Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2000, Az. XI ZR 193/99

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 2477

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:18. April 2000Weber,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: [X.] § 3 Abs. 2 Nr. 2§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG (Ausnahme vom Einwendungsdurchgriff des § 9Abs. 3 VerbrKrG) setzt nicht voraus, daß der Kredit grundpfandrechtlichvollständig durch einen entsprechenden Wert des belasteten [X.] oder gar der Beleihungsrahmen gemäß §§ 11, 12 [X.] einge-halten ist.[X.], Urteil vom 18. April 2000 - [X.] - [X.] LG Gera- 3 -Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündlicheVerhandlung vom 18. April 2000 durch [X.] [X.] Siol, [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel der [X.] werden das [X.] 5. Zivilsenats des [X.] vom 8. Juni 1999 aufgehoben und das [X.] 9. Zivilkammer des [X.] vom [X.] abgeändert, soweit zum Nachteil der [X.] ist.Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Von Rechts wegen- 4 -Tatbestand:Der Kläger wendet sich gegen die Vollstreckung der [X.] aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde.Der Kläger, Geschäftsführer einer Wohnungsgenossenschaft [X.], und seine Ehefrau (im folgenden: Eheleute) wurden durcheinen Vermittler veranlaßt, im Rahmen eines steuersparenden [X.] eine angeblich fest vermietete Eigentumswohnung in [X.] von 180.420 DM einschließlich Nebenkosten zu erwerben. [X.], bei dem sich die Eheleute vertreten ließen, [X.] am 29. Oktober 1993 geschlossen.Die Beklagte, die der Verkäuferin Ende 1993 zur Zwischenfinan-zierung des Projekts einen Kredit in Höhe von 1,5 Mio. DM eingeräumtund den Verkehrswert der genannten Eigentumswohnung [X.] DM ermittelt hatte, gewährte den Eheleuten mit Vertrag vom22. Februar/12. März 1994 zwei Darlehen in Höhe von insgesamt180.000 DM. Zur Absicherung bestellten die Eheleute an der Eigen-tumswohnung zugunsten der [X.] eine Grundschuld, übernahmendie persönliche Haftung und unterwarfen sich der sofortigen Zwangs-vollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.Erstmals im Juli 1994 besichtigte der Kläger die Eigentumswoh-nung. Er stellte fest, daß sie erhebliche Baumängel aufwies und nichtvermietet war. Die Eheleute fochten daraufhin den Kaufvertrag gegen-über der Verkäuferin wegen arglistiger Täuschung an. Mit Zustimmungder [X.] verkauften sie am 25. September 1996 die [X.] und überwiesen davon 60.000 DM an die [X.], die die Darlehen alsbald fällig [X.] ist der Ansicht, die Zwangsvollstreckung der [X.] aus der notariellen Urkunde sei unzulässig. Er könne nach [X.] des sogenannten Einwendungsdurchgriffs (§ 9 Abs. 3VerbrKrG) die Rückzahlung des Kredites verweigern, da er den [X.] Kaufvertrag wirksam angefochten habe. Auch habe die [X.] nicht darüber aufgeklärt, daß der Kaufpreis nach ihren [X.] um mehr als 70% über dem tatsächlichen Wert der Eigen-tumswohnung gelegen habe.Das [X.] hat die Zwangsvollstreckung aus der notariellenUrkunde in Höhe des 18.203,85 DM zuzüglich Zinsen übersteigendenBetrages für unzulässig erklärt und die weitergehende Klage abgewie-sen. Das [X.], dessen Urteil in [X.], 1554 [X.] ist, hat die Berufung der [X.] und die Anschlußberufung [X.] zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die [X.] weiter.Entscheidungsgründe:Die Revision ist begründet. Sie führt zur vollständigen Abweisungder Klage.[X.] Berufungsgericht hat im wesentlichen [X.] -Ein Einwendungsdurchgriff wegen der Anfechtung des Kaufver-trages komme zugunsten des [X.] nicht in Betracht. § 9 [X.] nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf Kreditverträge keine Anwen-dung, nach denen der Kredit durch ein Grundpfandrecht abgesichertsei. Das gelte auch, wenn - wie hier - die Grundschuld die Darlehens-forderung nur unvollständig decke.Der Kläger habe gegenüber der [X.] aber einen [X.] wegen Verschuldens bei Vertragsschluß; denn sie habenicht über das ihr bekannte Mißverhältnis zwischen dem Wert der Ei-gentumswohnung und dem von den Eheleuten dafür zu [X.] aufgeklärt. Zwar sei eine kreditgebende Bank - namentlichbei steuersparenden Bauherren- oder Erwerbermodellen - grundsätzlichnicht verpflichtet, den Darlehensnehmer über die Risiken der von ihmbeabsichtigten Verwendung des Darlehens aufzuklären. [X.] gelte