Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2008, Az. VI ZR 244/07

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1989

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES [X.] ZR 244/07 Verkündet am: 16. September 2008 [X.], Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 256, BGB § 823 Abs. 1 [X.], BGB § 1004; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 12 a) Zur Zulässigkeit der Klage eines Theaterverlags auf Feststellung, dass der [X.], Aufführung und Veröffentlichung eines Theaterstücks [X.] nicht entgegenstehen. b) Zur Frage der Verletzung des postmorta[X.] Persönlichkeitsrechts bei kunstspezifi-scher Betrachtung eines Theaterstücks mit Wirklichkeitsbezug unter Vermengung tatsächlicher und fiktiver Schilderungen ("Ehrensache").
[X.], Versäumnisurteil vom 16. September 2008 - [X.]/07 - [X.]

[X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. [X.] und [X.], Pauge, [X.] und Zoll für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 15. Zivilsenats des [X.] vom 18. September 2007 aufgehoben. Die Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 14. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Von Rechts wegen

Tatbestand: Die Beklagte ist die Mutter der am 31. Mai 2004 verstorbenen [X.] Die damals 14 Jahre alte Tochter wurde auf einem Parkplatz von einem [X.] Heranwachsenden nach einem gemeinsam mit der 13jährigen Freundin von [X.] und einem Freund des [X.] unternommenen Ausflug mit zahlreichen Messer-stichen getötet. Die Freundin wurde von dem Freund des [X.] ebenfalls mit Messerstichen lebensgefährlich verletzt. Das Tatgeschehen erregte wegen [X.] Brutalität großes Aufsehen und war als sogenannter "[X.] Mädchen-mord-Fall" Gegenstand bundesweiter Medienberichte. Die beiden Täter sind rechtskräftig zu langjährigen Jugendstrafen verurteilt worden. 1 - 3 - Die Klägerin ist der Theaterverlag des Dramatikers [X.], der im Jahr 2005 im Auftrag der [X.] das Jugendthe-aterstück "Ehrensache" schrieb. Die Verwertung sämtlicher Urheberrechte ein-schließlich aller Nebenrechte an dem Stück übertrug er der Klägerin, die [X.] Aufführungsrechte an verschiedene Theater vergab. Am 9. Dezember 2005 wurde das Stück uraufgeführt. 2 Die Beklagte hat sich in zahlreichen gerichtlichen Verfahren gegen Auf-führungen des Stücks gewandt. Sie sieht in dem Bühnenstück "Ehrensache" eine teilweise detailgetreue Darstellung des Geschehens um den Tod ihrer Tochter, die in der Hauptfigur der "El[X.]a" unschwer wiederzuerkennen sei. Durch die Konzentration auf charakterliche und moralische Schwächen und die Hinzudichtung unwahrer Tatsachen erscheine [X.] in der Figur der "El[X.]a" in einem extrem negativen Licht, welches das Lebensbild ihrer Tochter entstelle und deren postmorta[X.] Achtungsanspruch verletze. 3 Die Klägerin erstrebt mit der vorliegenden negativen Feststellungsklage eine verbindliche Klärung ihrer Verwertungsrechte. Sie hat geltend gemacht, der "[X.] Mädchenmord" habe lediglich als eines von verschiedenen als "Ehrenmord" apostrophierten Tötungsdelikten die Folie für das Bühnenwerk gebildet, mit dem der Autor in einem Jugendstück kulturelle Prägungen der zweiten und dritten [X.] habe thematisieren wol[X.]. Die [X.] Rekonstruktion versuche, die aus einem vermeintlichen "Ehrenkodex" resul-tierenden Motive und Konflikte offen zu legen und auf diese Weise zur Diskus-sion unter Jugendlichen anzuregen. Die Leitfiguren seien erkennbar lediglich Prototypen mit generalisierenden Zügen, sodass der Zuschauer in der Figur der "El[X.]a" nicht die Tochter der [X.] sehe. 4 - 4 - Das [X.] hat der Klage stattgegeben und gemäß dem zuletzt ge-stellten Antrag der Klägerin festgestellt, dass der Inszenierung, Aufführung und Veröffentlichung des Bühnenwerks "Ehrensache" Persönlichkeitsrechte der [X.] und ihrer verstorbenen Tochter nicht entgegenstünden. Auf die Beru-fung der [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wieder-herstellung des erstinstanzlichen Urteils. 