Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2013, Az. XII ZB 124/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5435

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 124/11

vom

29. Mai 2013

in der Familiensache

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat am 29. Mai 2013
durch den
Vor-sitzenden [X.] Dose
und die [X.] [X.], Dr.
Klinkhammer, Dr.
Nedden-Boeger und
Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des 5.
[X.]s für Familiensachen des [X.]s [X.]
vom 14.
Februar 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.
[X.]: 5.316

Gründe:
I.
Die Parteien streiten noch um nachehelichen Unterhalt.
Die Verbundentscheidung wurde dem Antragsteller am 29.
Oktober 2010
zugestellt. Mit am 29.
November 2010 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller hinsichtlich des Ausspruchs zum nachehelichen Unterhalt Beschwerde eingelegt. Mit ihm am 20.
Januar 2011 zugestellter Ver-fügung wurde der Antragsteller darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, sein Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, weil die Beschwerde nicht bis zum 29.
Dezember 2010 begründet worden sei. Mit Schriftsatz vom 2.
Februar 2011 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers mit, dass er schuldlos 1
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-
3
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gehindert gewesen sei, die Beschwerde rechtzeitig zu begründen. Dies sei ihm erst durch die am 20.
Januar 2011 zugestellte Verfügung
bekannt und bewusst geworden. Es werde deshalb Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt wer-den.
Das [X.] hat durch Beschluss vom 14.
Februar 2011 eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwer-debegründungsfrist versagt und die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.

II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach §
117 Abs.
1 Satz
4 FamFG iVm §§
574 Abs.
1 Nr.
1, 522 Abs.
1 Satz
4, 238 Abs.
2 Satz
1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des [X.]s (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsteller in seinem Anspruch auf Ge-währung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechts-staatsprinzip), welcher es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender
Weise zu erschweren (vgl. hierzu [X.], 221 =
NJW 2002, 3029, 3031 und [X.]sbeschluss vom 2.
April 2008

XII
ZB
189/07
Z 2008, 1338 Rn.
8 mwN).
2. Das [X.] hat zur Begründung seiner Entscheidung aus-geführt, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver-3
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4
-
säumung der Beschwerdebegründungsfrist sei zurückzuweisen. Der Vortrag des Antragstellers, ihm sei erst durch den Hinweis vom 17.
Januar 2011 [X.] und bewusst geworden, dass die Beschwerde rechtzeitig zu begründen sei, lasse ein Verschulden nicht entfallen. Ein Rechtsirrtum der anwaltlich ver-tretenen Partei sei regelmäßig verschuldet und hindere eine Wiedereinsetzung.
3. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das [X.] hat zu Unrecht über einen Wiedereinsetzungsantrag entschieden und die-sen zurückgewiesen.
Entgegen der Auffassung des [X.] hatte der [X.] mit Schriftsatz vom 2.
Februar 2011 noch keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt, sondern lediglich angekündigt, einen solchen innerhalb der gesetzli-chen Frist anzubringen. Das hat das Beschwerdegericht nicht beachtet. Art.
2 Abs.
1 GG iVm Art.
20 Abs.
3 GG gewährt den Parteien
aber
den Anspruch auf ein faires Verfahren. Der [X.] ist danach gehalten, das bei ihm
anhängige Verfahren so zu gestalten, wie die Parteien es von ihm erwarten dürfen ([X.] NJW 2005, 814, 815; [X.]E 78, 123
=
NJW 1988, 2787; [X.] Beschluss vom 28.
Oktober 2009
IV
ZB
10/09
NJW-RR 2010, 1000 Rn.
10). Dazu ge-hört auch, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen (Art.
103 Abs.
1 GG). Hätte das Beschwerdegericht sich dementsprechend verhalten, so hätte es durch den angefochtenen Beschluss nicht über einen noch nicht gestellten Wiedereinsetzungsantrag entscheiden
und
diesen sowie
die Berufung [X.] dürfen. Vielmehr hätte es abwarten müssen, ob der Antragsteller, wie angekündigt,
fristgemäß einen Wiedereinsetzungsantrag stellen
würde.
Die Monatsfrist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwer-debegründungsfrist lief erst am Montag, dem 21.
Februar 2011 und somit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom 14.
Februar 2011, ab.
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8
-
5
-
4. Der angefochtene Beschluss kann danach keinen Bestand haben. Der [X.] kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, da es hierzu weiterer Feststellungen bedarf. Das Verfahren ist deshalb an das [X.] zurückzuverweisen.
5. Für das weitere Verfahren weist der [X.] auf Folgendes hin:
Der Antragsteller hat mit dem am 21.
Februar 2011 (einem Montag) beim [X.] eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag geltend gemacht, die Fristversäumnis
sei erst durch die am 20.
Januar 2011 zugestellte Verfü-gung aufgefallen. Zu der Versäumnis
sei es gekommen, weil die für die Eintra-gung und Überwachung von Fristen zuständige Fachangestellte nur die Be-schwerdefrist eingetragen, es aber vergessen habe, auch die Beschwerdebe-gründungsfrist im [X.] zu notieren. Dieser Vortrag
ist ohne Ergän-zung nicht geeignet, ein eigenes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten auszuschließen.
Die Sorgfaltspflichten in [X.] verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare
zu unternehmen, um die Wahrung von [X.] zu gewährleisten. Dabei kann die Berechnung und Notierung von Fristen zwar einer gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Bürokraft übertragen werden. Dann hat der Rechtsanwalt aber durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden (vgl. [X.]
Beschlüsse vom 10.
März 2011
-
VII ZB 37/10
-
NJW 2011, 1597 Rn.
12 und vom 8.
Februar 2010 -
II
ZB 10/09
-
MDR 2010, 533). Zu den zur Ermöglichung einer Gegenkontrolle erfor-derlichen Vorkehrungen gehört insbesondere, dass die [X.] in der Handakte notiert werden und die Handakte durch entsprechende [X.] oder auf sonstige Weise erkennen lässt, dass die Fristen in den 9
10
11
12
-
6
-
[X.] eingetragen worden sind ([X.]sbeschluss vom 23.
Januar 2013 -
XII
ZB 167/11
-
zur Veröffentlichung bestimmt).
Darüber hinaus hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von [X.] immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Ak-ten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung, insbeson-dere zu deren Bearbeitung, vorgelegt werden ([X.]sbeschluss vom 2.
November 2011 -
XII
ZB 317/11
-
FamRZ 2012, 108 Rn.
11 mwN). In diesem Fall muss er stets alle weiteren unerledigten Fristen einschließlich ihrer Notie-rung in den Handakten prüfen ([X.]sbeschluss vom 23.
Januar 2013
-
XII
ZB
167/11
-
zur Veröffentlichung bestimmt).
Dass die Organisation der Fristenkontrolle des Verfahrensbevollmächtig-ten des Antragstellers diesen Anforderungen gerecht wird und er seiner eige-nen Prüfungspflicht nachgekommen ist, hat das Beschwerdegericht bisher nicht festgestellt.
Dose

[X.]

Klinkhammer

Nedden-Boeger

Botur
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.10.2010 -
13 F 75/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 14.02.2011 -
II-5 UF 181/10 -

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14

Meta

XII ZB 124/11

29.05.2013

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 29.05.2013, Az. XII ZB 124/11 (REWIS RS 2013, 5435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5435

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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