Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2012, Az. VII ZB 83/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 6878

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BU[X.]DESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VII ZB 83/10
vom
26. April
2012
in dem Rechtsstreit

[X.]achschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 130 [X.]r. 6, § 520 Abs. 5, § 522 Abs. 1
a)
Ein Rechtsanwalt, der die Berufungsbegründung für den dort bezeichneten Pro-zessbevollmächtigten der [X.] mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet, handelt er-kennbar als Unterbevollmächtigter und übernimmt mit seiner Unterschrift die [X.] der [X.].
b)
In einem solchen Fall hängt die Einreichung
einer formwirksamen [X.] nicht davon ab, dass die Identität und die Postulationsfähigkeit des Un-terbevollmächtigten bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der für die Prozesshandlung vorgesehenen Frist für das Gericht feststehen. Ergeben sich bei
der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung im Verfahren nach §
522 Abs.
1 ZPO Zweifel hieran, hat das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen von Amts wegen zu tref-fen. Maßgebend hierfür ist, wenn die Entscheidung gemäß §
522 Abs.
1 Satz
3 ZPO durch Beschluss ergeht, der Erkenntnisstand in dem Zeitpunkt, welcher im schriftlichen Verfahren nach allgemeinen Grundsätzen dem Schluss der mündli-chen Verhandlung entspricht
(im [X.] an [X.], Urteil vom 11.
Oktober
2005

XI
ZR
398/04, [X.], 3773).
[X.], Beschluss vom 26. April 2012 -
VII ZB 83/10 -
OLG [X.]

LG [X.] I

-
2
-
Der VII.
Zivilsenat des [X.] hat am 26.
April
2012 durch den
Richter Dr.
Kuffer, die Richterin [X.], [X.]
Eick, den Richter Halfmeier
und den Richter Prof.
Leupertz
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 19.
Zivilsenats des [X.]s [X.] vom 13.
Sep-tember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur
erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von 29.851,04

abgewiesene Widerklage 3.868,40

e-ses
Urteil hat die Beklagte fristgerecht Berufung eingelegt. Der [X.] ist unterzeichnet durch den im Briefkopf aufgeführten [X.] der Beklagten, Rechtsanwalt [X.] Die am letzten Tag der [X.] Berufungsbegründungsfrist eingegangene Berufungsbegründung 1
-
3
-
enthält am Ende den maschinenschriftlichen Zusatz "[X.]" und darunter "Rechtsanwalt". Unmittelbar über diesem Text befindet sich eine unleserliche Unterschrift, welcher der handschriftliche Zusatz "i.V." vorangestellt ist. Auf ei-nen Hinweis des Vorsitzenden, es bestünden Bedenken gegen die [X.],
hat die Beklagte erklärt, dass die Berufungsbegründung von der als freie Mitarbeiterin tätigen, seit 2009 zugelassenen Rechtsanwältin [X.] in Ver-tretung und mit Vollmacht ihres Prozessbevollmächtigten [X.] unterzeichnet worden sei. Rechtsanwalt [X.] sei wegen Erkrankung verhindert gewesen. Ferner hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der [X.] der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Das Berufungsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den [X.] zurückgewiesen und zugleich die Berufung gemäß §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO als unzulässig verworfen. Gegen beides richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie
in erster Linie die Aufhebung der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Verwerfung der Berufung [X.].

II.
[X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-fungsgericht.
1. Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz
1 [X.]r.
1, §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert (§
574 Abs.
2 [X.]r.
2 Alt.
2
ZPO). Die auf der unzutreffenden Annahme einer 2
3
4
-
4
-
nicht ordnungsgemäß unterzeichneten Berufungsbegründung beruhende [X.] ihrer Berufung als unzulässig verletzt die Beklagte in ihren Verfahrens-grundrechten auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art.
103 Abs.
1 GG und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes gemäß Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. [X.], [X.]JW 1989, 1147; [X.]JW-RR 2002, 1004).
2. [X.] ist auch begründet.
Das Berufungsgericht hätte das Rechtsmittel nicht gemäß §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO mit der Begründung verwerfen dürfen, die Berufungsbegründung sei nicht ordnungsgemäß unterzeichnet, die Berufung damit nicht ordnungsge-mäß begründet.
a) [X.]ach der Rechtsprechung
des [X.] muss die
Beru-fungsbegründungsschrift als bestimmender Schriftsatz im Anwaltsprozess grundsätzlich von einem beim Berufungsgericht postulationsfähigen
Rechtsan-walt eigenhändig unterschrieben sein (§
130 [X.]r.
6, §
520 Abs.
5 ZPO). Die Un-terschrift soll die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum
Ausdruck bringen, die [X.] des Schriftsatzes zu übernehmen ([X.], Beschluss vom 26.
Oktober
2011 -
IV
ZB
9/11, Rn.
6, bei juris; Beschluss vom 22.
[X.]o-vember
2005 -
VI
ZB
75/04, [X.], 387
Rn.
5; Urteil
vom 11.
Ok-tober
2005 -
XI
ZR
398/04, [X.], 3773; Beschluss vom 15.
Juni
2004