5 Entscheidungsgründe: [X.] Über die Revision war, da die Beklagte im Revisionstermin trotz rechtzei-tiger Ladung nicht vertreten war, auf Antrag der Klägerin durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil ist jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. [X.] 37, 79, 81). 6 I[X.] Das Berufungsgericht äußert Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage, lässt diese jedoch dahinstehen, weil die Feststellungsklage jedenfalls unbegründet sei. Das Bühnenstück "Ehrensache" verletze in rechtswidriger Weise das postmortale Persönlichkeitsrecht der in der Figur der "El[X.]a" ohne weiteres erkennbaren Tochter der [X.], weil es deren Intimleben in unzu-lässiger Weise vor der Öffentlichkeit ausbreite und deren Lebensbild schwer-wiegend verfälsche und entstelle. Auch wenn das Bühnenstück durchaus eine achtenswerte Zielsetzung habe, müsse die Beklagte als Hüterin des [X.] - 5 - [X.] Persönlichkeitsrechts ihrer Tochter die Inszenierung, Aufführung und Veröf-fentlichung des Stücks jedenfalls so lange nicht dulden, wie die Erinnerung an die Tat und die Lebensumstände ihrer Tochter noch wach sei, wovon nach der bislang verstrichenen [X.] von lediglich etwas mehr als drei Jahren ausgegan-gen werden könne. II[X.] Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 8 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestehen gegen die Zulässigkeit der Klage keine Bedenken. 9 a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Gegenstand einer Feststellungsklage grundsätzlich die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines ge-genwärtigen Rechtsverhältnisses sein. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimm-te, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen (vgl. [X.] 22, 43, 47; [X.], Urteile vom 31. Mai 2000 - [X.] - NJW 2000, 2663, 2664 und vom 7. Juni 2001 - [X.] - NJW 2001, 3789). Vorliegend ist das Klagebegehren dahin zu verstehen, dass die Klägerin die Feststellung begehrt, dass zwischen ihr und der [X.] ein bestimmtes Rechtsverhältnis nicht besteht. 10 Der [X.] eines Rechtsstreits ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Für die Auslegung von [X.], die der erkennende Se-nat als Revisionsgericht selbst vornehmen kann (vgl. [X.] 4, 328, 334; [X.], Urteil vom 29. Juni 2000 - [X.] - NJW-RR 2001, 620, 623 m.w.[X.]), ist - ebenso wie bei materiell-rechtlichen Wil[X.]serklärungen - nicht allein der [X.] - 6 - laut maßgebend. Entscheidend ist vielmehr der erklärte Wille, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann. Für die Auslegung eines Klageantrags ist daher auch die Klagebegründung heran-zuziehen (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 1997 - [X.] - NJW-RR 1998, 1005). Im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung ver-nünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. [X.] vom 6. Juni 2000 - [X.] ZR 172/99 - [X.], 1521, 1522 m.w.[X.]). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist Gegenstand des Rechtsstreits nicht allein die Frage der Rechtswidrigkeit einer bereits erfolgten (vgl. dazu Senatsurteil [X.] 68, 331, 332 f.) oder aber für die Zukunft [X.] Persönlichkeitsrechtsverletzung. Das in Form einer negativen Feststel-lungsklage geltend gemachte Begehren der Klägerin ist umfassender. Streitge-genstand einer negativen Feststellungsklage ist das Rechtsverhältnis, dessen Nichtbestehen die klagende [X.] gerichtlich festgestellt wissen will (Zöl-ler/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., Einleitung, Rn. 78 m.w.[X.]). Dieses ist vorlie-gend der Anspruch der [X.] auf Unterlassung der Aufführung und Verbrei-tung des Bühnenstücks "Ehrensache". Der Sache nach erstrebt die Klägerin die Feststellung, dass dieser Anspruch nicht besteht. Der Umstand, dass die [X.] bislang nur einzelne Theater, nicht aber die Klägerin auf Unterlassung in Anspruch genommen hat, bedeutet nicht, dass zwischen den [X.]en dieses Rechtsstreits kein Rechtsverhältnis besteht. Die Beklagte hat die von ihr ge-genüber den Theatern erhobenen Unterlassungsansprüche nämlich nicht allein auf die Ausgestaltung der jeweiligen Inszenierung gestützt, sondern - ebenso wie im vorliegenden Rechtsstreit - die von ihr geltend gemachte Verletzung des Persönlichkeitsrechts in erster