Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2021, Az. VII ZR 44/18

7. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 1495

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Gegenstand

Erlass eines Teil- und Vorbehaltsurteils: Aufrechnung eines Schadensersatzanspruchs des Bestellers gegen den Werklohnanspruch des Architekten


Leitsatz

Zur Zulässigkeit eines Teil-Vorbehaltsurteils bei Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch des Bestellers gegenüber dem Werklohnanspruch des Architekten.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des [X.] vom 31. Januar 2018 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt restliches Honorar für Architekten- und Ingenieurleistungen aufgrund eines Vertrags vom 23. Mai 2009 mit Änderung vom 22. Juni 2009.

2

Gegenstand des Projekts war die Errichtung einer Biogasanlage zwecks Energiegewinnung auf einem Grundstück des damaligen Geschäftsführers der [X.]. Beauftragt waren Architekten- und Ingenieurleistungen gemäß Leistungsphasen 1 bis 8 der Leistungsbilder Ingenieurbauwerke gemäß §§ 51f. [X.] (1996), technische Ausrüstung gemäß §§ 68f. [X.] (1996) und Objektplanung für Gebäude, Freianlagen und raumbildende Ausbauten gemäß §§ 13f. [X.] (1996). Als Vergütung war ein Pauschalhonorar in Höhe von 120.000 € nebst einer Nebenkostenpauschale von 6 %, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, vereinbart. Für Fahrtkosten, die über zehn Fahrten hinausgingen, wurde außerdem eine Kilometerpauschale in Höhe von 0,50 € sowie eine Vergütung des darauf entfallenden Zeitaufwands in Höhe von 35 € je Stunde, jeweils zuzüglich der Umsatzsteuer, vereinbart.

3

Während der Bauausführung kam es zu Undichtigkeiten im [X.]. Letztlich wurde die Dichtigkeit durch eine nachträglich hergestellte Stahlinnenauskleidung hergestellt. Nach Fertigstellung der Anlage war jedenfalls ab dem 21. Oktober 2010 eine Stromerzeugung und Einspeisung von Strom in das Netz möglich. Die Klägerin erbrachte ihre Leistungen zwischen dem 23. Mai 2009 und dem 6. Juni 2012.

4

Mit Schlussrechnung vom 17. Dezember 2013 machte die Klägerin auf Grundlage der Honorarvereinbarung unter Berücksichtigung geleisteter Abschlagszahlungen eine restliche Werklohnforderung in Höhe von 56.680,79 € geltend, die Gegenstand der Klage ist. Sie ist der Auffassung, bei Abrechnung der Leistungen auf Grundlage der jeweiligen [X.]-Mindestsätze stünde ihr noch ein Resthonorar in Höhe von 254.049,64 € zu.

5

Die Beklagte behauptet, ihr sei kein Bautagebuch und kein Bauablaufplan übergeben worden, was eine Minderung des [X.] von 3 % (3.600 € netto) rechtfertige. Außerdem sei die Klageforderung um näher bezeichnete [X.] und Fahrtkosten zu kürzen, so dass nur ein berechtigter Betrag von 46.219,54 € verbleibe. In dieser Höhe hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem entsprechenden Teil eines ihr nach ihrer Auffassung zustehenden Schadensersatzanspruchs in Höhe von 85.515,50 € wegen fehlerhafter Bauüberwachung des angeblich zunächst mangelhaft hergestellten Reaktors und ungeeigneter Planung eines Mangelbeseitigungsversuchs erklärt. Den aufgrund der Aufrechnung noch nicht erloschenen restlichen Schadensersatzanspruch wegen des mangelhaft hergestellten [X.]s und weitere Schadenspositionen hat sie widerklagend in Höhe von insgesamt 136.360,47 € nebst Zinsen geltend gemacht. Außerdem hat sie einen Antrag auf Feststellung der Verpflichtung der Klägerin zu weiterem Schadensersatz gestellt.

6

Das [X.] hat die Beklagte durch Teil-Vorbehaltsurteil verurteilt, an die Klägerin 46.219,54 € zu zahlen. Die Entscheidung über die Aufrechnung der [X.] mit der Gegenforderung auf Schadensersatz in Höhe von 85.515,50 € aufgrund des mangelhaft hergestellten [X.]s bleibe vorbehalten.