jedoch etwas anderes, wenn sie - wie hier - in Bezug auf diespeziellen Risiken des finanzierten Vorhabens einen konkreten Wis-sensvorsprung habe. Die Beklagte habe aufgrund des von ihr einge-holten Gutachtens gewußt, daß der Wert der vom Kläger erworbenenWohnung um 74% hinter dem Kaufpreis zurückblieb. Das Mißverhältniszwischen dem Kaufpreis und dem von der [X.] ermittelten [X.] Eigentumswohnung sei so gravierend, daß sich der [X.] derEindruck eines sittenwidrigen Geschäfts oder der arglistigen [X.] geradezu habe aufdrängen müssen. Es komme nicht darauf an,ob die Beklagte gewußt habe, daß der Kläger das Objekt nicht in [X.] genommen oder sich in sonstiger Weise hierüber informierthatte. Aus den Umständen habe sich der [X.] diese Vermutungaufdrängen müssen. Abgesehen von dem Mißverhältnis zwischen [X.] und Wert des Objekts sei augenfällig, daß der Kläger von einerdirekten Kontaktaufnahme mit der [X.] und Erörterungen des Ge-- 7 -schäfts geradezu "abgeschirmt" worden sei. Die Beklagte habe diefehlende Kontaktaufnahme auch nicht etwa als Verzicht auf eine ge-schuldete Aufklärung verstehen dürfen. Vielmehr habe dies der [X.]n besondere Veranlassung geben müssen, ein Gespräch mit [X.] zu suchen und die Situation zu besprechen. Der Kläger müssesich allerdings ein erhebliches Mitverschulden nach § 254 BGB an-rechnen lassen, weil er es leichtfertig unterlassen habe, sich vor [X.] der Verträge das Kaufobjekt auch nur von außen anzusehen.[X.] Ausführungen halten in wesentlichen Punkten rechtlicherPrüfung nicht stand. Die Beklagte hat sich nicht wegen unterlassenerAufklärung des [X.] schadensersatzpflichtig gemacht.1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Be-rufungsgerichts: Bei steuersparenden [X.] ist die Bank nur unter ganz besonderen Voraussetzungen zur Risi-koaufklärung über das zu finanzierende Geschäft verpflichtet, weil [X.] davon ausgehen darf, daß die Kunden entweder selbst überdie notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder daß siesich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. [X.] sich auch hier aus den besonderen Umständen des [X.] und Hinweispflichten der Bank ergeben. Das kann - [X.] Berufungsgericht zutreffend ausführt - etwa dann der Fall sein,wenn sie in bezug auf die speziellen Risiken des Vorhabens einen kon-kreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies aucherkennen kann (vgl. Senatsurteile vom 3. Dezember 1991 - [X.], [X.], 133 (insoweit in [X.]Z 116, 209 nicht abgedruckt)- 8 -und vom 31. März 1992 - [X.], [X.], 901, 902 m.w.Nachw.;[X.], Urteil vom 11. Februar 1999 - [X.], [X.], 678, 679).2. Ein solcher zur Aufklärung verpflichtender [X.] hier, anders als das Berufungsgericht gemeint hat, nicht vor.a) Kenntnisse der Bank über den Zustand des zu finanzierendenObjekts begründen regelmäßig keinen Wissensvorsprung über spezi-elle Risiken, der zur Aufklärung des Kreditsuchenden verpflichtenkönnte. Die Bank darf davon ausgehen, daß der Kunde sich über [X.] der Immobilie selbst ins Bild gesetzt hat (Senatsurteil vom3. Dezember 1991 - [X.], [X.], 133, 134 m.w.[X.] hat deshalb zu Recht - allerdings in anderem [X.] - das Verhalten des [X.], eines Geschäftsführers [X.], die Eigentumswohnung unbesehen zukaufen, als leichtfertig bewertet. Mit einem solchen leichtfertigen [X.] brauchte die Beklagte nicht zu rechnen.b) Nicht ausreichend zur Begründung einer Aufklärungspflicht istnach ständiger Rechtsprechung des [X.] grundsätzlichauch ein Wissensvorsprung der Bank darüber, daß der vom [X.] zahlende Kaufpreis in keinem angemessenen Verhältnis zum [X.] zu erwerbenden Objekts steht (vgl. [X.], Urteile vom 15. [X.] - [X.], [X.], 1426, 1428, 21. Januar 1988 - [X.], [X.], 561, 563, 31. März 1992 - [X.], [X.],901, 903 und vom 11. Februar 1999 - [X.], [X.], 678,679). Das kann allenfalls dann anders zu beurteilen sein, wenn dieBank bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts von [X.] sittenwidrigen Übervorteilung des Kunden durch den [X.] 9 -ner ausgehen muß. Das ist hier - entgegen der Ansicht des Berufungs-gerichts - nicht der Fall.Nicht jedes, auch nicht jedes auffällige Mißverhältnis zwischenLeistung und Gegenleistung führt zur Sittenwidrigkeit eines Rechtsge-schäfts. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] kannvon einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Ge-genleistung, das eine Vermutung für die subjektiven Voraussetzungender Sittenwidrigkeit begründet, dann ausgegangen werden, wenn derWert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegen-leistung (vgl. z.B. [X.]Z 125, 218, 227; [X.], Urteile vom 9. [X.] - VIII ZR 233/95, [X.] 1997, 230, 232, vom 21. März 1997 - [X.], [X.] 1997, 1155, 1156 und vom 26. November 1997 - [X.], [X.] 1998, 932, 934 m.w.[X.] einem solchen Mißverhältnis kann hier selbst dann [X.] sein, wenn man mit dem Berufungsgericht dem von der [X.]für interne Zwecke geschätzten Grundstückswert von 104.000 DM ei-nen Kaufpreis von 180.420 DM gegenüberstellt. Hinzu kommt, daß- worauf die Revision zutreffend hinweist - bei dem anzustellendenVergleich nicht von 180.420 DM, sondern von einem niedrigeren Betragausgegangen werden muß. In dem von den Eheleuten zu [X.] sind nämlich alle Nebenkosten enthalten wie Grunderwerbs-steuer, Notar- und Grundbuchkosten, Provisionen und Gebühren [X.] und Finanzierungsvermittlung.Über die verbleibende Überteuerung mußte nicht einmal die Ver-käuferin der Eigentumswohnung aufklären. Nichts spricht dafür, [X.] als finanzierenden Bank insoweit gleichwohl eine Aufklä-rungspflicht aufzuerlegen. Es war vielmehr Sache des [X.], die [X.] -gemessenheit des Kaufpreises der Eigentumswohnung zu klären. [X.] einer Wohnungsgenossenschaft mit einem monatlichenBruttoeinkommen von fast 9.000 DM wäre er dazu - gegebenenfalls [X.] Hilfe - auch ohne weiteres in der Lage gewesen.c) Die Beklagte hatte auch nicht Kenntnis von sonstigen Umstän-den, die eine sittenwidrige Schädigung des [X.] durch den [X.] hätten nahelegen können. Inwiefern sich ihr - wie das Be-rufungsgericht meint - hätte aufdrängen müssen, daß der Kläger "[X.] direkten Kontaktaufnahme mit der [X.] und [X.] Geschäfts geradezu abgeschirmt wurde," hat das [X.] dargelegt. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich.II[X.] Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründenals richtig dar.Einwendungen des [X.], die einer Vollstreckung aus der [X.] Urkunde entgegenstehen könnten, bestehen nicht. Die Anfech-tung des Kaufvertrages berührt die Darlehensforderungen der [X.] nicht. Die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Einwendungsdurch-griff gemäß § 9 VerbrKrG komme hier schon deshalb nicht in Betracht,weil diese Vorschrift nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf das Darle-hensverhältnis der Parteien keine Anwendung finde, ist nicht zu [X.]. Der gewährte Kredit ist von der Sicherung durch ein Grund-pfandrecht abhängig gemacht und zu den für grundpfandrechtlich ab-gesicherte Kredite üblichen Bedingungen gewährt worden. § 3 Abs. 2Nr. 2 VerbrKrG stellt entscheidend auf die Zinshöhe und die [X.] ab. Er setzt nicht voraus, daß der Kredit grundpfand-rechtlich vollständig durch einen entsprechenden Wert des belastetenGrundstücks gesichert oder gar der Beleihungsrahmen gemäß §§ 11,12 [X.] eingehalten ist. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut [X.]. Die Einhaltung einer bestimmten Beleihungsgrenze zähltnicht zu den "Bedingungen" des Kredits, sondern liegt auf der [X.] Motivs der Kreditgewährung. Eine etwaige Untersicherung fällt inden Risikobereich der Bank und kann nach dem Zweck der [X.] VerbrKrG nicht dazu führen, daß sieauch noch dem Einwendungsdurchgriff nach § 9 VerbrKrG ausgesetztwird. Überdies ist es ein Gebot der Rechtssicherheit, die Anwendungdes § 3 Abs. 2 Nr. 2 nicht von der Bewertung des jeweiligen Grund-pfandobjekts abhängig zu machen, über die häufig erhebliche Mei-nungsverschiedenheiten bestehen können (vgl. OLG Braunschweig[X.] 1998, 1223, 1226; [X.] [X.] 1998, 1230, 1233; [X.],VerbrKrG 3. Aufl. § 3 Rdn. 91; Bruchner in: Schimansky/Bunte/[X.],[X.] § 81 Rdn. 57; [X.] BuB Rdn. 3/645; a.[X.] 1996, 304, 308 [X.] Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO)und die Klage vollständig abzuweisen. Der Senat konnte in der [X.] entscheiden, da es weiterer Feststellungen nicht bedurfte (§ 565Abs. 3 Nr. 1 ZPO).Nobbe [X.] [X.] [X.] Dr. Joeres

Meta

XI ZR 193/99

18.04.2000

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.04.2000, Az. XI ZR 193/99 (REWIS RS 2000, 2477)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 2477

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