Linie in dem Theaterstück selbst gesehen. Ihr geht es nicht um ein Aufführungsverbot hinsichtlich bestimmter, das [X.] besonders beeinträchtigender Szenen oder Inszenierungen, sondern darum, generell eine Veröffentlichung und Verbreitung des von ihr [X.] - 7 - ten Dramas in der vorliegenden Fassung zu verhindern. Die Beklagte macht nicht etwa geltend, dass die Klägerin aus urheberrechtlichen Gründen das Werk nicht verbreiten dürfe (vgl. dazu [X.], Urteil vom 7. Juni 2001 - [X.] - aaO), sondern sieht vielmehr in der Verbreitung, zu der auch die Übertragung der Verwertungsrechte zählt, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Damit stellt sich die Frage der Zulässigkeit der Verbreitung des Werks auch zwischen den [X.]en dieses Rechtsstreits, denn mit der Übertragung der Verwertungs-rechte ist die Klägerin selbst unmittelbar an der Verbreitung beteiligt. Mithin [X.] die von der [X.] beanspruchte Unterlassung auch ein zwischen ihr und der Klägerin bestehendes Rechtsverhältnis. b) Das für die Zulässigkeit der Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist gegeben, wenn dem Recht oder der Rechtslage der klagenden [X.] eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht und wenn das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen ([X.] 69, 144, 147; [X.], Urteil vom 7. Februar 1986 - [X.] - NJW 1986, 2507 m.w.[X.]). Als Inhaberin der Verwertungsrechte hat die Klägerin ein schützens-wertes Interesse daran, dass die durch das Vorgehen der [X.] gegen ein-zelne Theater entstandene Unsicherheit bezüglich der Rechtsfrage beseitigt wird, ob das Theaterstück veröffentlicht werden darf und von den Bühnen, de-nen die Klägerin die Verwertung der Urheberrechte übertragen hat oder zukünf-tig überträgt, ungehindert aufgeführt werden kann oder ob die Beklagte die [X.] und Verbreitung des Werks durch Geltendmachung von Unterlas-sungsansprüchen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts verbieten lassen kann. 13 - 8 - Dem steht vorliegend nicht entgegen, dass bei einer negativen Feststel-lungsklage das rechtliche Interesse des [X.] regelmäßig aus einer vom [X.] aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmung") der vom Kläger ver-neinten Rechtslage entsteht ([X.] 91, 37, 41; [X.], Urteil vom 22. März 1995 - [X.] - NJW 1995, 2032, 2033 m.w.[X.]). Eine ausdrückliche Berüh-mung des potentiel[X.] Gläubigers ist dafür nämlich nicht erforderlich. Ein Fest-stellungsinteresse kann bereits gegeben sein, wenn der Kläger befürchten muss, dass ihm der Beklagte aufgrund seines vermeintlichen Rechts ernstliche Hindernisse entgegensetzen werde. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Beklagte mit einer nach Treu und Glauben zu erwartenden eindeutigen Erklä-rung zurückhält ([X.] 69, 37, 46 m.w.[X.]). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, da die Beklagte nach den vom Berufungsgericht getroffenen [X.] verlangte Unterlassungsverpflichtungserklärung, die zur [X.] der entstandenen Rechtsunsicherheit geeignet gewesen wäre, nicht abgegeben hat. Im Hinblick darauf kann offenbleiben, ob das aufseiten der Klä-gerin erforderliche Feststellungsinteresse unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht schon im Hinblick darauf zu bejahen ist, dass die Beklagte sich gegenüber zahlreichen Theatern eines Anspruchs auf Unterlas-sung der Aufführung und damit auch der Verbreitung des Theaterstücks be-rühmt hat. 14 2. Die Klage ist auch begründet. Der Inszenierung, Aufführung und [X.] des Bühnenwerks "Ehrensache" stehen Persönlichkeitsrechte der [X.] und ihrer verstorbenen Tochter nicht entgegen. 15 a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verletzt das [X.] "Ehrensache" nicht das postmortale Persönlichkeitsrecht der Tochter der [X.]. Anerkannt ist, dass die Persönlichkeit des Menschen über den Tod hinaus geschützt wird. Dies folgt aus dem Grundrecht des Art. 1 Abs. 1 GG, 16 - 9 - wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Demgegenüber kann das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nur einer lebenden Person zukommen, weil dieses auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit gerichtete Grundrecht die Existenz einer wenigstens potentiell oder zukünftig handlungsfähigen Person, also eines lebenden Menschen als unabdingbar voraussetzt (vgl. [X.] 30, 173, 194 = NJW 1971, 1645, 1647; Senatsurteil vom 6. Dezember 2005 - [X.] ZR 265/04 - [X.], 276 m.w.