7

Mit ihrer Berufung hat die Beklagte weiterhin vollständige Klageabweisung und eine Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage begehrt, hilfsweise hat sie beantragt, das Teil-Vorbehaltsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das [X.] zurückzuverweisen. Sie hat insbesondere geltend gemacht, die Voraussetzungen für den Erlass eines Teil- und Vorbehaltsurteils lägen nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihre Anträge aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

9

Auf das Schuldverhältnis der [X.]en ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung anzuwenden, die für ab dem 1. Januar 2002 und bis zum 31. Dezember 2017 geschlossene Verträge gilt, Art. 229 § 5 Satz 1, § 39 EGBGB.

I.

Das Berufungsgericht hat den Erlass eines [X.] nach § 301 ZPO für zulässig gehalten. Der Streitgegenstand des einheitlichen [X.] sei teilbar, weil über einen abgrenzbaren, eindeutig individualisierten quantitativen Teil des Anspruchs entschieden worden sei. Ebenso sei der Rechtsstreit insoweit entscheidungsreif, weil der Werklohnanspruch, soweit über ihn befunden worden sei, unstreitig sei. Die Beklagte habe den Werklohnanspruch der Klägerin im zuerkannten Umfang faktisch durch die Erklärung der Primäraufrechnung anerkannt. Schließlich sei das Teilurteil auch vom Schlussurteil unabhängig; es bestehe keine Gefahr widersprechender Entscheidungen. Zwar bestehe zwischen den prozessual selbständigen Ansprüchen der Klage und der Widerklage eine materiell-rechtliche Verzahnung, indem sowohl der mit der Klage verfolgte Anspruch als auch die mit der Widerklage verfolgten Ansprüche auf das gleiche Rechtsverhältnis gestützt seien. Aber für die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen sei weitergehend erforderlich, dass die [X.]en auch etwa über das wirksame Zustandekommen des Vertrags stritten. In diesen Fällen könne ein Teil der Klageforderung nur in Verbindung mit einem Grundurteil zuerkannt werden, damit die sowohl für das Teilurteil als auch für das Schlussurteil bedeutsame Frage nach der Wirksamkeit des Vertrages durch das Grundurteil verbindlich entschieden werde. Hier sei das Bestehen eines Werkvertrags jedoch unstreitig. Beide [X.]en leiteten ihre Ansprüche aus dem Werkvertrag her.

Auch für den Erlass eines [X.] nach § 302 ZPO lägen sämtliche Voraussetzungen vor.

Zwar habe der [X.] ausgesprochen, dass das vom Gericht auszuübende Ermessen bei der Entscheidung, ob es ein [X.] erlässt, begrenzt sei. Ein solches sei grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Besteller gegenüber einer [X.] mit einem Anspruch aus demselben Vertragsverhältnis auf Ersatz der Kosten der Mängelbeseitigung oder der Fertigstellung aufgerechnet habe ([X.], Urteil vom 24. November 2005 - [X.]; Urteil vom 27. September 2007 - [X.]). Diese Grundsätze seien jedoch nach richtiger Auffassung auf den Architektenvertrag nicht anwendbar und ständen deshalb dem Erlass eines [X.] nicht entgegen. Sie beruhten darauf, dass der [X.] es als ein grundsätzlich nicht hinnehmbares Ergebnis ansehe, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene, auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohnanspruch - wenn auch nur vorübergehend - durchsetzbar wäre, weil der Kläger dann von einer doppelten Vertragswidrigkeit profitieren würde. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die zur Aufrechnung gestellten Forderungen resultierten nicht aus Ansprüchen, die dazu dienten, das durch den [X.] von Leistung und Gegenleistung herzustellen wie Ansprüche auf Zahlung von Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten. Die klagende [X.] sei damit auch nicht der Profiteur doppelter Vertragswidrigkeit, denn eine Möglichkeit zur Nachbesserung habe sie nicht gehabt. Zudem würde eine solche erweiterte Anwendung der Grundsätze der Entscheidung des [X.]s bedeuten, dass sie auf alle Fälle erstreckt werden müsste, in denen mit aus Schlechtleistung resultierenden Schadensersatzansprüchen aufgerechnet werde. Das wiederum wäre eine ganz erhebliche, nicht gerechtfertigte Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 302 ZPO.

