Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. IV ZR 153/05

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 2787

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am:

5. Juli 2006

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]Z: nein _____________________ [X.] 94 § 4 (1) c, [X.]Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 18-Punkte-G[X.]ze infolge wiederholter Verstöße gegen straßenverkehrsrechtliche Vor-schriften oder Strafgesetze (§ 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG [X.] mit § 46 Abs. 1 FeV) ist jede einzelne Verkehrsordnungswidrigkeit oder Straftat ein selbstän-diger Rechtsschutzfall. Anspruch auf Deckungsschutz hat der Versiche-rungsnehmer nur, wenn der erste der für die [X.] Verstöße innerhalb des versicherten Zeitraumes liegt (§ 4 (2) Satz 2 [X.] 94). [X.], Urteil vom 5. Juli 2006 - [X.] - [X.] - 2 -

[X.] hat durch den [X.], [X.], [X.], die Richterin Dr. [X.] und [X.] [X.] auf die mündliche Verhand-lung vom 5. Juli 2006 für Recht erkannt: Die Revision gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des [X.] vom 1. Juni 2005 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand:

Der Kläger, von Beruf Kraftfahrer und bis November 2003 im [X.] einer Fahrerlaubnis auch für Lastkraftwagen, nimmt die Beklagte aus einer bei ihr am 18. Juni 1999 genommenen Rechtsschutzversicherung in Anspruch, in der er als Lebenspartner der Versicherungsnehmerin ge-mäß § 26 der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversiche-rung ([X.] 94) mitversichert ist. 1 Am 10. März 1999 und am 27. Mai 1999 sowie in vier weite[X.] Fäl-len ergingen gegen den Kläger wegen verschiedener [X.] Bußgeldbescheide. In einem weite[X.] Fall verurteilte ihn das Amtsgericht wegen Fah[X.]s ohne Fahrerlaubnis. In allen sieben Fällen wurden im Verkehrszentralregister beim Kraftfahrtbundesamt Punkte 2 - 3 -

nach § 4 StVG eingetragen. Mit dem letzten Bußgeldbescheid vom 2. September 2003 erhöhte sich der Punktestand des [X.] auf insge-samt 18 Punkte. Daraufhin entzog ihm die Straßenverkehrsbehörde mit Verfügung vom 13. November 2003 die Fahrerlaubnis für die Dauer von sechs Monaten und ordnete die unverzügliche Abgabe des Führer-scheins an. Die Bitte des [X.] um Deckungszusage für das Verwal-tungsverfah[X.] wie auch für das Verfah[X.] des einstweiligen [X.] nach § 80 Abs. 5 VwGO lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 und (erneut) vom 5. Februar 2004 unter Hinweis auf § 4 (1) c i.V. mit § 4 (2) Satz 2 [X.] 94 ab, weil er zwei der zur Eintra-gung von Punkten füh[X.]de Verkehrsordnungswidrigkeiten vor [X.] begangen habe.

Das Amtsgericht hat die Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten abgewiesen. Die Berufung des [X.] ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Fest-stellungsbegeh[X.] weiter. 3 Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. 4 [X.] Das Berufungsgericht hat ausgeführt: 5 6 Gemäß § 4 (1) c [X.] 94 besteht Rechtsschutz nach Eintritt des Versicherungsfalles von dem Zeitpunkt an, in dem der [X.] 4 -

nehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder -vorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Da sich eine rechtliche Auseinandersetzung aus mehre[X.], zeitlich aufeinander fol-genden Rechtsverstößen entwickeln könne, fingiere die Klausel als Ver-sicherungsfall den Zeitpunkt des ersten Verstoßes, auch wenn dieser möglicherweise fortwäh[X.]d wiederholt werde. Der erste Verstoß müsse in einem solchen Fall jedoch schon für sich betrachtet nach der Lebens-erfahrung geeignet sein, den Rechtskonflikt auszulösen. Zumindest [X.] er noch erkennbar nachgewirkt und den endgültigen Ausbruch der Streitigkeit auch nach weite[X.] Verstößen - adäquat kausal - jedenfalls mit verursacht haben. Der Kläger habe bereits innerhalb eines Jahres vor Vertragsschluss zweimal gegen Vorschriften der Straßenverkehrs-ordnung verstoßen, weshalb im Verkehrszentralregister insgesamt vier Punkte eingetragen worden seien. Diese Verstöße seien für das Errei-chen der 18-Punkte-G[X.]ze mitursächlich gewesen; ohne sie wäre der Versicherungsfall nicht eingetreten. Die auch vom Kläger vertretene [X.], wonach es auf einen vorvertraglichen Rechtsverstoß für die An-nahme des [X.] [X.] im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ankommen könne, weil dieser für sich allein nicht geeignet sei, zu dem [X.] zu füh[X.], sei mit dem Wortlaut von § 4 (1) c i.V. mit § 4 (2) [X.] 94 nicht vereinbar. § 4 (2) Satz 2 [X.] 94, der sich auf alle Rechtsschutzfälle im Sinne von Abs. 1 beziehe, stehe auch einer Auslegung entgegen, wonach diejenige Zuwiderhandlung gegen [X.] für die Auslösung des [X.] maßgeblich sei, die letztendlich zum Erreichen des Punktestandes von 18 Punkten geführt habe. - 5 -

I[X.] Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. 7 Zwar umfasst die von der Lebenspartnerin des [X.] bei der [X.] gehaltene Rechtsschutzversicherung gemäß § 26 (3) [X.] 94 in sachlicher Hinsicht den Verwaltungs-Rechtsschutz in [X.] und damit auch die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des gemäß § 26 (1) [X.] 94 mitversicherten [X.] im Zusammenhang mit der Ent-ziehung der Fahrerlaubnis. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht den vorvertraglichen Eintritt des Versicherungsfalles bejaht. 8 1. Bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 StVG i.V. mit § 46 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung - FeV), die auf wiederholten Verstößen gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze beruht, ist jede einzelne Verkehrsordnungswidrigkeit oder Straftat ein selbständiger Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 (1) c [X.] 94. Der Versicherungsnehmer hat in einem solchen Fall nur dann Anspruch auf Deckungsschutz, wenn der erste der für die Entziehung der Fahrerlaubnis maßgeblichen Verstöße innerhalb des versicherten [X.] liegt. Das ergibt die Auslegung von § 4 (1) c i.V. mit § 4 (2) Satz 2 [X.] 94, bei der es auf die Sichtweise des durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrecht-liche Spezialkenntnisse ankommt ([X.]Z 123, 83, 85 und ständig). 9 a) § 4 [X.] 94 enthält für den Bereich der Rechtsschutzversiche-rung eine Definition des Versicherungsfalles im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 [X.] (Rechtsschutzfall), der sich in versicherter Zeit ereignet ha-ben muss. Gemäß § 4 (1) c [X.] 94 besteht danach Anspruch auf 10 - 6 -

Rechtsschutz nach Eintritt eines [X.] von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß ge-gen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder began-gen haben soll. Wie der [X.] bereits entschieden hat, kann der durch-schnittliche Versicherungsnehmer dem Wortlaut sowie dem erkennba[X.] Sinn und Zweck dieser Klausel entnehmen, dass für die Annahme eines den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoßes im Sinne der Klausel jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang ausreicht, der den Keim ei-nes Rechtskonflikts in sich trägt (Urteil vom 28. September 2005 - [X.]/04 - [X.], 1684 unter [X.] b; vgl. auch [X.]surteil vom 14. März 1984 - [X.] - [X.], 530 unter [X.] e).
Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 FeV setzt die behördlich ange-ordnete Entziehung der Fahrerlaubnis infolge Erreichens der 18-Punkte-G[X.]ze wiederholte, also gemäß § 20 OWiG in Tatmehrheit stehende Verstöße gegen verkehrsrechtliche bzw. strafrechtliche Vorschriften [X.]. Für den um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer wird sich im vorliegenden Fall daher jeder einzelne der für die Entziehung der Fahrerlaubnis erheblichen Verkehrsverstöße gleichermaßen als ein sol-cher objektiv feststellbarer, tatsächlicher Vorgang darstellen. Jede Ver-kehrsordnungswidrigkeit ist somit ein selbständiger Rechtsschutzfall im Sinne von § 4 (1) c [X.] 94. 11 b) Der Kläger begehrt im vorliegenden Fall Deckungsschutz, weil er gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 18-Punkte-G[X.]ze infolge wiederholter Verstöße gegen straßenverkehrs-rechtliche bzw. strafrechtliche Vorschriften vorgehen will. Die beabsich-tigte Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen im Zusammenhang mit 12 - 7 -