[X.]). Die Schutzwirkungen des postmorta[X.] [X.] sind nicht identisch mit denen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG für den Schutz lebender Personen ergeben. [X.] geschützt wird zum einen der allgemeine Achtungsanspruch, der dem Menschen als solchem zusteht, zum anderen der sittliche, personale und [X.] Geltungswert, den die Person durch ihre eigene Lebensleistung erwor-ben hat ([X.], [X.], 161 = NJW 2008, 1657 [LS]). Steht fest, dass eine Handlung das postmortale Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt, ist zugleich ihre Rechtswidrigkeit geklärt. Der Schutz kann nicht etwa im Zuge einer Güterabwä-gung relativiert werden (vgl. [X.], [X.], 1252, 1254; [X.], NJW 2006, 3409). Wenn - wie hier - zu untersuchen ist, ob ein dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehendes Kunstwerk die Menschenwürde eines Verstorbenen beein-trächtigt, kommt es auf eine Interpretation des Aussagegehalts dieses Kunst-werks an. Bei dieser Interpretation sind die Besonderheiten der künstlerischen Ausdrucksform zu berücksichtigen. Zu den Spezifika literarischer Kunstformen wie etwa eines zeitgenössischen Theaterstücks gehört, dass solche Stücke zwar häufig an die Realität anknüpfen, der Künstler dabei aber eine neue ästhe-tische Wirklichkeit schafft. Das erfordert eine kunstspezifische Betrachtung zur Bestimmung des durch das Theaterstück im jeweiligen [X.] nahe gelegten Wirklichkeitsbezugs, um auf dieser Grundlage die Schwere der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts bewerten zu [X.] - nen. Die künstlerische Darstellung ist an einem kunstspezifischen, ästhetischen Maßstab zu messen. Dabei ist zu beachten, ob und inwieweit das "Abbild" ge-genüber dem "Urbild" durch die künstlerische Gestaltung des Stoffs und seine Ein- und Unterordnung in den Gesamtorganismus des Kunstwerks so verselb-ständigt erscheint, dass das Individuelle, [X.] zugunsten des [X.], Zeichenhaften der "Figur" objektiviert ist. Ein literarisches Werk, vor-liegend ein Theaterstück, ist zunächst als Fiktion anzusehen, das keinen Fakti-zitätsanspruch erhebt. Die Vermutung der Fiktionalität gilt im Ausgangspunkt auch dann, wenn hinter den Figuren reale Personen als Urbilder erkennbar sind ([X.], NJW 2008, 39, 42; Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - [X.] ZR 252/07 - [X.], 1080, 1081). Wie das [X.] nach Erlass des Berufungsurteils in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der [X.], die in einem Parallelverfahren gegen ein Theater unterlegen war ([X.], [X.] 2007, 92, nachfolgend: [X.], Beschluss vom 16. Mai 2007 - 3 U 258/06), ent-schieden hat, wird bei [X.] Betrachtung die Menschenwürde der verstorbenen Tochter der [X.] durch das Theaterstück nicht angetastet. 18 Die Beklagte macht eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts mit der Begründung geltend, ihre Tochter werde in dem Theaterstück verzerrt und ein-seitig negativ dargestellt. Damit kann sie keinen Erfolg haben. Dem [X.] "Ehrensache" dienten die Ereignisse um die Tötung der Tochter der [X.] als Vorlage. In dem Stück werden episodenhaft und zum Teil in Form von Rückb[X.]den der Ablauf des Tages bis zur Tat und Ereignisse aus dem Leben der getöteten "El[X.]a" erzählt, deren Figur an die Tochter der [X.] angelehnt ist. Soweit diese beanstandet, in dem Theaterstück würden Bege-benheiten gezeigt, die sich so nicht zugetragen hätten, begründet dies keine Verletzung der Menschenwürde. Mit dieser Begründung macht die Beklagte 19 - 11 - dem Autor des Theaterstücks gerade die Fiktionalität seines Werks zum [X.]