II.

Die Vorinstanzen haben durch (Teil-)[X.] nur einen Teil der Klageforderung unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung zuerkannt und über den restlichen Teil der Klageforderung sowie über die Widerklage noch keine Entscheidung getroffen. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

1. Der Erlass eines [X.] war gemäß § 302 Abs. 1 ZPO zulässig.

a) Gesetzlich ausdrücklich normierte Voraussetzung für eine Entscheidung unter dem Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung der Beklagten ist allein, dass die Verhandlung über die Klageforderung zur Entscheidung reif ist. Diese Voraussetzung lag vor, soweit die Beklagte verurteilt worden ist. Die Honorarforderung der Klägerin ist in der zugesprochenen Höhe unstreitig; die Beklagte hat sich hiergegen ausschließlich mit ihrer (Primär-)Aufrechnung gewehrt.

b) Ob in einer solchen Situation von der Möglichkeit eines [X.] Gebrauch gemacht wird, liegt im freien Ermessen ("kann") des Gerichts. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats können sich jedoch aus der gebotenen Auslegung der gesetzlichen Regelung Grenzen dieses Ermessens ergeben, deren Einhaltung der revisionsrechtlichen Überprüfung ebenso unterliegt wie die Frage, ob das Gericht von seinem Ermessen überhaupt Gebrauch gemacht hat ([X.], Versäumnisurteil vom 24. November 2005 - [X.] Rn. 9, [X.]Z 165, 134).

aa) Ein [X.] kann dazu führen, dass der Kläger einen Titel über eine Forderung erhält, die tatsächlich infolge der Aufrechnung nicht besteht. Diese Wirkung soll nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats grundsätzlich nicht gerechtfertigt sein, wenn der Besteller gegenüber einer [X.] mit Ansprüchen aufrechnet, die dazu dienen, das durch den [X.] von Leistung und Gegenleistung herzustellen. Dazu gehöre die Forderung auf Zahlung der Mängelbeseitigungskosten ([X.], Versäumnisurteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134, juris Rn. 12). Denn grundsätzlich sei es ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn - wenn auch nur vorübergehend - durchsetzbar wäre. Der Unternehmer würde in diesem Fall von einer doppelten Vertragswidrigkeit profitieren. Denn die synallagmatische Verknüpfung der [X.] mit der Forderung auf mangelfreie Erfüllung des Vertrages finde zunächst ihren Ausdruck in einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers im Falle einer mangelhaften oder nicht fertig gestellten Leistung, § 320 Abs. 1 BGB. Der Besteller könne sich im Prozess mit dem Leistungsverweigerungsrecht verteidigen mit der Folge, dass die [X.] ganz oder teilweise nicht durchsetzbar sei. § 302 Abs. 1 ZPO sei in diesem Fall nicht anwendbar ([X.], Versäumnisurteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134, juris Rn. 13 f.).

Hieraus hat der Senat abgeleitet, dass der [X.] bei einer Aufrechnung mit Ansprüchen auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten und Fertigstellungsmehrkosten nur dann die Grenzen seines Ermessens bei dem Erlass eines [X.] nicht überschreitet, wenn er unter Berücksichtigung des Zwecks des [X.] fälliger Zahlungen ([X.]) einen Ausnahmefall annimmt, der zu einer anderen Wertung führt ([X.], Versäumnisurteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134, juris Rn. 16 mit Beispielen).

bb) Diese Rechtsprechung des Senats hat in der Literatur Kritik erfahren (Schöpflin, ZZP 119 (2006), 490, 492 ff.; [X.], [X.], 40, 40 f.; zustimmend dagegen etwa Vollkommer, [X.]-Report 2006, 321, 321 f.). Ob an ihr uneingeschränkt festzuhalten ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Auch bei Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei den Erlass des [X.] gebilligt. Das [X.] hat die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens mit dem Erlass des [X.] entgegen der Auffassung der Beklagten nicht überschritten.

(1) Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass der Senat die Möglichkeiten zum Erlass eines [X.] nur für den Fall eingeschränkt hat, dass der Besteller mit Ansprüchen aufrechnet, die aus einem Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 Abs. 1 BGB erwachsen sind (anders daher [X.], Urteil vom 27. September 2007 - [X.] Rn. 22, [X.], 2052 = NZBau 2008, 55 zu einem Mietausfallschaden).