VI
ZB
9/04, [X.]JW-RR 2004, 1364; Beschluss vom 28.
August
2003 -
I
ZB
1/03, [X.], 349, 350; Urteil vom 31.
März
2003

II
ZR
192/02, [X.]JW 2003, 2028; ebenso: [X.], [X.]JW 1990, 2706). Zugleich soll sichergestellt werden, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern 5
6
7
-
5
-
dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist ([X.], Beschluss vom 26.
Oktober
2011

IV
ZB
9/11, Rn.
6, bei juris).

Ebenfalls höchstrichterlich geklärt ist, dass [X.] unter Wahrung der sich aus §
130 [X.]r.
6, §
520 Abs.
5 ZPO ergeben-den Formerfordernisse in [X.] von einem beim Rechtsmittelgericht zugelassenen und damit postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet wer-den können, weil auch dann sichergestellt ist, dass der Unterzeichnende die Verantwortung für den Inhalt der Rechtsmittelbegründung und deren [X.] bei Gericht trägt ([X.], Urteil vom 31.
März
2003 -
II
ZR
192/02, [X.]JW 2003, 2028; [X.], [X.]JW 1990, 2706, m.w.[X.]).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze, die auch das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, sind die
Anforderungen an die [X.] einer formgerechten Berufungsbegründung im vorliegenden Fall ge-wahrt. Sie ist handschriftlich mit einem die Identität des Ausstellers, Rechtsan-wältin [X.], hinreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug unterzeichnet (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Oktober 2005 -
XI
ZR
398/04, [X.], 3773, m.w.[X.].). Ebenfalls außer Frage steht, dass es sich beim Aussteller um eine bei dem Berufungsgericht postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Dass sie in [X.] für den Prozessbevollmächtigten R.W.G der Beklagten gehan-delt hat, ergibt sich ohne weiteres aus dem ihrer Unterschrift handschriftlich hinzugefügten Zusatz "i.V." (vgl. [X.], Beschluss vom 5.
[X.]ovember
1987

V
ZR
139/87, [X.]JW 1988, 210 -
in Abgrenzung zur Unterzeichnung mit dem Zusatz "i.A."), womit zugleich klargestellt ist, dass der Schriftsatz nicht von der im maschinenschriftlichen Zusatz am Ende des Schriftsatzes angegebenen Person (Rechtsanwalt [X.]) unterzeichnet ist.
8
9
-
6
-
c) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des [X.] (Beschluss vom 22.
[X.]ovember
2005

VI
ZB
75/04, [X.], 387; vgl. auch Beschluss vom 26.
Oktober
2011

IV
ZB
9/11, bei juris), die Berufungsbegründung sei gleichwohl nicht formge-recht, weil es im Zeitpunkt ihrer Einreichung nicht zweifelsfrei habe erkennen können, ob sie von einem beim [X.] zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet worden sei.
aa) Mit dieser Auffassung überspannt das Berufungsgericht die formalen, an den [X.]achweis der Postulationsfähigkeit geknüpften Anforderungen an die Begründung eines Rechtsmittels. Richtig ist zwar, dass die [X.] ist, die im Zeitpunkt der Vornahme der [X.] gegeben sein muss (vgl. [X.], Beschlüsse vom 30.
Juni
1992