dem Entzug der Fahrerlaubnis ist also dadurch gekennzeichnet, dass dem Rechtsschutzfall, für den er Deckung begehrt, bereits mehrere Rechtsschutzfälle vorausgegangen sind, die den Rechtsschutzfall "Ent-ziehung der Fahrerlaubnis" erst ausgelöst haben. Das führt zur Anwen-dung des § 4 (2) Satz 2 [X.] 94. Danach aber hängt die Frage, ob die Beklagte Deckung zu gewäh[X.] hat, davon ab, ob der erste der für die Fahrerlaubnisentziehung maßgeblichen Verstöße innerhalb des versi-cherten Zeitraumes liegt.
Das Berufungsgericht hebt zutreffend hervor, dass sich dieser Teil der Klausel schon dem Wortlaut nach auch auf die Fälle des Entzugs der Fahrerlaubnis wegen Erreichens der 18-Punkte-G[X.]ze bezieht, zumal das Bedingungswerk der [X.] 94 im Unterschied zu den [X.] 75 insoweit keine Sonderregelung enthält. Auf die zur Auslegung von § 14 [X.] 75 in Fällen des [X.] in Rechtsprechung und Schrifttum ver-tretenen unterschiedlichen Auffassungen kommt es deshalb hier nicht mehr an (vgl. dazu [X.] in [X.]/Matusche-[X.] [Hrsg.], [X.] 2004 § 37 Rdn. 379 f.; [X.], [X.], 418, 425, jeweils m. Nachw. zum [X.]). Gegen die vom Kläger besorgten nachteiligen Folgen der vom [X.] vorgenommenen Auslegung wird der Versicherungsnehmer durch § 4 (2) Satz 2 Halbs. 2 [X.] 94 hinreichend geschützt, wonach jeder Rechtsschutzfall außer [X.] bleibt, der länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschut-zes für den betroffenen Gegenstand der Versicherung eingetreten ist (ebenso [X.], [X.] 1995, 361, 364). Die Ansicht der Revision, es müsse regelmäßig auf die letzte verkehrsordnungsrechtliche Zuwiderhandlung abgestellt werden, weil erst auf de[X.] Grundlage das Entziehungsverfah-13 - 8 -

[X.] eingeleitet werde, erweist sich im Hinblick auf den Regelungszu-sammenhang von § 4 (1) c und § 4 (2) [X.] 94 als nicht tragfähig. 2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ergingen die ersten beiden hier maßgeblichen Bußgeldbescheide gegen den Kläger am 10. März und am 27. Mai 1999, also im [X.] vor Abschluss des Versicherungsvertrages mit der Beklagten am 18. Juni 1999. Es hat daher mit Recht angenommen, dass dem Kläger wegen Vorvertraglich-keit kein Anspruch auf Versicherungsleistungen gegen die Beklagte zu-steht. 14 [X.][X.] [X.] Dr. [X.] Dr. [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 21.09.2004 - 138 [X.]/04 - [X.], Entscheidung vom 01.06.2005 - 20 S 41/04 -

Meta

IV ZR 153/05

05.07.2006

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.07.2006, Az. IV ZR 153/05 (REWIS RS 2006, 2787)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 2787

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