Um einen solchen Anspruch handelt es sich nicht bei einem Schadensersatzanspruch des Bestellers gegen den Architekten oder Ingenieur, wenn - wie hier - geltend gemacht wird, Fehler des Architekten oder Ingenieurs (Mängel des [X.]) hätten sich im Bauwerk realisiert und damit zu einem Schaden geführt ([X.], Urteil vom 22. Februar 2018 - [X.]/17 Rn. 58, 61, [X.]Z 218, 1; Urteil vom 16. Februar 2017 - [X.] Rn. 23, [X.], 1061 = NZBau 2017, 555). Ein derartiger Anspruch auf Schadensersatz neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann für Schäden geltend gemacht werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind; die betroffenen Schäden sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können (vgl. [X.], Urteil vom 7. Februar 2019 - [X.]/18 Rn. 17-19, [X.]Z 224, 271). Damit ist ein solcher Anspruch nicht aus einem Leistungsverweigerungsrecht des Bestellers nach § 320 Abs. 1 BGB gegenüber der Honorarforderung erwachsen.

(2) Entgegen der Auffassung der Revision kann allein der Umstand, dass durch einen Architektenvertrag das Interesse des Auftraggebers an einer mangelfreien Entstehung des Bauwerks geschützt wird (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar 2017 - [X.] Rn. 24, [X.], 1061 = NZBau 2017, 555), eine Einschränkung der Anwendbarkeit des § 302 Abs. 1 ZPO nicht rechtfertigen.

Aus dem Architekten- oder Ingenieurvertrag folgt weder ein Anspruch des Bestellers auf (mangelfreie) Errichtung des Bauwerks noch auch nur ein Recht des Architekten, dies zur Abwendung von Gegenansprüchen bewirken zu dürfen (vgl. [X.], Urteil vom 16. Februar 2017 - [X.] Rn. 22-29, [X.], 1061 = NZBau 2017, 555).

Die typischerweise enge Verbindung zwischen der [X.] und dem Bauwerk rechtfertigt prozessrechtlich keine andere Betrachtung (im Ergebnis ebenso Koeble in [X.]/Koeble/Frik, [X.], 15. Aufl., Einleitung Rn. 265; [X.], Urteil vom 23. Oktober 2014 - 5 U 51/13, [X.], 538 = [X.], 373, juris Rn. 33; a.[X.], [X.], 376). Wertungen, nach denen ein [X.] zugunsten des Architekten wegen der typischen und engen Verbindung seiner Leistung mit dem Erfolg des Bauvorhabens für unangemessen erachtet wird, können ausreichend dadurch berücksichtigt werden, dass ein [X.] nach dem freien Ermessen des Gerichts unterbleiben kann.

2. Der Erlass eines [X.] war gemäß § 301 ZPO zulässig, was der [X.] wegen zu prüfen hat (vgl. [X.], Urteil vom 11. Mai 2011 - [X.] Rn. 19, [X.]Z 189, 356). Ihm steht nicht entgegen, dass sich theoretisch im weiteren Verlauf des Verfahrens Vorfragen ergeben können, die abweichend von der Verurteilung durch das (Teil-)[X.] entschieden werden könnten. Das nach der Rechtsprechung des [X.]s grundsätzlich geltende Verbot eines [X.] bei der Gefahr sich widersprechender Entscheidungen gilt nicht uneingeschränkt (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 2021 - [X.] Rn. 17-20 m.w.N., [X.] 2021, 1514 = NZBau 2021, 675, zur Veröffentlichung in [X.]Z vorgesehen). In der hier zu beurteilenden Konstellation konnte das [X.] wie geschehen verfahren.

a) Bis zum 30. April 2000 setzte die Vorschrift des § 302 Abs. 1 ZPO für den Erlass eines [X.] voraus, dass die aufgerechnete Gegenforderung mit der in der Klage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Zusammenhang steht. Daher war es - jedenfalls regelmäßig - ausgeschlossen, dass sich im Nachverfahren über die Berechtigung der Gegenforderung Vorfragen ergaben, die auch schon für die Verurteilung unter Vorbehalt Bedeutung hatten. Die Gefahr einer Widersprüchlichkeit bestand deshalb regelmäßig nicht.

