeckOK.ZPO/[X.], 50. Edition [Stand 1. September 2023], § 1062 Rn. 2.4; [X.]/[X.], www.velaw.com/insights/intra-eu-disputes-under-the-ect-what-next/, 8. September 2021, zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2023; [X.], [X.] 2022, 260, 263).

aa) Der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] in der Rechtssache "[X.]" lässt sich klar entnehmen, dass [X.] in Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten (sogenannte Extra-EU-[X.]s) dem [X.]srecht nicht widersprechen.

(1) Der [X.] hat in diesem Verfahren zum [X.] ausgeführt, dass dieser den Mitgliedstaaten vorschreiben kann, in ihren Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten, die ebenfalls Vertragsparteien des [X.]s sind, im Hinblick auf deren Investitionen in diesen [X.] die im [X.] vorgesehenen schiedsgerichtlichen Mechanismen einzuhalten; der Erhaltung der Autonomie und des eigenen Charakters des [X.]srechts steht aber entgegen, dass der [X.] den Mitgliedstaaten untereinander dieselben Pflichten auferlegen kann (vgl. [X.], [X.] 2022, 34 [juris Rn. 65] - [X.]). Aus dieser insoweit eindeutigen Formulierung ergibt sich, dass - anders als im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander - die Schiedsklausel im [X.] dem [X.]srecht im Verhältnis eines Mitgliedstaats zu einem Drittstaat nicht widerspricht.

Diese Ausführungen zum [X.] sind auf Extra-EU-[X.]s übertragbar. Der Gerichtshof der [X.] geht selbst davon aus, dass die Schiedsklausel im [X.] trotz des multilateralen Charakters der internationalen Übereinkunft, zu der sie gehört, in Wirklichkeit die bilateralen Beziehungen zwischen zwei der Vertragsparteien in einer Weise regeln soll, die der Bestimmung des bilateralen Investitionsschutzabkommens entspricht, um das es in der Rechtssache "[X.]" ([X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 58]) ging (vgl. [X.], [X.] 2022, 34 [juris Rn. 64] - [X.]). Erst recht sind die Ausführungen in Randnummer 65 des Urteils in der Rechtssache "[X.]" übertragbar auf die einem Extra-EU-[X.] unterfallenden Beziehungen zwischen - wie hier - einem Investor aus einem Mitgliedstaat der [X.] und einem Drittstaat.

(2) Zu einer entsprechenden Auslegung des Urteils in der Rechtssache "[X.]" gelangt auch die von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommene Besprechung der Entscheidung von [X.] (ELR 2022, 127, 137). Dieser selbst ist zwar der Auffassung, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Schiedsgerichtsbarkeit, die im Falle eines unionsinternen Rechtsstreits für so potentiell schädlich befunden wurde, in einem Rechtsstreit zwischen einem Mitgliedstaat der [X.] und einem Investor aus einem Drittland als vollkommen akzeptabel angesehen werden sollte. In der dazugehörigen Fußnote verweist er jedoch darauf, dass der Gerichtshof der [X.] dies - also die Akzeptanz der Schiedsgerichtsbarkeit in Extra-EU-[X.]s - in der Rechtssache "[X.]" in Randnummer 65 anerkannt habe.

(3) Soweit die Rechtsbeschwerde auf Stimmen in der Literatur verweist, die mit Blick auf die Formulierung "kann vorschreiben" in Randnummer 65 des Urteils in der Rechtssache "[X.]" die Auffassung vertreten, der Gerichtshof der [X.] habe sich insofern nicht eindeutig, sondern zurückhaltend geäußert (vgl. [X.], From [X.] to [X.]: [X.], [X.], 22. September 2021; [X.], [X.] 2022, 496, 499 unter Verweis auf den Beitrag von [X.]), überzeugt das nicht. Für die Intention einer zurückhaltenden Formulierung gibt es keinen Anhaltspunkt. Die Wendung "kann" bezieht sich tatsächlich im Sinne eines "darf" auf die mit dem [X.]srecht zu vereinbarende Möglichkeit, schiedsgerichtliche Mechanismen in Beziehungen zu Investoren aus Drittstaaten vorzusehen. Das ergibt sich nicht zuletzt auch aus der kontrastierenden Gegenüberstellung von [X.] und [X.] in dieser Randnummer. Darüber hinaus beziehen sich beide Literaturmeinungen insofern ausdrücklich allein auf die Frage der [X.]srechtskonformität der [X.] der im [X.] - als [X.]srechtsakt - enthaltenen Schiedsklausel.