VI
ZB
15/92, [X.]JW 1992, 2706 und vom 18.
Oktober
1989 -
IVa
ZB
15/89, [X.]JW 1990, 1305). Daraus lässt sich indes entgegen der Auffassung des [X.] nicht der Grundsatz ableiten, dass die Identität des Anwalts, der die [X.] unterzeichnet hat, bereits im Zeitpunkt des Ablaufs der für die Begründung
des Rechtsmittels maßgeblichen Frist in solcher Weise eindeutig geklärt sein muss, dass endgültige Feststellungen zur Postula-tionsfähigkeit des Unterzeichners getroffen werden können. [X.]ach der Recht-sprechung des [X.] hat ein Rechtsanwalt seine Postulationsfä-higkeit weder bei der Einlegung noch bei der Begründung einer Berufung [X.] oder auch nur glaubhaft zu machen. Ergeben sich bei
der Prüfung der Zulässigkeit der Berufung im Verfahren nach §
522 Abs.
1 ZPO Zweifel hieran, hat das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen von Amts wegen zu treffen. Maßgebend hierfür ist, wenn die Entscheidung -
wie hier
-
gemäß §
522 Abs.
1
Satz
3 ZPO durch Beschluss ergeht, der Erkenntnisstand in dem Zeit-punkt, welcher im schriftlichen Verfahren nach allgemeinen Grundsätzen dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht (Zum Ganzen: [X.], Urteil vom 10
11
-
7
-
11.
Oktober
2005 -
XI
ZR
398/04, [X.], 3773, 3774
f.). Hier stand [X.] in diesem Zeitpunkt fest, dass die Berufungsbegründung von der allgemein zugelassenen und deshalb nach der seit 2002 geltenden Rechtslage auch vor dem [X.] postulationsfähigen Rechtsanwältin [X.] unterzeichnet ist.
bb) Der [X.] braucht nicht zu entscheiden, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn überhaupt keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Berufungsbegründung
von einem zur Prozessvertretung zuge-lassenen Rechtsanwalt unterschrieben ist. Diese Unklarheit bestand hier nicht. Durch die Hinzufügung des Zusatzes "i.V." gibt der Unterzeichnende, wie [X.], regelmäßig zu erkennen, dass er als Unterbevollmächtigter des [X.] der [X.] die Verantwortung für den Inhalt der [X.]
übernimmt. Das setzt voraus, dass es sich beim Unterzeichnenden um einen postulationsfähigen Rechtsanwalt handelt. [X.]ur in diesem Sinne konn-te das Berufungsgericht vernünftigerweise die mit dem Zusatz "i.V." versehene Unterschrift der Rechtsanwältin [X.] auffassen.
cc) Allein der Umstand, dass die Identität der Rechtsanwältin [X.] bei Ein-reichung der Berufungsbegründung für das Berufungsgericht nicht erkennbar war, durfte
nicht zur Verwerfung
des Rechtsmittels führen. [X.] geklärt ist, dass die Wirksamkeit der Berufung und der Berufungsbegründung nicht von der Angabe der [X.] Anschrift eines Unterbevollmächtigten abhängt ([X.], Urteil vom 11.
Oktober
2005 -
XI
ZR
398/04,
[X.], 3773, 3774; [X.], [X.]JW 1990, 2706). Es reicht aus, dass der Prozessbevollmächtigte der [X.] -
wie hier
-
unter der im Briefkopf der [X.] angegebenen Anschrift erreichbar ist. Damit war, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, für das Berufungsgericht zugleich in ausreichender Weise die Mög-12
13
-
8
-
lichkeit eröffnet, auf diesem Wege die Identität der Unterbevollmächtigten und gegebenenfalls
ihre Postulationsfähigkeit zu klären.
3. Da die Beklagte ihre Berufung demnach rechtzeitig und formgerecht begründet hat, durfte
das
Berufungsgericht sie nicht als unzulässig verwerfen. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§
577 Abs.
4 Satz
1 ZPO). Es bedarf keiner Entscheidung über den von dem Beklagten wegen Versäumung der Berufungsbegründungs-frist eingelegten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Insoweit ist der Beschluss des Berufungsgerichts gegenstandslos.
Kuffer
[X.]

Eick

Halfmeier

Leupertz

Vorinstanzen:
LG [X.] I, Entscheidung vom 15.03.2010 -
34 O 23385/08 -

OLG [X.], Entscheidung vom 13.09.2010 -
19 U 2745/10 -

14

Meta

VII ZB 83/10

26.04.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.04.2012, Az. VII ZB 83/10 (REWIS RS 2012, 6878)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 6878

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VII ZB 83/10

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