Die seit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen mit Wirkung zum 1. Mai 2000 geltende Neufassung des § 302 Abs. 1 ZPO ([X.]) eröffnet dem Gericht im Gegensatz dazu die Möglichkeit, auch dann ein [X.] zu erlassen, wenn die zur Aufrechnung gestellte Forderung in einem rechtlichen Zusammenhang mit der Klageforderung steht. Die Gesetzesänderung sollte die Möglichkeit verbessern, fällige Ansprüche zügig zu titulieren. Damit sollte unter anderem dem Missstand begegnet werden können, dass ein Besteller mit unberechtigten Gegenforderungen die frühzeitige Titulierung einer [X.] von Bauunternehmern verhindert ([X.], Versäumnisurteil vom 24. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 134, juris Rn. 10 mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte; vgl. auch [X.]KommZPO/Musielak, 6. Aufl., § 302 Rn. 3). Für die neu mit der Vorschrift erfassten Fälle ergibt sich so die nicht auszuschließende Möglichkeit, dass im Nachverfahren über den zur Aufrechnung gestellten Gegenanspruch eine gemeinsame Vorfrage, vor allem zum Bestand des zugrundeliegenden ([X.], anders beantwortet wird als im [X.]. Das wird mit der ausdrücklichen Zulassung eines [X.] bei rechtlichem Zusammenhang mit der Klageforderung durch das Gesetz hingenommen. Auf dieser Grundlage kann ein [X.], ohne dass weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen, ergehen, wenn gegen die Klageforderung (etwa einen Werklohnanspruch) mit einem Anspruch in gleicher Höhe aus demselben zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (etwa einem auf Geldzahlung gerichteten Mangelanspruch) aufgerechnet wird. Inhaltlich ist diese Entscheidung des Gesetzgebers ohne weiteres damit erklärbar, dass sich in solchen Fällen beide [X.]en zur Begründung ihrer Ansprüche gerade auf dasselbe Rechtsverhältnis stützen und die Möglichkeit der (erstmaligen) Verneinung der Wirksamkeit dieser gemeinsamen Grundlage durch das Gericht daher zu vernachlässigen ist.

b) Im Ergebnis nichts anderes gilt, wenn eine beklagte [X.] eine Gegenforderung geltend macht, die in der Höhe entweder die Klageforderung nicht erreicht oder diese übersteigt und die [X.] den überschießenden Teil mit einer Widerklage verfolgt. Beides liegt hier in Kombination vor: Die Beklagte hat gegen die Klageforderung nur in Höhe von 46.219,54 € aufgerechnet und den überschießenden, ihr angeblich zustehenden Schadensersatz mit einer Widerklage verfolgt. Dementsprechend haben die Vorinstanzen mit dem [X.] die Klageforderung, die den Honoraranspruch der Klägerin betrifft, nur teilweise, nämlich in Höhe von 46.219,54 € zugesprochen und über einen Rest in Höhe von 10.461,25 € (56.680,79 € - 46.219,54 €) noch nicht entschieden. Sie haben außerdem über die erhobene Widerklage noch nicht entschieden. Beides war rechtsfehlerfrei und führte nicht zur Unzulässigkeit des (Teil-)[X.].

aa) Hinsichtlich der Widerklage folgt dies aus der oben (II. 2. a)) dargestellten Wertung des Gesetzes zur Frage der Möglichkeit eines [X.] gemäß § 302 Abs. 1 ZPO. Es besteht kein sachlicher Grund dafür, wegen der erhobenen Widerklage die Möglichkeit zum Erlass des [X.] entfallen zu lassen. Ebenso wie bei der Entscheidung über die Berechtigung der Aufrechnung im Nachverfahren setzt ein Erfolg der Widerklage das Bestehen des Rechtsverhältnisses - hier des [X.] - voraus. Es ist daher gerade sachgerecht und notwendig, über die Widerklage zusammen mit dem weiteren, aufgerechneten Teil des Gegenanspruch im Nachverfahren (insoweit dann in der Vorfrage einheitlich) zu entscheiden. Eine quantitativ größere oder qualitativ andere Gefahr einer "Widersprüchlichkeit" zum erlassenen [X.] als in den oben (II. 2. a)) dargestellten Fällen besteht nicht.