(4) Die weitere von der Rechtsbeschwerde zitierte Literatur, wonach die Übertragbarkeit der Rechtsprechung in der Rechtssache "[X.]" auf Extra-EU-[X.]s noch nicht geklärt sei, berücksichtigt die Entscheidung in der Rechtssache "[X.]" einschließlich deren Randnummer 65 (noch) nicht.

(a) Der Beitrag von [X.] (Todesstoß für autonome Investitionsschutzgerichte, [X.], 2018/3/08) stammt aus dem [X.], so dass es dem Autor schon zeitlich unmöglich war, die Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in dem späteren Urteil in der Rechtssache "[X.]" zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für den von der Rechtsbeschwerde zitierten Aufsatz von [X.] ([X.] 2019, 99, 103 f.).

(b) Die [X.] der Kommentierung von Bungenberg/Blandfort (in Terhechte, Verwaltungsrecht der [X.], 2. Aufl., § 30 Rn. 43) datiert zwar aus dem [X.] und damit zeitlich nach der Entscheidung in der Rechtssache "[X.]" vom 2. September 2021. Allerdings verweisen die Autoren in einer Fußnote auf die Rechtssache "[X.]" ([X.]/19) als eines von "derzeit anhängige[n] Vorabentscheidungsverfahren", woraus sich ergibt, dass die - jedenfalls im Zeitpunkt der [X.] bereits ergangene - Entscheidung in der Kommentierung offensichtlich noch nicht berücksichtigt wurde.

(5) Soweit die Rechtsbeschwerde auf die Abhandlung von [X.] ([X.], 2022, [X.] ff., 470 ff.) verweist, steht dieser der Vereinbarkeit von Extra-EU-[X.]s mit dem [X.]srecht aus verschiedenen Gründen zwar kritisch gegenüber. Allerdings fehlt es auch bei ihm an einer Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Gerichtshofs der [X.] in Randnummer 65 der Entscheidung in der Rechtssache "[X.]".

bb) Der Umstand, dass der Gerichtshof der [X.] in der Rechtssache "[X.]" das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten betont hat, spricht ebenfalls dafür, zwischen einer intra- und einer extra-unionalen Dimension zu unterscheiden (vgl. [X.], Die Autonomie des [X.]srechts und die Zukunft der [X.] in [X.] nach [X.], 2018, [X.]), und damit gegen eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf Extra-EU-[X.]s. Der Gerichtshof hat darauf abgestellt, dass es den Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabsatz 1 [X.] niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit obliegt, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet insbesondere für die Anwendung und Wahrung des [X.]srechts zu sorgen und zu diesem Zweck alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den [X.] oder den Handlungen der [X.] ergeben, zu ergreifen ([X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 34 und 58] - [X.]). Das Urteil ist mithin für [X.] von der Auffassung getragen, im Hinblick auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Anerkennung der gemeinsamen Werte der [X.] (Art. 2 [X.]) und der Beachtung des [X.]srechts könnten Investoren effektiven Rechtsschutz vor den staatlichen Gerichten der Mitgliedstaaten erhalten (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Oktober 2018 - [X.], [X.] 2019, 46 [juris Rn. 72]; [X.] aaO S. 45 f.; aA Niemelä, [X.] - A Perspective from International [Investment] Law, European Law Blog, 15. März 2018). Dieser Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens ist in [X.] jedoch gerade nicht einschlägig (so auch [X.], [X.], 191 [juris 129] - [X.]; vgl. auch [X.], aaO S. 47; [X.] aaO S. 151).

cc) Der Verweis der Rechtsbeschwerde auf das Gutachten des Gerichtshofs der [X.] zum [X.] ([X.], 191) greift gleichfalls nicht durch.

(1) Soweit der Gerichtshof der [X.] die Regelungen zum CETA-Gericht mit der Begründung für unionsrechtskonform erklärt hat, das CETA-Gericht berücksichtige gemäß Art. 8.31 Abs. 2 [X.] das [X.]srecht lediglich als Tatsache und lege dieses nicht bindend aus ([X.], [X.], 191 [juris Rn. 130 f.] - [X.]), folgt daraus nicht, dass bilaterale Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten nur dann nicht dem [X.]srecht widersprechen, wenn sie ebenfalls die Berücksichtigung von [X.]srecht lediglich als Tatsache vorsehen. Dem steht schon entgegen, dass der Gerichtshof der [X.] in dem zeitlich nachfolgenden Urteil in der Rechtssache "[X.]" in Randnummer 65 gerade keine entsprechende Einschränkung unter Verweis auf sein Gutachten zum [X.] vorgenommen hat, obwohl ihm bewusst war, dass Rechtsstreitigkeiten unter dem in der Rechtssache "[X.]" streitgegenständlichen [X.] zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer eines [X.] und einem Mitgliedstaat unmittelbar dem [X.]srecht unterliegen (vgl. [X.], [X.] 2022, 34 [juris Rn. 31] - [X.]).