. Nicht schon dadurch, dass eine bestimmte Person erkennbar Vorbild einer Figur in einem literarischen Kunstwerk ist, wird dem Leser oder Zuschauer nahe gelegt, alle Handlungen und Eigenschaften dieser Figur dieser Person zuzu-schreiben. Für ein literarisches Werk, das an die Wirklichkeit anknüpft, ist viel-mehr kennzeichnend, dass es tatsächliche und fiktive Schilderungen vermengt. Unter diesen Umständen verfehlte es den Grundrechtsschutz solcher Literatur, wenn man die Persönlichkeitsrechtsverletzung bereits in der Erkennbarkeit als Vorbild einerseits und in bestimmten negativen Zügen der Figur andererseits sähe (vgl. [X.] NJW 2008, 39, 42; Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - [X.] ZR 252/07 - aaO). Die Beklagte bringt über die bloße Erkennbarkeit ihrer Tochter als Vorbild der Figur der "El[X.]a" hinaus keine Anhaltspunkte vor, die es nahe legen würden, bestimmte in dem Stück dargestellte Ereignisse als tatsächlich geschehen und damit die grundsätzlich geltende Vermutung der Fiktionalität daher als widerlegt anzusehen. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersicht-lich, zumal die Beklagte sich zu einem beträchtlichen Teil gegen Passagen wendet, in denen andere Figuren, deren Unzuverlässigkeit im Laufe des Stücks sogar ausdrücklich thematisiert wird, Handlungen und Eigenschaften der Figur der "El[X.]a" schildern und bewerten ([X.], [X.], 161 = NJW 2008, 1657 [LS]). Wie die Revision mit Recht geltend macht, tastet das Theaterstück die Menschenwürde der Tochter der [X.] auch insoweit nicht an, als in ihm Handlungen mit sexuellem Gehalt geschildert oder gezeigt werden. Zwar kann die realistische und detaillierte Schilderung solcher Handlungen lebender Per-sonen in einem literarischen Text die absolut geschützte Intimsphäre des Be-troffenen beeinträchtigen und deshalb unzulässig sein. Inwieweit sich dieser Gesichtspunkt auf das postmortale Persönlichkeitsrecht übertragen lässt, [X.] hier indes keiner Entscheidung. Eine Beeinträchtigung der Intimsphäre 20 - 12 - setzt jedenfalls voraus, dass der Text es nahe legt, die geschilderten Handlun-gen als Berichte über tatsächliche Ereignisse zu begreifen, etwa weil es sich um realistische und detaillierte Beschreibungen von Geschehnissen handelt, die der Autor selbst erlebt hat, und intime Details einer Frau geschildert werden, die deutlich als tatsächliche Intimpartnerin des Autors erkennbar ist (vgl. [X.] NJW 2008, 39, 44; Senatsurteil vom 10. Juni 2008 - [X.] ZR 252/07 - aaO). [X.] fehlt es hier. Schließlich bedarf das postmortale Persönlichkeitsrecht der Tochter der [X.] auch nicht deshalb besonderen Schutzes, weil sie zum [X.]punkt ihres Todes noch minderjährig war. Der verstärkte Schutz des Persönlichkeits-rechts Minderjähriger findet seinen Grund in dem Bedürfnis, deren weitere Per-sönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten (vgl. [X.] 101, 361, 385 f. = [X.], 773, 775; [X.], NJW 2008, 39, 41; Senatsurteil vom 5. Oktober 2004 - [X.] ZR 255/03 - [X.], 125, 126 m.w.[X.]), was bei einer Verstorbe-nen nicht in Betracht kommt. 21 b) Das Bühnenstück "Ehrensache" verletzt auch nicht das durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht (vgl. [X.] 67, 213, 228 = NJW 1985, 261; Senatsurteil vom 11. März 2008 - [X.] ZR 189/06 - [X.], 695, 697 m.w.[X.]) der [X.]. Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, wird die Mutter der "El[X.]a" in dem Bühnenstück "Ehrensache" nicht dargestellt. Sie findet nur mittelbar Erwähnung, indem ein Streit zwischen den Eltern als Beweggrund für das Verhalten von "El[X.]a" an-gegeben wird. Auch insoweit sind indessen keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es nahe legen würden, diese in dem Stück dargestellte Vorgeschichte als tat-sächlich geschehen anzusehen. Die grundsätzlich geltende Vermutung der Fik-tionalität ist auch insoweit nicht widerlegt. 22 - 13 - IV. 23 [X.] beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. [X.] [X.] Pauge [X.] Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 14.02.2007 - 28 O 292/06 - O[X.], Entscheidung vom 18.09.2007 - 15 U 64/07 -

Meta

VI ZR 244/07

16.09.2008

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.09.2008, Az. VI ZR 244/07 (REWIS RS 2008, 1989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1989

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