Darüber hinaus stellt es den Regelfall dar, dass sich Anspruch und geltend gemachter Gegenanspruch in der Höhe nicht entsprechen. Der Zweck der Änderung des § 302 Abs. 1 ZPO würde daher in einer großen Anzahl von Fällen nicht erreicht, wenn es - zufällig - darauf ankäme, ob der Gegenanspruch höher ist als die Klageforderung und die beklagte [X.] mit der Entscheidung zur Erhebung einer Widerklage ein [X.] von vornherein verhindern könnte.

bb) Auch der Umstand, dass das [X.] mit dem [X.] nur einen Teil der Klageforderung zugesprochen und über den Rest noch nicht entschieden hat, führt nicht zur Unzulässigkeit des (Teil-)[X.].

(1) Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber im Rahmen des [X.] fälliger Zahlungen ([X.]) nur in Fällen, in denen die Aufrechnungsforderung die Höhe der Klageforderung erreicht, den Erlass eines [X.] ermöglichen wollte. Zum einen führte dies zu dem widersinnigen Ergebnis, dass die Möglichkeit des Gläubigers zur Erlangung eines schnellen Titels bei einer höheren behaupteten Gegenforderung besser wäre als bei einer geringeren behaupteten Gegenforderung. Zum anderen hat der Gesetzgeber unter Berufung auf die entsprechende Rechtsprechung des [X.]s gemeint, die zugleich mit der Änderung des § 302 Abs. 1 ZPO eingefügte Vorschrift des § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO sei geeignet, um in den hiervon erfassten Fällen durch Erlass eines Grundurteils auch das [X.] zu ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 14/2752, S. 14).

(2) § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht dem Erlass des [X.] hier nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann über einen Teil eines einheitlichen Anspruchs - wie die Klageforderung -, der nach Grund und Höhe streitig ist, durch Teilurteil nur entschieden werden, wenn zugleich ein Grundurteil über den restlichen Teil des Anspruchs ergeht. Die Voraussetzung, dass der Anspruch auch dem Grunde nach streitig ist, liegt indes nicht vor. Entgegen der Auffassung der Revision streiten die [X.]en nicht um die Wirksamkeit des Vertrags über Architekten- und Ingenieurleistungen oder etwa insgesamt über die Frage des Bestehens eines Vergütungsanspruchs aus diesem Vertrag. Das ergibt sich - anders als die Revision meint - nicht daraus, dass die Klägerin die Auffassung vertreten hat, bei Abrechnung ihrer Leistungen auf Grundlage der jeweiligen [X.]-Mindestsätze stünde ihr noch ein Resthonorar in Höhe von 254.049,64 € zu. Zum einen hat sie ihre Klage hierauf bisher nicht gestützt. Zum anderen wäre hierdurch auch nur die Höhe der Restwerklohnforderung betroffen, deren Bestehen von der Beklagten - vorbehaltlich ihrer Einwendungen zur Höhe - gerade nicht bestritten wird.

(3) Es kann offenbleiben, ob aus dem Wortlaut des § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Verbindung mit der Tatsache, dass das Gesetz keine Regelung dazu trifft, was gilt, wenn der Grund des Anspruchs - wie hier - nicht im Streit steht, etwas für die grundsätzliche Zulässigkeit eines [X.] in diesen Fällen abzuleiten ist (vgl. hierzu [X.], [X.], 3622; [X.]/Feskorn, ZPO, 34. Aufl., § 301 Rn. 17). Jedenfalls im Fall eines [X.], das bei einer Primäraufrechnung (nur) gegen einen Teil der Klageforderung ergehen könnte, folgt aus dem insbesondere auch der Entstehungsgeschichte entnehmbaren Sinn und Zweck der Vorschriften des § 302 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO in den seit dem 1. Mai 2000 geltenden Fassungen, dass die etwaige Möglichkeit der abweichenden Beurteilung der Wirksamkeit des dem [X.] zugrunde liegenden Vertrags bei der Entscheidung über den restlichen [X.] dem Erlass des (Teil-)[X.] nicht entgegen steht.