(2) Gegen eine Gleichsetzung des [X.]s EU-Kanada mit bilateralen Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten spricht außerdem, dass es sich bei dem [X.] um eine von der [X.] und nicht von den Mitgliedstaaten geschlossene Übereinkunft handelt. Die Frage, ob die Einrichtung oder Beibehaltung eines Investitionsschutzgerichts durch ein zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenes Abkommen mit dem [X.]srecht vereinbar ist, unterscheidet sich aber von der Frage, ob die Einrichtung eines solchen Gerichts durch ein Abkommen zwischen der [X.] und einem Drittstaat mit dem [X.]srecht vereinbar ist ([X.], [X.], 191 [juris Rn. 127] - [X.] mit Verweis auf [X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 57 f.] - [X.]). In diesem Zusammenhang verweist der Gerichtshof der [X.] zudem erneut auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, der von jedem Mitgliedstaat verlangt, dass er, abgesehen von außergewöhnlichen Umständen, davon ausgeht, dass alle anderen Mitgliedstaaten das [X.]srecht einschließlich der Grundrechte wie des in Art. 47 der [X.] niedergelegten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht beachten. Dieser Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gilt aber nicht in den Beziehungen zwischen der [X.] und einem Drittstaat, insbesondere, was die Beachtung des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht angeht (vgl. [X.], [X.], 191 [juris Rn. 128 f.] - [X.]).

dd) Schließlich zeigt auch die Behandlung der Handelsschiedsgerichtsbarkeit durch den Gerichtshof der [X.], dass es für die Frage, ob schiedsgerichtliche Mechanismen unionsrechtskonform sind, nicht (allein) darauf ankommt, ob Gerichte, die nicht Teil des [X.] im Sinne des Art. 267 A[X.] sind, potenziell [X.]srecht auslegen müssen. Der Gerichtshof der [X.] lehnt für die Handelsschiedsgerichte eine Vorlagebefugnis nach Art. 267 Abs. 3 A[X.] zwar ebenfalls ab, lässt aber mit Blick auf die [X.]autonomie als tragendem Gedanken der Handelsschiedsgerichtsbarkeit dennoch die beschränkte Überprüfung der Schiedssprüche durch staatliche Gerichte als unionsrechtskonform genügen (vgl. [X.], Urteil vom 1. Juni 1999 - [X.]/97, [X.]. 1999, [X.] [juris Rn. 35] = [X.]. 1999, 737 - Eco Swiss; Urteil vom 26. Oktober 2006 - [X.]/05, [X.]. 2006, [X.] [juris Rn. 34] = [X.] 2007, 46 - [X.]; [X.], [X.] 2018, 186 [juris Rn. 54] - [X.]; vgl. auch [X.], [X.] 2018, 611, 625).

c) Danach kommt es nicht darauf an, welcher Versagungsgrund des Art. V [X.] überhaupt einschlägig wäre, wenn die Schiedsvereinbarung in Art. 9 Abs. 2 [X.] gegen [X.]srecht verstieße.

3. Eine Vorlage an den Gerichtshof der [X.] nach Art. 267 Abs. 3 A[X.] ist nicht veranlasst (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, [X.]. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - [X.] u. a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - [X.]/14, [X.]. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - [X.]; Urteil vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - [X.] und [X.]). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des [X.]srechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist. Insbesondere ist die Frage geklärt, dass [X.] in bilateralen Investitionsschutzverträgen von Mitgliedstaaten der [X.] mit Drittstaaten dem [X.]srecht nicht widersprechen (vgl. [X.], [X.] 2022, 34 [juris Rn. 65] - [X.]).

4. Von einer weitergehenden Begründung der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde wird abgesehen (§ 577 Abs. 6 Satz 2, § 564 Satz 1 ZPO). Der Senat hat die weiteren von der Antragsgegnerin erhobenen [X.] von [X.] geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Im Übrigen wäre eine Begründung nicht geeignet, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO).

IV. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Koch     

      

Schwonke     

      

[X.]

      

Pohl     

      

Schmaltz     

      

Meta

I ZB 12/23

12.10.2023

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend KG Berlin, 26. Januar 2023, Az: 12 Sch 7/21

Art 5 SchSprAnerkÜbk, § 1061 Abs 1 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.10.2023, Az. I ZB 12/23 (REWIS RS 2023, 8668)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8668

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