Der Gesetzgeber hat - wie ausgeführt - in Fällen, in denen auch der Grund der Klageforderung streitig ist, - das sind im Rahmen des § 302 Abs. 1 ZPO Fälle der Hilfsaufrechnung - durch Einführung des § 301 Abs. 1 Satz 2 ZPO eine ausdrückliche Möglichkeit eröffnet, das [X.] zu erlassen. Es spricht nichts dafür, dass er in Fällen der Primäraufrechnung - wie hier - ein solches demgegenüber nicht ermöglichen wollte, nur weil er hierzu keine Regelung getroffen hat. Vielmehr kommt in Betracht, dass er eine ausdrückliche Regelung schon wegen der damaligen Rechtsprechung des [X.]s für entbehrlich gehalten hat, weil in diesem Fall die Tatsachen zum Grund der Klageforderung im Zeitpunkt des Erlasses des [X.] unstreitig sind (vgl. [X.], Urteil vom 3. Februar 2000 - [X.], [X.], 725, juris Rn. 17; anders dagegen [X.], Urteil vom 30. November 1999 - [X.], [X.], 800, juris Rn. 17 ff.: möglicher geänderter Vortrag in der Zukunft ebenfalls schädlich). Die Rechtsprechung, auf die sich der Gesetzgeber ausdrücklich bezogen hat (BT-Drucks. 14/2752, S. 14; [X.]Z 107, 236; 108, 256; [X.] NJW 1992, 511), betrifft nur Fälle, in denen der Grund eines einheitlichen Anspruchs streitig war.

Jedenfalls geht eine Primäraufrechnung durch eine beklagte [X.] über das bloße Nichtbestreiten der Berechtigung der Klageforderung hinaus:

Regelmäßig liegt darin, dass eine beklagte [X.] auf den schlüssigen Vortrag des [X.] die Primäraufrechnung erklärt und geltend macht, durch die Aufrechnung sei die Klageforderung erloschen, ein gerichtliches Geständnis nach § 288 ZPO, das dazu führt, das zukünftig abweichender Vortrag nur unter den Voraussetzungen des § 290 ZPO möglich ist (vgl. [X.], Urteil vom 13. Februar 1996 - [X.], NJW-RR 1996, 699, juris Rn. 13).

Mit einer Primäraufrechnung soll die Klageforderung zudem unmittelbar erfüllt werden, indem (auch) die eigene (Gegen-)Forderung zum Erlöschen gebracht wird (§ 389 BGB). Es handelt sich um eine vergleichbare Situation wie in dem Fall, in dem der Beklagte eine Klageforderung teilweise unter dem Vorbehalt einer erklärten Aufrechnung anerkennt, was möglich ist (vgl. [X.] ZPO/[X.], Stand: 1. September 2021, § 307 Rn. 22).

Schließlich stützt sich die beklagte [X.] zur Begründung ihrer Aufrechnung, die im weiteren Verfahren zu prüfen ist, selbst auf die Tatsachen, die das beiden Ansprüchen zugrundeliegende Rechtsverhältnis begründen (vgl. oben II. 2. a)). Sie kann daher nicht widerspruchsfrei hierzu anders als bisher vortragen, ohne ihrer eigenen Aufrechnung die Grundlage zu entziehen.

Diese Gründe rechtfertigen es, keinen Unterschied dazwischen zu machen, ob die Primäraufrechnung die Höhe der Klageforderung ganz oder nur teilweise erreicht oder ob ein Anerkenntnis unter Vorbehalt der Aufrechnung erklärt wird.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

[X.]     

      

Halfmeier     

      

Jurgeleit

      

Graßnack     

      

Sacher     

      

Meta

VII ZR 44/18

28.10.2021

Bundesgerichtshof 7. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 31. Januar 2018, Az: 11 U 205/15

§ 301 Abs 1 S 2 ZPO, § 302 Abs 1 ZPO, § 280 Abs 1 BGB, § 320 Abs 1 BGB, § 631 Abs 1 BGB, § 634 Nr 4 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2021, Az. VII ZR 44/18 (REWIS RS 2021, 1495)

Papier­fundstellen: MDR 2022, 116-117 NJW 2022, 1144 REWIS RS 2021, 1495 WM 2022, 2289 REWIS RS 2021, 1495

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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